Tripbericht lesen

Übersicht:

Titel:Die Prüfungen des teonanacatl (1,5g Psilocybe Cubensis Equador)
Drogen:Psilocybinhaltige Pilze
Autor:Die_Unkrot
Datum:15.10.2005 02:17
Set:Ruhig, entspannt, konzentriert.
Setting: Im Zimmer meiner Freundin, von Störungen abgeschirmt, im Bett liegend. Kuschlig.
Nützlichkeit:8,64 von 10 möglichen   (44 Stimmen abgegeben)

Bericht:

Vor vier Tagen habe ich mich wieder auf die Reise begeben, und ich würde euch gerne davon berichten.



Alltägliches Begriffsinventar muss vor dieser Erfahrung unweigerlich kapitulieren, deshalb werde ich ganz schamlos und unbescheiden Metaphern und Konstruktionen benützen, die in meinem normalen Lebensvollzug keine oder eine falsche Bedeutung haben.

Dass der Konsum von Zauberpilzen schlicht eine biochemische Manipulation von Nervenzellen mit bestimmten Substanzen sei - das klingt nett, einleuchtend und befriedigend.

Aber bei einem Tripbericht kommt man damit nicht weit. Deshalb wird man in diesem Posting von den "Prüfungen des Pilzes", von der "Pilzgöttin", von "menschlicher Schaffenskraft" und vielem anderem komischen Zeugs lesen, denn schließlich soll dies keine pharmakologische Analyse werden, sondern ... ein Tripbericht eben. Und dazu muss ich meinen Wortschatz erweitern, so wie der Pilz mein Bewusstsein erweitert hat ... ihr seht, es geht schon los :)



Setting: Im Zimmer meiner Freundin, von Störungen weitgehend abgeschirmt, im Bett liegend. Ich hatte es also schön warm und kuschlig, MP3-Player und einige Bücher sowie Schreibzeug lagen bereit.



Set: Ich war nicht ganz sicher, was ich mir von dieser Reise erwarten sollte. Salopp gesagt hatte ich einfach Lust zu trippen, Lust auf eine außergewöhnliche Erfahrung. Ein bisschen hoffte ich auch, wieder in diesen vollkommen glücklichen Zustand versetzt zu werden, der mir von früheren Reisen bekannt war.





14:10

Ich verspeiste 1,5 Gramm selbstgezüchtete Psilocybe Cubensis "Equador" zusammen mit einem Viertelstück Pizza und viel Ketchup. Vom unangenehmen Geschmack der Pilze war nichts zu merken, er wurde völlig übertüncht. Trotzdem kam ganz leichter Ekel auf, wobei Ekel dafür ein übertriebenes Wort ist: Ich stellte schlicht einen leichten Widerwillen fest bei dem Gedanken, diese verschrumpelten, krachtrockenen Dinger essen zu müssen.



14:20

Ich liege ausgestreckt auf dem Bett und blättere in "Pflanzen der Götter" (Schultes/Hofmann), um mich ein bisschen über Ayahuasca zu informieren, da sich ein Freund in Kürze auf so einen Trip begeben will. Meine Freundin sitzt derweil am Schreibtisch und lernt. Sie ist diesmal nicht explizit als Tripsitterin engagiert, hat aber mittlerweile schon viel Erfahrung mit Menschen auf psychedelischen Reisen und ich habe keinen Zweifel daran, dass sie mir im Fall des Falles ein guter Beistand sein wird. Außerdem sind da ja noch ein paar Tabletten Benzos in der Hausapotheke ...



14:29

Das Lesen fällt mir plötzlich schwer. Mein Blick zittert zuweilen ziellos zwischen den Buchstaben hin und her und ich kapituliere schließlich. Irgendwie ist das alles nur noch eine große Textwüste, es würde viel Anstrengung und Konzentration kosten, weiterzulesen. Ich habe keine Lust auf Anstrengung und lege das Buch weg.



