Tripbericht lesen

Übersicht:

Titel:Urlaub in Polen
Drogen:Mischkonsum von LSD, Ecstasy, Ketamin, Speed und Cannabis (Reihenfolge vom Autor festgelegt)
Autor:anonym
Datum:18.09.2014 00:11
Set:Vorfreudig, aber ohne viele Erwartungen
Setting:regen matsch nass strand coole leute
Nützlichkeit:8,26 von 10 möglichen   (43 Stimmen abgegeben)

Bericht:


Zitat:

Wir sind Menschen, und unsere Bestimmung ist es, zu lernen und in unfassbare neue Welten geschleudert zu werden. Don Juan



Schon öfter hab ich mir überlegt einen Tripbericht zu verfassen. Vor allem um faszinierende Zustände zu rekapitulieren und vielleicht auch um diese etwas besser zu verstehen. Bis heute hatte ich jedoch nie das Gefühl es wäre wirklich notwendig bzw. interessant genug um jemanden daran teilhaben zu lassen. Bei diesem Festival ist das allerdings anders. Es geht weniger um die simple Wirkung der Drogen, sondern eher um ihre Auswirkungen in bestimmten Situationen.

Vorbereitung.

Ursprünglich war geplant mit alten Schul- und immernoch-Freunden das kleine deutsch-organisierte Festival in Polen zu besuchen. Wir waren alle ganz heiß drauf, bis uns auffiel, dass die Karten bereits restlos ausverkauft waren. Somit verlief sich unser Plan, wie das eben so ist...

Ein paar Tage vor dem Festival, als in Berlin alle davon redeten, hat auch mich wieder die Lust ergriffen und ich riskierte einen Blick auf die Facebook-Seite des Festivals, und siehe da: massig Karten und das sogar unter Originalpreis. Ich wusste schon von ein paar Mädels, dass sie hinfuhren und so entschied ich mich dafür und schrieb aufgeregt eins der vielen armen Schweine an, die ihr Ticket notgedrungen loswerden mussten. Als der Verkauf beschlossene Sache war, machte ich mich auf dem Weg zu der genannten Adresse (Rudolfplatz) und suchte eine Weile ratlos nach der richtigen Hausnummer. Es gab sie nicht, deswegen rief ich an und stellte fest: Ich bin in Berlin und das Schwein in Köln, und wir beide befinden uns an ganz verschiedenen Rudolfplätzen. Wir lachten beide herzlich am Telefon und er gab die Karte einem Kumpel mit, der zufällig am nächsten Tag nach Berlin gefahren ist.
Natürlich feiert man ein Electrofestival nicht unbewaffnet, also noch schnell den Ticki meines Vertrauens besucht und ein bisschen geshoppt: Ecstasy, Speed, Gras. Auf viel mehr war ich gar nicht aus, da das ganze ja ziemlich spontan und schnell gehen musste. Als kleines Stammkundenpräsent gab es einen LSD-Zuckerwürfel oben drauf (entspricht nicht dem Standardsortiment). Stand zwar nicht auf dem Plan, aber schaden wird er sicher nicht! Ich fand das Ding irgendwie aufregend. Als Kind habe ich oft einfach so Zuckerwürfel gegessen wenn mir langweilig war und weil ich die Konsistenz so lustig fand. Welch Ironie. Anschließend Sachen gepackt und ab gen Osten. Aus meinen erwarteten 2,5 Std. wurde eine 5 stündige Busfahrt, inklusive Steckenbleiben im Torbogen eines polnischen Dorfes (Props gehn' raus an den Busfahrer..)

Ankunft.

Endlich angekommen, machte ich mich gleich auf den Weg zu meinen Leuten. Und anders als auf der Fusion fand ich sie innerhalb weniger halber Stunden. Die Crew bestand aus 2 Mädchen mit denen ich schon ein paar mal in Berlin feiern war (manch einer würde sie als Berghainis bezeichnen, ich nenne sie im weiteren Verlauf einfach Chicks) und ein Mädel, das ich nicht kannte, welches aber auch einen erfahrenen Eindruck bezüglich Rauschzuständen machte. Sie war außerdem sehr hübsch und sehr groß gewachsen für eine Asiatin. Im Verlauf des Festivals brachte ich in Erfahrung, dass sie halb Vietnamesin und halb Bulgarin ist. Guter Mix.
Der erste Abend verlief ruhig, wir schauten uns nur etwas auf dem Gelände um und mir wurde schnell klar, dass das Festival auf seiner Homepage einen wesentlich wärmeren Eindruck gemacht hat als es in Wirklichkeit war. Es war nämlich arschkalt. Ich hatte genau 2 Stoffpullis (einer davon mit Eulen) dabei, ansonsten nur T-Shirts und Gummistiefel schon gar nicht. Das machte mir Angst, irgendwie musste ich es ja von Donnerstag bis Montag da aushalten. Flucht war keine Option. An diesem Abend wurde nur gekifft und vorgefreut, immerhin mussten wir Kräfte sparen.

