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Titel:Zwei Jahre Opioide
Droge:Tramadol
Autor:flo89
Datum:23.07.2020 12:24
Nützlichkeit:7,61 von 10 möglichen   (33 Stimmen abgegeben)

Bericht::

Ich heiße Florian. Ich bin 29 Jahre alt und nehme seit etwa zweieinhalb Jahren mehr oder weniger regelmäßig Opioide. Der erste Konsum ist schon deutlich länger her, doch hatte ich damals noch eher wenig bis keine Ahnung was ich da eigentlich nahm.

Wie ich dazu kam? Das erste Mal saß ich bei meiner Oma in der Küche und ich hatte, vermutlich weil es krass heiß war und ich nichts getrunken hatte, üble Kopfschmerzen.

Weil ich noch was vor hatte und keine Lust auf "hinlegen" hatte fragte ich meine Oma ob sie denn was gegen Schmerzen hätte. Sie zog ein weiß/blaues Fläschchen aus dem Küchenschrank mit der Aufschrift "Valoron". "Hier die soll ich vom Arzt nehmen wenn ich Abends nicht schlafen kann und ich Schmerzen vom Rheuma habe."

Alles klar- was der Oma hilft kann dem Enkel nicht schaden. Kurz in die Packungsbeilage geschaut und mir die Menge der Tropfen ausgerechnet. Damals war ich noch relativ schmal mit 65KG auf 180cm Körpergröße. Ich weiß nicht mehr wie viel ich nahm, ich glaube es waren so um die 20-30 Tropfen was in etwa 50-60mg Tilidinhydrochlorid gewesein sein muss.

Also Glas Limo. Tropfen rein. Runter damit. Anstatt abzuwarten hab ich mich gleich aufs Fahrrad geschwungen und bin zu meinen Kumpels gefahren. Ich war damals um die 17 Jahre alt würde ich schätzen. Wir haben uns in dieser Zeit oft auf abgelegenen Waldwiesen in der Nähe eines Baches getroffen um dort in Ruhe zu Kiffen und Mist zu labern. Ich dort angekommen, erstmal einen kleinen Joint geraucht. Und kazosch auf einmal ging es los. Starkes Schwitzen. Herzrasen. Totale Unruhe im ganzen Körper. Panik! Fack das müssen die Tropfen sein, was zum Teufel hast du dir da nur reingeschüttet? Ich musste mich echt zwingen keinen Krankenwagen zu rufen. Ich habe dann meine Schuhe ausgezogen und bin durch den kalten Bachlauf gewatet und habe mir immer wieder Wasser ins Gesicht gespritzt. Ich konnte mich dann auch wieder relativ schnell beruhigen und mir ging es nach circa 30 Minuten wieder einigermaßen gut. Meine Kumpels waren natürlich auch erst Mal erschrocken. Ich war kreidebleich und war total datterig/zitterig. Da hatte ich mir geschworen dass es das erste und letzte Mal war dass ich wegen harmloser Kopfschmerzen zu starken Schmerzmitteln greife.



Wie gesagt, zu dieser Zeit wusste ich nicht dass es sich bei Tilidin (Valoron) um opioide Schmerzmittel handelt und welches Suchtpotenzial und welche Gefahren von ihnen ausgehen.



Die Jahre gingen ins Land und etwa vier oder fünf Jahre später sitze ich Bier trinkend und Gras rauchend bei einem Kumpel. Wie das bei Bier so ist muss man irgendwann mal auf Toilette. Blöd nur wenn man mittlerweile so platt geraucht und angesoffen ist, dass man das Laptopkabel am Boden nicht mehr sieht und wie ein nasser Sack drüber fällt und ungebremst auf dem Ellenbogen landet. Ich hatte krasse Schmerzen.

Die Schwester des einen Freundes hat mich dann Nachts noch in die Notaufnahme gefahren (es konnte keiner auch nur annähernd mehr fahren) da ich so heftige Schmerzen hatte und meinen Arm nicht mehr bewegen konnte. Diagnose: Radiusköpfchen gebrochen. WTF Radiusköpfchen? Was is das? Und warum hab ich das in meinem Körper? Wie auch immer. Hat sau weh getan.



