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Titel:Der polytoxe Totalabsturz
Droge:Kath
Autor:Antonio Peri
Datum:04.07.2014 02:44
Nützlichkeit:8,97 von 10 möglichen   (171 Stimmen abgegeben)

Bericht::

Drogen: Alkohol, Benzodiazepine, diverse RCs – speziell der RC-Upper Ethyl-Cathinon, uvm. (nur die wirklich für mich problematisch gewordenen hier in der Überschrift explizit erwähnt)



Set: furchtbar



Setting: meist bei mir Zuhause oder bei Freunden



Das hier ist ein Langzeitbericht und zugleich eine Aufforderung für jeden User sich immer im Auge zu behalten und den eigenen Konsum kritisch zu beleuchten, um nicht die selben Fehler zu machen, die mir unterlaufen sind und für die ich nun die Rechnung erhalte. Ich schreibe dies auch als Warnung gerade für diejenigen unter uns, die bislang immer sehr gut und über viele Jahre mit dem Konsum verschiedener Drogen klarkamen und kein problematisches Konsummuster entwickelten.



Aus bestimmten Gründen (Selbstbezichtigung) lasse ich einige Dinge, speziell Angaben zur Beschaffung, unerwähnt bzw. schneide sie nur kurz an. Ich hoffe dabei auf Euer Verständnis für diese fehlende Information. Sie fehlt eben nicht aus Ungenauigkeit, sondern zum Schutz für mich und andere. Wenn ich also nur von "leichter Verfügbarkeit" spreche, geschieht dies aus gutem Grund.



Früher bin ich eigentlich immer recht gut mit diversen Drogen klargekommen – okay, im Bezug auf Cannabis hatte ich es schon mal etwas übertrieben, aber das war – im Vergleich zum letzten Jahr, nicht wirklich ein großes Problem.



Auch verfügte ich über genug Erfahrungen um eigentlich zu wissen was ich tat. Ein unwissendes Opfer bin ich daher wirklich nie gewesen – auch mache ich niemanden außer mir selbst für meinen ausufernden Konsum verantwortlich. Weder meine "Drogen-Infrastruktur" die mir die Beschaffung ermöglichte, noch die Person, die zu meinem emotionalen Zusammenbruch führte, der der eigentliche Auslöser für mein Handeln wider besseres Wissen war und die mich auch zugleich mit Benzos bekanntmachte, die eine Schlüsselrolle bei dieser polytoxen Orgie der letzten Zeit spielen sollten.



Wie einige hier vielleicht mitbekommen haben, hatte ich im Sommer 08 ja eine recht dramatische Romanze die traurig zu Ende ging. Vermutlich hätten andere das besser weggesteckt als ich. Aber für mich war es eben sehr einschneidend wie ich es, in meinem doch eher fortgeschrittenem Alter, nicht mehr für möglich gehalten hätte.



Gerade in dieser Zeit kamen dann so einige, aus heutiger Sicht als ungünstig zu betrachtende, Faktoren zusammen: Das Ende meiner Beziehung zog sich als eine Art Rosenkrieg noch über einige Monate hin, so daß ich dabei und auch noch danach in einem permanenten emotionalen Ausnahmezustand war. Das soll natürlich keine Entschuldigung für den dann folgenden exzessiven und wahllosen Drogenkonsum sein – aber doch sehr wohl eine Erklärung dafür, warum ein Mensch, der bis dahin doch einen recht vernünftigen Umgang mit Drogen hatte – auch wenn eine gewisse Suchtdisposition nicht abzustreiten ist, plötzlich völlig die Kontrolle über den Konsum verlieren kann.



Wie schon erwähnt sollten Benzodiazepine eine gewisse Schlüsselrolle spielen. Hatte ich die "guten" Tabletten, die alle negativen Gefühle überdecken und in Verbindung mit Alkohol auch das Gedächtnis zuverlässig löschen, just bei meiner besagten Ex kennengelernt, sollten sie ab da meine ständigen Begleiter werden – auch wenn sie sich eher unmerklich einschlichen. In meiner desolaten emotionalen Situation war eine Sucht danach beinahe vorprogrammiert. Ganze zwei Wochen fehlen mir im letzten Sommer, an die ich mich bis heute beim besten Willen nicht mehr erinnern kann. Das war natürlich alles kontraproduktiv und trug noch dazu bei das alles schlimmer wurde als es ohnehin schon war.