1. Tag.

Voller Motivation starteten wir schnell ;) in den Tag, erst an den Strand, welcher sehr feinen Sand hatte und eine tolle Anlage (Funktion One). Die Sandkörner tanzten mit. Als das erste Teil nachließ gingen wir wieder zu unserem Campingplatz, das Wetter war immernoch gut und alle in Trinklaune. Nebenbei wurde ich von den Chicks aufgeklärt, dass die junge Dame (ich werde sie im folgenden Samantha nennen), die ich nicht kannte, an Psychosen litt, unter anderem durch Drogen ausgelöst. Deswegen dürfe sie nur trinken... Und vielleicht ein bisschen Pepp (Speed) naschen, so die Chicks. War mir unverständlich, aber naja, war nunmal so. Zu der Zeit noch nicht mein Bier.
Was ich jedoch nicht wusste, war, dass Samantha nicht nur auf ein bisschen Pepp aus war. Als sie das "Verbot" von den Chicks reingedrückt bekommen hat, trank sie einfach immer mehr. Alkohol kann ja nicht so schlimm sein…
Was ich ebenfalls nicht wusste, war dass Samantha aufgrund ihrer Psychosen Antidepressiva zu sich nahm um die Psychosen weg zu machen, wie ihre Ärzte sagten.
Ehe wir uns versahen war bei Ihr ein Pegel erreicht, den ich noch nie zuvor bei einem Menschen gesehen habe. Es war ein fast hysterischer unruhiger Zustand mit dem Drang mehr zu nehmen, egal was. Das war auch der Grund, weshalb wir vom Strand zurück zum Camp sind. Sie versuchte richtig wegzurennen und meinte wenn wir sie nicht ballern lassen, holt sie sich woanders was (man muss dazu sagen: sie ist Model und auch nicht auf den Kopf gefallen). Torkelnd versuchte sie mit uns zu diskutieren und verlor dabei immer wieder ruckartig den Faden. Manchmal sagte sie etwas völlig zusammenhangloses, so als ob sie noch eine Stimme hören würde außer den unseren (was sich im Nachhinein als richtig rausstellte). Wir waren komplett überfordert. Irgendwann begannen die manischen Handlungen (aus der Situation flüchten). Ihre Eltern zu kontaktieren brachte uns nicht weiter, denn diese waren leider nicht in der Lage etwas zu unternehmen, da sie kein Auto hätten. Die Chicks waren mit den Nerven am Ende. Ich lief mit Sam ein Stück am Campingplatz entlang, damit die Mädels wieder etwas Ruhe finden könnten, und ich dachte vielleicht kann ich Samantha durch ein paar ehrliche Worte zur Vernunft bringen. Falsch gedacht. Sie hüpfte vor einen (mir) wildfremden Typen und rief: Ich will was ballern! Der Typ musste grinsen, holte aber gleich seine E’s raus. Die beiden schienen sich zu kennen. Zum Glück konnte ich ihm noch rechtzeitig glaubhaft machen, dass es keine gute Idee sei, ihr jetzt dieses Teil zu geben. Der Typ (Daniel) verstand die Situation, klopfte mir auf die Schulter und lud mich später auf eine Nase Speed ein. So trennten wir uns. Irgendwann wurde es dann Zeit für Samanthas "nach 8 Uhr Pille". Ein Opiat vermute ich, was sie letztendlich auch einschlafen ließ.
Die Chicks und ich lagen neben ihr im Zelt und keiner Sprach. Selten so eine Anspannung in der Luft gespürt. Wir alle waren ratlos, und wir wussten, es war unsere Schuld (auch wenn die Idee auf das Festival zu gehen von ihr war) und es könnte uns das Festival kosten. So lagen wir noch etwa 1,5 Stunden im Zelt, welche sich wie 8 anfühlten. Was für ein Auftakt. Am Zelt vorbei liefen die immer mehr Festivalbesucher Richtung Gelände. Immer der Nase nach.
Als unsere Campnachbarn anklopften kamen wir schließlich raus, alle mit einem entsprechend verlorenen Gesichtsausdruck. Es machte keinen Sinn wie gelähmt in diesem Zelt zu liegen, und trotzdem waren wir irgendwie zu nichts anderem in der Lage. Wir diskutierten rum und eines der Chicks wollte da bleiben (die, die Samantha am nächsten stand) und aufpassen. Der Rest wollte, schweren Herzens, aufs Gelände.
Und es ist keiner dageblieben. Wir gingen still in Richtung Gelände, keiner traute sich etwas dazu zu sagen. Ich glaube die Briten nennen das einen fetten "Elephant in the Room". Der Abend blieb von der Stimmung her eher am Boden, trotz Teilen. Es kommt eben doch sehr auf das Mind-Set an, auch bei Ecstasy. Gegen 4 legte ich mich ins "Bett" und schlief bis 8, genau als die Chicks kamen und versuchten sich schlafen zu legen, was aber aufgrund des ausgedehnten Speed-Konsums bei ihnen nicht möglich war. Samantha schlief immer noch tief und fest. Zum Glück.