Der Arzt verschrieb mir Tilidin Tropfen gegen die Schmerzen. Warte mal. Tilidin? Das kommt mir aber bekannt vor, dachte ich mir. Waren das nicht die Teufelstropfen aus Hells Kitchen, äh Omas Küche? Also ab ins Internet und recherchiert. Dort habe ich dann rausgefunden was Tilidin ist und auch erste Hinweise auf möglichen Tilidinmissbrauch entdeckt. Jetzt war ich doch wieder neugierig. Obwohl ich mir im Wald geschworen habe sowas nie wieder zu nehmen. Voller Stolz habe ich die Flasche bei meinen Kumpels präsentiert und das man auf Tilidin wohl einen lustigen Abend haben kann. Die zwei Freunde waren natürlich dabei. Ist ja Medizin. Was soll da schon schiefgehen. Steht ja Ratiopharm drauf. Also los.



Weil ich doch Respekt hatte, und auch schon eher schlechte Erinnerungen hatte, haben wir jeder nur 15 Tropfen genommen. Nichts getrunken und nichts geraucht. Eine Stunde gewartet. Nichts gemerkt. Mist. Was nun? Das Fläschchen ist noch mehr als halb voll, also noch Mal jeder 15 Tropfen. Dann kam eine leichte Wirkung. Aber eher sehr subtil und nicht wirklich deutbar. Wir waren einfach zufrieden und dösig und es machte alles ein bisschen mehr Spaß als sonst. Aber nichts weltbewegendes.

Ein paar Tage später haben wir dann die Flasche zu dritt leer gemacht. Jeder wieder so um die 30-40 Tropfen. Wieder minimale Wirkung mit leichter Euphorie. Wir alle drei kamen aber zu dem Ergebnis dass das auf Dauer nix für uns sei und wir auch keine Ahnung hatten wie wir da weiterhin drankommen sollten (Dorfleben).



Die nächsten vier Jahre hatte ich keinerlei Bezug oder Kontakt zu Opioiden. Bis ich mit 26 Jahren am rechten Ohr operiert wurde. Mir wurde ein Tumor nahe des Hirnstamms entfernt und habe natürlich auch Schmerzmittel im Krankhaus bekommen. Auch Morphin intravenös(Piritramid) in Höchstdosierung. Irgendwann wurde ich entlassen und meine Schmerzen waren auszuhalten.



Irgendwann kamen die Schmerzen dann doch wieder stärker und ich meinte zu meiner Freundin, mit der ich zu dieser Zeit seit etwa 8 Jahren zusammen war und auch immer noch bin, dass sie mir doch bitte was aus der Apotheke holen soll. Meine Freundin ist Hebamme und arbeitet im Krankenhaus. Sie meinte sie bringe mir was aus dem Krankenhaus mit, sie hatte Nachtschicht. Sie zum Assistenzarzt auf Station und ihm erzählt dass ich Schmerzen habe von meiner Tumor OP und ob er ihr ein bisschen was gegen die Schmerzen mitgeben könnte. Naja das Ende vom Lied war dass am nächsten Morgen meine Freundin mit einer fast vollen 100ml Tramadol Pumpflasche in der Hand vor mir stand.



"Das wäre eh bald weggeschmissen worden, die ist nur noch drei Wochen haltbar, hat mir der Assi (Assistenzarzt) so in die Hand gedrückt." Tramadol? Was das denn? Nie gehört. Aber das Internet ist dein Freund und Helfer. Dort lese ich dann, dass Tramal, wie auch Tilidin, zu den opioiden Schmerzmitteln gehört. Also missbrauchsfähig ist. An die leichte Euphorie und das "alles-ist-gut-gefühl" vom Tilidin konnte ich mich noch ganz gut erinnern. Ja geil, dachte ich mir so. Du bist noch sechs Wochen krank geschrieben und die meiste Zeit alleine Zuhause. Da kann doch ein wenig Spaß mit leicht überdosierten Schmerzmitteln nicht schaden.



Voller Neugierde habe ich dann sechs Mal auf das Pumpfläschchen gedrückt (30 Tropfen) um ihr 75mg Tramadolhydrochlorid zu entlocken. Das waren 10 Tropfen mehr als vom Assistenzarzt empfohlen.

Nach ungefähr 15 Minuten haben die Tropfen angefangen zu wirken. Es machte sich Euphorie breit die ich so nur vor langer Zeit von einer Extasy Pille gekannt habe (Ich habe nie wirklich synthetische Drogen genommen aus Respekt).

Stark. Das gefällt mir. Und das ist nicht Mal was von nem dubiosen Dealer. Ich weiß genau was drin ist. Apothekenqualität halt.



