Langzeit-Berichte lesen

Übersicht:

Titel:23 Jahre Cannabis
Droge:Cannabis
Autor:ehemaliges Mitglied
Datum:28.09.2014 15:19
Nützlichkeit:7,54 von 10 möglichen   (52 Stimmen abgegeben)

Bericht::

Ich spiele schon seit geraumer Zeit mit dem Gedanken, meine gesammelten Erfahrungen mit Cannabis im Speziellen und mit Drogen im Allgemeinen zu veroeffentlichen, und da ich vor einigen Wochen auf dieses Forum gestossen bin, denke ich, dass dies der geeignete Ort fuer einen solchen Bericht ist .

Wie schon im Titel erwaehnt, soll dies der Bericht ueber meine gesammelten Erfahrungen mit Cannabis werden . Es ist mit Abstand die mir am besten bekannte Droge, ich bin darueber hinaus mit folgenden Drogen in Kontakt gekommen :

-Kokain (ca 10 mal)

-Pilze (ca 20 mal)

-LSD (ca 5 mal )

-MDMA (ca 40 mal )

-Heroin (1 mal nasal )

-Speed (ca 10 mal )



Der Startschuss



Im September 1991 war es also nun soweit , ein Klassenkamerade lud mich zu meinem ersten Joint ein, den wir im Trierer Palastgarten gemeinsam rauchten ( ich erinnere mich an diesen Tag so gut als sei es erst gestern passiert ) .

Meine Grundeinstellung zu Cannabis war zu jenem Zeitpunkt positiv, da das Thema seitens meiner Eltern weder tabuisiert noch verteufelt wurde, mein Vater (der zu dem Zeitpunkt schon lange von meiner Mutter getrennt lebte ) rauchte regelmaessig Joints und meine Mutter hatte zu dem Thema eine neutrale Einstellung .

So sassen wir also im Park und rauchten meine erste Tuete, die jedoch bei mir keinerlei Wirkung zeigte . Aber meine Neugier war geweckt .

So besorgte ich mir ueber einen damaligen Freund wenige Wochen spaeter meine ersten 10 Gramm Haschisch, mit denen ich die naechsten 3 Monate lang auskommen sollte .

Meine erste selbstgebaute Tuete war ein krummes (viel zu locker gebautes ) Ding ,

welches auch noch fuerchterlich qualmte, da es damals noch keine duennen Papers gab .

Ich rauchte diesen Joint mit meiner Schwester, und wir hatten den ersten Cannabisrausch unseres Lebens . Es war eine durchaus angenehme Erfahrung, auch wenn wir kurze Zeit spaeter dann gemeinsam "abkackten" .

Die folgenden Monate rauchte ich nun in regelmaessige Abstaenden ( einmal pro Woche)

mit meinen Freunden Cannabis, wobei die Wirkung bei uns allen immer so stark einschlug, so dass ein bis zwei Tueten immer fuer den ganzen Abend genug waren .

Auch produzierte ich sehr bald meine ersten Haschkekse, deren Wirkung nochmal bei weitem die der Joints uebertraf .

Ich betrieb zu jener Zeit noch fast taeglich Laufsport (Langstrecke) im Verein und war dort auch relativ erfolgreich, so dass es ausser Frage stand, dass Kiffen auf taeglicher Basis in mein Leben zu integrieren . Dies zog sich so ueber fast 7 Jahre bis ins Jahr 1998 hin, mein Konsum blieb nahezu konstant, ich hatte ausnahmslos eine gute Zeit mit meinem steten Begleiter Cannabis, und es kamen langsam weitere Erfahrungen mit den oben genannten Drogen hinzu .





Der Abstieg in die Hoelle

Im Jahr 1998 zog ich dann von Trier nach Berlin, wo ich dann bis 2006 wohnen sollte .

Ich will aber im Voraus betonen, dass Berlin zwar meine Cannabisabhaengigkeit getriggert hat,

aber in keinster Weise der Ausloeser fuer meine dann folgenden Probleme war .

Fakt ist, dass mein Konsum drastisch stieg, ich rauchte taeglich 5-10 Joints und ich entwickelte eine dramatische psychologische Abhaengigkeit verbunden mit den psycho-sozialen Folgen :

sozialer Rueckzug, Vernachlaessigung der taeglichen Pflichten, Beschaffungszwang,Verzoegerung des persoenlichen Reifungsprozesses, Unfaehigkeit zur Problembewaeltigung und letztendlich Einstellung des Laufsports (mein bis dahin einziger roter Faden im Leben sowie Quell von Wohlbefinden und Selbstwertgefuehl ) .

1998 startete ich dann auch meinen ersten Versuch, mit dem Kiffen aufzuhoeren, mindestens 50 weitere Versuche sollten noch in den naechsten 15 Jahren folgen .

Ich schaffte es auch immer wieder, das Kiffen fuer bis zu 2 Monate einzustellen, ich fing dann wieder an zu laufen, auch koerperlich machte es mir keine Probleme,das Kiffen von heute auf morgen einzustellen, weder Einschlafprobleme noch innere Unruhe machten mir zu schaffen .

Und ploetzlich konnte ich mich wieder an meine Traeume erinnern, was mir waehrend meiner Konsumphasen voellig unmoeglich gewesen war .

Sobald ich aber durch Zufall mal wieder an einem Joint zog, war es mit allen guten Vorsaetzen geschehen . Das Schema war immer das folgende : ich sagte zu mir selbst, dass ich ja durchaus mal fuer einen Abend kiffen koenne .