2. Tag.

Ich machte mir nach dem Aufstehen erstmal ein Bier auf, denn wer den ganzen Tag trinken will, muss morgens anfangen! Glücklicherweise wachten ein paar Minuten später unsere beiden Hamburger-Nachbarn auf und nahmen mich, verloren und allein im Camp stehend (wir hatten keine Stühle), mit zum Strand. Die Sonne zeigte sich immer mehr und die Leute kamen in strömen ans Meer. Als wäre der Strand ihre Wahlfahrtsstätte. Mein aufblasbarer Pinguin hatte seinen großen Auftritt, alle wollten mit ihm tanzen. Ist ja auch verständlich.
Ein halbes Teil genügte in dieser Situation um mich in einen Zustand der vollkommenen Zufriedenheit zu bringen. Es war als würde die (Vor)Freude aus mir heraussprudeln wie aus einem glücklichen Vulkan. Die andere Hälfte bekam einer der Nachbarn, und es löste bei ihm das gleiche Gefühl aus. Selten so dankbare Augen gesehen. Dazu war noch massig Platz auf der Tanzfläche und wir konnten unserem Bewegungsdrang freien Lauf lassen. Einfach Wunderbar.
Als das Teil dem Ende näher kam und mein Nachbar schon eine Ische im Schlepptau hatte, dachte ich es wäre Zeit sich frisch machen zu gehen. In der Schlange zur Dusche mit ein paar Leuten gequatscht, Pinguin streicheln lassen, freundlich nach Ketaminen gefragt und auch gleich ein halbes klar gemacht. Es erschien mir passend. Zurück am Camp sehe ich wie alle rumsitzen und an ihrem Bier nippen. Die Chicks haben es wohl endlich geschafft einzuschlafen und waren daher erstmal raus. Sam war im Camp unterwegs und voller Tatendrang, sie hatte ja die ganze Nacht geschlafen und erinnerte sich scheinbar an gar nichts. Während ich mich umzog fiel mir mein kleiner weißer Zauberwürfel ein. Heute ist der Tag. Erstmal einen halben. Nicht ganz so süß wie ich es gewohnt war, aber die Süße entwickelte sich im Laufe der Zeit. Die Campgenossen waren, wie immer, am kiffen und ich gesellte mich dazu. Es war eine lebendige Runde und ich vergaß vorerst was da auf mich zukam.
Nach gefühlten 30 Minuten fiel mir die Grünheit des Grases auf und die Joints warfen Rauchschleier in die Luft, die im Licht tanzten. Im Lowdose-Bereich hat LSD etwas verzauberndes, das schöne Dinge noch schöner erscheinen lässt, ohne sie zu aktiv verändern. Die Sonne überschritt bereits den Höhepunkt und ich fühlte mich bereit für die zweite Hälfte. Ich gestaltete das ganze unauffällig und nahm es als Anlass einen Ausflug zu machen. Mit dieser Einstellung war ich nicht alleine, denn Samantha wollte auch loslegen. Wir beschlossen uns zusammen loszustapfen. Kam mir in diesem Moment sogar sehr gelegen, denn ich weiß nicht, wie der Tag verlaufen wäre ohne jemanden mit einigermaßen klarem Verstand an meiner Seite. Wir bahnten uns einen Weg durch den matschigen Weg.
Am Festivalgelände angekommen wollte Sam erstmal was zu essen und bei mir wurde es auch immer doller. Zu der Zeit wusste sie noch nichts von meinen inneren Geschehnissen. Sie dachte ich wäre einfach etwas durch den Wind, sagte es aber nicht. Während sie sich einen Vöner (veganer Döner - sachen gibt’s…) holte, blieb ich bei einer der Bühnen sitzen. Es wurde etwas komisches aufgeführt. 4 sehr durch gekleidete Typen mittleren Alters berichteten ~50 verballerten Festivalgängern von den neuesten Geschehnissen aus aller Welt und sangen seltsame Lieder. Ich würde das ganze eine Acapella-Standup-Sitcom nennen und es war zum schießen. Es folgte Pointe um Pointe und der Humor überschlug sich. Zusätzlich kam ab und zu noch das verzögerte Lachen von Spätzündern aus dem Publikum dazu. Ich amüsierte mich köstlich und auf einmal war auch Samantha wieder da. Kurz darauf waren die Typen fertig mit ihrem Wasauchimmer und hinterließen einen Haufen grinsender verwirrter Gesichter. Den Namen der Gruppe konnte ich mir leider nicht merken, was ich jedoch weiß, ist, dass sie jeden ersten Freitag (oder Montag) im Monat den Humboldthain im Wedding bespaßen.
Nun erzählte ich Samantha auch von meinem Würfel. Sie freute sich wirklich für mich und erzählte mir von Ihrem ersten Acid-Trip, von zu frühem Nachlegen und Tischkickermännchen, die sie herzhaft auslachten anstatt den Ball zu treten. Der Biss vom Vöner hatte mehr Geschmack als ich gedacht hatte und reichte mir erstmal für die nächsten 8 Stunden. Danach entschlossen wir uns zum Strand zu gehen, da das Wetter noch gut war. Dafür musste man das Festivalgelände verlassen und eine Straße kreuzen. Direkt hinter dem Eingang baute sich eine Vielzahl von Ständen und Kiosks auf. Auch die polnische Polizei war vertreten. Der Weg zum Strand führte durch ein Waldstück. Man konnte fast den gesamten Wald überblicken, da die Bäume erst ab einer Höhe von (auf Acid) geschätzten 20 Metern Äste schlugen und somit nur eine große Krone bildeten. Am Boden fand man hier und da Verzierungen, mühsam mit Steinen, Stöcken und Zapfen gelegt. Diese Naturbilder bereiteten mir so viel Freude, dass ich auf jedes einzelne zeigte, sobald ich eins sah. Auf dem Weg trafen wir noch Daniel vom Vortag, quatschten eine Runde mit ihm und er bot mir 2 sehr gute Teile für nur 10€ an, als Belohnung für das aufpassen auf Sam anscheinend. Da sagte ich nicht nein.