Es machte einfach alles Spaß. Ich habe Stunden mit dem iPad auf dem Balkon gesessen und Hearthstone gespielt und eine nach der anderen geraucht. Normalerweise habe ich nach spätestens drei Runden keinen Spaß mehr an dem Spiel. Aber auf Tramadol? Da hat mir Spülmaschine ausräumen Spaß gemacht.



Die sechs Wochen gelber Urlaub gingen ins Land und das Fläschchen wurde immer leerer. Ich blieb aber recht lange auf der Dosis von 75mg und habe auch nicht jeden Tag konsumiert.



Dann musste ich wieder arbeiten. Entzug hatte ich eigentlich fast keinen. Zumindest war er kaum spürbar. Vielleicht habe ich auch für einen richtigen Entzug zu wenig konsumiert.

Ich würde schätzen circa 40-50ml in den sechs Wochen. An manchen Tagen habe ich Abends noch mal um die 20 Tropfen nachgelegt. Just for fun. Schlafen konnte ich auch immer ohne Tramal. Mir ging es immer um die Antriebssteigernde Komponente.



Die Arbeit habe ich gehasst. Ich war angestellter Fachinformatiker in einem IT-Consulting Unternehmen. Der Chef stand quasi immer mit der Peitsche hinter mir und hat nur Druck gemacht. Immer mehr und immer weiter.

Fakturierung von Zeiten die man Kunden in Rechnung stellen konnte war das Mantra. Wer am Tag keine sieben Stunden (von acht Stunden Arbeitszeit) auf Kunden verbuchen konnte, der hat am nächsten Tag einen Einlauf bekommen, oder es wurde gleich gefragt was los gewesen sei und warum man nicht mehr gebucht habe und was man denn in der anderen Stunde getrieben habe die nicht gebucht wurde. Manchmal holt man sich halt doch einen Kaffee und man muss auch mal auf Toilette. Oder man unterhält sich mal fünf Minuten mit einem Kollegen. Ich denke in den wenigsten Firmen arbeiten die Mitarbeiter volle acht Stunden voll konzentriert durch. Das geht vielleicht mit Amphetaminen.



Zwei Jahre habe ich mir das gefallen lassen. Dann konnte ich nicht mehr. Ich habe mich so lange krank schreiben lassen bis ich gekündigt wurde. Ja ich weiß, nicht die feine englische Art aber nachdem mich der Chef an einem Tag wieder in die Mangel genommen hat wegen eines lapidaren Fehlers habe ich mir geschworen keinen Fuß mehr in den Laden zu setzen, bin aufgestanden und ohne eine Wort zu sagen einfach gegangen und nie wieder gekommen.



Unter der Woche habe ich nie Tramadol genommen, zumindest wenn ich einer festen Arbeit nachgehe. Das kann ich bis heute nicht mit meinem Gewissen vereinbaren. Ich habe immer auf die Wochenenden hingefiebert und mir Freitagabends meine mittlerweile 150-180mg einverleibt um dann gut gelaunt PC zu zocken. Hört sich infantil an, ist es auch, macht aber auf Tramadol echt einen Heidenspaß.



Nach meiner Kündigung war ich knapp ein halbes Jahr arbeitslos. Was mir ehrlich gesagt gut in den Kram passte. Meine Freundin war schwanger und, holy shit, wir werden Eltern. Ich werde Vater. Der kleine Junge der am Wochenende Tramal nascht, Zauberzigaretten raucht und LOL spielt. Krass.

An dieser Stelle sei gesagt dass ich auch unter der Woche kein Gras rauche. Alles nur freitags. Freitag ist mein Abend. Ich habe früher in der Sturm und Drang- Zeit aber täglich gekifft.



Ich habe die Zeit Zuhause genossen. Wir haben viel unternommen. Waren viel unterwegs. Und ich hatte mein Tramal. Was ich mittlerweile aus dem Internet bestellte.

Ab und zu nahm ich auch DHC, Codein wenn kein Tramal verfügbar war. Aber Tramal war mein Steckenpferd. Wegen der Serotonin Komponente. Ich steh drauf. Drei Monate habe ich täglich bestimmt 200-300mg Tramal verputzt.

Meistens in Tropfenform aber teilweise auch Pillen. Ich ziehe Tropfen aber immer vor.

