Langzeit-Berichte lesen

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Titel:Meine polytoxe Jugend
Droge:Speed
Autor:anonym
Datum:30.12.2016 19:42
Nützlichkeit:7,67 von 10 möglichen   (30 Stimmen abgegeben)

Bericht::

//Edit: Vorgeschichte + einige Zeilen ergänzt



Hallo erstmal an alle LdT-ler da draußen,



ich verfolge dieses Forum schon ziemlich lange und habe mich nun dazu entschlossen, selbst einmal meinen "Drogenwerdegang" als Langzeitbericht nieder zu schreiben. Ich werde nur kurz auf alle Substanzen die ich zu mir genommen habe eingehen und nur die "wichtigsten" etwas detallierter zu beschreiben, da es ansonsten viel zu viel Schreiberei wäre...

Ich habe als Droge Speed gewählt, da mich das Amphetamin mit Abstand am stärksten begleitet/verfolgt hat.



Zur Vorgeschichte



Ich war schon immer etwas anders. Und hatte ein Talent dafür mir Probleme zu machen.. Früher im Grundschulalter war ich total agressiv, nachdem das alles vorüber war, reagierte mein Kopf auf mehrere traumatische Erlebnisse in meiner Kindheit. Es ist mir nicht klar warum das zu dieser Zeit so plötzlich kam, jedenfalls verfolgte das Erlebte mich auf einmal wie nie zu vor. Ich verfiel in starke depressive Löcher, fing an mich selbst zu verletzen und versuchte 2 mal mir das Leben zu nehmen. Nach 3 stationären Behandlungen bekam ich die Diagnose einer Anpassungsstörung und einer nicht näher bezeichneten Spaltung der Persönlichkeit (sinngemäß geschrieben). In der 3. der gerade genannten Behandlung passierten krasse Dinge .. die mich im Endeffekt wahrscheinlich noch etwas mehr gezeichnet haben (mehrmalige Fixierung mit Gewalt, totale Isolation). Zwischen der 2. und 3. Behandlung ging es dann los. Ich war am Rande eines Abgrunds, und dachte ich hätte das passende als Brücke gefunden.. Jedoch haben sie mich nur entgültig den Abgrund herunter gerissen: Drogen. Anfangs waren sie eine Flucht aus der Realität, bis ich den Weg dorthin fast nicht zurück gefunden hätte..



Das ganze begann mit 12 Jahren, als mich kurz vor meinem 13. Geburtstag ein Kollege auf meinen ersten Joint einlud. Es gefiel mir natürlich. Daraufhin folgte eine Tage später meine nächste Erfahrung mit Weed, daran erinner ich mich noch ganz genau.. Ich bekam meinen ersten, übelsten Lachflash, und beim Fahrradfahren fühlte ich mich leicht wie ein fliegender Vogel. Es folgten einige weitere Male und immer mehr meiner Freunde fingen an, regelmäßig zu kiffen. Wir kifften vor der Schule, in der Pause, direkt nach dem Unterricht und wenn wir uns nach der Schule verabredeten, kifften wir. Es gelang mir einige Zeit, das ganze vor meiner Mutter zu verstecken, bis ich nur noch mit dauerroten Augen nach Hause kam. Mit der Zeit wendeten sich immer mehr der "alten Freunde" von mir ab (oho, der böse Kiffer) und es kamen immer mehr dazu, die kifften. Nach etwa 4 Monaten rauchte ich dann täglich meine 1-2g, als ich kurze Zeit später eine neue Beziehung anfing wurde es immer mehr. Der Alltag drehte sich fast nur noch ums Kiffen, solange ich was besorgen konnte war ich gut für sie. Zu dieser Zeit "experimentierte" ich das erste Mal mit dem Leben auf der Straße. Ich wollte die Erfahrung einfach mal gemacht haben. Das ganze ging 4 Tage gut, bis ich von den Cops aufgegriffen wurde. Wurde dann natürlich schnell nach hause gebracht :D. Ich fing an die Schule zu vernachlässigen, wurde immer träger, bis ich eines Tages bei einem anderen Kollegen (F) zu Besuch war und er später etwas Speed auspackte. Wir zogen beide 2 Lines und sofort hatte ich mich verliebt.. Ich war endlich wieder fitter, konzentrierter und fühlte mich total lebendig. Dennoch hatte ich noch zu großen Respekt vor chemischen Drogen, weshalb ich erstmal nur ca. alle 2 Wochen konsumierte. Jedoch wurde eine risiege Neugier in mir geweckt.. Durch Bekannte, die zu der Zeit von H substituiert wurden, bekam ich irgendwann eine 4mg Subutex Tablette zum Testen. Ich fuhr noch am selben Abend zu F, wir rauchten mehrere Blunts, zerkleinerten die Pille und zogen jeder etwa 2-3 Lines. Während wir auf die Wirkung warteten, rauchten wir noch einen Blunt. F "schlief" daraufhin direkt ein (wusste zu der Zeit noch nichtmal was opioide sind bzw. wie diese wirken). Ich fuhr nach Hause, rauchte dort noch einen Joint und ging dann schlafen. Auch beim Subutex sollte es nicht beim einmaligen Konsum bleiben. Kurze Zeit später kaufte ich mir erneut eine Subutex, um diese mit einer Freundin zu konsumieren. Diesmal jedoch 8mg.. Wir rüsselten das Ding weg und kifften ununterbrochen. Das ganze endete darin, dass sie am Ende des Abends total ausgerastet ist und sich die kompletten Hände zertrümmert hat (durch das Subutex vernahm sie die Schmerzen natürlich nicht), und ich den Rest des Abends in einem extremen Opioidrausch verbrachte. Kurze Zeit später folgten einie Erfahrungen mit Kokain, welches ich dann sogar in der Schule konsumierte.. Ich ging während des Unterrichts auf Toilette um eine Line zu ziehen, einfach nur weil ich es geil fand drauf in der Schule zu sitzen.



