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  Geschrieben: 26.04.16 22:35
zuletzt geändert: 28.04.16 01:16 durch Neopunk (insgesamt 6 mal geändert)
Hallo liebe Freunde des Safer Use (und auch hallo an jene, die es noch werden wollen),

häufig wissen Konsumenten nicht, wie viel Wirkstoff sie noch im Organismus haben, nachdem eine gewisse Zeit nach der Einnahme verstrichen ist.
Dies ist jedoch nicht unerheblich, insbesondere in Bezug auf Wechselwirkungen mit anderen Substanzen.
Das Gute ist: es lässt sich leicht mit einem Taschenrechner berechnen.

Ich möchte noch folgendes anmerken: Jeder Organismus funktioniert unterschiedlich! Diese Rechnung gibt nur eine ungefähre Auskunft, stellt also lediglich eine Näherung dar. Zu beachten sind individuelle körperliche Verfassung u.ä. und vor allem ob man ein poor- oder rapid-metabolizer ist!

Als Beispiel sei hier der zeitlich versetzte Konsum von Tramadol und Kokain angeführt.

Spoiler:
Da Tramadol ein Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer ist, kommt es mit dem Dopamin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer Kokain zu bedenklich hohen Konzentrationen an Noradrenalin im Synaptischen Spalt. Dies kann Zuckungen, Tremor sowie Krampfanfälle verursachen und sogar zum Tode führen!


Da diese Kombination, wie im Spoiler erklärt, sehr gefährlich ist, ist es wichtig zu wissen, wie groß die noch vorhandene Masse an Tramadol, respektive Kokain ist.
Wir werden auf das Beispiel Tramadol + Kokain zurückkommen.

Im Mittelpunkt der nachfolgenden Betrachtung steht diese Formel, auch Zerfallsgleichung genannt:
MQdPWO2.png

N ist die noch vorhandene Stoffmasse (je nachdem, was man einsetzt in g, mg, etc)
N0 ist die Anfangsmenge oder -masse
e ist die Eulersche Zahl
λ ist die (substanzspezifische) Zerfallskonstante
t ist die verstrichene Zeit

Die Zerfallskonstante λ ist, wie ihr sehen könnt, die einzige unbekannte Variable. Daher muss nun nach Lambda umgestellt werden. Das ergibt:

λ = ln(N/N0)/t

Ich verdeutliche das am Beispiel Tramadol:

Tramadol (ohne Metabolite) hat eine Halbwertszeit von 6h. Angenommen man hat eine Dosis von 100mg konsumiert. Dann sind unsere Variablen:
N0 = 100mg
N = 50mg (da wir nach der Halbwertszeit nur noch die Hälfte an Tramadol im Organismus haben)
t = 6h (die Halbwertszeit)
[ln ist der natürliche Logarithmus, auch logarithmus naturalis]

Demnach lautet die Gleichung: ln(50/100)/6 = ln(1/2)/6 = -0.6931/6 = -0.1155

Da man bei der Berechnung der Zerfallskonstante immer die Hälfte der Stoffmenge/Anfangsmenge logarithmiert, handelt es sich folglich immer um den natürlichen Logarithmus von 1/2; dieser ist immer -0.6931. Also müsst ihr eigentlich nichts anderes als machen als -0.6931 mit der Halbwertszeit zu dividieren, um die (substanzspezifische!) Zerfallskonstante zu ermitteln.

Nun folgendes Beispiel:
Neopunk hat vor 40 Stunden 200mg Tramadol zu sich genommen. Kann er jetzt bedenkenlos Kokain konsumieren?
Durch die neu gewonnenen Erkenntnisse, die er beim Lesen dieses informativen Threads gewann, weiß er: Um die noch vorhandene Stoffmenge zu berechnen, muss er nur folgende einfache Rechnung durchführen:

N = 200mg * e^-0.1155*40h = 1.97mg

Neo freut sich, denn er kann sich nahezu sicher sein, dass ~2mg Tramadol keinen Einfluss auf den geplanten Kokainkonsum haben werden. Zusätzlich stimmt ihn das Erfolgserlebnis, das ihm diese Rechnung beschert hat, positiv. Um das Set muss er sich also keine Sorgen mehr machen.
Sein Gefährte Collateral jedoch hat nicht nur zeitgleich mit Neo vor 40 Stunden Tramadol konsumiert, sondern auch danach noch mehrmals nachgelegt.
Colla überlegt und erinnert sich, dass er vor 40h 200mg, dann 5h später weitere 100mg und dann zusätzlich am nächsten Tag, 18h später, nochmal 250mg Tramadol konsumiert hat.
Er fragt sich, wie er dann rechnen muss; zum Glück weiß Neo Rat:
Die im Körper verbleibende Menge wird durch eine weitere Einnahme "aufgefrischt" und daher muss immer die bis zur nächsten Einnahme verstrichene Zeit berechnet und der somit erhaltene Wert zur eingenommenen Stoffmasse addiert werden.

Gemeinsam errechnen sie:

N = 200mg * e^-0.1155*5h = 122.26mg
-> 5 Stunden nach der Einnahme befinden sich noch 122.26mg Tramadol in Collaterals Blutkreislauf. Durch das Nachlegen hat er also zu Beginn 122.26mg + 100mg intus.

N2 = 222,3mg * e^-0.1155*18 = 27.79mg
-> Vor der Einnahme am nächsten Tag hat er noch ~28mg im Blut und somit nach der Einnahme 28mg + 250mg drin. Die letzte Einnahme ist 17h vor geplantem Kokainkonsum.

N3 = 278mg * e^-0.1155*17 = 39.02mg

Collateral weiß nun, dass noch ~39mg Tramadol ihre Wirkung tun, obwohl er davon nichts mehr spürt. Da er ein verantwortungsvoller Konsument und militanter Safer-Use-Verfechter ist, entschließt er sich aufgrund der pharmakologisch nicht zu vernachlässigenden Menge Tramadols, auf das Kokain zu verzichten und verdirbt Neo, der nicht alleine Rotzen möchte, damit den Abend.


Ich hoffe, dass das für jeden verständlich ist.
Bei Lob oder Kritik, aber auch bei Fragen oder Anmerkungen schreibt einfach!

Vielleicht könnten wir den Thread auch nutzen, um eine Liste an Halbwertszeiten zu sammeln, die ich dann zusammen mit den Zerfallskonstanten in den Startpost einfügen könnte.



Mit sozialistischem Gruß
Neopunk
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  Geschrieben: 26.04.16 22:59
Toller nützlicher Beitrag. Danke für deine Mühe

Lg
 
Traumländer



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  Geschrieben: 26.04.16 23:19
Gute Anleitung, jedoch muss man bei manchen Substanzen zusätzlich beachten, dass sie aktive Metabolite haben (bei Tramadol z.B. O-DSMT), und die haben dann nochmal eine ganz eigene Halbwertszeit.
 
» Thread-Ersteller «
Moderator



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  Geschrieben: 26.04.16 23:23
Ja, das ist richtig.
Aber gerade bei Tramadol und dessen Metabolit O-Desmethyltramadol aka Nortramadol spielt das in Bezug auf Kokain keine Rolle, da es keine SNRI-Wirkung hat.
Außerdem sind in die Halbwertszeiten meist alle (aktiven) Metabolite miteinberechnet.
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  Geschrieben: 27.04.16 09:24
Ein dickes Lob für die Idee für diesen Thread und die Mühe!
Das ist ein wichtiges Thema das endlich mal angesprochen wurde, saubere Arbeit!
Ich bezweifle zwar dass ich in druffem Zustand zu solchen Berechnungen imstande bin, aber gut zu wissen dass Leute jetzt im Ernstfall eine Anlaufstelle haben.
Oh, und sehr witzig geschrieben, musste echt lachen bei den Anschauungsbeispielen :D

Mfg Konf

PS: "Alles umsonst! Safer Use ist eh für'n Arsch!" - sehr geile Auswahlmöglichkeit xD
What would Jesus do?
Abwesender Träumer



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ICQ Skype
  Geschrieben: 27.04.16 11:39
Vielen lieben Dank für die Arbeit!

