Langzeit-Berichte lesen
Übersicht:
Titel: | 5 Jahre Kratom - eine Odyssee |
Droge: | Kratom |
Autor: | screenager |
Datum: | 04.12.2018 00:00 |
Nützlichkeit: | 7,36 von 10 möglichen (56 Stimmen abgegeben) |
Bericht::
Hallo liebes LdT, dies hier ist mein Langzeitbericht über Kratom. Ich hoffe, er hilft euch etwas dabei, diese Droge und ihren Nutzen/Schaden für euch etwas besser einschätzen zu können.
Zuerst einmal ein bisschen über mich: ich bin zurzeit 26 Jahre alt, habe bis zum Abi (das ich mit 20 abschloss) absolut keine Drogen genommen - außer Koffein, Alkohol und mit 12 drei Zigaretten. Ich war aber schon immer interessiert an den Berichten anderer Leute über Gras und "Partydrogen" wie MDMA, Speed usw. und wollte diese Erfahrungen selbst einmal machen, was ich im Laufe der letzten 6 Jahre auch ausgiebig tat. Meine meistgenutzten Substanzen waren dabei Gras, Nikotin und Kratom, in letzter Zeit kam auch viel Alkohol dazu. Ich habe aber auch noch Erfahrungen mit MDMA, Speed, DXM, Pilzen, LSD, 1p-LSD, 2-CB, sowie Traumkraut und Salvia gemacht und möchte unbedingt irgendwann mal DMT probieren.
Meine Kindheit war augenscheinlich recht behütet - ich bin in einem großen Haus in einem 100-Seelen-Dorf im Südosten Mecklenburgs an der Grenze zu Brandenburg aufgewachsen - meine Eltern haben sich getrennt als ich 12 war, wohnen jedoch weiterhin zusammen. Dadurch gab und gibt es schon sehr viel Frust, Streit und Unsicherheit und wir (ich bin das mittlere von 3 Kindern) haben dadurch schon den ersten und tiefsten Schaden für unser Leben bekommen.
Ich wurde danach jahrelang (von der 2. bis zur 10. Klasse) in der Schule von Gleichaltrigen gemobbt, teilweise sogar misshandelt. Näheres will ich euch nicht antun, aber ich habe dadurch ebenfalls einen argen psychischen Schaden davongetragen.
Das alles dürfte wichtig dafür sein, weshalb ich überhaupt erst mit Drogen anfing und auch einer der Gründe, weshalb ich euch heute diesen Bericht schreiben kann.
Ich bin ziemlich groß und dünn, 1,94m bei ~64kg seit bald 10 Jahren. Körperlich habe ich keine Krankheiten, außer allergiebedingtes Asthma und als Kind Neurodermitis - die jedoch unter Stress auch heute wieder zutage tritt. Ich nehme keine Medikamente.
AB HIER LESEN, WENN EUCH DIE PERSON HINTER DEN ERFAHRUNGEN EGAL IST
(oder zuviel über sich schreibt)
Mein erstes Mal Kratom habe ich mir Mitte Oktober 2013 bestellt - ich suchte nach legalen Highs und Abwechslung vom Gras, das ich zu der Zeit exzessiv rauchte, aber nicht immer zur Verfügung hatte.
Ich nahm also an einem Freitag nachmittag in meinem Zimmer mit meinem besten Freund, T, eine mittlere Dosis - zumindest laut LdT. Es waren glaube ich ca. 2 Teelöffel für jeden, in einen Joghurt gemischt, also um die 5 Gramm. Eine der absolut ekligsten Erfahrungen in meinem Leben, den ganzen, nun versauten, Joghurt zu essen (ja nur „eine“, nicht „die“; ich hatte schon unangenehmere Sachen im Mund). Aber wir haben es geschafft und während wir die Reste des Joghurts zusammenkratzten, flutete auch so langsam die Wirkung an.
Wow.
Ohne Scherz, die Wirkung hat mich sofort umgehauen. Wir hatten nebenbei Musik an und auf einmal kam es mir so vor, als ob ich jeden Ton einzeln "greifen" und observieren konnte. Ich war so dermaßen konzentriert und verliebt in die Musik, dass ich nicht merkte, wie T aufstand und anfing zu tanzen. Ich saß immernoch in meinem Stuhl und merkte, wie mein Körper langsam bis in jede Zelle warm wurde. Ich habe irgendwann mal die beste Beschreibung für dieses Gefühl in einem Tripbericht hier gelesen, ich zitiere sinngemäß: "Stell dir vor, es ist Winter, du hast ein Haus im Wald mit einem Kamin. Nach einem langen, harten und kalten Arbeitstag draußen kommst du erschöpft nach Hause, machst den Kamin an und setzt dich mit deinem Lieblingswhiskey und deiner Lieblingsmusik in deinen Lieblingssessel vor den Kamin und liest dein Lieblingsbuch, während dich die Wärme durch und durch erfasst, dein Geist sich eine Pause gönnt und du weißt: jetzt ist dieser Augenblick alles was ist. Du bist zufrieden, du hast keine Gefühle mehr außer tiefste, vollkommene Zufriedenheit."