Nach einer langen Zeit voller Graß, Speed und gelegentlich Koks schritt das Jugendamt ein.. Ich war zu der Zeit gerade mal 14 Jahre. Das Jugendamt erkannte nach einiger Zeit, dass sämtliche Hilfen nichts nützen, solange ich im selben Umfeld war.. Also beschloss mein Sachbearbeiter, mich in eine Wohngruppe zu schicken, die knapp 150 km von zuhause entfernt war. Dort lief es dann ein halbes Jahr sehr gut – zumindest was den Konsum angeht. Kaum hörte ich auf zu konsumieren, schlug mir die Realität wieder mit voller Kraft ins Gesicht ung zog mich erneut in tiefe Abgründe. Ich ging erneut in eine Psychiatrie, in welcher ich von nun an mit einem Gerichtsbeschluss gefangen gehalten wurde. 6 Wochen geschlossene Station, vom Familiengericht angeordnet, weil ich eine Gefahr für mich und andere bin. Tolle Scheiße.. Es folgte eine sehr komplizierte Zeit, und umso froher war ich, als nach den 6 Wochen der Beschluss aufgehoben wurde und ich wieder frei war. Wieder in der Wohngruppe ging es mir einige Zeit besser. Bis ich immer häufiger in der nächsten Großstadt (B) unterwegs war und dort immer mehr neue Leute kennen lernte... Mittlerweile war eine neue Mitbewohnerin eingezogen, die aus den selben Gründen wie ich in ner Wohngruppe war.. Wir verstanden uns natürlich auf Anhieb. Beim ersten "Rückfall" waren wir gute 10 Tage auf Crystal, Speed, Koka, Grass, und Nachtschattengewächsen unterwegs.. (Dieser Rückfall hatte eine große Bedeutung, da am letzten Tag meine Psychose "ausgebrochen" ist) Natürlich entging dies den Betreuern der Wohngruppe nicht, woraufhin sie plötzlich mit einem Drogentest vor uns standen. 4 von 6 Substanzen positiv, die Absprache war dass ich rausfliege sobald ich einmal wieder etwas nehme. Ich bekam jedoch eine 2. Chance und sagte mir dass ich diese zu 100% nutzen werde..

