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Titel:(K)ein bischen weise
Droge:Ecstasy
Autor:Glatze77
Datum:11.03.2016 08:26
Nützlichkeit:7,97 von 10 möglichen   (101 Stimmen abgegeben)

Bericht::

Vorweg: Es geht hier um einen Langzeitbericht vieler verschiedener, vornehmlich synthetischer Drogen. Er informiert nicht wirklich über deren Gefahren oder Folgen im einzelnen, sondern soll Gleichgesinnte unterhalten, warnen, ermutigen, verärgern oder was auch immer. Also...



Das erste mal gekifft hab ich glaub ich mit elf Jahren. Damals hat ein Freund seinem Stiefvater nen Brösel Hash geklaut und mir erzählt, dass das keine schlimme Droge sei und viele Erwachsene das rauchen. Ein bischen mulmig war mir da schon, als ich mehr oder weniger aus Gruppenzwang an der Pfeife, die wir für 5 Mark bei Otto Bönike kauften gezogen habe. Wir hatten natürlich eigentlich beide keine wirkliche Peilung. Haben das Hash nicht mal aufgeflockt, sondern einfach so in die Pfeife gesteckt. Ich hab damals auch nicht wirklich inhaliert und dementsprechend nichts gemerkt (Gott sei dank). Nur der markante Geruch viel mir auf und war mir irgendwie schon wohlvertraut. Vielleicht aus der Hippie-WG in der ich aufwuchs.

Richtig mit dem Kiffen angefangen hab ich dann aber erst vier Jahre später, als ich mit 15 aufs Internat kam. Dort hab ich mir sofort, die für mich interessanten Kreise gesucht. Schnell war ich mit dabei und wir haben immer nach der Schule im Proberaum bekifft und angetrunken an unserer Bandformation gearbeitet oder im Sommer am nahegelegenen Flussbett gefeiert. Das war echt ne supergeile Zeit. In den Ferien hab ich auch öfter meine Kumpels mit nach Berlin zu mir nach hause gebracht, wo es dann natürlich ähnlich abging. Meine Eltern haben das natürlich dann auch mitbekommen mit dem gekiffe. Da sie meine Freunde allerdings mochten und mir vertrauten, war das schon ok.

Zwei Jahre später bin ich dann wieder vom Internat runter nach Berlin zurück auf ne Realschule. Ich habe da wieder mal voll den gesammten Freundeskreis neu aufbauen müssen und das war die Zeit, in der ich auch an die ersten Pappen kam.

Die ersten Trips mit 17 waren eine totale Offenbarung. Schnell wurde dann jedes Wochenende getrippt, manchmal auch mit Speed als Zusatz.

Ich kann euch garnicht vermitteln, was wir da für absolut krasse Erfahrungen gemacht haben. Es gibt in dieser Welt glaube ich nichts abenteuerlicheres, als mit jugentlich leichtsinniger phantasiegeladener und von Größenwahn getränkter Laune in die Nacht zu trippen. In dem Freundeskreis waren dann 3 Pappen plus Pepp pro Wochenende nichts ungewöhnliches. Den Bandproberaum hatten wir zu der Zeit übrigens im heute legendären Bunker in der Reinhardstr. Da war eine Hälfte Bandräume, die andere Hälfte Gabbaclub.

Keinen dürfte es wundern, dass ich mit diesem Werdegang dann auch bald meine Schule nicht mehr schaffte. Immerhin war ich von "uns" der letzte, der sich da vorzeitig verdrückt hatte. Alle anderen Kumpels haben bereits vor mir das Handtuch geschmissen. Naja, ich hab dann ne Lehre in nem Musikladen angefangen und zu der Zeit auch Techno für mich entdeckt. Und was natürlich dazugehört, Pille, Palle, Pulver und Co.

Damals war die Loveparde noch da wo sie hingehört, nämlich aufm Kudamm und die berliner Clubszene hatte ihren Boom mit den 1000 illegalen Partys und Kellern in der ja noch so frisch am entstehenden jungen Hauptstadt nach der Wende. Wenn ich mir heute da so anschaue, wie sich die Partykultur gewandelt und verkomerzialisiert hat, muss ich fast weinen vor wehmut. Egal.

Obwohl ich bei meinem Job im Musikladen nen echt soften Altag hatte, hab ichs da auch nicht länger als ein Jahr ausgehalten. Also mal wieder geschmissen und statt dessen noch mehr gefeiert und von Alo und alternativer Geldbeschaffung gelebt, wie die meisten meiner Freunde.

Das war dann auch so die Zeit, in der die ersten wirklichen Zweifel aufkamen, was meinen Werdegang anging. Nicht das es mir schlecht ging (abgesehen natürlich vom dem einen oder anderen Wochenendkater), nur halt diese typischen drogeninduzierten und gesellschafftsfeindlichen "wassolldasalles-Fragen". Das ging dann ein par Jahre so weiter.

Mit 23 hab ich dann, eigentlich durch meine damalige Freundin noch mein Abitur auf einer selbstverwalteten Schule nachgeholt. Da konnte man sogar im Untericht kiffen!!! Natürlich aber nur, wenn das vom Plenum mit einer Mehrheit so abgestimmt wurde. Unglaublich oder? In der Zeit hab ich auch meinen für die nächsten Jahre besten Freund kennen gelernt, mit dem ich natürlich auch des öfteren gefeiert habe. Allerdings nie so oberhacke, wie mit meiner noch vorhandenen Partyposse. Wir waren zu der Zeit mindestens jedes Wochenende druff, manchmal noch unter der Woche. Viele Pillen und Speed, irgendwie hab ich da die Kontrolle verlohren oder aber nicht über die Risiken nachgedacht. Bis zu einem ganz besonderen Tag:

Ich war mit also meinem besten Freund verabredet, zum kochen. Komme da also gut gelaunt bei ihm in der Wohnung an, ziehe meine Jacke aus, will ihm etwas erzählen und PENG!!!