Ich weiß, diese Beschreibung klingt laut einigen Berichten hier der Wirkung von Heroin ziemlich ähnlich, ich muss aber dazu anmerken, dass ich generell sehr schnell kleinste Veränderungen an der Wahrnehmung meiner Selbst bemerke - so ähnlich fühlte sich also nun dieser erste Trip für mich an und im Geiste war ich vollends in dieser Vorstellung. Ich fühlte mich die ganze Zeit bei klarem Bewusstsein, es war, als würden alle Ängste, Hindernisse und schlimme Vergangenheiten genau das sein: Vergangenheit.
Und meine Nase fing an zu jucken. Ich war nie so wirklich der Typ, der auf Signale seines Körpers achtete, ja, ich habe ihn lange Zeit sogar als bloßes Gefäß für meinen "unendlich wertvolleren" Geist gesehen. Aber dieses Jucken warf mich irgendwie zurück in die Realität - heute weiß ich, dass ich wahrscheinlich intensiv noddete. Ich saß immernoch auf meinem Stuhl und T redete mit mir, ich habe nicht mal bemerkt, dass er mit mir sprach. Ich wusste nicht, wieviel Zeit vergangen war, also fragte ich kurzerhand nach - T wusste es auch nicht. Wir schauten auf eine Uhr, es war eine halbe Stunde nach Wirkeintritt. Wir wussten also, dass wir uns noch auf eine ganze Menge warmer Stunden freuen können.
Nach dem habe ich de facto keinerlei Erinnerung mehr daran, was passierte, so wie ich ziemlich viel aus dieser Zeit vergessen habe.
Nun, danach war ich also recht angefixt vom Kratom und zeigte es im Laufe der Zeit noch ein paar weiteren Freunden, die teilweise recht angetan von der Wirkung waren. Zwei berichteten mir, dass sie überhaupt keine Wirkung spüren würden, auch das ist laut anderer Berichte kein Ding der Unmöglichkeit. Den Geschmack fanden jedoch viele so dermaßen abstoßend, dass sie keine weiteren Versuche mit Kratom mehr wagen wollten.
Da ich zu der Zeit noch relativ regelmäßig Gras rauchte und auch beziehen konnte, vergaß ich Kratom recht schnell wieder, ich habe mir bis 2015 um die 3-4 Mal noch etwas bestellt.
2015 war dann also das Jahr, in dem es richtig los ging. Ich zog nach einem Nervenzusammenbruch Anfang des Jahres nach Hause zu meinen Eltern, um eine teilstationäre Therapie (d.h. Tagesklinik) zu starten. Ich weiß nicht mehr genau wann, aber ungefähr ab der Hälfte der Behandlung entdeckte ich Kratom wieder; mir ging es prompt besser, sodass ich bald entlassen wurde und dachte, wieder "gesund" genug zu sein, ein neues Studium anzufangen.
Oh, wie ich mich irrte.
Ich habe in dem halben Jahr, das ich an der FH eingeschrieben war, bestimmt 3-4kg Kratom bestellt (und erfolgreich konsumiert, ich ging recht schnell zum sogenannten "Toss'n'Wash" über). Das war auch die Zeit, in der ich zum ersten Mal mit der negativen Seite täglichen Kratomkonsums in Kontakt kam: dem körperlichen (und psychischen) Entzug.
Damals dachte ich noch, ich hätte mir eine Erkältung eingefangen oder wäre wieder mal einer depressiven Episode verfallen; die Symptome waren ziemlich ähnlich: ein allgemeines Gefühl von Erschöpfung, Müdigkeit, Lustlosigkeit, Appetitlosigkeit, Gelenkschmerzen, die Unfähigkeit Ein- und/oder Durchzuschlafen, Durchfall, Übelkeit und tatsächlich auch eine (teilweise starke) depressive Stimmung.
Die Symptome hielten entweder solange, bis endlich wieder Kratom ankam (mit der Zeit versuchte ich, immer dann zu bestellen, wenn die Hälfte des letzten Päckchens weg war), oder um die 4-7 Tage.
Der Entzug war mit viel Alkohol einigermaßen erträglich, Gras hatte ich dort nur, wenn ich mir etwas von zu Hause mitnahm.
Ich nahm also Kratom eigentlich nur noch, um mich "normal" zu fühlen; die Wirkung vom ersten Mal hatte ich seitdem nie wieder.
Es trat nach den Entzügen dennoch eine Wirkung ein. Sie war aber nicht so warm und erfüllend, eher betäubend und stark aufputschend, sowie angstlindernd. Ich habe auch verschiedene Sorten ausprobiert. Ganz egal, wieviel ich nahm - ich wurde immer aktiver, bis mein Herz anfing zu rasen und mir krass schwindelig wurde, mitsamt Tunnelblick und Übelkeit. Einmal übergab ich mich auch von Kratom.