Falsch gedacht. Zwischenzeitlich kamen erste Erfahrungen mit Pilzen, LSD und Meskalin. Ich nahm alles, was ich in die Finger kriegen konnte, um mich zu betäuben/berauschen. etwa einen Monat später erneut ein großer Rückfall.. Wir waren 7 Tage durchgehend auf Speed wach, nahmen jeden 2. Tag Teile und kifften jeden Tag. Dazu kamen jeden Tag Psilos und Fliegenpilze, zudem haben wir ne ganze Einkaufstüte voll Stechäpfel verdrückt.. Nach den 7 Tagen waren wir natürlich total gef*ckt, und ich beschloss noch schnell nach B zu fahren um etwas zu kiffen zu holen, damit wir langsam runter kommen konnten.. Ich kam aber nie wieder in der Wohngruppe an. Ich lernte abends im Bus einen Typen kennen, der mir eine mega-line Koks hinhielt, und ich hab sie natürlich gezogen.. (es waren gefühlt 0,2/0,3g, ohne Toleranz und nach 7 Tagen Schlafentzug)



Der Abend endete für mich mit einer Überdosis auf der Kinderintensivstation (da ich zu diesem Zeitpunkt grade mal 15 war). Nach 4 Tagen wurde ich entlassen und direkt aus der Wohngruppe rausgeworfen.. Der Heimleiter hat mich schon mit gepackten Sachen ausm Krankehaus abgeholt. Es ging also zurück in die Heimatstadt zu meiner Mum.. Dort angekommen, blieb ich ein paar Tage clean. Meine Tagen waren dennoch geplagt von psychotischen Schüben, ich war paranoid, hörte Stimmen und Schreie und sah in jedem Augenwinkel Schatten die mich bedrohten ... Es war die Hölle. So fing ich wieder an, mich zu "betäuben". Ich kiffte wieder täglich und fuhr immer wieder nach B, um dort exzessiv auf chemischen Drogen zu feiern. Zu der Zeit machte ich meine erste und letzte Erfahrung mit PCP, was sicherlich auch einen risiegen Teil zu meiner Pychose beigetragen hat.. Ich konsumierte wieder regelmäßig Speed, Teile, Graß, Pilze, und gelegentlich LSD und Kokain.. Nach einiger Zeit erkannte ich, dass es so nicht weiter geht und schrieb mich für eine Entgiftung ein. Einige Zeit später jedoch wurden meine psychotischen Schübe so stark, dass ich beschloss von zuhause abzuhauen.. Da ich meinem kleinen Bruder (zu dem Zeitpunkt 6 Jahre) nicht noch einen weiteren Ausraster von mir zumuten konnte. Ich floh zurück nach B, wo ich von nun an auf der Straße lebte und jeden Tag Speed konsumierte.. Das Speed war etwas, das mich am Leben gehalten hat .. ich lebte mit 15 auf der Straße, hatte nur drogenabhängige Freunde und selbst schon lange keine Perspektive mehr, zudem hörte ich immer wieder diese Stimmen.. Das Speed ließ mich alles vergessen. Ich nahm es nur noch um leben bzw. funktionieren zu können. Es folgen Erfahrungen mit einigen mehr Drogen, an die ich mich jedoch nichtmal mehr genau erinnern kann.. nach 3 Monaten Leben auf der Straße, täglichem Speedkonsum und exzessiven Drogenpartys, wartete die Entgiftung auf mich. Ich schoss mich ein letztes Mal richtig ab und trat die 3-wöchige Therapie an. Ich schilderte mein Konsumverhalten und meine Liste konsumierter Drogen.. Direkt wurde mir gesagt, ich sei polytox und habe eine starke substanzinduzierte Psychose. Also gab es jeden Tag einiges an Medikamenten.. Morgens, Mittags, Abends, zur Nacht und 3mal tgl. als Bedarf.



