LdT-Forum

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Traumländer



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  Geschrieben: 11.04.21 04:59
Ich hab mal eine Frage an die Chemiker, Biochemiker und Pharmazeuten des Forums:

Seit längerem Frage ich mich, welcher Teil eines Moleküls für die psychotropen Wirkungen verantwortlich sind.
Ich kann zwar mittlerweile an einer Molekülstruktur abschätzen, in welche Stoffklasse es fällt und darum auch, ob es Halluzinogen oder Dissoziativum ist, aber das warum fehlt mir. Dass wüsste ich gerne.

Was sorgt zb. bei 2C-B dafür, dass es zwar am Rezeptor bindet, jedoch nicht den Serotoninhaushalt beeinflusst, obwohl MDMA-ähnliche Stoffe doch "relativ" ähnlich aussehen, jedoch keine halluzinogene Wirkung am 2-HT-A2 Rezeptor entfalten, dafür aber Serotonin "imitieren", hemmen und sogar dafür sorgen, dass Serotonin ausgestoßen wird.

Auch bei anderen Stoffen interessiert mich das sehr. 3-HO-PCX zb. soll ja sogar eine merklich opioide Wirkung haben (konnte ich jetzt echt nur leicht/unterschwellig feststellen, aber ich hab ne Toleranz wie ein Palliativpatient kurz vorm Ende).

Kann man hier überhaupt sagen, welche Gruppen/Ladungsverteilungen für sowas generell verantwortlich sind?
Also bsp. bei 2C-B hat man an der Seitenkette die NH2 Gruppe, welche generell dafür sorgt, dass es am Sert-Rezeptor bindet und das Brom verhindert, dass der Rezeptor es als fake Serotonin erkennt und auch kein Serotonin desswegen ausstößt.

Anhand der 2C-X Familie fänd ichs auch interessant zu wissen, wie sich die Substanzen je nach Namensgebender Gruppe verändern.

Ist vielleicht viel auf ein mal, aber ich frag mal. Vielleicht kanns ja jemand einfach erklären.


"Immer wieder, wenn ich aus dem Leib aufwache in mich selbst, lasse ich das andere hinter mir und trete ein in mein Selbst; ich sehe eine wunderbar gewaltige Schönheit und [...] bin in eins mit dem Göttlichen" (Plot. IV.8.6)
Traumländer



dabei seit 2011
1.416 Forenbeiträge

  Geschrieben: 11.04.21 12:07
Der Teil eines Moleküls, welcher hauptsächlich für die pharmakologische Wirkung verantwortlich ist, nennt sich Pharmakophor. Wobei es jedoch oft kaum möglich ist, sowas auf dem Papier abzuschätzen, da vor allem die räumliche Struktur entscheidend ist. Passt das Molekül aufgrund seiner Größe und Ladungsverteilung gut zum Rezeptor, kann es mit dem Rezeptor (ein großes Protein mit einer Einbuchtung, der sogenannten Bindetasche) über verschiedene Wechselwirkungen wie Wasserstoffbrückenbindungen und hydrophobe Effekte interagieren. Dabei ändert sich die Konformation des Rezeptors. Sie kann sich so ändern, dass eine Signalkaskade ausgelöst wird (Agonist), oder aber so, dass keine Signalkaskade ausgelöst wird, aber der Rezeptor erstmal vom Molekül blockiert ist und kein anderer Ligand in die Bindetasche reingelassen wird (Antagonist), bzw. erst dann, wenn der Ligand in hoher Konzentration vorliegt und den Antagonisten verdrängen kann.

Wie das genauer funktioniert mit den Rezeptoren und Signalkaskaden, kannst du dir durchlesen unter den Stichworten "G-Protein gekoppelter Rezeptor", "Ionenkanal", "Rezeptor Tyrosinkinase" und "intrazellulärer Rezeptor". Das sind so die wichtigsten Rezeptorarten.

In der Regel werden neue Arzneistoffkandidaten heutzutage am PC entwickelt. Es gibt Software, welche man mit mehreren tausend Molekülen und ihren experimentell ermittelten Bindungsaffinitäten füttert, und die Software lernt dann, diese Daten auf neue Moleküle zu übertragen. Natürlich macht sie das nicht immer richtig, aber die Tendenz stimmt oft. Mit dem Tool "SwissTargetPrediction" kann man es sogar selber kostenlos versuchen: http://www.swisstargetprediction.ch/.
 
Abwesender Träumer

dabei seit 2020
11 Forenbeiträge

  Geschrieben: 16.04.21 00:13
Ich erwähne mal noch das Schlüssel-Schloss-Prinzip, weil es den Zusammenhang relativ anschaulich erklärt: Das Molekül als Ganzes muss zum Protein "passen". Und oft genügen kleine Unterschiede zwischen Molekülen, damit aus "passt gut" ein "passt gar nicht" wird. Um das wirklich erklären zu können, muss man wissen, wie das Protein "aussieht" und wie genau ein Molekül daran bindet. Das herauszufinden ist jedoch nicht so einfach und deshalb weiß man das oft leider gar nicht genau.
Aber natürlich gibt es auch Proteine, bei denen man das herausgefunden hat. Und viele dieser bekannten Strukturen sind in der Protein Data Bank frei für jedermann verfügbar, hier z.B. LSD gebunden an 5-HT2B.
 
Moderator



dabei seit 2012
2.813 Forenbeiträge

  Geschrieben: 18.04.21 12:23
Double's Zusammenfassung ist schon so gut dass ich da kaum noch was wesentliches hinzufügen kann, ohne riiiichtig tief in die Materie einzutauchen. Und das wird schnell so kompliziert, dass jeder Leser erstmal mindestens ein paar Tage ausschließlich mit lesen von Artikeln etc. verbringen müsste - mich selbst mit eingeschlossen.

Man kann vielleicht noch ein wenig vereinfacht aufklärend erwähnen: die funktionellen Gruppen eines Moleküls, also z.B. eine Aldehyd- oder Carboxylgruppe, Ether- oder Esterbrücke usw. usw. hat nur indirekt mit seiner physiologischen Wirkung zutun. Sie tragen halt zur geometrischen Form und zur Ladungsverteilung in dem Molekül bei, und die sind es die entscheidend dafür sind, ob ein Molekül in einen Rezeptor passt und ob es in diesem Rezeptor intrinsische Aktivität (also die Agonist-/Antagonist-Geschichte, von der Double gesprochen hat) zeigt.
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