Tripbericht lesen

Übersicht:

Titel:Adam, Eva und die Kundalini
Drogen:Psilocybinhaltige Pilze
Autor:wuwei
Datum:28.10.2014 19:14
Set:ganz gut gelaunt, aber nicht ganz entspannt; relativ spontan entschieden
Setting:im Bett meiner Freundin, vor einer Kirche, im Supermarkt
Nützlichkeit:7,44 von 10 möglichen   (16 Stimmen abgegeben)

Bericht:

Dies ist mein erster Tripbericht.
Ich verfasse ihn, weil die Erlebnisse, die ich bei diesem Trip hatte, doch sehr verschieden von denen waren,
die ich sonst mit psilocybinhaltigen Pilzen (und generell mit Halluzinogenen) hatte.
Ich bin jetzt 23 und habe meinen ersten Pilztrip mit 17 gehabt.
Was andere Halluzinogene angeht, habe ich sonst noch Erfahrung mit LSA und 2-CB gesammelt.
Insgesamt habe ich bisher etwa 10 Pilztrips erleben dürfen, davon die meisten im Abstand von jeweils etwa einem Jahr.
In diesem Jahr sah das etwas anders aus, da habe ich zwischen Juli und Oktober 3-4 mal auf Pilzen (Golden Teacher’s) getrippt.
Meine vorherigen Pilztrips verliefen von ihrer Intensität her unterschiedlich
(von vorallem intensivierter ästhetischer Wahrnehmung bis in Gefilde von Ichauflösung und Zeitlosigkeit),
von der „Form“ her verliefen sie jedoch meist relativ ähnlich.
In letzter Zeit habe ich mich im Zuge meines Studiums (Philosophie) eingehender mit indischem Denken, insbesondere mit den Upanishaden und Lehren des Advaita-Vedanta auseinandergesetzt und die ein oder andere Meditationserfahrung gemacht.
Auch ein paar Yogastunden habe ich mal mitgemacht, bin aber darin noch nicht wirklich tief eingetaucht.
Mit eingängigeren Themen habe ich mich kaum (Chakras) bis gar nicht (Kundalini) auseinandergesetzt.

Daneben habe ich mich vorallem mit der heilenden Wirkung veränderter Bewusstseinszustände
(-> Transpersonale Psychotherapie) auseinandergesetzt.
Besonders spannend und hilfreich fand ich dabei Stanislavs Ausführungen zur psycholytischen bzw. psychedelischen Therapie
(Buch: „Topografie des Unbewussten“), aber auch „substanzlose“ Verfahren, wie das Holotrope Atmen.
Bemerkenswert ist hier vielleicht noch, dass Grof seine Befunde in weiten Teilen als Bestätigung für C.G. Jungs Konzept eines kollektiven Unbewussten sieht.

Wie dem auch sei, nun zum eigentlichen Trip.

Etwa zwei bis drei Wochen vor dem Trip, hatte ich mit meiner Freundin bereits einen schönen Trip in der Natur erlebt. Wir waren an einem Kanal spazieren und später im Wald unterwegs, es war sehr innig und für sie ein schöner Einstieg in psychedelische Sphären. Ich hatte ihr zum Geburtstag leckere Pilz-Cranberry-Pralinen geschenkt, die wir an dem Tag ausprobiert haben.

Im Anschluss an diese „Türöffner-Erfahrung“ (etwa 2-2,5g) wollte sie gerne noch etwas tiefer eintauchen.
Da noch einige Pralinen übrig waren und sie ihre Angst nach dem ersten Mal überwunden hatte,
beschloss sie, die restlichen Pralinen (nochmal etwa 2g) zu nehmen und auf mich bei ihr zu warten.
Ich selbst war an diesem Tag nicht von Anfang an überzeugt, dass es gerade der richtige Zeitpunkt für mich wäre, wieder auf Reisen zu gehen, da ich noch bis mittags einen relativ stressigen Arbeitstag hatte.
Als ich jedoch meine Sachen packte und mich auf den Weg zu ihr machte, änderte sich meine Meinung allmählich und ich war ab da gespannt auf neue Erfahrungen. Die Spannung war aber nicht unbedingt die vertraute Vorfreude auf die Annäherung ans Leben und die Natur, sondern eher neutral gespannt.

