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Titel:A chemical love story
Droge:Speed
Autor:MadMorphingMolecular
Datum:05.07.2019 17:42
Nützlichkeit:8,52 von 10 möglichen   (27 Stimmen abgegeben)

Bericht::

Ich habe für meinen Bericht Amphetamin als Droge ausgewählt, da sie mich am kontinuierlichsten begleitet und geprägt hat. In diesem Bericht werde ich aber auch noch auf einige andere Substanzen zu sprechen kommen.



Kurz zur meiner Person: ich hatte schon immer Probleme mich anzupassen und war sehr schüchtern und zurückhaltend. Mein Selbstbewusstsein war gleich Null. Mein Leben hatte viele Tiefpunkte und ich habe auch schon relativ früh psychische Erkrankungen (v.a. Depressionen entwickelt).



Da der Langzeitbericht sich teilweise auf Zeiten bezieht die schon über 10 Jahre her sind und zum anderen mein Gedächtnis sehr verschwommen ist, sind zeitliche Angaben und Reihenfolgen wirklich schwierig.



Die Anfänge

Ich habe mich zuallererst mit Alkohol berauscht, dann folgten DXM (+DPH) und Cannabis im Alter von ca. 14 Jahren. Ich habe eine Zeitlang viel Alkohol getrunken, aber hab nie gefallen daran gefunden und dem ganzen recht schnell abgeschwört, als ich anderes kennengelernt habe. Ich habe lange Zeit gar nichts getrunken und trinke jetzt auch nicht häufig/viel.

Cannabis hat mir nie gefallen. Ich war körperlich zu platt um irgendwas zu machen, aber geistig habe ich mich in viele Dinge reingesteigert und meine Gedanken wurden wie in einer Spirale immer negativer. Ich habe es immer mal wieder probiert, weil ich dachte, dass es doch „allen“ gefällt und mir auch irgendwann Spaß machen müsste. Das war aber nicht so und ich habe auch irgendwann dann mal begriffen und es nicht mehr versucht.

Ich weiß gar nicht mehr wie ich auf DXM gekommen bin, aber ich habe einige Male bis in den Highdose Bereich getrippt und auch mit DHM kombiniert. Ich glaube, ich habe mich einfach im Internet informiert, bin in die Apotheke und habe mich damit weghauen. Seit ich anderes kannte, fand ich DXM aber auch nicht mehr interessant und habs jetzt auch schon seit knapp 11 Jahren nicht mehr gemacht. Es war ganz nett, aber mir ist auch jedes Mal sehr schlecht geworden.



Amphetamine - Anabol für meine psychischen Macken - und anders Späße

Ebenfalls mit 14. Jahren lernte ich Leute kennen, die auch chemische Drogen konsumierten. Ich habe auf einer Hausparty meine erste Nase Amphe gezogen. Ich kann mich durch den zeitlichen Abstand nicht mehr dran erinnern, wie ich mich fühlte oder was passiert ist. Ich weiß nur, dass es mir gefallen haben muss, denn ich habe es danach wiederholt. Unzählige male. Amphe war die perfekte Substanz für mich. Anabol für meine psychischen Macken halt. Ich war nicht mehr ständig müde, ich hatte nicht mehr ständig Hunger. Ich habe abgenommen. Ich konnte offen sein, mit fremden Menschen sprechen. Ich hatte keine Probleme mehr für die Schule zu lernen. Meine Stimmung war dauerhaft gehoben. Selbst Hausarbeit machte mir Spaß. Es wundert mich daher nicht, dass ich anfing täglich drauf zu sein. Es war super und lies sich perfekt in meinen Alltag integrieren. Die meisten meiner neuen Freunde waren nicht anders. Amphetamine haben mir viel geholfen und ich weiß ehrlich gesagt auch nicht ob ich noch am Leben wäre, wenn die Drogen mein Leben nicht erträglicher gemacht hätten und mir wieder etwas Freude zurückgebracht hätten. Das Pep hat mich zu einem funktionierenden Menschen in der Gesellschaft gemacht. Zu einer besseren Version meiner selbst und deshalb störte sich auch niemand an meinem Verhalten (jedenfalls so lange nichts vom Konsum bekannt war), da ich „normaler“ und sozialkompatibler war als ohne.



