Tripbericht lesen

Übersicht:

Titel:Der Pilz führt mich heim oder: Die wahre Kreatur in mir
Drogen:Mischkonsum von Alkohol und Psilocybinhaltige Pilze (Reihenfolge vom Autor festgelegt)
Autor:Tryptomane
Datum:24.08.2010 03:54
Set:Etwas unzufrieden, jedoch nicht angespannt
Setting:Gemütlicher Trinkabend, verdunkelte Wohnung, morgendliche Wohnung
Nützlichkeit:8,30 von 10 möglichen   (20 Stimmen abgegeben)

Bericht:

Meine zweiwöchigen Betriebsferien, welche ich größtenteils mit dem Heranzüchten einer Cubensis-Growbox verbracht hatte, neigten sich an jenem 21.8.2010 dem Ende zu. Wieder einmal kam abends ein guter Kollege zum Trinken vorbei, es wurde bierseliger als geplant und morgens gegen vier verließ er trunken meine Wohnstatt.



Sieben Bier waren mir definitiv genug, schlafen wollte ich jedoch auch noch nicht. Die Ferien waren recht entspannt verlaufen und die erste Pilzernte war längst getrocknet und verschweißt, dennoch hatte ich trotz Highdose-Erfahrungen mit anderen Psychedelika bis zu diesem Zeitpunkt mit einem Pilztrip gehadert. Die alkoholische Grundlage ließ mich die Skrupel nun ziemlich spontan vergessen, vor allem weil ich wusste, dass dieser Zustand sich glättend auf den Trip auswirken würde. Da ich alleine trippen würde, stellte ich sicher, dass die Wohnungstür abgeschlossen war, keine Stolperfallen im Weg herumstanden und alle Fenster entweder geschlossen oder gekippt waren.



Ich riss den ersten Beutel mit 2,15 Gramm auf und beförderte die Pilze alle auf einmal in den Mund. Ich habe ganz normal 30 Sekunden gekaut und heruntergeschluckt. Was alle mit dem Geschmack haben, verstehe ich nicht. Ich würde ihn als mehlig-nussig bezeichnen, recht lecker. Anschließend spülte ich mit Multivitaminsaft nach, um restliche Pilzstücke aus den Zahnzwischenräumen zu lösen. Man will ja nichts verschwenden. Das müsste so gegen 4:30 geschehen sein, und da die Wirkung fast augenblicklich einsetzte, folgen ab jetzt nur noch sporadische Zeitangaben.



Was während des Raufkommens alles passiert ist, weiß ich nicht mehr komplett. Mein Zeitgefühl war mir schlagartig und vollständig abhanden gekommen. Ich weiß, dass ich nach nicht allzu langer Zeit, vermutlich nur Minuten, einen zweiten Beutel mit 2,02 Gramm konsumiert und die restliche Ernte wieder ordentlich (und vor allem zugriffssicher) verstaut habe. Danach habe ich das Licht gelöscht, die Fenster mit einem Laken abgehängt und mich im Adamskostüm hingelegt, weil mir das im Sommer so angenehmer ist.



Im stockdunklen Zimmer katapultierte mich der Pilz nun augenblicklich weit, weit fort. Ich war zunächst „blind“ und passiv in einer Art Zwischenwelt unterwegs. Plötzlich erfüllte schlagartig ein einziger Gedanke mein Bewusstsein: „Ich habe die Tollwut!“



Einen Moment lang schaltete ich den bewussten Verstand ein und nahm meinen Körper wahr. Der Mund schien zu brennen, ich empfand ein leichtes Fieber ohne Schwitzen, die Haut fühlte sich schön weich und flaumig an und vor allem war der ganze Körper von einer wirklich starken, kaum beschreib- oder eingrenzbaren kreatürlichen Lust gepackt.