Nach kurzem Gespräch ging es weiter. Hier und da war eine Lichtung zu sehen und der Boden war schön vermoost. Sehr einladend zum hinsetzen. Und sehr passend für eine Nase Ketamine, dachte ich. Sam hatte eh schon die ganze Zeit Anspielungen gemacht, dass sie was ballern wolle und ein Teil wollte ich ihr irgendwie in dem Moment nicht zumuten. Wir einigten uns darauf, dass sie den Chicks davon nichts sagt und machten es uns im Moos bequem. Mir ist bewusst, dass es verantwortungslos war und ich bin nicht stolz drauf. Es entwickelte sich jedoch aus der Situation heraus und verlief, wie erwartet, echt entspannt. Zum Glück konnte Sam sich um die Bahnen kümmern und wir starteten mit einer kleinen, da wir das Zeug nicht kannten und uns rantasten wollten (ihre Idee). Wir schauten uns danach noch ein wenig um und so langsam setzte bei mir dieses Dauergrinsen ein, was jedoch nicht in das krasse Lachen überging, das man von starken Trips so kennt.
Wir setzten unseren Weg Richtung Meer fort und beim ersten Anblick bekam ich gleich mal eine Gänsehaut, die bis in meine Fingerspitzen ging. Die Bässe luden zum Tanz, also zogen wir die Schuhe aus und schwangen die Tanzbeine. Anfangs war es noch eine Herausforderung mich nicht von den verzogenen Gesichtern um mich herum beeindrucken zu lassen. Das ließ mit der Zeit aber nach. Vom K war fast nichts zu merken, was mich nicht sonderlich störte, denn ich war ja schon gut beschäftigt mit den ganzen Fratzen um mich herum. Der Sand schmiegte sich perfekt um meine Füße, was dazu führte sie noch etwas geschmeidiger zu bewegen. Nach etwa 20 Minuten konnte ich Sam ansehen, dass der gewünschte Wirkungsgrad noch nicht erreicht war. Wir tanzten noch ein bisschen weiter und liefen dann den Strand entlang, weg von den Menschen. Vereinzelt saßen noch Menschen in diesem Strandabschnitt, und so wie ich das sah, war nicht nur bei mir LSD im Spiel. Viele waren verkleidet und nun machte es für mich mehr Sinn, denn je. Denn auf einem Trip konnte man sein wer man will und wo man will. Und gerade fühlte ich mich wie am Strand von Inception, Der Himmel nahm das gräuliche Blau des Meeres an und der Sand kroch meine Beine hoch. Als wir uns setzten, fühlte es sich an wie ein Nest, in dem ich im Schneidersitz mit meiner Haremshose Platz nahm. Mir fiel es unglaublich schwer die geplanten Handlungen im Kopf zu behalten, also übergab ich einfach das Etui samt Inhalt an Sam und ließ sie machen.
An uns liefen Leute vorbei. Komischer weise zappelten sie beim laufen wie diese Aufblasmännchen, die vor amerikanischen Autohäuser stehen. Schwer zu sagen ob es meine Visuals oder ihre Inkompetenz zu laufen war, die sie schwanken ließ. Auf jeden Fall sah es witzig aus. Und schon waren die 2 Bahnen fertig. Sie schienen mir deutlich größer als die vorherigen, aber ich war weit weg davon dies objektiv beurteilen zu können. Also machte ich einfach mit. Ruck zuck war alles weggerüsselt und wir blieben erstmal in unserem Sandnest sitzen um auf die Wirkung zu warten. Eine gute Idee wie sich herausstellte. Bis dahin schauten wir noch etwas in der Gegend rum und unterhielten uns. Es war zum Teil sehr persönlich und ich hatte das Gefühl meine Gedanken werden durch das Keta geordnet. Wir kamen zum Thema Urlaub und Samantha erzählte mir wie lang sie schon nicht mehr das Meer gesehen hatte. Sie sagte es wäre mal wieder erlösend in den Urlaub zu fahren nachdem sie schon so lange nicht mehr im Urlaub war und es so vermisst hatte. An sich eine unbedenkliche Aussage, aber mein Hirn schien das Wort Urlaub irgendwie mit dem Ketaminkonsum in Verbindung zu bringen (ich hatte vorher schon von Sams Vorgeschichte mit Keta gehört, aber wusste nichts Genaues). Als ich sie während ihrer Erzählung ansah, konnte ich bemerken wie sich ihre Augen mit Wasser füllten und ihr Mund begann zu zittern. Aus Reflex sagte ich zu ihr, dass doch alles gut sei und sie sich keine Sorgen zu machen brauche. Darauf hin schaute sie mich verständnislos an und fragte mich, was ich damit meine, bzw. wie ich darauf käme, dass etwas nicht in Ordnung wäre. In diesem Moment war ich komplett verwirrt und wusste nicht mehr wem ich was glauben sollte.
Bis heute weiß ich nicht genau, was sich in dieser Situation abgespielt hat und ob ich durch meine veränderte Wahrnehmung etwas unterschwelliges erkannt oder einfach nur fehlgedeutet habe. Wir unterhielten uns noch etwas weiter und mit der Zeit fühlte ich mich immer weniger. Physisch zumindest. Und dadurch verlagerte sich der Trip in meinen Kopf. Ich fühlte Einklang. Mit allem. Der Sand ronn durch meine Hände und das Meer floss sowohl vor als auch über mir. Das Keta entfaltete nun seine Wirkung komplett und trennte mich von sämtlicher Raum- und Zeitvorstellung. Ich wusste zwar noch wo ich war und wer ich war, aber anwesend war ich nicht. Die Wolken ordneten sich an wie auf einem Ultraschallbild und bewegten sich ebenso unnatürlich. Als würde jemand daran rumzupfen. Nach einer ganzen Weile Stille fragte mich Sam ob mein Unterkiefer auch taub wäre und als Antwort bekam sie von mir ein, wahrscheinlich ziemlich entgeistertes, Nicken. So verbrachten wir noch eine Weile im Sand und genossen den Geisteszustand. Nach einer Zeit hatte ich das Gefühl wieder laufen zu können. Ich überlegte etwas hin und her ob es schon an der Zeit war zu gehen, und ob Samantha der gleichen Ansicht war. Genau in diesem Moment drehte sie ihren Kopf in meine Richtung und fragte, ob wir nicht gehen wollten. Das verpasste mir noch mal einen ordentlichen