Meine Freundin hat davon nichts mitbekommen. Ich wollte das nicht. Es ist mir peinlich. Obwohl wir schon so lange zusammen sind und ich eigentlich über alles mit ihr reden kann. Sie weiß dass ich ab und zu Tramal nehme wegen einer chronischen Mittelohrentzündung und Rückenschmerzen, aber nicht dass ich es zu 85% missbrauche wenn ich es nehme. Es lässt sich halt auch super in den Alltag integrieren. Du bist einfach gut gelaunt.



In meiner Studienzeit habe ich extrem viel gekifft, was auch ein Grund war warum ich das Studium nicht geschafft habe. Vier Jahre in den Sand gesetzt. In dieser Zeit war meine Freundin drei Jahre weg ihre Hebammen-Ausbildung machen und anschließend ein halbes Jahr in Afrika. Das war eine harte Zeit für mich und seit dieser Zeit habe ich immer wieder mit leichten Depressionen zu kämpfen. Ich glaube das hat mich auch anfällig für das Tramal gemacht. Alles ist gut wenn ich es nehme. Jeder ist dein Freund und du bist ein viel offenerer Typ. Wobei ich eigentlich der introvertierte Typ bin.



Nach diesen drei Monaten täglichem Konsum wurde dann unsere Tochter geboren. Hallelujah. Kinder sind der Shit. Lasst euch das gesagt sein. Es ist einfach der Wahnsinn und ein Wunder. Ich hätte nie gedacht, dass ich jemals so viel Liebe für einen Menschen empfinden kann.

Nach der Geburt war ich noch etwa drei weitere Monate Zuhause. Und natürlich fleißig am Tramal schlucken. Mittlerweile habe ich es morgens schon gebraucht um fit zu werden. Es war dennoch eine sehr, sehr schöne Zeit. Ich konnte die ersten drei Monate meiner Tochter zusehen wie sie immer wacher und aktiver wurde. Wir waren zwei Mal in den Bergen im Urlaub und haben einfach unsere Tochter genossen.



In der Zwischenzeit sind meine Großerltern in kurzem Abstand gestorben die für mich wie Eltern waren. Ich war in meiner Kindheit jeden Tag bei ihnen. Sie haben mir viel bedeutet und ich habe ihnen viel zu verdanken. Ich war sehr traurig als sie gehen mussten. Die Beerdigung war der Horror. Ich habe geweint wie noch nie zuvor in meinem Leben. Obwohl man weiß dass niemand ewig lebt wird man doch überrascht wenn es irgendwann soweit ist.

Beim ausräumen des Hauses der Großeltern fielen mir 100 Pillen Tilidin von meinem Opa in die Hände. Nicht lange überlegt. Natürlich eingesteckt. Die wurden dann auch noch nebenbei vernichtet wenn das Tramal alle war.



Da ich nicht ewig arbeitslos bleiben wollte und auch nicht konnte, da ich jetzt verantwortung gegenüber eines anderen Menschen habe, habe ich mir dann einen neuen Job gesucht in dem ich heute noch arbeite. Ich habe von heute auf morgen aufgehört opioide Schmerzmittel zu schlucken. Was auch erstaunlicherweiße recht gut geklappt hat. Ich hatte etwas Schüttelfrost, schlechte Laune und war einfach platt und ausgelaugt. Aber nach drei Tagen war der Spuk vorbei und ich war wieder "clean". Zu dieser Zeit hatte ich etwa ein Jahr nur Konsum am Wochenende hinter mir. Teilweise auch Samstags um besser aus dem Bett zu kommen wenn es Freitags doch mal später wurde am PC. Und dann ein halbes Jahr so gut wie täglichen Konsum in der arbeitslosigkeit. Wobei in diesem halben Jahr auch immer mal wieder Pausen von ein paar Tagen dazwischen lagen.



Die neue Arbeit macht mir Spaß. Ich habe nette Kollegen. Und die IT-Abteilung ist echt locker. Es könnte teilweise etwas Anspruchsvoller und mehr los sein. Stellenweise schon fast langweilig aber ich will mich nicht beschweren. Ich habe nur Angst dass ich irgendwann verblöde wenn ich nicht gefordert werde. Nachdem ich mich gut in die neue Arbeitsstelle reingefunden hatte kamen auch wieder die Gedanken ans Tramadol. Der Alltag hatte mich wieder eingeholt. Arbeiten, sich ums Kind kümmern, essen, schlafen. Repeat. Eigentlich Zeit um wenigstens am Wochenende mal wieder länger am PC zu sitzen und euphorisch daddeln.