Der Grund dafür war, dass ich diesmal vorhatte, nicht wie sonst in der Natur herumzulaufen, sondern schlicht und ergreifend, mich ins Bett zu legen und meine Augen zu schließen. Ich hatte Lust, das Unbewusste aufsteigen und erleben zu lassen.
Als ich ankam fand ich meine Freundin schon unter bemerkbarem Einfluss der Pilze vor, aber da wir beide etwas tiefer gehen wollten, holte ich meinen Beutel voll kleiner Lehrmeister raus.
Das Problem war, dass ich meine Waage verlegt hatte und ich somit nur Pi mal Daumen dosieren konnte (…). Nachdem ich ihr geschätzt 1-1,5g gegeben hatte, nahm ich mir selber ein paar gut aussehende Pilze heraus, die ich in der Initialdosis auf etwa 3-3,5g schätze (ca 15:30).

In der Zwischenzeit erzählte sie mir, was sie gerade erlebte und ich ließ mich dadurch schon mal durch sie einstimmen.
Zu Beginn saßen wir auf dem Fussboden und schlossen unsere Augen.
Nach einiger Zeit (ich schätze ca. 30 Minuten nach der Einnahme) begann ich Bilder mit indianischem Touch zu sehen (Federkopfschmuck usw.) und fühlte mich selbst in einem Tipi sitzend.
Später sah ich ein altes chinesisches Dorf, das sich neben einer Mauer befand.
Es gab auch noch einige andere damit nicht zusammenhängende Bilder (u.a. ein altes Gemäuer in dem jemand mit einer Fussfessel hing, wobei das keine negative Konnotation für mich hatte).
Die meisten Bilder dieser Anfangsphase kann ich aber nicht mehr allzu gut rekonstruieren,
da das Nachfolgende sie in seiner Impressivität deutlich übertraf.

Nachdem wir eine Weile mit geschlossenen Augen verbracht hatten, standen wir auf,
und ich machte Musik an. Ich machte eine Playlist mit ruhiger, traditioneller chinesischer Musik an.
Schließlich legten wir uns ins Bett, da uns beiden etwas kalt geworden war und wir uns einfach dem hingeben wollten, was wir da erlebten.
Im Anschluss kann ich mich nicht mehr hundertprozentig an den chronologischen Ablauf erinnern.
Irgendwann kamen wir uns näher, worauf ich mich aber nicht so ganz einlassen konnte, da plötzlich lebendige Kindheitserinnerungen in mir hochkamen, die mit dem kindlichen Entdecken von Sexualität in Zusammenhang standen. Entweder gleichzeitig oder nacheinander
(ich weiß es nicht mehr) entstanden zunächst Bilder von chinesischen Drachen und später von Schlangen in mir.

Ich sah eine riesige, dunkelgrüne, gewundene und schlafende Schlange. Nur diese Schlange.
Dann merkte ich plötzlich, wie meine Wirbelsäule sich sehr warm und energiegeladen anfühlte.
Ich riss wie von selbst (gemeinsam mit der Schlange?) meine Augen auf und merkte, wie klar und unglaublich vital ich mich fühlte.
Ich hatte den starken Drang, meiner Freundin zu berichten, was ich gerade erlebte.
Gleichzeitig fühlte ich mich aber auch etwas schlecht, mich jetzt mit meinem Trip so in den Vordergrund zu rücken und die Entfaltung ihrer Reise zu unterbrechen. Gerade, weil ich ja auch der vermeintlich „Erfahrenere“ von uns beiden war.

Beim Blick auf die Uhr wunderte ich mich ziemlich. Es war 18 Uhr und damit etwa 2,5 Stunden nach der Einnahme. Ich fragte mich, ob ich „nicht richtig drauf komme“ und aß noch einen weiteren Pilz (ca. 0,5g). Ganz anders als die magische Verzaubertheit die Pilztrips sonst in mir hervorrufen,
fühlte ich eine bis in die Fingerspitzen so starke „Geladenheit“ und Energie, wie noch nie zuvor.
Gleichzeitig war ich sehr präsent und verhältnismäßig klar im Kopf, auch wenn mir klar war, dass ich „eigentlich gerade auf Pilzen sein müsste“.