14:35

Meine Freundin putzt sich die Zähne mit einer elektrischen Zahnbürste. Das Surren klingt plötzlich ziemlich laut und unwirklich. Leichtes Bin-ich-wach-oder-ist-das-ein-Traum-Gefühl macht sich bemerkbar. Klar, ich bin wach und habe Drogen genommen. Aber irgendwie ist das seltsam ... erst 25 Minuten seit der Einnahme vergangen ... ich stelle mich auf einen starken Trip ein.



14:40

Ein zufälliger Blick in Richtung weißgetünchter Wand beschert mir die eindrucksvollste Halluzination meines Lebens. Die leicht unebene Oberfläche der Wand beginnt plötzlich an verschiedenen Stellen zu blubbern wie ein Lavasee. Ich starre fasziniert: Die Sinnestäuschung ist einfach nicht von der Realität zu unterscheiden. Sie wirkt völlig real. Ein paar Sekunden später erscheint mir derselbe Fleck wie eine hügelige Miniatur-Marslandschaft, über die ein Sandsturm hinwegfegt. Wieder wirkt alles bis ins kleinste Detail realistisch. Ich staune erfürchtig.



14:50

Ich lege meinen Triplog beiseite, auf dem grade mal die eingenommene Dosis vermerkt steht. So geht das nicht. Ich könnte zwar schreiben, wenn ich mich wirklich anstrengen würde ... aber das will ich jetzt einfach nicht.

Hm, so richtig angenehm ist dieser Zustand eigentlich nicht ... wo bleibt das typische Pilzwohlgefühl?



14:55

Der Pilz bekommt mehr Macht über mich, ich fühle mich nicht besonders wohl. Mir kommen Zweifel: Musste dieser Trip wirklich sein? Warum hast du dich auf die Reise begeben, ohne ein klares Ziel zu haben? Das ist doch ein Widerspruch in sich, oder ...?

Solche Gedankengänge sind mir von meinen früheren Trips bekannt, ich bezeichne sie gern als eine Art Prüfung des Pilzes. Ich habe an dieser Stelle immer das Gefühl, Rechenschaft ablegen zu müssen.



Ich rufe mir in Erinnerung: Ich habe sehr wohl einen Grund für den Konsum von Halluzinogenen, ich will nämlich veränderte Bewusstseinszustände genießen. Und daran ist nichts schlechtes, das weiß ich doch ... Ha, das Ziel der Reise ist die Reise selbst, jetzt hab ichs.

Ich lasse sicherheitshalber noch ein kurzes Stoßgebet an die Pilzgöttin folgen.



15:05

Schon viel besser. Jetzt muss ich aufs Klo ... nur nicht versehentlich anpinkeln, weil das Farbenspiel auf den Klofliesen so eindrucksvoll ist. Geschafft. Auf dem Rückweg kommen mir am Gang drei halbnackte Studentenheimbewohner entgegen, die wohl auf dem Weg zur Dusche sind. Ich verhalte mich möglichst unauffällig und bin froh, wieder im Zimmer zu sein.



15:10

Prüfung bestanden, wie es scheint: Es wird langsam lustig. Ich kenne das von meine früheren Trips. Mich beschleicht plötzlich eine unbändige Freude daran, meine Freundin zu necken. Bei meinen letzten Reisen war sie ja schonmal "Sido, die singende Sittichschnepfe" oder die "orange Raupe vom Wiener Wald"; diesmal ist sie einfach "meine kleine Fellraupe", und ich nerve sie ordentlich (und halte sie damit vom Lernen ab, was ihr gar nicht gefällt). Schließliche zerre ich sie zu mir ins Bett und bekuschle sie etwas. Hm, fühlt sich gut an. Schade, dass ich auf Pilzen bisher immer sexuell inaktiv war. Ich wette, Sex auf Pilzen könnte ein paar Gehirnwindungen ordentlich durchschmoren lassen ...!