Schock. Wir saßen bestimmt 30 Minuten still nebeneinander und hatten plötzlich den gleichen Gedanken in der gleichen Sekunde. Gut war, dass wir beide der Meinung waren weiterziehen zu müssen und es somit keine Unentschlossenheit gab. Aufgestanden zog sich der Strand in die Endlosigkeit und meinen Körper fühlte ich immer noch mehr von innen als von außen. Wir entschieden uns erstmal nicht wieder zur Tanzfläche zu gehen, da wir beide noch sehr verschallert waren und einen Spaziergang brauchten um wieder Fuß in der Welt zu fassen. Ein Stück weiter konnte man den Strand ebenfalls verlassen bzw. den Wald betreten. Diesen konnte ich in einer unglaublichen Schärfe wahrnehmen, als wäre es ein Videospiel mit einer besseren Grafik, als die des echten Lebens. Wirklich faszinierend. Wir durchstreiften die Baumlandschaft und kamen in einem polnischen Wohngebiet heraus. Unbekanntes Terrain. Ich folgte einfach Samantha und setzte auf ihre Koordinationsgabe.
Sie führte mich wieder zur MainStage und wir tanzten noch etwas zu langgezogenen elektronischen Klängen. Dabei floss eine Art Energie durch meinen Körper und zwischen meinen beiden Händen. Wer schon Erfahrungen mit tanzen auf LSD gemacht hat, weiß was ich meine. Ich spielte noch etwas mit den Energiefunken zwischen meinen Fingern und so langsam wurde es dunkel. Als Sam und ich wieder in der Normalen Welt angekommen waren (ich so weit es mir möglich war), traten wir den Weg zurück zum Camp an. Die Dämmerung war bereits fortgeschritten und ich konnte den matschigen Feldweg unter mir kaum erkennen. Mit jedem Schritt dachte ich ich versinke immer tiefer darin und ich empfand auch Nässe in meinen Schuhen (mein letztes trockenes Paar), die sich nach Hinfassen als eingebildet herausstellte. Irgendwann hatte ich es satt bei jedem Schritt mit der Angst kämpfen zu müssen nasse Füße zu bekommen. Also folgte ich einfach Sam und hoffte es wird schon schief gehen. Tat es auch. Es war wie ein kleiner Kampf mit mir selbst, mich jetzt auf die Subjektivität des Trips einzulassen.
Am Camp angekommen fanden wir die Chicks im Zelt schlafend. Samantha setzte sich zu ihnen mit rein, was kaum noch Platz für mich ließ. Ich blieb erstmal gehockt im Vorzelt und versuchte die Situation einzuschätzen. Ich sah abwechselnd die beiden schlafenden Mädels und Sam an. Aus irgendeinem Grund konnte ich das Zelt nicht betreten. Die beiden leblosen schlafenden Gesichter ließen es nicht zu. Also hockte ich noch eine Weile in diesem kleinen Vorzelt und ließ mich von Samantha verständnislos angucken. Ab und zu stellte ich mich raus, nur um immer wieder zu bemerken, dass es immer dunkler wurde und auch der Regen zunahm. Ich steckte fest. In meinem Kopf, in unserem Camp, auf meinem Trip. Wahrscheinlich so ca. eine halbe Stunde lang fand ich nichts, mit dem ich mich zufrieden geben konnte.
Nach einer Zeit fragte mich Samantha, ob sie von mir ein Teil haben könne, da die beiden Mädels ja schliefen und ihr keins geben konnten. Zufällig fand sie auch das Tütchen mit meinen Teilen im Zelt liegen. Merkwürdig, die waren doch in meinem Etui… Da läuteten bei mir die Alarmglocken. Die Situationen vom gestrigen Nachmittag schossen mir durch den Kopf und ich hatte Angst einen Fehler zu begehen, den ich nicht rückgängig machen konnte. Alles was ich Sam als Antwort stammeln konnte war „Ich bin auf Acid… und kann dir kein Teil geben“. Das muss vielleicht seltsam gewirkt haben, so seltsam, dass sogar eins der schlafenden Chicks ihren Kopf verwundert nach mir umdrehte. Als das Chick es mir mehr oder weniger absegnete Sam ein Teil zu geben (was ich ebenfalls nicht verstand), fügte sie hinzu „höchstens ein Viertel“. Es waren starke Teile (gelbe Superman), und wenn Sam nur ein Viertel kriegen sollte, so waren die anderen drei wohl für mich. Ich biss ordentlich ab und gab Sam den Rest, packte meine Sachen und wollte gehen. Ich musste da raus, aber ganz plötzlich. Bevor ich ging sagte Sam noch ich hätte zu viel abgebissen, sie wollte mehr von dem Teil. Alles was ich entgegnen konnte war „Sorry, ist jetzt halt so“. Mit diesem Satz verabschiedete ich mich. Eigentlich gar nicht meine Art, aber es schien wohl ein Ausnahmezustand gewesen zu sein.
Weit bin ich danach nicht gekommen. Ich setzte mich in das Vorzelt unserer Campnachbarn. Der Reißverschluss war Kaputt und es regnete das halbe Vorzelt voll. Ich breitete mich auf der anderen Hälfte aus. Erstmal tief durchatmen, durchdenken was gerade passiert ist und planen. Das dauerte bestimmt auch ca. 20 Minuten, bis ich es schaffte meinen Turnbeutel auszuziehen und mich daran machte mein Regencape zu entfalten. Jeder Handlungsschritt war wie ein Kraftakt und musste von vorne bis hinten genau durchdacht werden. Schließlich hatte ich es geschafft mich für meine Soloreise vorzubereiten und verließ mein Nest. Es war stockfinster und der Regen war ziemlich präsent. Ich fühlte mich wie ein Geselle, der nach seinen Lehrjahren endlich den Walz antreten konnte. Befreiend und gleichzeitig aufregend. Immer wieder hatte ich das Gefühl ich würde mich verlaufen. Bis mich markante Stellen daran erinnerten, dass ich richtig bin. Mittlerweile mussten schon ca. 6 Stunden nach beginn meines Trips vergangen sein. vom Teil merkte ich garnichts, bis auf eine leichte Aufgeregtheit. Ich dachte, vielleicht hat der lange Trip mein Serotonin komplett leergepumpt. Doch je näher ich dem Festivalgelände kam und je lauter die Musik wurde, desto mehr fühlte ich wie eine Entschlossenheit in meinem Inneren aufstieg. Ich ertappte mich wie ich bestimmt schon seit 10 Minuten mit geballten Fäusten die Straße langlief. Die Abdrücke meiner Fingernägel in meinen Handflächen bestätigten das. So müssen sich wohl Gladiatoren gefühlt haben, oder Krieger. Was genau meine Mission war, wusste ich nicht. Und trotzdem war ich entschlossener denn je. Auf diesem Weg machte ich mir auch unglaublich viele Gedanken über mich und meine Person. Selten ist mir so viel klar geworden.