Die Medi's haben in der ersten Zeit sehr gut geholfen. Ich wurde klarer im Kopf und hörte keine Stimmen mehr, ich war wie aus einem Traum erwacht. Nach 3 Wochen dann die Entlassung. Die Entlassung ins alte Umfeld.. Anstatt noch eine richtige Drogentherapie zu machen, ging ich zurück nach Hause. Ich wurde am Donnerstag entlassen und am Freitag dachte ich mir, ich könnte dies doch feiern... Ich fuhr wieder nach B übers Wochenende, und schon war ich wieder drin. Ich setzte die Medikamente ab, was ein viel stärkeres psychotisches Erleben als je zu vor auslöste.. Regelmäßg Ecstasy, täglich Speed und Graß. Ich hatte es immerhin schonmal nur auf diese 3 Substanzen minimiert... Irgendwann bekam ich dann von einem Kollegen eine Packung Diazepam geschenkt, welche ich mir natürlich direkt in den Kopf haute. Als nach einer Woche 30 Tabletten á 10mg vernichtet waren, fing ich an, meiner Mutter ihre Bromazepam zu stehlen, die sie zu der Zeit wegen Schlafproblemen bekommen hab.. nach 3 Tagen war die Packung leer.. und ich ohne Benzos. Auch wenn es eine sehr kurze Zeit war, der Entzug machte mich total fertig.. ich fraß pflanzliche Beruhingstabletten wie TikTaks, damit die Krämpfe und das Zittern einigermaßen erträglich wurden.. nach 2 Tagen war es zum Glück schon geschafft. Nachdem ich noch lange Zeit weiter jeden Tag Speed konsumierte, schmiss meine Mutter mich nach einem extremen Ausraster während eines psychotischen Schubes raus .. Ich hatte vor meinem kleinen Bruder aus Wut ein Messer gegriffen und es in den Tisch gerammt, dass war der Moment an dem ich gemerkt habe was ich eigentlich tue.. Aber ich konnte oder wollte es nicht ändern. Ich zog und kiffte weiter. Ich fand es nicht schlimm, ich war auch zu keiner Zeit abhängig *Ironie*. das war meine Einstellung.. Ich lebte also eine Weile bei Bekannten und lernte bald meine heutige Freundin kennen.. Sie hatte mit Drogen nichts am Hut, und so gelang es ihr nach langer Zeit mich vom Speed zu erlösen.. Bzw mir dabei zu helfen. Es folgte ein monatelanger "Entzug" voller Paranoia. Ich traute mich teilweise tagelang nicht aus dem Haus. Ich ging jedoch immer noch häufig auf Drogenpartys, konsumierte Teile und 2c-b öfters am Wochenende. Aber nur noch am Wochenende.. Nach einer weiteren Zeit beschloss ich, die Chemie komplett weg zu lassen. Dafür kiffte ich um so mehr.. Ich neigte extrem zu Suchtverlagerung, und da ich mich "nur" mitm Kiffen zufrieden geben "musste", kiffte ich wie ein Schlot. Es half mir dabei, meine psychose zu ertragen.. Ich rauchte, und sofort waren Paranoia, unkontrollierte Gedanken etc weg. Nach ca. 6 weiteren Monaten, in denen ich soweit clean geblieben bin (außer wenige Male Ecstasy und halt das tägliche Kiffen), klangen die psychotischen Symptome langsam ab.. Zu dem Zeitpunkt war ich 16 Jahre, hatte 3 Entzüge hinter mir, hatte eine schizoaffektive Psychose, und war total am Ende.. Ich bin so froh, dass ich meine Freundin hatte/hab. Sie war zu jeder Zeit für mich da und hat jede meiner psychotischen Launen ertragen.. Irgendwann ließ ich dann auch noch die Teile weg und kiffte nur noch. Leider verkackte ich trotzdem meinen Realschulabschluss und hatte schon einige Zeit vorher meine Ausbildung verhauen, als ich eingearbeitet werden sollte, an dem Tag aber zu drauf war und es vergessen hatte..



Heute bin ich 18 Jahre alt und habe fast keinerlei psychotische Symptome mehr. Gelegentlich kommen die Schübe durch, allerdings kann ich mittlerweile schon viel besser damit umgehen. Kiffen tue ich immer noch, aber mit gutem Gewissen.

Ich bin froh, dass ich es geschafft habe vom Rest weg zu kommen. Laut den Ärzten auf der Intensivstation damals wäre ich mit meinem Konsummuster mit 20 vermutlich tot gewesen.. Ich möchte mit diesem Bericht weder "angeben" oder Mitleid erregen, ich möchte nur dass ihr seht, was passieren kann. Was erstrecht passieren kann, wenn ihr zu früh anfangt..



Mit der Zeit werden ich diesen Bericht noch detaillierter schreiben, aber das ist jetzt erstmal eine grobe Zusammenfassung.. Hoffe dass es einigermaßen erträglich geschrieben ist.



Schönen Abend noch