15:20

Ich gelobe, meine Freundin nun in Ruhe lernen zu lassen; kann mich aber einfach nicht beherrschen. Immer wieder bringe ich die dümmsten Themen auf und lache unbeherrscht über jeden Blödsinn. Meine Freundin macht gute Miene zum bösen Spiel (danke, du Süße!) und flüchtet schließlich in den hauseigenen Lernraum. Zuvor habe ich noch eine ganz eindrucksvolle Vision:

Ich sehe meine Freundin an, die am Schreibtisch sitzt. Plötzlich gehen von ihrem Gesicht radiale Lichtstreifen aus und verwandeln den Anblick in eine Art Jugendstilkunstwerk. Meine Freundin ist ja nüchtern schon eine Augenweide, aber in diesem Anblick manifestierte sich in ihr eine absolute Schönheit, die keinen Vergleich zulässt.



15:30

Ich bin jetzt allein im Zimmer und der Trip nimmt eine andere Gestalt an. An der Decke tanzen farbige Muster, und ich werde ruhiger. Ich denke an verschiedenste Dinge und die Euphorie wird immer stärker. Wieso nur ist das, was ich hier tue, erwachsenen mündigen Bürgern verboten? Ich komme nicht drauf. Egal ... scheiß auf das Gesetz, scheiß auf korrupte, mediengeile, mehrheitsorientierte Politiker ... ich weiß es jetzt und hier besser.



15:40

Ich habe den MP3-Player in Betrieb genommen und die einzelnen Tracks schicken mich in emotionale Sphären jenseits der Beschreibbarkeit.



15:50 bis ca. 16:30

Gleißende Schlieren tanzen durch mein Gesichtsfeld und zerren an der Wirklichkeit. Plötzlich bricht die ganze althergebrachte Vorstellung von Körpern, Raum und Zeit zusammen. Alle Gegenstände um mich herum begreife ich nur noch als Manifestation meiner eigenen gedanklichen Schaffenskraft ... und die hat gerade besseres zu tun. Es kommt mir so vor, als ob hinter den sich auflösenden Gegenständen das unendliche All sich befinden würde: Die bloße Abwesenheit von menschlicher Konstruktionskraft.

Alles, was wahrgenommen werden kann, erschien mir also als lang geübte Konstruktion meiner selbst. Und da meine gedanklichen Kräfte gerade Loblieder auf den Pilz sangen, krachte das alles schön in sich zusammen ...

Mein Wohlbefinden steigerte sich noch immer und drang in nie für möglich gehaltene Höhen vor. Ich suchte vergeblich nach Worten und entschied, dass höchstens "heilig" und "göttlich" annähernd wiedergeben, was hier vor sich ging.



Vor meinen Augen (ob offen oder geschlossen spielte fast keine Rolle mehr) erschienen visionäre Farbspiel von epischen Ausmaßen: Wie monumentale Schlachtgemälde formierten sich Farbe und Form bisweilen zu kosmischen Szenerien voller Symbolkraft, nur um im nächsten Augenblick schon wieder im Farbenrausch zu verschwinden.



Danach klang der Pilzrausch sehr langsam ab. Meine Erinnerung an diesen Abschnitt ist sehr lückenhaft, ich kann mich aber erinnern, mit meiner Freundin Tischfußball gespielt zu haben. Ich freute mich über jedes Tor wie ein Verrückter und spielte einhändig, mit dem Rücken zum Tisch oder im Hocken. Einer vorüberlaufenden Studentin klaute ich ein Stück Bananenkuchen und hielt ihn wie eine Trophäe in der Hand, während ich mit der linken Hand weiterspielte.



Gegen 19 Uhr waren die letzten Symptome abgeklungen und ich fühlte mich wohlbehalten und frisch. Ich spielte am Abend noch eine Partie "Siedler von Catan" und ging dann gegen Mitternacht zu Bett.



Am nächsten Tag fühlte ich mich frisch und munter.



Es gäbe noch eine Menge mehr zu erzählen, aber ich glaube das reicht erst einmal.



Heil Pilzgöttin! :)