Der polnische Security-Typ am Eingang des Festivals war die letzte Hürde und ich war mir sicher ich konnte sie meistern. Gleich nachdem ich demütig meine Mate vor dem Eingang leertrinken musste, weil keine Glasflaschen erlaubt waren. Gleich danach schaute ich mich auf den verschiedenen Bühnen um. Ich konnte leider keine bekannten Gesichter erkennen, also nahm ich mir vor erstmal was zu Essen zu besorgen und dann tanzen zu gehen. Das mit dem Essen war gar nicht so leicht. Ich fühlte mich wie ein Alien, der sich den Menschen weitmöglichst anpassen müsste um nicht aufzufallen. Doch als der Typ, der neben mir saß, mir auch noch ein Sterni in die Hand drückte, mussten meine Augen gefunkelt haben. Danach war ich gestärkt und tanzte erstmal geschlagene 4 Stunden, an verschiedenen Bühnen, beobachtete die Leute und ließ mich von der Masse mitreißen. Die MainStage konnte Flammen speien, die jedes mal wenn sie entfachten, auch in mir drin brannten. Ich hielt mich durch die ein oder andere Nase Keta über Wasser und wanderte langsam die einzelnen Bühnen ab, auf der Suche nach meinen Freunden. E’s kamen erstmal nicht in Frage, mein Serotonin schien ja leer zu sein und auf den Kiefer kann ich gerne verzichten.
So langsam wurde das allein sein echt anstrengend. Komischer Weise hatte ich während des Trips nicht 1 mal das verlangen nach einem Joint, obwohl ich sonst in meiner Freizeit öfter mal einen J rauche. Gegen 4 traf ich meine Freunde endlich wieder, es war ein freudiges wiedersehen. Allen ging es gut, und manche waren sehr drauf. Das war ein guter Zeitpunkt, denn noch eine Stunde mehr verloren herumstrahlen hätte ich nicht gepackt. Doch mit der druffen Energie der Chicks und unserer Campingbrüder war auch meine Motivation wieder geweckt. Wir gingen zusammen zur Technobühne. Auf die Frage was ich denn die ganze Zeit gemacht habe, konnte ich nicht antworten. Ich konnte es nicht in Worten wiedergeben. Eigentlich hatte ich nicht vor noch ein Teil an diesem Abend zu nehmen, aber da die anderen alle loslegten und ich ja noch einige von den Dingern im Petto hatte, dachte ich: warum nicht. Dieses eine Teil schaffte es dann tatsächlich meinen Acid-Trip wieder ein bisschen Leben einzuhauchen. Ich spürte wieder dieses Dynamik auf dem Floor und die Energie in meinen Fingern. Natürlich nicht so stark, wie zum Peak des Trips, aber stark genug um mich noch mal richtig wach und munter zu rütteln. Wir tanzten noch ein paar Stunden und so langsam ging auch die Sonne wieder auf. Man sah die ganzen geschepperten Gesichter und angespannten Kiefer. Zwischendrin ein paar sehr durche polnische Familien (?) auf Crystal. Mir wurde gesagt die Anwohner kriegen die Tickets umsonst, wegen des Lärms. Manche scheinen das gut zu nutzen. Zeitweise auch durchaus verstörend, doch zum Glück war ich in meinem Zustand auch nicht mehr ganz aufnahmefähig. Die Chicks entschieden noch mal zum Camp zurückzugehen und sich frisch zu machen. Nicht verkehrt dachte ich, solang wir schnell wieder herkommen. Die Musik war köstlich. Ein Drop jagte den nächsten und ließ keine Ruhepausen. Richtig fieser Techno mit einem Hauch House.
Im Camp zog ich mich schnell um und war bereit um wieder los zu stampfen. Das hatte ich auch von den anderen erwartet, diese jedoch lagen auf einmal wie ein Haufen unterkühlter Hundewelpen in unserem Zelt aufeinander. Die Einladung mich dazuzulegen lehnte ich höflich ab und ging wieder Richtung Rave. Sie würden nachkommen hieß es. Als ich wieder am Technofloor ankam, waren es größtenteils immer noch die gleichen Gesichter. Ein paar erkannten mich wieder (eventuell durch meinen etwas speziellen Tanzstil) und begrüßten mich mit positiven Blicken. Nett! Die Bässe schossen immer noch durch die Luft und es ging immer weiter. Nach ca. 2 Stunden tranceartigem Tanzen kamen auch die anderen dazu. Mir ging es bereits den Umständen entsprechend gut. Seit der einen Pille nach dem Wiedersehen kam nichts mehr dazu. Es war auch nichts nötig, außer die Musik, die Leute und der Tanz. Mit meinen Freunden wechselte ich die Stage, am liebsten hätte ich vorher noch ein paar meiner Tanzkameraden verabschiedet. Aber naja, aufhören wenn’s am schönsten ist. Die anderen Stages boten leider nicht so viel und irgendwie liefen wir hin und her ohne wirkliches Ziel, Hauptsache immer wo anders hinwollen (Chicks). Letztendlich gingen wir nach einer halben Stunde Floor-Wechsel-Sketch wieder zurück zum Zeltplatz. Mein Zeltnachbar und ich legten uns in die Sonne und ließen uns von ihr wieder aufladen. Bis wir genug Energie zum schlafen hatten. Die anderen waren natürlich noch immer zu sehr auf Speed um zu schlafen, lagen also etwas herum. Yay.

