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Titel:Langzeitschäden dauerhaften Alkoholkonsums.
Droge:Alkohol
Autor:1kgGehacktesBitte
Datum:02.12.2007 15:47
Nützlichkeit:8,42 von 10 möglichen   (57 Stimmen abgegeben)

Bericht::

Datum der Niederschrift: 27.04.07









Die letzten 7 Monate des stationären Aufenthalts habe ich zum Glück hinter mir, denn es war eine Zeit, mit Sicherheit die schwerste Lebenskrise, die ich bis dato erlebte, die ich jetzt rückblickend betrachten möchte. Die Geschichte dieser Tragödie fing vor genau einem Jahr an als ich aufgrund meiner Fehlzeit von der Schule verwiesen worden war. Ich machte mir den Vorwurf ein Versager zu sein und flüchtete immer mehr in eine Scheinwelt außerhalb der Realität, begleitet von exzessivem Alkoholkonsum, der mir beinahe das Leben kostete. Ich stand morgens früh auf und machte mir als erstes eine Flasche Bier auf.







Es entwickelte sich schon zu einer Gewohnheit, mit der ich anfangs gut zu recht kam. Nun stand ich da und sah mich als arbeitsloser Harz 4 Empfänger, der um weiterhin Leistungen zum Lebensunterhalt gewährleistet zu bekommen mich mit 1 Euro Jobs um die Runde schlagen müsste. Die Welt kann manchmal so hassenswert sein. Und ich hasste sie für den Weg, den ich vielleicht ungewollt eingeschlagen hatte. Alles um mich herum begann auseinanderzubröckeln und ich verlor mich selbst immer mehr in diese Scheinwelt als es schon beinahe zu spät war. Ich blätterte in Telefonbüchern um bekannte Namen ausfindig zu machen, da ich die Einsamkeit nicht mehr ertragen konnte. Ich entwickelte eine emotionale Kälte gegenüber allem was menschlich ist. Mit jedem Schritt auf der Straße stieg in mir ein solcher Hass auf die Menschheit hoch, dass ich mir dadurch im Grunde selbst schädigte anstatt mich konstruktiv aufzubauen.







Zu beginn meiner Alkoholkarriere befand ich mich auf dem Höhepunkt meiner geistigen Leistungsfähigkeit. Ich spürte eine unheimliche Kreativität in meinen Adern und war fest entschlossen Schriftsteller zu werden. Dieser Traum besteht zwar immer noch, doch mein derzeitiger Einfallsreichtum um eine Geschichte zu erschaffen lässt einiges zu wünschen übrig. Doch ist das nur eine Frage der Zeit bis man den eigenen Schreibstil zu voller Reife entwickelt hat. Menschen wie Ligotti oder Lovecraft, die ich von tiefstem Herzen verehre, standen vor genau derselben Schwierigkeit als sie mit dem Schreiben anfingen. In der Horrorliteratur muss man zudem ein Gefühl des unheimlichen hervorrufen, was vor einem leeren Blatt Papier nicht so einfach zu realisieren ist.







Innerhalb des letzten Jahres stand ich immer wieder vor der Problematik mit dem Alkoholkonsum aufzuhören. Ich war zwar niemals süchtig, dagegen entwickelte ich gewiss eine Abhängigkeit, dessen Gefahr ich nicht erahnen konnte. Schon gar nicht, dass ich am Ende dieser Krise mit einer Psychose in die Psychiatrie eingeliefert werden sollte. Ich stand schon von Anfang an unter einem schlechten Stern. Ich brach jede Kommunikation zur Außenwelt ab und fristete von diesem Moment an mein Dasein in der Isolation meines Apartments. Das ging so unter derselben Bedingung ein halbes Jahr weiter bis ich irgendwann merkte, wie meine Persönlichkeit immer weiter abbaute und ich meine Identität verlor. Ich konnte nicht mehr sprechen und was ich dachte ergab einfach keinen Sinn. Es ergab nichts einen Sinn. Eines Tages erlitt ich einen Nervenzusammenbruch, da der Alkohol meine Nerven vollkommen strapaziert hatte und ich rief zum ersten Mal meine Mutter an. Ich sagte ihr nicht sofort, was geschehen war, doch sie merkte, dass etwas nicht stimmte. Sie fragte mich was los sei, bis ich erschöpf zu Boden fiel und dabei den Hörer auflegte. Danach war Stille.







Ich stand kurze Zeit später auf und rief den Notruf an. Die Person auf der anderen Leitung schien mir anfangs nicht zu glauben und machte sich offensichtlich einen Spaß daraus mit jemandem zu sprechen, der soeben einen psychischen Zusammenbruch erlitt. Ich konnte nicht glauben was geschah. Ich rief dann sofort die Polizei an und kurze Zeit später fuhr ein Krankenwagen vorbei. Ich wurde ins Krankenhaus gebracht und von dort aus rief ich meine Mutter an und erzählte ihr was geschehen war. Die nächsten Tage dachte ich, ich würde diesen Zustand nicht überleben. Je mehr ich sprach, desto schlechter ging es mir. Meine Psyche begann sich bei jedem Wort immer weiter zu verschließen; es ging innerhalb einer Woche so weit, dass ich vollkommen den Verstand verlor und ich nicht mehr wusste wer in Wahrheit war. Im Krankenhaus konnten sie mir nicht weiter helfen und ich wurde umstationiert. Ich wurde zu einem Neurologen in die Psychiatrie eingeliefert. Ich schloss auf der Fahrt die Augen und wollte sie einfach nur für immer schließen. Dort angekommen wurde ich zur Aufnahme gebracht. Der Arzt, den ich zu sprechen bekam schien mich nicht zu verstehen. Ich schien nur sinnloses Zeug wiederzugeben, und ohne Gefühl für einen Zeitraum zu empfinden sagte ich für eine Minute gar nichts. Der Arzt redete auf mich ein, doch es gab keine Reaktion meinerseits. Endlich bekam ich die Hoffnung, indem er sagte, dass ich durch Medikamente wieder hergestellt werden sollte. Neuroleptika, versteht sich. Diese werden für gewöhnlich bei schizophrenen Patienten eingesetzt, doch in meinem Fall gibt es keine andere Medikation, die eine angemessene Wirkung hätte zeigen können.