Ich erinnerte mich, mir kürzlich „aus Versehen“ eine Pilzvergiftung zugezogen zu haben, was mich erleichterte und den ersten Lachanfall auslöste. Beziehungsweise gluckste ich eher läppisch in die Decke hinein, weil ich in einem hellhörigen Mehrfamilienhaus lebe. In meinem Kopf erschienen nun zahllose komische Variationen einer Szene, in der ein selig bepilzter Förster von seiner Frau (die ihn für schwer vergiftet hält) in der guten Stube gesundgepflegt wird.



Kaum ließ meine Aufmerksamkeit nach, übernahm der Pilz augenblicklich wieder die Regie.



Etwas streifte mich. Das muss der Fuchs gewesen sein; aber nein, mir ging es doch toll, also war es wohl die Füchsin. Oder war ich die Füchsin? Meine rechte Körperhälfte veränderte nämlich gerade ihr Geschlecht, was auch auf anderen Trips schon vorkam. Ich bin Linkshänder, also störte es zunächst nicht; dann war ich tatsächlich für kurze Zeit die geschwind suchende Füchsin, und sie fand, was sie suchte: einen verborgenen Pilzhain. Ich schlug die Augen auf, oder ich dachte es vielleicht nur zu tun, und sah den mondbeschienenen Tümpel mit glitzerndem Pilzflaum auf glattgewaschenen Felsen.



In meiner Wahrnehmung formten sich fraktale Pilzfruchtkörper; sie schienen mir nonverbal so einiges mitzuteilen. Dies fand auf einer absolut grundlegenden telepathischen Ebene statt. Leider ist nicht viel davon hängengeblieben.



Allmählich setzte außerhalb der Pilzwelt die Morgendämmerung ein, was mich veranlasste, das Laken vor einer schmalen Fensterhälfte zu entfernen. Dies hatte nette OEVs zur Folge. Farben veränderten sich fließend je nach momentaner Stimmung, manche Gegenstände wurden von farbigen kleinen Quadraten umschwärmt, Kanten waberten willkürlich vor sich hin und ja, endlich hatte ich auch mal Gelegenheit, Wände „atmen“ zu sehen. Ich schaute mir die Poster in meinem Schlafzimmer an und mein Blick blieb an einer gut gebauten Dame hängen bzw. ihrer Oberweite. Die Brüste veränderten im Wechsel ihre Form bzw. Größe, was mich in einen neuerlichen Lachflash warf.



Das brachte mich wieder auf den Förster und seine Frau, wodurch das Zimmer plötzlich rustikaler wirkte und ich mich fragte, wo denn hier der kapitale Achtzehnender hinge.



Ich legte mich wieder hin und betrachtete die Zimmerdecke. Es war Zeit, mal wieder Spinnweben zu entfernen. Überhaupt war dies doch eine triste Arbeitersiedlung. Während dieses Gedankenganges verblassten und „verschmutzten“ die Farben, um meinen Ansichten Genüge zu tun. So sinnierte ich ein wenig in diesem Gemütszustand, aber es reichte mir recht schnell, und ich entfernte das Laken vollständig von den Fenstern und stoßlüftete. Dann lief ich bewegungsgeil durch die Wohnung und betrachtete dabei meine rechte Hand, die etwas schmerzte, weil sie sich während ihres „Weiblichseins“ verkrampft hatte.



Nur zur Sicherheit machte ich das Fenster im Schlafzimmer wieder auf Kippe, jedoch nicht bevor ich vom Badfenster aus den prächtigen sonnendurchfluteten und lianenbehangenen Dschungel dort draußen bewundert hatte, der in Wirklichkeit nur ein heruntergekommener Garten war. Ich merkte, dass ich immer noch weiter am Raufkommen war und mich wieder hinlegen musste, um nicht von all dieser urwüchsigen Schönheit überwältigt zu werden. Zuerst stürzte ich jedoch noch zwei große Gläser Saft hinunter.