3. Tag.

Ich machte die Augen auf und bemerkte wie durch den offen-gelassenen Spalt im Zelt mein Halber Oberkörper nass wurde. Meine Schuhe schwammen bereits die dritte Runde im Vorzelt. Als ich einschlief sah das ganze noch anders (sonnig) aus. Ich zog mich wieder an, die Zeltnachbarn waren verschwunden, ohne jede Spur. Die Chicks schliefen wieder mal, oder lagen. Zum Glück traf ich einen der Hamburger, der mich einlud zu Bebetta auf die MainStage mitzukommen. Ein echt cooler Act, wie sich herausstellte. Leider waren alle meine Schuhe (insgesamt 4 = 2 Paare) komplett durchnässt, also zog ich die Flipflops an, und gleich wieder aus, weil die nur im Matsch stecken blieben. Kalt war es nicht, und ich versuchte mich daran zu erinnern, wann ich das letzte mal barfuß bis zum Knöchel im Matsch steckte. Echt lang her. Der Act war tatsächlich gut, das Set gibt es auf soundclound.com/bebetta. Ansonsten verlief der Tag auf dem Gelände relativ ereignislos. Ich verabschiedete noch die Chicks und Sam, da sie einen Tag früher fuhren und blieb mit dem Zelt zurück. Theoretisch hatte ich noch 2 Pillen, die ich aber irgendwie nicht finden konnte. Komisch. Gegen Mitternacht dachte ich es wäre Zeit sich ins „Bett“ zu legen, um für den nächsten Tag und die Abreise fit zu sein. Meine Füße waren gut mitgenommen und ich war schon länger nur noch allein unterwegs.
Wurde Zeit das Gelände zu verlassen und an der Straße entlang zum Zeltplatz zu laufen, meine 2 Teile konnte ich ja nicht finden. Ich hatte noch etwas Gras, das mich ganz entspannt in den Schlaf befördern sollte. Ich passierte die Security und winkte zum Abschied, obwohl ich niemanden zurückließ den ich kannte. Eher symbolisch. Die Straße war dunkel und verregnet, aber nur noch 20 Minuten Fußweg trennten mich von meinem Zelt. Plötzlich kamen 2 polnische Polizisten von der gegenüberliegenden Straßenseiten auf mich zu und schleppten mich in ihren Bus. Ehe ich mich versah, saß ich in ihrem Polizei-Sprinter und um mich herum standen 4 Polizisten, 2 grinsten, 2 schauten ziemlich grimmig.
Alle redeten auf polnisch, ab und zu wurde gelacht, und jedes 4. Wort war „Kurwa“. Ich war ziemlich nervös, aber mental nach dem Festival so abgestumpft, dass ich mir dachte, hoffentlich dauert dieser Mist nicht allzu lange. Sie durchsuchten mich sehr gründlich, und als sie zu meinem Etui kamen wusste ich was kommt aber dachte ich wegen ein bisschen Gras werden die hoffentlich kein Fass aufmachen…
Falsch gedacht. Und was noch schlimmer war, das erste was sie aus meinem Etui fischten, waren diese verfluchten 2 Teile, die ich ums verrecken nicht finden konnte.
Zum Glück hatte ich mein Speed und Keta zwischen das Leder und den Plastikeinsatz des Etui gesteckt. Da haben sie nicht nachgeschaut. Auf jeden Fall hielt jetzt einer der Polizisten mein Minitütchen Gras und die auf mysteriöse Weise aufgetauchten 2 Teile in der Hand. „Ecstasy?“ fragte mich einer der Corps, ich nickte. „Marijuana?“, ich nickte wieder. Es folgten wieder polnische Unterhaltungen. Sie machten sich über mich lustig. Das weiß ich, weil ich hin und wieder einen Satz (durch mein muttersprachliches Russisch) verstand. Sie nannten sich gegenseitig Kurwa und mich natürlich auch. Und ansonsten war auch alles Kurwa. Sie fragten mich nach meinem Ausweis. Zum Glück konnte einer der 4 Kurwen etwas englisch. Das erleichterte die Kommunikation. Natürlich war mein Ausweis im Zelt.
Sie funkten irgendwen an, die Sprinter-Tür ging auf und 2 dicke Ostblockgestalten standen vor der Tür, bereit mich zum Campingplatz zu begleiten. Sie hatten keine Uniformen an und sahen auch nicht so aus, als ob sie diese zuhause vergessen hätten. Ich setzte mich in ihren Dacia Sondero, die Polizisten riefen mir hinterher „but don’t run away!“. Ich nickte und ließ die Tür hinter mir schließen. Nach wegrennen war mir nicht zumute. Es war echt ein wildes Festival und ich wollte es nicht noch damit beenden, in Untersuchungshaft zu landen oder einen Schlagstock ins Genick zu kassieren. Das Campinggelände war so matschig und dunkel, dass es unbefahrbar war. Also parkten die beiden Sowjet-Tröten ihren Dacia am Rand und betraten mit mir zusammen das Gelände. Jetzt rennen, das wär’s gewesen. Denke ich mir im Nachhinein. Zu der Zeit wollte ich einfach in mein Zelt. Meine Turnschuhe versanken immer wieder im Matsch auf dem Weg zum Zelt. Ich holte meinen Ausweis und wurde wegen der Wasserlache im Vorzelt belächelt und bemitleidet. Wir verständigten uns nur mit Lauten und Handzeichen, da sie kein Englisch konnten und mein Polnisch auch ziemlich unausgereift war.
Zurück beim Auto nahm ich mit meinen Schuhen auch noch einen halben Kilo Matscha in den Dacia, das schien die aber nicht weiter zu stören. Da es sich anscheinend um einen Notfall handelte, haut Tröte Nr.1 den Rückwärtsgang rein und schürt ohne den Kopf zu drehen zurück. Es macht einen Rums und ich sehe den Zeltplatzanweiser, wie er sich die Hand an den Kopf hält. Da wurde wohl ein Stein (oder etwas anderes, wofür „Kurwa“ stand) übersehen. Der Fahrer stieg aus, fluchte noch etwas, und dann setzten wir den Weg fort. Wieder zum polnischen Polizeimobil. Inzwischen hatten sie noch jemanden festgenommen, ein junger Typ mit Vollbart und großen Plugs in den Ohren. Sehr nervös und merklich überfordert mit der Situation. Sie filzten ihn noch härter als mich, sogar seinen Ohrschmuck musste er rausmachen. Ich glaube damit sie damit spielen konnten. Es wurde wieder viel gelacht und einige der Witze verstand ich in etwa, so dass ich mitlachen konnte. Zum Unverständnis aller. Dann brachen wir auf, ich saß meinem Mitgefangenen (David aus Heidelberg, 0,2 g Gras) gegenüber. Das praktische war nun, dass wir uns auf Deutsch unterhalten konnten, ohne dass die anderen etwas verstanden. Wir regten uns erstmal wahnsinnig auf, was das denn für ein Schwachsinn sei und wie man so was machen könne, begriffen aber schnell, dass sie einfach am längeren Knüppel saßen. David meinte die Polizisten haben etwas von insgesamt 5 Stunden gesagt, die das jetzt dauern könne. Ich schenkte dem keine Bedeutung, denn ich dachte „was wollen die bitte 5 Stunden lang mit uns machen?