Heaven and Hell Nicht so super ist es allerdings nur noch alle 3-4 Tage mal zu schlafen und sich hauptsächlich von Vanillejoghurt zu ernähren. Ich habe einiges abgenommen, da ich allerdings vorher auch das eine oder andere Kilo zu viel hatte war das eine sehr willkommene Nebenwirkung. Das Runterkommen ist immer ekelhaft gewesen. Ich war schon immer ein Mensch, der nach der letzten Nase Pep Ewigkeiten brauchte, um wieder schlafen zu können, Vor allem da ich ja weder Alkohol trank noch Gras rauchte. Es ist regelmäßig darin geendet, dass ich nach einigen wachen Tagen stundenlang im Bett lag, mir alles weh tat und ich nur noch am heulen war. Die Depressionen kamen beim runterkommen mit vollster Breitseite zurück und zogen mich noch tiefer in den Abgrund.



Mit 15 fing ich an Ecstasy zu konsumieren. Meistens wenn ich bei Freunden war oder wenn wir mal hier und da in der einzigen wirklichen Bar der Stadt waren. Aber irgendwann wurde das auch zur Gewohnheit und wir nahmen sogar Pillen, wenn wir einfach nur in der Stadt rumliefen. Mehrmals die Woche war keine Seltenheit. Es war wunderschön und magisch. Ich liebte alle Leute und war unglaublich glücklich. Bei Dauerkonsum verliert das Emma aber leider irgendwann an Magie.



Sonst nahm ich alles was mir hier und da so in die Finger fiel wie zb. Benzos, niederpotente Opiate/Opioide, MPH, Pilze und Kokain. Fand ich ganz angenehm aber wurde, wahrscheinlich auch aus Verfügbarkeitsgründen nie zum Problem. Außerdem hatte ich schon das, was alle meine Macken ausgleicht gefunden.



Mein Leben bestand nur noch aus drauf sein und mit Freunden zusammen durchmachen oder schwerstdepressiv tagelang im Dunkeln im Bett zu liegen und nur das Zimmer zu verlassen, um auf die Toilette zu gehen. Ich musste mir vorm schlafen eine Nase fertig machen auf einem Spiegel, damit ich überhaupt wieder irgendwann aus dem Bett aufgestanden bin. Wie meine Familie von dem massiven Ausmaß meines Konsums nichts mitbekommen konnte ist mir ein Rätsel, da sich meine Mutter durch eigene Erfahrungen sehr gut auskennt. Sie hat es schon mal mitbekommen, aber ich konnte das alles auf „mal ausprobieren etc.“ schieben und meine Mutter hat sich wohl mehr um meine Depressionen gesorgt.

Ich musste zwar vom Gymnasium auf die Realschule wechseln, aber habe trotz allem meinen Realschulabschluss gemacht. Schule fiel mir nie wirklich schwer und das Pep hat den Schulbesuch möglich gemacht und mir beim Lernen geholfen, wenn ich denn dann mal anwesend war, was nicht allzu häufig war. (HINT: im Erwachsenenalter wurde AD(H)S bei mir diagnostiziert)



Mit 16 lag ich mal wieder nach einigen wachen Tagen im Bett und wollte einfach nur noch schlafen, aber es war einfach nicht möglich. Ich fing an zu weinen und steigerte mich solange rein bis ich hyperventilierte bis ich Krämpfe bekam. Meine Mutter bekam dies mit und dachte es wäre ein allergischer Schock, da sie mir vorher eine Metamizoltablette gegeben hatte. Ende vom Lied war, dass ein Krankenwagen kam, meine Selbstverletzungen aufgedeckt wurden und ich in die Psychiatrie sollte. Nach einem mehrstündigen KH-Aufenthalt durfte ich mit der Auflage eine ambulante Diagnostik zu machen nach Hause. Nach vielem hin und her hat meine Mutter das Ganze mit dem Konsum auch rausgefunden und ich sollte einen stationären Entzug machen.