Von den kommenden vier oder mehr Stunden weiß ich nur noch das Wesentliche beziehungsweise das, was mir wichtig war zu erfahren. Der Pilz zeigte mir die Weite des Dschungels und des Waldes sowie eine große, fraktale, vielgestaltige Welt. Ich erkannte, dass das verborgene Myzel des Pilzes den Raum so effizient wie möglich durchmisst und aufteilt; wo es sich ballt und schlussendlich Fruchtkörper bildet, konzentriert sich die solchermaßen eingesparte Energie. Ich erkannte deutliche Parallelen zu anderen dynamischen Systemen wie etwa von Straßen verbundene Städte oder menschliche Beziehungsgeflechte. Auch erkannte ich, dass die emotionalen Sichtweisen auf ein und dieselbe Sache ebenso vielschichtig sind wie die fraktale und doch äußerst zielgerichtete Natur dieses Netzes.



Irgendwann wurde die Aufmerksamkeit auf mich selbst gelenkt. Ich durchschritt an einem herrlichen Tag die Straßen einer fremden Stadt und war, wie in meiner Kindheit, schlichtweg ich selbst; ich lachte den Leuten zu und fand schnell Kontakt und Zuneigung. Mein eher indifferentes und verkopftes Ich außerhalb der Pilzwelt steht einigermaßen im Gegensatz dazu und ist meiner Empfindung nach nicht mein ursprüngliches Selbst; vielmehr ein schon ewig übergestülpter Mechanismus.



Noch mehr saftiger Dschungel empfing mich und bot mir eine Zeitlang Schutz... ich schlenderte schließlich durch lateinamerikanische Städte und Bergdörfer und fühlte mich zuhause; schlussendlich durchwanderte ich für eine schiere Ewigkeit die Zeiten als „unsterblicher Azteke“. Noch nie habe ich ein solch euphorisches Gefühl erlebt.



Zwischendurch (ca. 9:00) stand ich kurz im Bad und versuchte meinen erleuchteten Zustand per Digitalkamera festzuhalten. Allerdings gelang es mir weder, die richtige Kameraeinstellung zu finden, noch ein geeignetes räumliches Arrangement zwischen der Kamera, der Spiegelkachel und mir herzustellen. Also legte ich die Kamera zurück und schaute einfach nur in den Spiegel. Dort sah ich... mich. 32 Jahre alt und sympathisch. Kein großer Brecher oder Zampalo. Aber auch keiner, der sehr viel jünger aussieht und durch gebildete Redeweise verschreckt. Vermutlich Unterschicht aber mit der Welt relativ im Reinen. In diesem Moment strahlte ich mein wahres Wesen, aber auch mein biologisches Alter, ungefiltert aus und nahm mich ebenso auf der anderen Seite des Spiegels ungefiltert wahr. Die meisten Menschen werden mich genauso wahrnehmen, wenn ich spontan agiere. Sie werden sich nichts dabei denken und meine wirklichen Qualitäten so schnell nicht erkennen. Jeder Kontakt ist sozusagen ein Glücksspiel.



Schon bald darauf folgte das Coming-Down, während dessen ich unangenehmerweise nicht einschlafen konnte - alles was ich weiß, ist dass ich des Öfteren auf die Uhr sah und gelegentlich noch starke „gedankliche“ Zustände und abstrakte Visuals erlebte. Gegen 11:30 schaute ich das letzte Mal auf die Uhr und erwachte schließlich bereits gegen 15:00 sehr erfrischt.



Ja, es stimmt, dass der Pilztrip eine Sache für sich ist. Es war mein bisher stärkstes psychedelisches Erlebnis. Für jemanden, der ausschließlich auf Halluzinationen oder ein intensiviertes Körpergefühl aus ist, ist es wahrscheinlich nicht das Richtige, weil ein extrem starker emotionaler und gedanklich-visionärer Aspekt hinzukommt.



P.S. Jetzt habe ich Bock bekommen, beizeiten mal Ayahuasca zu probieren... ;-)