Gleichzeitig verfügte ich auch plötzlich über weitaus bessere Connections im Bezug auf RCs und alles was so verschreibungfähig ist. Das zu bekommen war für mich also keinesfalls mehr ein Problem und hat mich auch nicht sonderlich viel gekostet oder war mit einem hohen Risiko verknüpft – im Gegenteil. Die Drogen kamen mehr oder minder "von selbst" zu mir – ich brauchte keinen großen persönlichen oder finanziellen Aufwand um an Medikamente oder RCs zu kommen.



In dieser Zeit fing ich an täglich Upper zu konsumieren. Meist Amphetamin, Dextro-Methamphetamin und vor allem Ethcat. Letzteres war mir sympathisch da günstig und ausreichend vorhanden und vor allem – im Gegensatz zu den beiden anderen genannten Substanzen, nicht klar illegal da nicht im BtMG – wie halt bei RCs üblich. Diverse andere RCs konsumierte ich ebenfalls in dieser Zeit – allerdings wurden die genauso wenig problematisch wie z.B. sowohl illegale Opioide (in dieser Zeit probierte ich sogar H was, ZUM GLÜCK, nicht auch noch zum Problem wurde – da muß wohl echt noch mein Schutzengel aktiv gewesen sein, denn da stelle ich mit Sicherheit eine der großen Ausnahmen dar), als auch Rezeptpflichtige Opioide wie Tramadol, Codein und Tilidin und sogar hochpotente BTM-Opis wie Buprenorphin und (mein persönlicher "Liebling") Oxycodon.



Die Konsumformen wurden auch immer härter. Durch Ketamin lernte ich die i.M.-Injektion. Diese führte ich immer selbst bei mir durch. Allerdings war meine erste, nicht von einem Arzt durchgeführte, Injektion gleich eine i.V.-Injektion. Daran erinnere ich mich gut und dieser Injektion möchte ich weder eine medizinische Indikation absprechen noch mache ich dem Freund der sie mir gab irgendwelche Vorwürfe – in dem Moment war sie ganz sicher angezeigt und noch weit davon entfernt als Mißbrauch bezeichnet zu werden – auch sträubte sich mein Bekannter durchaus da er wohl moralische Bedenken hatte, aber ich bestand darauf. Ich kam, nach einem Zerwürfnis mit meiner Ex ziemlich nahe am Nervenzusammenbruch bei ihm an und er hatte bloß noch die originale Diazepam-Injektionslösung da – keine Tabletten (die ich sonst genommen hätte – zu der Zeit hatte ich noch Angst vor Injektionen und war auf dem Gebiet unerfahren, weshalb ich mir auch nicht zutraute mir die Injektion selber zu setzen). Also injezierte er mir nach langem insistieren meinerseits 1ml (10mg) Diazepam. Das war haargenau was ich in diesem Moment gebraucht habe und es wurde auch nicht zur Gewohnheit – aber der Anfang bzgl. Konsum per Injektion war gemacht. Es sollte noch ein großes Thema werden – wenn auch erst Monate später.



Die künstliche Stärke und das aufgeblasene Selbstbewußtsein der Upper, gepaart mit der Sorglosigkeit von Benzos und mein, immer weiter steigender, Alkoholkonsum (da ich die Alkoholwirkung ja durch meinen, schon da ausufernden, Upper-Konsum nicht mehr sonderlich merkte) taten das übrige um mich immer weiter von der Realität zu entfernen und mich in einer selbst-gezimmerten Traumwelt aus Größenphantasien leben zu lassen. Der Schmerz über die zerbrochene Beziehung, der mich monatelang täglich wahnsinng gequält hat, war zuverlässig überdeckt und ich lebte voll auf einem Egotrip. Mein Upper-Verbrauch war astronomisch.