Ich setzte mich noch einmal auf den Boden und schloss die Augen, meine Freundin war derweil ins Bad gegangen.
Hierbei sah ich kurz meinen eigenen Körper als Fluss bläulich-weißer Energiebahnen.
Ich stand wieder auf und begab mich spontan in eine ziemlich ungewöhnliche Körperhaltung, in der „die Energie besser zu fließen“ schien.
Als meine Freundin zurück ins Zimmer kam beschlossen wir, nach draußen zu gehen,
um uns zu bewegen (ich hatte einen ziemlichen Bewegungsdrang von der überbordenden Energie).
Während der ganzen Zeit war für mich das Schlangenthema extrem präsent.
Sogar wenn ich die Augen offen hatte, war für mich die ganze Zeit die verführerische Präsenz einer Schlangenmacht eindeutig spürbar. Ich hatte das Gefühl, dass ich mich dafür entscheiden könnte, diese Macht anzunehmen und dass diese dann die nächsten Wochen in der Intensität gleich geblieben wäre. Gleichzeitig spürte ich aber auch immer stärker eine Atmosphäre von Verführung.
Sobald ich die Augen schloss sah ich ägyptische Schlangenkulte und tanzende Schlangen,
deren Bewegungen mir sehr natürlich aber auch irgendwie „beschworen“ vorkamen.

Als wir nach draußen gingen fühlte ich mich, wie ein „Schlangenmensch“ oder Diener eines Schlangenkultes. Mit starkem Selbstvertrauen und aktivem Ego-Bewusstsein, jedoch nicht herablassend o.Ä.
Die ständig präsente Atmosphäre von Verführung hielt mich davon ab, mich dieser Macht komplett hinzugeben. Auf einmal wurde mir die existenzielle, metaphysische Bedeutung des christlichen Schöpfungsmythos klar, die Verführung von Adam und Eva durch die Schlange,
die zum Essen vom Baum der Erkenntnis und zur Vertreibung aus dem Paradies führte.

Den ganzen restlichen Abend und die darauf folgenden Tage war dieses Bild
(was ich jedoch sehr real fühlen konnte) mir präsent.
Gegen 19:30 kamen wir auf unserem Spaziergang zu einer großen Kirche, vor die wir uns in einiger Entfernung hinsetzten.
Die Verführung durch die Schlange und das Gefühl des möglichen Abschwörens von Gott (ich bin kein gläubiger Christ, und denke von Gott nicht in einem personalen Sinne) waren dadurch natürlich noch stärker.
Nichtsdestotrotz habe ich während des Trips nicht gedacht „Nein ich will mich auf diese Verführung nicht einlassen“, sondern es war eher ein Vertagen der Entscheidung die irgendwann gefällt werden müsste.

Wir waren später noch in einem Supermarkt, doch obwohl ich durchaus Lust gehabt hätte mir da irgendwas Abgefahrenes zu kaufen (irgendwelche italienischen Schokokugeln), hab ich es sein gelassen, weil es für mich in dem Moment quasi eine rituelle Handlung gewesen wäre,
die Verführung anzunehmen und das Süße (den Apfel) zu essen.

Sobald wir wieder zuhause angekommen waren, schnappte ich mir die Bibel, die in der WG rumlag und las das Buch Genesis, da es mich doch interessierte, was da eigentlich steht.
An einigen Stellen stutzte ich.
Z.B. Genesis I, 26: „Und Gott sprach: Lasset uns Menschen machen, ein Bild, das uns gleich sei “.
Lasset uns Menschen machen? Seltsam für ne monotheistische Religion.
Oder auch Genesis III, 22: „Und Gott der HERR sprach: Siehe, der Mensch ist geworden wie unsereiner und weiß, was gut und böse ist“.

Wie dem auch sei, genug der Bibelzitate.

Den restlichen Abend und die darauf folgenden Tage habe ich mich viel mit gnostischen Deutungen dieses Mythos auseinander gesetzt und stand noch deutlich unter dem Einfluss des Erlebten.
Es war nicht unbedingt angenehm, vielmehr gab mir dieses Erlebnis im ersten Moment einen gehörigen Dämpfer im Streben nach Selbsterkenntnis.
Nichtsdestotrotz hat mich dieses Erlebnis doch ziemlich bereichert und letzten Endes doch
um so mehr die Neugierde geweckt, verstehen zu wollen.

Mein Gottesbild, das von Formlosigkeit und Liebe geprägt war, hat eine seltsame neue Facette bekommen.
Aber steht dieser zornige Gott des alten Testaments überhaupt in einem Verhältnis zu dem, was als universale Liebe erfahrbar ist? Oder war das nur eine vom kollektiven Unbewussten ausgehende Erfahrung, die von Jahrhunderten von instrumentalisiertem christlichen Gottesverständnis zeugt?

Die nächste Reise steht im Moment noch aus und ich bin gespannt, wohin es mich beim nächsten Mal trägt.

Lasst es euch gut gehen :)