Die nächsten Tage verbrachte ich in einer Therapiegruppe, die darauf abzielte durch ergotherapeutische Maßnahmen und medikamentöse Behandlung den normalen Rhythmus in Gang zu setzen. Eine Besserung stand bei mir zu dem Zeitpunkt noch weit in den Sternen; ganz im Gegenteil: Mein Zustand verschlechterte sich mit zunehmendem Ausmaß, sodass ich am absoluten Nullpunkt meiner geistigen Kompetenz vor einem Abgrund stand. Der Tod schien in greifbarer nähe.

Ich war am Ende des Weges, der direkt in die Hölle zu gehen schien.

Und in der Hölle erwartete mich der Satan selbstpersönlich, um mich zum Mittagstisch der Folter zu begrüßen.







Ich habe festgestellt, dass meine Psyche zu sensibel auf diesen Dauerkonsum von Alkohol reagiert hat. Das schlimmste war, dass ich während dieser Monate völlig allein war, und absolut hoffnungslos. Ich wollte im Grunde schon sterben.







Ich merkte die ersten Veränderungen in meinem Umgang mit Menschen. Ich war nur noch verwirrt vom Alkohol, und wie es so schön heißt ist die Moral alkohollöslich. Und dabei verliert man seine Integrität.







Zu dieser Zeit war der Schriftsteller Bukowski eine Inspiration für mich, der, wie jedem bekannt ist, ein Alkoholiker gewesen ist. Ich wollte aus diesem empfundenem Schmerz etwas erschaffen, aber offensichtlich war mein Geist zu sehr benebelt um noch vernünftige Worte zu Papier zu bringen, oder gar zu sprechen.







Das schlimmste war der psychische Entzug. Wahnvorstellungen waren die Folge, die nicht aufhörten. Ich bildete mir Dinge ein, die mir fremd erschienen, und ich dachte er würde niemals aufhören. Ich wurde bisweilen von Krankenpflegern beiläufig ausgelacht, weil sie dachten ich sei absolut geisteskrank und verachtenswert, aber das war ich nicht. Es war der Alkohol, das sich in meinem Kopfe gespeichert hatte und daraus entwickelte sich, so nach den Ärzten, eine Psychose. Ich weis immer noch nicht ob es eine Psychose ist, oder der Entzug des Alkohols, ich möchte es nicht austesten und die Tabletten absetzen, die zu meiner Genesung beigetragen haben. Tatsache ist, dass ich sie für die nächsten 5 Jahre einnehmen werden muss. Daneben noch Antidepressiva und Schlaftabletten. Ich glaube es war rein der Alkoholentzug, den ich erlebt habe und das über 7 Monate und den schlimmsten Bedingungen.







Heute empfinde ich keine Emotionen, das ist die Konsequenz dieses Konsums, der mich emotional völlig kaputt gemacht hat.







Meinen Leidenweg musste ich mit dem Verlust der Menschlichkeit in Kauf nehmen. Ich empfinde kaum noch Emotionen für andere Menschen. Sie sind mir alle im Grunde scheiß egal geworden. Ich werde von meiner andauernden Isolation in den Wahnsinn der Kaltblütigkeit getrieben. Jegliches Mitleid liegt mir fern. Gleichgültigkeit ist das, was ich empfinde. Im Grunde hat sich seit jeher an meiner Einstellung nur wenig geändert, außer, dass meine Perspektive für mehr Positives als zuvor ausfällt. Ich erkenne mehr Schönheit, aber auch mehr Grausamkeit. Es ist ein Paradoxon. Werde ich jemals wieder in der Lage sein Liebe zu empfinden? Diese Frage stellt sich mir bei jedem Gedanken an die angenehmen Aspekte des Lebens, zu denen ich manchmal eine Anziehung „empfinde“. Ohne Liebe gäbe es keinen Hass, ebenfalls wie umgekehrt. Ohne Schönheit wiederum nichts Hässliches. Es sind Ästhetizismen, die sich gegenseitig bedingen wie Nacht und Tag.







Ohne Zweifel werde ich mich mit den neu gewonnenen Erkenntnissen das Beste daraus schöpfen, um meinem Leben einen Sinn zu geben.



Dies soll eine Warnung an all die „Experten“ sein, die glauben Alkohol würde keine Langzeitschäden mit sich bringen.

Andererseits wurde ich von den negativen Gefühlen der Vergangenheit erlöst, ich fühle mich wie tot, vielleicht leide ich als Folge dessen an Alexethymie (Gefühlsblindheit)? Wer weis was es ist. Selbst wenn ich heute ein paar Bier trinke, kommt keine Wirkung mehr. Es lebt sich friedlich ohne Emotionen, aber sehr kalt. Hinzukommt, dass es einem egal ist, was die Zukunft bringt, man empfindet keinen Erfolg mehr, man weis nichts zu feiern, es ist einfach nichts vorhanden. Weder Erfolg noch Misserfolg, einem ist einfach alles egal geworden.









Das alles kann ein Dauerkonsum über ein halbes Jahr, täglich

viele Flaschen Bier, auslösen. Ich hoffe das bleibt vielen hier erspart, die das lesen.









Vielen Dank!