LdT-Forum

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AutorBeitrag
Ex-Träumer
  Geschrieben: 11.07.04 21:33
Hallo zusammen,

ja ja, gestern abend bin ich schwach geworden ... :oops: Immer dieser Konformitätsdruck! :roll: Na ja, auf jeden Fall war es tausendmal besser als erwartet - und zwar so:



Zitat:
„Wir sind alle Städte am Meer …“

MDMA am 09.07.2004



Eigentlich wollte ich ja erst mal kein E nehmen, um meinen Serotoninspeicher wieder auffüllen zu können. Mit 5-htp in Aussicht hatte dieser Gedanke allerdings schnell verloren.
Ich habe zwei weiße Rauten genommen: Erst 1 ½. Außer leichter Speedwirkung war jedoch von MDMA (wieder mal) nichts zu spüren: Keine Tellerpupillen, kein Drang, kein Geschäft des Jahrhunderts im Klo – irgendwie war ich schon fast ernüchtert, zumal ich sowieso mit keiner ernsthaften Wirkung gerechnet. Auch die Anwesenheit meines Freundes nervte mich, von Empathie nichts zu spüren. Also nahm ich noch die übrige Halbe.
Jetzt ist es gleich sechs, und draußen ist bereits die Sonne aufgegangen … bin immer noch ziemlich dicht, weiß auch nicht, wie lange ich das Schreiben hier noch weitermachen kann. Ist alles so anstrengend und mein Kopf schmerzt … Kieferterror lässt grüßen … die Kaugummis zeigen als Haltbarkeitsdatum November 2003 an, aber sie sind gar nicht sooo hart und helfen meinem Kiefer jetzt auf jeden Fall – und mir, mich zahntechnisch abzureagieren.
Dieses eine Lied, das wir schon seit seinem Erscheinen im Herbst 2002 auf Pille immer wieder hören mit dem Ziel, es zu erfassen, die sehr lyrisch gehaltene Schilderung für uns nutzbar zu machen. Ich bin, wie ich finde, daran sehr oft gescheitert. Heute – ich glaube, heute kann ich zufrieden sein. Nach der vierten Hälfte hatte ich dann endlich das Gefühl, MDMA genommen zu haben.
Das Wohnzimmer, wohin wir uns nur mit unserer Matratze gelegt hatten, wurde von dem warmen Licht einer wabernden orangen Lavalampe sanft gebadet. Wir hörten Covenant, ihre 2002er Platte „Call the ships to port“ – die den Titel eben dieses genialen Songs trägt. Und dann war es schlagartig da, das geliebte Empfinden, das sich so vertraut anfühlende Signal eines aufkommenden kreativen Trips. Diese absolute geistige Klarheit, dieses logische Erfassen des Songtextes auch über mehrere Zeilen hinweg. Ich griff prophylaktisch zu Papier und Stift, um gleich, wenn meine Gedanken mich überfluten würden, mitschreiben zu können und stellte den Song auf Dauerdurchlauf.
Eine Anmerkung noch zu Covenant: Leichter EBM, 100% gitarrenfrei – und wer die Band kennt, wird mir sicher zustimmen, dass die Texte eigentlich das Schönste dabei sind: Sie erzählen in Metaphern kleine Geschichten, oft mythologischen (z.B. die altgriechischen Mythen von Atlas und Prometheus) oder biblischen Symbolen. Auf keinen Fall lassen die Texte mehr als nur eine Interpretation zu – und jetzt habe ich endlich (m)eine.


a billion words ago
the sailors disappeared
a story for the children
to rock them back to sleep

a million burning books
like torches in our hands
a fabric of ideals
to decorate our homes

a thousand generations
the soil on which we walk
a mountain of mistakes
for us to climb for pleasure

a hundred clocks are ticking
the line becomes a circle
spin the wheel of fortune
or learn to navigate

a choir full of longing
will call our ships to port
the countless lonely voices
like whispers in the dark

a second of reflection can
take you to the moon
the slightest hesitation can
bring you down in flames

a single spark of passion
can change a man forever
a moment in a lifetime
is all it takes to break him

a fraction of a heartbeat
made us what we are
a brother and a sister
for better or for worse

a billion words ago
they sang a song of leaving
an echo from the chorus
will call them back again

a choir full of longing…

tonight we light the fires
we call our ships to port
tonight we walk on water
and tomorrow we’ll be gone