Auch holte ich mir immer öfter alle Arten von Benzos. Meist nahm ich nach durchgemachten Ethcat-Nächten 2 - 4 Alprazolam 1mg Tabletten – das glättete die Upper-Wirkung noch besser als die ganzen Flaschen Jim Beam, die ich dazu leerte. Zum schlafen brauchte ich da schon immer mindestens 40mg Diazepam. Allerdings bin ich bei den Benzos immer beim oralen Konsum geblieben und habe nicht angefangen mir Benzos als Injektionslösung zu drücken – im Gegensatz zum Ethcat. Eines morgens – das schöne "Watte-Gefühl" der Benzos war noch immer deutlich zu spüren wachte ich auf und stellte mir aus meinem Ethcat Injektionslösung her. Eine positive Sache war wohl, bei all dem grundsätzlich negativem, das ich und meine ganze Umgebung wenigstens auf saubere und medizinisch professionelle Vorgehensweise achteten, also kein klassisches Junkie-Spritzbesteck benutzten wie Löffel, Feuerzeug und Kippenfilter sondern die Lösung immer aufwendig auf Vorrat herstellten in dem wir zwei leere Ketamin Injektionsflaschen benutzten. Eine nicht-sterile in die das abgewogene Pulver gefüllt wurde, was mit NaCl 0,9% aus der Apotheke vermischt wurde. Wenn sich darin das Ethcat vollständig gelöst hatte, wurde es in einer großen Spritze aufgezogen und dann mittels 0,45µm Filterhalter und 0,22µm Sterilisationsfilter durch die Gummimembran in eine sterile, leere Ketamin-Injektionsflasche gefüllt. Dann hatte man 10ml Ethcat-Injektionslösung zum i.M. oder i.V.-Gebrauch.

An besagtem Morgen also zog ich mir 1ml Lösug auf. Setzte mich hin und gab mir meine erste eigene i.V. – Injektion. Ich mußte da nicht einmal den Arm abbinden – so gute Venen hatte ich da noch. Das Gefühl war herrlich – nicht vergleichbar mit oraler, nasaler oder i.M. Applikation. Neben dem absolut geilen Kick bei der Anflutung, der noch während dem Abdrücken spürbar war, verlor das Ethcat sein typisches getriebenes Upper-Feeling – es kam viel smoother rüber und man mußte sich erstmal hinlegen.

Ab diesem Tag ballerte ich mir mein Ethcat nur noch – sämtliche anderen Konsumformen fand ich ab diesem Tag nur noch unattraktiv. Die elende Ballerei dauerte nur etwas über 2 Monate. Schnell potenzierte ich die Lösung immer höher und setzte mir locker 10 Mal pro Tag einen Schuß.



Bis zuerst meine Organe und dann auch meine Venen nicht mehr mitspielten. Ich stand kurz vor dem Nierenversagen – Details dazu erspare ich Euch. Konnte keine paar Meter mehr laufen ohne Schweißausbrüche und Koliken zu bekommen das ich fast zusammenbrach. Freunde von mir waren regelrecht erschrocken als sie mich sahen und meinten ich sähe aus wie der wandelnde Tod. Das hat mich da noch nicht sonderlich gekümmert bis meine Venen mir dann einen Strich durch die Rechnung machten, da sie einfach verstopft waren bzw. sich nach einem halben ml so zusammenzogen das ich mir keine lohnende Dosis mehr ballern konnte. So reduzierte ich dann auf 2 mal pro Tag was immer mehr Aufwand kostete und auch verdammt schmerzhaft (Ethcat-Lösung hat, je nach Potenz, einen recht niedrigen ph-Wert und auch NaCl 0,9% ist saurer als Wasser für Injektionszwecke, das allerdings schwerer bzw. nur in großen Gebinden in der Apo zu bekommen ist.) wurde. Das ich mir da körperlich nicht noch mehr kaputtgemacht habe, also nie eine Thrombose oder Infektion hatte, verdanke ich sicher zum großen Teil einfach nur Glück – zum anderen, kleineren, Teil vielleicht auch der sauberen medizinischen Vorgehensweise. Mein Verbrauch an diversen Desinfektionsmitteln in dieser Zeit war ebenfalls astronomisch. Meist nutzte ich Octenisept für mich selbst und Sterilium für die diversen Ampullen und Instrumente die ich teils in einem Ultraschallbad mit Sterilium reinigte und mit NaCl nachspülte. Wenigstens darauf habe ich geachtet. Zudem war mir auch bekannt das das Ethyl-Cathinon das ich benutzte kein "Straßen-Stoff" war und eine 100%ige Reinheit aufwies. Zudem reinigte ich das Pulver das ich zur Herstellung von Lösung benutzte ohnehin noch einmal selber indem ich es mit Aceton wusch wodurch es wieder zu einem reinen Monomer wurde. Ethcat hat nämlich die Eigenschaft mit der Zeit immer mehr zu einem Dimer zu werden und sich dabei "mit sich selbst zu verschmutzen". Die Leute die ein bißchen mit Chemie bewandert sind wissen bestimmt was ich damit meine. Die Qualität war also zumindest sichergestellt. Mit z.B. Speed von der Straße hätte ich das nie gemacht. So hielt ich den i.V.-Konsum für vertretbar - aber ich hatte halt die Rechnung ohne meine Gier und die Häufigkeit des Konsums gemacht. So kann einen auch der sauberste Stoff fast umbringen...