“. Und mal wieder sollte ich eines Besseren belehrt werden. Erst fuhren wir etwa 10 Minuten zu einem Hostel in der Nähe, stiegen mit den Polizisten aus und betraten es. Keiner an der Rezeption, außer ein paar Ratten. Wir gingen in den ersten Stock, wo die einzelnen Zimmer waren und kein Licht. Einer der Polizisten schaltete die Taschenlampe ein und forderte uns auf weiterzulaufen, den dunklen Gang entlang. David und ich tauschten kurz einen verängstigten Blick aus und erste Horrorszenarien schossen mir durch den Kopf. Ich hab wohl zu viele Filme gesehen, in denen solche Konstellationen negativ umschlugen. Wir blieben bei einer der Zimmertüren stehen und einer der Polizisten klopfte. Darauf folgend ging die Tür auf und wir sahen ein mangelhaft beleuchtetes Hostelzimmer, auf dem Bett saß ein Typ mit einem Laptop. Ich fragte mich kurz, ob er uns „bestellt“ haben könnte. Einer der Polizisten betrat das Zimmer, die anderen 3 gingen wieder runter mit uns um im Bus zu warten. Wir unterhielten uns etwas, soweit es möglich war. Sie versuchten uns zu erklären was gerade passiere. Anscheinend wurden unsere Rauschmittel auf ihren Reinheitsgrad getestet, oder so etwas. Wir hörten von oben den Polizisten und diesen Typen auf dem Balkon reden. Es wurde viel gelacht. Wir dachten, vielleicht testen die unser Gras auf die konventionelle Weise. Die Beamten fanden das nicht so witzig wie wir.
Meine Laune nahm zunehmend ab und der dicke Polizist versuchte mich immer wieder zum Lächeln zu motivieren. Ganz nett eigentlich, aber mir war wirklich nicht nach lächeln zumute. Meine Schuhe wurden nicht trockener. Als der Polizist nach 30 Minuten endlich wieder da war, konnte es weiter gehen. Auf der dunklen Landstraße Richtung Stettin. Bis wir an einem alten Gebäude hielten, in dem noch Licht brannte. POLICJA stand am Eingang. Wir betraten das Gebäude und durften auf alten Sesseln warten, gegenüber des Schreibtischs eines Beamten, der auf einem alten Computer etwas eintippte. Ich habe selten so viele Insekten in einem Gebäude gesehen wie in diesem Polizeirevier (Zoos nicht mitgezählt). Aber es überraschte mich nicht und passte irgendwie dazu. So langsam wurde ich immer vertrauter mit der polnischen (Beamten-)Kultur. Sehr zweckmäßig alles.
Zuerst musste David einen Stock höher, 20 Minuten später wurde nach mir gebrüllt. Das Gebäude hat stark gehallt, dadurch dass die Inneneinrichtung sich auf das nötigste beschränkte. Den Beamten ist eingefallen, dass sie uns ja gemeinsam unsere Rechte verlesen könnten und holten mich deshalb dazu. Vorher wurden noch 4 Kopien von meinem Führerschein gemacht, falls eine mal verloren geht, wahrscheinlich. Im Raum im Obergeschoss saßen 2 Polizisten und ein etwas älterer dürrer Mann im Anzug. Er stellte sich in einem soliden fachwortüberdrehten Deutsch als unser Dolmetscher vor. Dieser sei zwingend notwendig, wenn das Verfahren fallen gelassen werden soll. Das Wort Verfahren ließ mir einen Schauer über den Rücken laufen. Dieses verlief indem wir auf etwa 15 Formularen und deren Kopien unsere Unterschrift setzten. Jede Passage der Formulare wurde uns Wort für Wort übersetzt. Das nahmen die sehr genau. Ich schrieb meine Adresse auf einen Zettel, damit ich sie den Beamten nicht diktieren musste. Und je mehr Formulare von ihm ausgefüllt wurden, desto falscher war sie. Aus Bonner Straße wurde letztendlich die Bomen Straße. Den Newsletter werde ich wohl nicht kriegen. Als alle Verfahrensschritte abgeschlossen waren wurde uns die Entscheidung gelassen ob wir noch ein paar Tage in Untersuchungshaft auf den Richter warten wollen oder bereit sind einen bestimmten Betrag zu bezahlen um unsere Freiheit wiederzuerlangen. Natürlich wählten wir Zweiteres und mussten das noch mit ein paar Unterschriften bestätigen. Die letzte Frage des Dolmetschers war sehr witzig gestellt und lautete etwa „Wollen Sie für die Einstellung des Strafverfahrens auf Grund von Rauschmittelbesitz einen Betrag von 1500 Zloty an die Staatsanwaltschaft übermitteln?“, ich antwortete mit einem standesamtlichen „Ja, ich will!“. David fing lautstark an zu lachen und auch ich musste Grinsen. Viel verkorkster kann die Situation ja kaum werden dachte ich, doch alle schauten uns an als hätten wir noch ein Verbrechen begangen. Anschließend wurden wir, wieder von 4 Polizisten zum Geldautomaten begleitet. Dummerweise hatte ich meine Bankkarte nicht dabei, juhu. David hob ab und zahlte. Jeden Banknote musste mit ihrem Code in den Windows XP Rechner eingetragen werden. Jedes mal ein 15-Stelliger Code, bestehend aus Zahlen und Buchstaben. Die Buchstaben werden durch polnische Namen diktiert. Sehr interessant was so die Vorzeigenamen bei den Polen sind. Es war halb 5 und wir machten uns bereit wieder zum Campingplatz zu fahren. Mittlerweile verstanden wir uns schon ganz gut mit den Polizisten und bevor wir gingen wurde uns noch eine deutsche Tageszeitung aus dem Jahr 1937 vorgeführt wie ein Oldtimer. Süß sagte ich leise und David nickte grinsend. Dann ging es endlich zurück.
Gegen 5 erreichten wir den Campingplatz und David durfte wieder aufs Gelände, er wollte noch weiterfeiern. Ich hingegen durfte, diesmal in Handschellen, zu meinem Zelt durch den Matsch stolzieren. Begleitet von 3 bewaffneten Polizisten. Die Leute staunten nicht schlecht. Ich hab versucht extra kriminell zu schauen, um das ganze noch theatralischer erscheinen zu lassen. Angekommen gab es auch diesmal wieder ein mitleidvolles „Aww“ als die Beamten sahen wie ich den Teich in meinem Vorzelt überwinden musste. Die Handschellen machten es nicht leichter. Als ich die Bankkarte in meinen Händen hielt, packte mich der Cop auch wieder am Arm und es ging zurück zum Partysprinter. von da zum nächstgelegenen Geldautomaten und von dort wiederum zum Polizeipräsidium. Ich hatte das Glück 1500 Zloty in 50 Zloty-Scheinen ausgezahlt zu bekommen, das bedeutet 30 mal das polnische Vornamenspiel. Am Ende konnte ich es fast mitsingen. Als das geschafft war, waren alle merkbar erleichtert. Ich wurde wieder zum Festivalgelände gefahren und von dort durfte ich die ursprünglichen 20 Minuten laufen. Das nenne ich mal einen Walk of Shame. Selten so nüchtern auf einem Festival eingeschlafen. Es war 6 und die Sonne ging langsam auf. Die Heimreise verlief planmäßig, zum Glück hatte ich am Vortag mein Busticket rechtzeitig aus dem Vorzeltteich gefischt.

Hier noch ein Bild vom Sonntag Morgen. Der Weg zum Festivalgelände.
gXkJvp.jpg

Ich muss sagen, durch das Niederschreiben der Ereignisse fällt es meinem Hirn wirklich leichter diese zu verarbeiten. Oder vielleicht kann ich sie mir so nur besser merken. Geschadet hat es auf keinen Fall und ich rate jedem, dem crazy Sachen passieren, das gleiche zu tun.