Mit einem Mal war mir endlich klar, was dieses „Call the ships to port“ für mich bedeutet: Die draußen auf See (im Leben) gesammelten Erfahrungen werden von den Schiffen wieder in den Hafen gebracht, denn erst hier können sie zusammengeführt werden. Diese Erfahrungen müssen mit klarem Kopf geordnet werden und als Teil ihrer Seele in das eigene Selbst – was ja dann nichts Anderes ist als eine Stadt am Meer – integriert werden.
Wenn die Fracht (die Erfahrungen) aus dem Schiff entladen wurde, stechen die Schiffe wieder in See, beladen mit jetzt erfahreren Seeleuten als noch beim letzten Mal. Die neuen Erkenntnisse geben ihnen ein neues Ziel vor, auf das sie im Meer des Lebens hinstreben – doch um es jemals zu erreichen, müssen sie sich gegen scharfe Stürme durchsetzen und dürfen nicht in die Situation zu kommen, nur noch so gut wie möglich (aber meist hilflos dem Leben ausgesetzt) „navigieren“ zu können und vielleicht an irgendeinem Strand, getrieben von den Wellen, als gescheitertes Treibgut zu enden.
„Tonight we walk the water, and tomorrow we’ll be gone“ – Heute befähigt die Erkenntnis zu neuen, großen Gedanken und Taten, aber sie zu konservieren wäre morgen schon wertlos, denn „auf dem Wasser“ läuft man nur einmal. „Tomorrow“ – morgen sind die Schiffe längst wieder auf See, auf der Jagd nach immer neuen Erkenntnissen, die sie in den Hafen bringen und damit der eigenen Gedankenwelt zugänglich machen.
Doch Erkenntnis ist nicht immer beliebt, oft unbequem. Die Bürger der Stadt werden ruhiggehalten, ihre Fragen durch alte Geschichten „beantwortet“: „A billion words ago the sailors disappeared – a story for their children to rock them back to sleep.“ Ihre eigene Neugierde hätte die Seeleute damals hinausgetrieben, doch sie kamen nie zurück. Es erinnert mich an eine Drogenkampagne, die vor ein paar Jahren lief: „Das ist das Ende. Mit Neugier fing es an.“ Indem Neugier – die Voraussetzung von Erkenntnis schlechthin – verteufelt oder mit gruseligen Geschichten über von Drachen gefressene oder einfach verhungerte Seeleute belegt wird, ist eine Generation herangewachsen, die diesen Weg der Erkenntnis nie realisiert hat. Doch Covenant machen Hoffnung: Es ist nie zu spät. Bis dahin werden die „gezähmten“ Fragensteller mit einer legitimen Form von Erkenntnis unterhalten: „A million burning books like torches in our hands“ – selbst alle Bücher der Welt können nicht mehr als einen kleinen Schimmer Licht in das riesige, umgebende Dunkel von unterdrückten Fragen und Gedanken werfen. Hell wird es durch eine Taschenlampe niemals. Erfahrungen muss man selbst machen.
Wie erfahren die Schiffe, wann es an der Zeit ist, in ihren Heimathafen zurückzukehren und auszuruhen? „An echo from the choir will call them back again“ – wenn wir die Erkenntnisse integrieren wollen – also Nach-Denken über das Erlebte und Gesehene – müssen wir sie rufen. Nur wenn man selbst es will, finden Erfahrungen Eingang in die Gedankenwelt und können positiv oder negativ in das eigene Bild von sich selbst und der Welt drumherum einfließen. (Anmerkung: Das ist soo schön. Wir sind alle Städte am Meer, klein und geschützt, und würden nie erfahren, was „hinter allem“ steckt. „Tonight we light the fires“ – man muss die Erkenntnis wirklich hören wollen und sie so laut wie möglich rufen (Gibt es etwas besser Sichtbares als ein Feuer am Strand?).
Doch jeder von uns besitzt seine eigenen Schiffe, wir können nicht dieselben Erkenntnisse gewinnen und weiterdenken. Jeder muss seine eigenen Erfahrungen machen, für sich selbst sehen, seinen jeweils eigenen Teil der Wirklichkeit mit an Bord nehmen, seine eigenen Seeleute in den Hafen rufen: „The countless lonely voices – like whispers in the dark.“

Jetzt ist es gleich halb sieben. Ich bin unendlich müde und werde wohl gleich schlafen gehen. Mein Herz ist so voller Frieden und Liebe … Erkennen, wissen, immer voran, voran, voran – das ist es, was mich treibt. Und der Gedanke, dass mein Schiff jetzt im Hafen liegt, fällt mir schwer – nicht schwer genug jedoch, um nicht heute nacht über Wasser zu laufen, Wunder zu vollbringen und Blinde wieder sehend zu machen.
Bald will es wieder in See stechen, ich spüre es – es will raus aus mir und neue Erfahrungen sammeln. When the time is right …




Habe reichlich Fluexetin genommen, so dass die Begleiterscheinungen sich diesmal (bis auf die Kieferterror-Nachwirkungen) in Grenzen halten.
Hoffe, mein 5-HTP kommt bald an ... :roll:

Entspannte Grüße,
EMPATHY :verliebt:
 

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