Endgültig von der elenden Ballerei weggekommen bin ich dann seltsamerweise (und das hat ganz bestimmt ebenfalls keinerlei Allgemeingültigkeit) durch ca. 5 Tage andauerndem Ketamin i.M.-Konsum. Danach habe ich mir vielleicht noch 5 mal Ethcat i.V. gegeben und es dann bis heute völlig eingestellt. Auch andere Sachen habe ich mir dann nicht mehr i.V. gegeben. Bis auf Oxycodon und Diazepam beschränkte sich der i.V.-Konsum ohnehin auf das Ethyl Cathinon. Das war eben meine Sache und zugleich hat es mich, wie es in Fight Club so schön heißt, "hart am Leben vorbeischrammen lassen". Ich denke es ist kein bißchen übertrieben wenn ich sage das ich wirklich sehr knapp davor war tatsächlich draufzugehen. Ich kann dankbar dafür sein, daß ich mich wieder so gut erholt habe.



Die Benzos und den Alkohol gab ich trotzdem nicht auf. Auch konsumierte ich Ethcat weiter nasal und i.M. Ab und zu holte ich mir dazu noch eine Flasche Tramadol oder konsumierte andere RCs wie MDPV, 4-HO-Met, DIPT, DPT, 2C-E, 2C-B, 5-Meo-Mipt, 4-Meo-Mipt, Methcat uvm. oder Ketamin wobei ich zum Glück, nach dem anfänglichen Extrem-Konsum samt Craving und starker psychischer Suchtentwicklung, nach einer längeren Pause und neuem Versuch mittlerweile ein vernünftiges Konsummunster hinbekam – habe also nicht mehr das Gefühl gleich Nachschub zu brauchen wenn eine Charge Keta gerade verbraucht ist, sondern kann es als besonderes Ereignis alle paar Monate mal konsumieren.



Auch die Upper habe ich nun abgesetzt. Craving bleibt noch nach Benzos, Alkohol und manchmal überkommt mich auch die Lust nach Opioiden, obwohl diese ja nie Teil meines Hauptproblems waren.



So langsam tauche ich also wieder auf (auch mit Hilfe von Psychotherapie und ADs - Zur Zeit wegen der Schlafprobleme Mirtazapin - will aber eigentlich, wegen der beim Mirtazapin fehlenden dopaminergen Wirkung auf Agomelatin wechseln - ich merke nämlich sehr deutlich das sich meine Dopamin-Rezeptoren noch lange nicht erholt haben und es gibt ja kaum Dopamin-Wiederaufnahmehemmer auf dem AD-Markt.) und fange an all die Probleme aufzuarbeiten die ich durch all das verdeckt hatte oder die noch neu dazukamen und noch alle unerledigt sind. Das wird nocheinmal eine riesige Kraftanstrengung werden und ehrlich gesagt habe ich davor ordentlich Angst. Auch mit Sport soll und werde ich in Kürze wieder anfangen. In der Zeit des heftigen EC-i.V.-Konsums habe ich mich übrigens völlig in eine Traumwelt zurückgezogen. Nicht nur hier im "Land der Träume" war ich nicht mehr anzutreffen. Weder per Computer noch per Fernsehen war ich noch mit der Außenwelt verbunden – weder Nachrichten noch irgend etwas sonst hat mich mehr interessiert – es ging einfach nur noch um den Kick und dazwischen chillen – ganze Monate habe ich so weggeworfen.

Die Welt fand in dieser Zeit nicht mehr für mich statt.



Ja – ich selber fand irgendwie nicht mehr statt.

Aus der anfänglichen Abwesenheit von Schmerz und Sorge wurde eine Abwesenheit von meiner ganzen Persönlichkeit.