Aber aus einem Abend wurde dann eine Woche , und aus einer Woche wurde ein Monat.....und schon war ich wieder gefangen in meiner Sucht .

Ich muss noch dazu sagen, dass ich in den ganzen 7 Jahren, die ich in Berlin gelebt habe, bewusst nie einen festen Dealer hatte (und auch nicht haben wollte).

Der Grund dafuer war folgender (was fuer ein weiterer Selbstbetrug ! ) : ich wollte bewusst vermeiden, eine konstante Quelle fuer Cannabis zu haben, da ich mir dadurch einbildete, dass die Beschaffung der Droge dadurch erschwert wuerde .

Aber die einzige Folge war, dass der Junkie der ich war und bin, ein taeglicher und guter Kunde der Schwarzafrikaner in den einschlaegigen Parks von Berlin wurde .

Taeglich aus dem einfachen Grund, da ich jeden neuen Tag mit dem Kiffen aufhoerte, um am folgenden Tag wieder damit anzufangen .

Trotz allem habe ich es in dieser Zeit geschafft, drei Jahre lang als Fahrradkurier zu arbeiten und eine Ausbildung zum Physiotherapeut zu machen . Aber wie schon vorher erwaehnt, habe ich mich in dieser Zeit voellig zurueckgezogen und mein persoenlicher Reifeprozess kam voellig zum Erliegen . Ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass mich das Kiffen 10 Jahre meines Lebens gekostet hat .





Die langsame Rueckkehr ins Leben



Im Jahr 2006 zog ich wieder von Berlin fort, es folgten 2 kurze Anstellungen als Physiotherapeut, die ich aber jeweils nach wenigen Monaten abbrach .

Im Jahr 2008 zog ich dann nach Frankreich, wo ich bis zum heutigen Tage lebe .

Im selben Jahr begann dann auch mein langsamer Ausstieg aus der Sucht .

Die kiffreien Phasen wurden immer laenger, ich fing wieder ernsthaft mit dem Laufsport an und ich begann wieder langsam, mich in die Gesellschaft zu integrieren (es ist zwar eine Gesellschaftsform die ich nicht gutheisse, aber es ist die zur Zeit einzig existierende, und ich bin leider gezwungen, damit zu leben, da ich nun einmal ein Teil davon bin . Meine regelmaessigen Ausfluege in die Goa-Szene machen mir die Realitaet des Alltags dabei ertraeglich . Meiner Meinung nach hat sich die Gesellschaft und seine Haltung bzw der Umgang mit den Drogenkonsumenten seit der Zeit von Christiane F. um keinen Zentimeter weiterbewegt, aber nun mal Schluss mit dem OT ) .

Ich habe mittlerweile erkannt, dass ich zwar weiterhin hochgradig suchtgefaehrdet bin und es auch immer bleiben werde, aber dass die Ganz-oder-garnicht-Methode fuer mich keine Loesung ist, da jeder gescheiterte Versuch, ganz mit dem Kiffen aufzuhoeren, nur ein weiteres Misserfolgserlebnis mit sich bringt, welches dann dem Selbstwertgefuehl schadet .

So versuche ich also nun, meine kifffreien Phasen moeglichst lange aufrechtzuerhalten, und die Rueckfaelle nicht zu dramatisieren, sondern zu versuchen, nach einem Rueckfall eben aus einem Tag vielleicht eine Woche werden zu lassen, aber halt nicht einen Monat oder mehr.

Was mir die Aufgabe aber leider enorm erschwert ist, dass meine Sucht sich ausschliesslich auf Cannabis bezieht, dh ich kann jede andere Droge problemlos hin und wieder konsumieren, ohne davon abhaengig zu werden .

Aber : jede andere Droge wirkt bei mir noch besser mit Cannabis als ohne, was jeden Drogenkonsum zu einem potentiellen Anlass zu einem weiteren Rueckfall werden laesst

( viele meiner Rueckfaelle haben so begonnen ) .

Im Moment sieht es so aus, dass ich weiterhin von Zeit zu Zeit kiffe, aber ich mache mir deshalb kein schlechtes Gewissen mehr, es passiert halt immer wieder, ich weiss, dass mich meine Cannabissucht fuer den Rest meines Lebens begleiten wird, dafuer kenne ich mich mittlerweile einfach viel zu gut .

Aber ich moechte nie wieder in meinem Leben, dass die Droge zum zentralen Thema wird,

dass sie meinen Tagesablauf, meine Stimmung, meine soziale Integritaet oder meine Existenz gefaehrdet .

Ich bin mir durchaus bewusst, dass das Problem nicht die Droge ist sondern, wie es hier in diesem Forum mal jemand gut und einfach formuliert hat, dass das Problem die Probleme sind

, und das die Droge eben oft als schnelle Loesung zur Verdraengung dieser Probleme eingesetzt wird .

Ich will hier noch einmal explizit betonen, dass ich kein Gegner von Cannabis bin, bei richtigem und gesundem Umgang kann Cannabis etwas wunderschoenes sein, die ersten 7 Jahre meines Konsums haben mir dies auf eine tolle Weise gezeigt .

Aber ich habe auch in einem sehr sehr schmerzhaften Prozess erleben muessen, wie eine Droge Besitz von mir ergriffen hat und in allen Teilen meines Lebens verheerende Schaeden angerichtet hat !!!



In diesem Sinne : passt auf Euch auf und habt eine gute Zeit mit den Drogen Eurer Wahl !