Also 50ml Tramadol Tropfen im Internet bestellt. Und Freitags wieder angefangen meine 150-180mg Tramal zu nehemen und manchmal ein Joint dabei rauchen und bis morgens um drei Uhr daddeln. Da vier Stunden später meine Tochter wach wird, und es ihr egal ist wie lange ich wach war, bin ich dann meistens sehr unausgeschlafen. Aber nach 100mg Tramadol bin ich dann auch Samstags wieder recht fit. Selten nehme ich auch Sonntags noch eine kleine Dosis ein, aber das kommt eher sporadisch vor.

Montags auf Arbeit bin ich dann oftmals sehr müde und groggy. Lässt sich aber aushalten. Meine Arbeit mache ich trotzdem gut und es leidet nichts darunter. Ab Dienstag ist es wieder so als wäre nie was gewesen.

So geht das Spielchen nun auch schon wieder mehr als ein halbes Jahr. Aber nur am Wochenende. Bis jetzt klappt das auch sehr gut und ich habe nicht vor das zu ändern. Ich will nicht die Drogen meinen Alltag bestimmen lassen.

Meine Tochter und meine inzwischen Verlobte kommen bedingungslos an erster Stelle.



Die Hemmschwelle für andere, stärkere Opioide ist bei mir auch krass gesunken. Ich habe letztens bei meinem Schwiegervater einen Blister Oxycodone im Schrank gesehen. Ich musste mich wirkich stark zügeln da nicht ein/zwei Pillen zu stibitzen. Mein Wille hatte diesesmal gesiegt, ich weiß aber nicht wie es aussieht wenn ich mal nicht an Tramal komme und mein Freitagabend in Gefahr ist. Vielleicht erinnere ich mich dann wieder an den Blister bei den Schwiegereltern.





Da ich hier im Forum schon viele, tolle Berichte gelesen habe hatte ich das Bedürfnis meinen Werdegang auch mal aufzuschreiben. Vielleicht hat es dem ein oder anderen ein bisschen gefallen.





Flo



Update April 2019:



Es kam natürlich wie es kommen musste. Aus den Sessions am Wochenende kam dann irgendwann noch der Montag dazu. Danach der Dienstag und mittlerweile eigentlich täglicher Tramadol-Konsum.

Ich nehme 100-150mg täglich direkt morgens nach dem Aufstehen. Am Wochenende sind es auch mal 200-250mg am Tag. Wie naiv man doch sein kann. Man muss nur lange genug mit dem Feuer spielen, früher oder später verbrennt man sich doch.



Ich kann jedoch (leider?) nicht behaupten, dass mir die Sucht (momentan) Probleme macht. Eher im Gegenteil. Ich bin den ganzen Tag super gelaunt und voller Tatendrang. Die Arbeit macht doppelt Spaß und ich bin total motiviert. Für mich ist es, so dumm es sich auch anhört, die Wunderpille. Sie macht mich zu einem glücklicheren, selbstbewussteren Menschen. Nebenwirkung habe ich so gut wie keine. Die Libido hat nur etwas gelitten.

Heute habe ich nach drei Monaten das erste mal kein Tramadol genommen. Aber nicht weil ich es so wollte, sondern weil ich zu spät die Bestellung aufgegeben habe. Morgen ist aber wieder Nachschub da... Entzug hatte ich heute fast keinen. Bisschen Schwitzen, Frieren und Naselaufen und Müdigkeit. Denke das wird morgen noch schlimmer werden. Vermutlich ist noch Resttramal im Körper. Habe morgen einen kleinen Eingriff mit Tiefschlaf wo ich auch kein Tramal nehmen werde. Ich versuche meinen Konsum in den kommenden Tagen wieder nur aufs Wochenende zu verlegen und dann komplett aufzuhören. Soweit die Theorie.



LG Flo





Update Oktober 2019:



Mein Frau, meine Mutter und ein guter Freund wissen nun von meiner Tramal-Abhängigkeit.

Von mir aus hätte ich es niemandem erzählt. Aber als die Bestellungen aus dem Netz immer mehr wurden und meine Frau dann irgendwann alle leeren Blister fand, konnte ich es nicht mehr verheimlichen und "gestand" die Sucht.

Sie, meine Frau, war nicht böse. Sie war sehr verständnisvoll. Sie hat mir immens geholfen und mich gedrängt zum Arzt zu gehen und mit ihm einen "Plan" zum Entzug auszutüfteln. Das tat ich auch.