Als ob sich in meinem Kopf ein Schalter umgelegt hätte, war auf einmal alles anders. Ich kann nicht mal sagen was es genau war. Ich war auf einmal wie hinter Glas, konnte mich nicht mehr vernünftig mitteilen und hab irgendwas gestammelt, von wegen dass ich gehen muss oder so. Leider hatte sich mein Zustand in der nächsten Zeit nicht verbessert. Trotzdem bin weiter zur Schule, um mich am Leben festzuhalten.

Ich saß damals, wie mir Leute später erzählt haben, vollig verpeilt im Untericht und habe Fragen gestellt die ich mir dann gleich selber beantwortet habe und so. Mein Problem war, dass ich völlig den Bezug zu mir und meinen Gefühlen verloren hatte. Alles was mir vorher etwas wert war, war wie weggeblasen. Freunde, die super Schule, meine Freundin, meine Eltern... Wenn ich mir mein Spiegelbild angeschaut habe, dachte ich, ich würde in eine Maske schauen. Da war keine Persönlichkeit mehr in mir. Ich konnte darüber nichtmal richtig traurig sein. Nur eine riesige Angst hatte ich, dass das für immer so bleiben würde.

Ich habe natürlich auch bei Drogenberatungsstellen Hilfe gesucht. Die haben mich da aber nur mitleidig angeschaut. So geht es hier vielen, haben die gesagt. Ich war zu gut drauf für die Psychatrie und zu schlecht fürs normale Leben. Naja, mit viel Kraft, die ich damals auch von Freunden bekam, hab ich mich dann doch innerhalb ca. eines Jahres wieder normalisiert. Es wurde Stück für Stück besser, ganz ohne irgendwelche Medis. In diesem Jahr war ich komplett drogenfrei und habe dann sogar noch mein Abi gemacht (sehr zur verwunderung einiger meiner Lehrer, die mich eigentlich schon aufgegeben hatten, so schräg wie ich da unterwegs war).

Das Abi frisch in der Tasche, hab ich mir dann eines Tages meinen ersten Joint gegönnt. Und so ganz langsam, ihr werdet es vermuten, kam dann der zweite, die erste Pille und nach einigen Monaten war ich wieder unterwegs wie vorher. Nur nicht ganz so heftig, wie vorher. Die Lehre hab ich aus der Sache schon gezogen und bis heute verinnerlicht. Es war also so, dass mir 2 Pillen am Wochenende reichten mit 2,3 Nasen und ich mir auch immer die nötige Pause zum regenerieren gönnte.

So ging das dann Drogentechnisch die nächsten Jahre weiter. Ich wechselte dann durch neue Freundeskreise in die Goa-szene, die zu der Zeit gerade groß wurde. Die Sommer mit den Openairs waren herrlich. Ich holte spät meinen Zivildienst nach, baute mit ein par Freunden ein Tonstudio auf und begann auch langsam in der Filmbranche zu arbeiten.

Was ist mein Fazit? Nach nun anderthalb Jahrzehnten Drogenkonsum, klingt mein Bericht mehr oder weniger unproblematisch. Und tatsächlich bin ich aus meinen biherigen Eskapaden aus heutiger Sicht relativ unbeschadet herausgekommen. Zumindest objektiv. Und genau hier liegt die traurige Problematik.

Meine Persönlichkeit ist nunmal die eines Drogies geworden. Mit der breiten Masse der "Auto,Haus,Arbeit-Menschen" komme ich schlecht klar. Und in Bereichen wo man das nunmal muss, also überal außer auf Partys und in der Klicke fühl ich mich mehr oder weniger deplaziert und fehl am Platz. Denn dieses dunkle Geheimnis, dass ich vielen Menschen nicht anvertrauen mag, lässt mich dann oft wie ein Alien dastehen. Es ist ja nun nicht unmöglich für mich mit nichtdrogenerfahrenen Menschen umzugehen, aber irgendein Teil in der Kommunikation und im gesammten Verhalten unterscheidet mich nunmal von ihnen, so zumindest mein Gefühl.

Noch blöder ist es sowieso, dass die Normalos mir teilweise mit ihrem angepassten Verhalten tierisch auf die Nerven gehen, obwohl sie im Grunde ja meist ganz sympatische Menschen sind. Wie angenehm ist es da doch immer, beispielsweise in einem neuen Filmteam dann irgendwann einen Menschen herauszufinden, der eine ähnliche Vergangenheit hat, oder zumindest auch mal ab und zu einen raucht.

Naja das klingt jetzt alles vielleicht etwas übertrieben, ist aber wirklich ein Fakt unter dem ich mit zunehmendem Alter immer mehr leide. Ich meine, mit 23 konnte ich noch (fast) jedem unverblümt von meinem Lebenswandel erzählen. Da war das cool und wurde meist unter dem Deckmantel der Jugendlichkeit belächelt oder gar bewundert. Heute mich fast 32 sieht es schon ein bischen anders aus. Und ich frage mich, ob ich mich jemals ändern werde. Ich glaube nein. Denn auch, wenn ich aus allem klüger geworden bin und einige Sachen nur noch sehr selten anfasse, auch weil die Gier weniger geworden ist, so werde ich, denke ich, nie wirklich komplett drogenfrei ein erfülltes Leben empfinden. Warten wirs ab!