Ich merkte auch schnell, dass, wenn mir mit geringeren Dosen flau im Magen wurde, etwas zu Essen Wunder wirkte. Bei höheren Dosen half nur noch hinlegen und „wegtrippen“.
Jedenfalls lief das so die nächsten 2 Jahre. Quasi durchgehender Kratomkonsum, ich schätze mal, dass mein Durchschnitt pro Tag (insgesamt über die 2 Jahre) bei ca. 10-15 Gramm lag, mein Höchstwert bei täglichem Konsum lag bei guten 22-25 Gramm über einen Zeitraum von ziemlich genau 5 Monaten.
Irgendwann Anfang 2016 zog ich wieder nach Hause, nachdem ich mein 3. Studium abbrach. Ich arbeitete zwischendurch ein Jahr lang (08.16-08.17) freiwillig in einem Kindergarten in der Nähe meines Elternhauses und fing zur selben Zeit meine 2. Therapie an, die bis zum jetzigen Zeitpunkt (02.18) anhält und noch weitergehen wird.
Mein Tagesablauf zu der Zeit sah wie folgt aus:
Morgens nach dem Aufstehen erstmal einen (mitunter stark gehäuften) Teelöffel zum „Wachwerden“, dann später kurz vor dem Losfahren noch einen kleinen.
Während der Arbeit, vor dem Mittag, noch einen, dann später vor Feierabend (gegen 16 Uhr) noch einen.
Ich merkte schnell, dass ich abends (ich ging meistens gegen 23 Uhr ins Bett) absolut nicht schlafen konnte, wenn ich nach 16 Uhr noch Kratom zu mir nahm, also hatte ich irgendwann zum Glück genug Selbstkontrolle erlangt, um das auch meistens einzuhalten.
Diese Zeit war im Grunde recht angenehm. Ich habe im Kindergarten viele gute Erfahrungen gemacht, die Therapie tat dazu ihr übriges (tatsächlich eher verdammt viel). Durch das Kratom fühlte ich mich energiegeladen, kommunikativ und sozial aktiv, was ja genau meine Baustellen waren. Ich fühlte mich irgendwie normal.
Genau das ist das Fiese an Kratom: es ist perfekt in den Alltag integrierbar. Man fühlt sich nicht auf Drogen, die Wirkung passt sich sogar recht gut dem an, was man gerade tut. Ist man körperlich aktiv, so pusht das Kratom gut, möchte man entspannen, kann man das wunderbar, bis hin zum "Wegträumen" in andere Welten.
Mit der Zeit habe ich jedoch gemerkt, dass das Kratom meiner persönlichen Entwicklung komplett im Weg steht. Es machte mich so zufrieden, dass ich keinen Sinn darin sah, irgendetwas zu ändern.
Mich störte aber eigentlich, dass ich absolut unkreativ und faul wurde. Bevor ich kratomabhängig (ich stelle das jetzt zum ersten Mal in diesem Bericht fest..) wurde, habe ich sehr viel Musik gemacht, Texte geschrieben, nach Wegen gesucht, um meinen seelischen Schmerz nicht so sehr spüren zu müssen. Mit Kratom fiel das nach und nach alles weg.
Nun, mittlerweile bin ich seit knapp 5 Wochen kratomfrei. Die ersten 5 Tage machte ich den bekannten körperlichen Entzug durch. Dann hatte ich die nächsten 7-8 Tage den Wunsch, Kratom zu konsumieren. Ich dachte daran, wie ich jetzt nur morgens ordentlich wach werden soll, wie ich die ganzen sozialen Interaktionen am Tag durchstehen soll und welche Sachen jetzt mit Kratom so viel besser wären. Es war, als fiele mein letzter Halt in dieser chaotischen Welt weg, der jedoch langsam durch den "inneren Halt" ersetzt wurde.
Ich hätte mir sicherlich spätestens da wieder etwas bestellt, hätte ich nicht meiner Therapeutin davon erzählt und begriffen, was Kratom mit mir anstellt und vor allem warum ich es so sehr brauchte.
Das nächste Problem folgt aber auf dem Fuße: der Alkohol. Ich glaube, das Loskommen vom Kratom fiel mir deswegen so relativ leicht, in Verbindung mit den Erfolgen der 2. Therapie.
Mir ist aufgefallen, dass ich die letzten 5 Jahre nie wirklich länger als ein paar Wochen durchgehend nüchtern war, die Vorstellung genau das zu tun, macht mir irgendwie ziemliche Angst. Aber das ist vielleicht eine Geschichte für später.
Nun, wünscht mir Glück, auch diese Reise durchzustehen.
So, liebes LdT! Das war nun mein Langzeitbericht über Kratom. Ich hoffe, er konnte euch einen Überblick verschaffen und vielleicht sogar vor einer möglichen Abhängigkeit schützen. Denn glaubt mir - drogenabhängig zu sein macht keinen Spaß.
In Dankbarkeit für die vielen guten Tripberichte
euer screenager