Der Arzt sagte mir aber eigentlich auch nur das was ich eigentlich schon wusste. "Am besten langsam ausschleichen."

Eigentlich wollte er mir für den Entzug noch Benzos verschreiben, was ich aber dankend ablehnte und er auch gut verstehen konnte. Von der einen Sucht in die andere. Das Risiko wollte ich nicht eingehen.

Ich erklärte ihm, dass ich Tramal nur nahm um bessere Laune zu haben und aktiver durchs Leben zu gehen und ich teilweise "dunkle" Tage habe. Daraufhin verschrieb er mir ein SSRI (Citalopram). Was ich aber UNBEDINGT nicht zusammen mit Tramal nehmen darf (Serotoninsyndrom). Erst nach dem Ausschleichen des Tramal darf mit der Einnahme von Citalopram begonnen werden.

Zudem empfahl er mir eine Suchtberatung/Psychiater aufzusuchen.



Ich habe dann das Tramal innerhalb von zwei Wochen in 50mg Schritten ausgeschlichen. Was auch erstaunlich gut geklappt hat. Zum Einschlafen habe ich einen kleinen Joint geraucht. Hat Wunder gewirkt und die Restless Legs in Schach gehalten. Bisschen Kalt, bisschen Naselaufen... typische Grippesymptome würde ich mal sagen, aber echt auszuhalten. Ich habe mit viel schlimmerem gerechnet. Ich bin aber auch recht hart im Nehmen muss ich dazusagen ;-)

Das Citalopram habe ich nicht genommen. Nachdem ich auf diversen Plattformen gelesen habe, dass Citalopram auch eine Abhängigkeit verursachen kann und man nach dem Absetzen genauso dasteht wie vorher. Zudem habe ich es auch nicht wirklich gebraucht. Meine Stimmung war und ist immer noch ganz gut. Klar, ich bin nicht ganz so euphorisch und voller Tatendrang, aber mir geht es gut.

Statt dem Citalopram nehme ich 2x500mg Johanniskraut. Morgens eine Pille und abends eine Pille. Ich rauche so alle drei Tage abends eine kleine Zauberzigarette wenn die Kinder im Bett sind (Mittlerweile haben wir noch einen kleinen Sohn bekommen) um etwas zu entspannen.



Mein Job läuft nach wie vor gut. Soziales Umfeld auch. Natürlich gibt es Tage wo ich an Tramal denke und wo meine Laune nicht die beste ist, aber das halte ich aus (und mein Umfeld hoffentlich auch). Und ja, ich vermisse auch die Freitage an denen ich tramalisiert vorm PC gesessen habe und ewig daddeln konnte. Jetzt vergeht mir nach einer Stunde wieder die Lust und ich werde müde. Seit sieben Wochen habe ich kein Tramal mehr genommen. Von Clean will ich noch nicht sprechen.

Eine Behandlung beim Psychologe will ich definitiv noch machen, wenn ich mal einen Termin bekomme...

Meine Gedanken rasen wieder viel mehr seit der Abstinenz. Ich mache mir wieder mehr Gedanken. Mein Kopf schaltet nie richtig ab.

Ich glaube eigentlich bin ich nicht süchtig nach Tramal. Ich bin süchtig nach guter Laune und Gelassenheit. Nach innerem Frieden. Nach "alles ist gut".



LG Flo





Update Juli 2020:



Nachdem ich fast ein halbes Jahr clean war kam leider wieder ein Rückfall.

Aus familiären Gründen. Enge verwandte haben mir und meiner Frau Versprechungen gemacht die leider nie wahr wurden aufgrund von Nichtigkeiten. Ich wurde in meinem Leben noch nie so enttäuscht, verletzt und hängen gelassen. Die eigene enge Familie... Das ist jetzt schon über 8 Monate her und ich kämpfe immer noch damit. Nie hat mich etwas so runtergezogen.

Wie reagiert ein Suchtkranker auf sowas? Richtig! Er fängt wieder an das zu nehmen was gute Laune macht! Hallo Tramadol! Du schon wieder!

Gott sei Dank habe ich es nur ca. 3 Monate genommen. Momentan nicht mehr.

Habe mit Kratom substituiert. Ging gut. Ist halt auch ein Opioid.

Ich nehme momentan noch ca. 7-8 Gramm täglich. Die Wirkung ist nicht halb so schön wie Tramal aber trotzdem angenehm. Leichte Euphorie und kein Entzug. Der nächste Schritt heißt dann: weg vom Kratom.