Nach sowas habe ich schon länger gesucht (jedenfalls nach ner einfachen Variante)
Ich werde mir dir Formel mal ins Hirn einbrennen, man kann sie ja immer mal gebrauche


Thanks!
Potente Hirne stärken sich nicht durch Milch, sondern durch Alkaloide.
Abwesender Träumer



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  Geschrieben: 27.04.16 20:08
Ich glaube das Problem ist, dass das ein .gif ist und kein .png oder .jpeg.
Hier ist eine Version die du verlinken kannst.
MQdPWO2.png
He complained: "Tony left me with a pile of Hendrix LPs and some dope."

Touching from a Distance
Ex-Träumer
  Geschrieben: 28.04.16 15:50
Sehr fein. Toller Beitrag. Ist der schon angepinnt, damit er immer auf der ersten Seite steht?
 
» Thread-Ersteller «
Moderator



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  Geschrieben: 28.04.16 17:15
Ich glaube nicht, sinnvoll wär's aber wohl.
Wär nett, wenn ein Mod das machen könnte
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Abwesender Träumer

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  Geschrieben: 28.04.16 20:06
Neopunk schrieb:
Außerdem sind in die Halbwertszeiten meist alle (aktiven) Metabolite miteinberechnet


Bist du sicher? Ich denke, dass die nochmal extra aufgeführt werden. Wäre es überhaupt eine Halbwertszeit, wenn mehrere Substanzen kontinuierlich in Metabolite umgewandelt werden? Während beim Ausgangsstoff die absolute Abbaurate langsam sinkt, steigt sie ja bei dem Metabolit langsam an. Wäre das dann überhaupt noch exponentiell?



 
» Thread-Ersteller «
Moderator



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  Geschrieben: 28.04.16 20:26
Hmm.. Da magst Du Recht haben.
Aber in der Tat habe ich schon oft Halbwertszeiten inkl. der aktiven Metabolite gesehen. Gerade bei Benzos ist das häufig der Fall
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Abwesender Träumer

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  Geschrieben: 28.04.16 21:45
zuletzt geändert: 28.04.16 21:59 durch PoisonMaenni (insgesamt 1 mal geändert)
Stimmt. Jetzt wo du Benzos direkt benennst, ist mir das auch schon aufgefallen.

Frage mich aber dennoch, wie die das berechnen. Das kann ja eigentlich nur annäherungsweise geschehen... Oft ist es ja auch gerade bei den Benzos so, dass zwischen Wirkung und HWZ Welten liegen.

Wobei das liegt ja auch wahrscheinlich wieder am Verteilungsvolumen und eventuell auch an gabaergen Rückkopplungsmechanismen. Komplizierte Sache jedenfalls.
 
Ex-Träumer
  Geschrieben: 10.06.16 15:15
Mir ist eingefallen: Um gut die Plasmakonzentrationen zu berechnen empfielt es sich, ein Konsumtagebuch zu führen. So ist nachvollziehbar von was ich wann wie viel konsumiert habe. Gibt natürlich auch ander Gründe für Konsumtagebücher, aber kann ich jedem ans Herz legen, eines zu führen.
 
Moderator

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  Geschrieben: 10.06.16 18:44
zuletzt geändert: 10.06.16 19:05 durch Hauselv (insgesamt 1 mal geändert)
Ich bezweifle sehr sehr sehr stark, das es am Ende wirklich die Plasmakonzentration errechnet wird. Das Ergebnis ist ja auch keine Konzentration (g/l oder mol/l), sondern eine Menge (mg).

Für die Konzentration braucht es noch Volumen (Blut bzw Plasma) und es gibt verschiedene andere Faktoren, die das Ergebnis beeinflussen. Wie gut sich die Substanz in Fett löst, wieviel Fett die Person besitzt und ob es Proteine gibt, die vll die Substanz binden...

Trotzdem nett und nützlich. Aber nicht die (Plasma) Konzentration!
 
» Thread-Ersteller «
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  Geschrieben: 10.06.16 21:00
Joa ich hab mir auch schwer getan mit dem Namen. Natürlich errechnet man eine Masse und keine Konzentration, aber ob man jetzt am Ende durch das Volumen des eigenen Blutes teilt oder nicht ist unerheblich. Im Prinzip erhält man damit einen Wert, mit dem man nicht allzu viel anfangen kann.
Mir ist allerdings auf die Schnelle kein Besserer Name für den Thread eingefallen, der nicht die maximale Anzahl an Zeichen überschritt
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Arbeitstitel Tortenschlacht - Ernst der Lage

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