Entzug und Therapie

Ich habe einen 4-wöchigen stationären Entzug gemacht – nicht, weil ich das wollte, sondern weil meine Mutter mich dazu gedrängt hat. Es war unschön dort. Ich habe mich wirklich scheiße gefühlt, dauerhaft müde, matt, abgeschlagen und depressiv. Da wundert es auch nicht, dass ich 3 Tage nach der Entlassung wieder drauf war. Ich habe mich im Endeffekt aber selbst dazu entschieden kurze Zeit später eine Therapie zu machen. Also war ich wieder 6 Monate stationäre und fühlte mich langsam besser, hatte vieles im Griff und wirklich den Willen aufzuhören mit der ganzen Scheiße. Meine Depressionen waren etwas besser, aber auch immer noch nicht weg. Aber es kam wie es kommen musste: einen Monat nach meiner Entlassung war ich feiern und irgendwie hat es MDMA in mein Getränk geschafft. Danach war es mir wieder egal und ich ging wieder zum täglichen Konsum über. Mittlerweile war ich 18.



Feiern, Feiern, Feiern - Back in Business

Mit 18 nahm man mich mit zu meiner ersten Goaparty in einer Großstadt. Es gefiel mir dort, die Leute waren alle super freundlich drauf und haben genau dasselbe gemacht, wie alle meine Freunde und ich immer zu Hause. Ich mochte die Atmosphäre und liebte den Spirit und die Musik. Ich war absolut angefixt und besuchte von nun an sehr häufig Goapartys. Ich feierte exzessiv. Teilweise war ich tagelang auf Party, Afterhour und wieder auf Partys. Mehrmals in der Woche. Ich fand neue Freunde und lernte neue Drogen kennen.

Als erstes kam Ketamin. Eine wunderbare Substanz. Vom K-Hole zu Hause bis zur Low/Middose auf Partys oder auf After zum runterkommen. Die guten Ampullen von Inresa haben mir eine Menge Spaß bereitet. Sie wurden zu einem ständigen Begleiter auf Partys.



LSD - Doors of Perception – ich hatte immer einen Heidenrespekt vor dieser Substanz, da ich psychische ja nicht unerheblich vorbelastet war. Irgendwann auf einer After bot man es mir an und ich hab einfach ja gesagt ohne viel nachzudenken. Dann hatte ich es in der Hand und dachte „wenn du schon ohne irgendwelche Zweifel zu haben spontan ja sagst, dann ist es der richtige Moment“ und es war der richtige Moment. Es war wunderschön. Ich dachte immer, dass MDMA das Ultimative ist – bis ich LSD kennenlernte. LSD wurde nun zu einem ständigen Begleiter. Ich konsumierte es zeitweise wöchentliche auf Partys und habe nie wirklich Probleme gehabt. Es war einmal wunderschön und danach quasi immer wunderschön. Zwei Ausreißer gab es. Der eine war aber nicht schlimm und der andere lag auch nicht unbedingt an der Substanz. Der Dauerkonsum hat meine Psyche dauerhaft unterbewusst beeinflusst. Dessen bin ich mir sicher. Ich kann mich an einen Traum erinnern: es war wie in Inception. Ich war in eine Gebäude und mir wurden viele schlimmer Erinnerungen gezeigt, dann gabs es einen Aufzug mit dem ich tiefer fuhr und die Erinnerungen wurden schlimmer bis ich ganz unten ankam. In einer riesigen Halle mit einer Art Tresor und in diesem Tresor war die schlimmste aller Erinnerungen, die ich eigentlich nachhaltig unterdrückt hatte und nie an mich ran lassen wollte. Ich bin mir sicher, dass das LSD mit daran Schuld ist, dass diese Sachen wieder hochkamen. Ich weiß nicht mehr ob ich danach den Konsum runtergeschraubt habe oder nicht, aber es hat mir ein wenig Angst gemacht. Ich wollte diese Dinge da unten lassen wo sie waren. Zwischendurch hab ich auch noch andere Dinge ausprobiert wie zB 2c-b oder 2c-e, N2O, Salvia, Poppers etc. Diese sind aber eher nicht erwähnenswert.



Mischkonsum war meine Welt. Ich habe kaum eine dieser Substanzen solo konsumiert. Es war eher die Regel als eine Seltenheit, dass ich 4-5 oder mehr Substanzen gleichzeitig konsumierte (Alkohol und Nikotin mal nicht mit dazu gerechnet). Ich habe bis zur absoluten Erschöpfung gefeiert und lag dann wieder absolut depressiv im Bett. Es war ein Teufelskreislauf. Es war teilweise die schrecklichste Zeit in meinem Leben, aber teilweise auch die geilste. Ich hatte beim feiern immer extrem viel Spaß, aber für den Spaß musste ich danach auch bezahlen. Ich war einfach nur noch am Ende. Das alles war Selbstmord auf Raten, dessen war ich mir absolut bewusst. Trotz des ausufernden Konsums. Und es war mir egal. Vollkommen egal.





There is a small line between love and hate

Mit 20 habe ich meinen damaligen Freund kennengelernt. Er war nicht anders als ich. Wir haben zusammen exzessiv gefeiert und konsumiert. Relativ schnell ist das aber weniger geworden und wir haben gemeinsam größtenteils aufgehört und nur noch selten gefeiert, wenig konsumiert und es geschafft eine gemeinsame Wohnung zu finden. Ich habe mein Abi nachgemacht (nach noch einem Klinikaufenthalt, Medikamentöser Einstellung etc) und er seine Ausbildung angefangen. Wir hatten uns das gar nicht vorgenommen, aber es hat sich so entwickelt. Wir hatten ein geregeltes Leben mit seltenem Konsum.

Inzwischen haben sich unsere Wege getrennt, ich bin 25 und ich konsumiere nur noch gelegentlich, wenn ich feiern gehe etwas und komme sehr gut damit klar. Ich bleibe auch nur maximal eine Nacht wach, weil ich sonst sehr schnell anfange akustisch zu halluzinieren oder das meine Optik sich verschiebt. Das ist eher unangenehm und für mich ein Zeichen, dass ich jetzt dringend Schluss machen und pennen sollte. Manchmal denke ich wehmütig an die alte Zeit und den ganzen Spaß zurück, aber sehe auch die negativen Seiten. Konsum ist ein Spiel mit dem Feuer. Himmel und Hölle zugleich. Ich glaube, dass ich viele Substanzen missbraucht habe, aber vieles auch einen großen therapeutischen Nutzen für mich hatte. Ich bin dankbar dafür, dass ich diese Erfahrungen in meinem Leben machen durfte und würde meine Vergangenheit auch nicht ändern, wenn ich es könnte.

In Zeiten, in denen es mir schlechter geht, denke ich oft an den Konsum. Die Möglichkeit, mich einfach zu betäuben und für den Moment zu vergessen. Es ist so einfach. Drogen sind zuverlässiger als Menschen und geben einem kurzfristig was einem fehlt. Auch wenn ich jetzt absolut nicht mehr abhängig bin, ist die Sucht in meinem Kopf verankert. Man muss aufpassen, dass man nicht wieder den einfachen Weg wählt und es nicht wieder eskalieren lässt, denn sowas passiert schneller als man denkt.