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Titel:What I have been looking for
Droge:Cannabis
Autor:kittster
Datum:27.11.2012 09:22
Nützlichkeit:8,25 von 10 möglichen   (126 Stimmen abgegeben)

Bericht::

Da ich gezwungen wurde, eine Droge auszuwählen, habe ich die genommen, die ich über den längsten Zeitraum regelmäßig genommen habe, es ist aber eher ein genereller Bericht...



Ich hatte von frühester Jugend an ein krankhaft gesteigertes Interesse an Drogen . Ich habe mit 13/ 14 sämtliche Bücher zu dem Thema gelesen, und je mehr ich las, desto stärker wurde mein Entschluss, Drogen ausprobieren zu wollen, und zwar möglichst bald.



Da ich zu diesem Zeitpunkt nur wenige Freunde hatte, die zudem größtenteils aus Kreisen kamen, in denen Drogenkonsum verpöhnt war, bot sich mit keine Möglichkeit, an illegale Substanzen ranzukommen, es blieb bei gelegentlichen Besäufnissen . Aber das reichte klein Kitty nicht, nachdem ich im Internet gelesen hatte, dass man durch Muskatnuss einen Drogenrausch erreichen kann, habe ich unvernünftig große Menge davon verschlungen. Ohne mich zu informieren. Just for fun. Dank meines sehr fleißigen Schutzengels hatte ich zwar den schlimmsten Trip meines Lebens, habe das ganze aber ohne Schäden überlebt. Ich war 14. But the show must go on.



Mit meiner Cousine habe ich dann Lachgas genommen, ihre Mutter fand die leeren Kapseln, wir bekamen sehr viel Ärger, was mich nicht davon abhielt, daheim weiter zu machen. Zu dieser Zeit hatte meine Cousine durch ihre große Schwester die Gelegenheit zu kiffen. Ich war so neidisch auf sie. An meinem 15 Geburtstag schrieb ich in mein Tagebuch „Now I am 15 years old and have not smoked dope yet. It´s a shame.“



Am 25.11.2001 war es dann schließlich so weit, mit meiner Cousine und ihren Freundinnen rauchte ich in einem Waldstück meinen ersten Joint. Es war, objektiv gesehen, kein einschneidendes Ereignis, ich habe kaum was gemerkt. Dennoch weiß ich das Datum noch genau. Wann ich das erste Mal Sex hatte habe ich vergessen.



Aber ich war auf den Geschmack gekommen. Ich war jung, rebellisch, links, alternativ und in dieses Bild passte es gut, zu kiffen. Zigaretten qualmte ich sowieso schon in großen Mengen, was mir aber bei „meinen Jungs“ ein Gefühl von Zugehörigkeit gab, genauso wie meine Fähigkeit, Männer unter den Tisch zu saufen. Das war mein Leben, damals, mit 15/16. Zum ersten Mal hatte ich Freunde, und ich wollte vor ihnen stark erscheinen. Rauchen, Saufen, Kiffen, bloß keine Schwäche zeigen. So wie ich sie rückblickend einschätze, haben sie mich nicht deshalb gemocht, weil ich viele Drogen konsumierte, für mich war das damals eben etwas, worauf ich stolz war, was ich „konnte.“



Bis ich dann mit fast 16 etwas anderes entdeckte, was ich gut konnte. Hungern und abnehmen. Ich aß fast nichts mehr, ritzte mich selbst, rauchte, trank und kiffte nach wie vor zu viel und bekam plötzlich gar keine positiven Rückmeldungen mehr. Dann, im Februar 2003 kam ich wegen der Magersucht in eine Klinik. Es wurde dort die Frage gestellt: Nimmst du Drogen? Nein, ich doch nicht. Niemals. Monate, Jahre Therapie folgten. Aber Antworten bekam ich nur unzureichend. Kein Wunder, ich wusste nichtmal, welche Fragen ich mir überhaupt stellte....



Nach der Klinik hatte sich zwar mein Essverhalten gebessert, der Umgang mit Drogen allerdings nicht. Ich hatte halt weiterhin nur Zuganz zu Alkohol, Cannabis, Lachgas, also beschränkte es sich darauf. Zu dieser Zeit lernte ich den Vater meines Sohnes kennen. Tage, Nächte bei ihm, bei mir, ständig dicht, keine Sorgen, keine Zukunft, we were so young, so naive....Durch ihn sah ich die Möglichkeit, meinen Traum wahr werden zu lassen, möglichst viele Drogen ausprobieren. Es sollte anders kommen. Plötzlich war ich schwanger.



Mein Leben sollte sich ändern. Ein Stoppschild on the road downwards. Eine neue Chance. Und ja, mein Leben änderte sich. Ich nahm keine Drogen mehr, nach der Stillzeit kiffte ich hin und wieder. Das Rauchen habe ich in der Schwangerschaft aufgegeben und zum Glück auch nicht wieder angefangen. Ich lebe mit meines Sohn in unserer eigenen Wohnung und es geht uns gut. Im Juni 2006 bestand ich die Matura mit Auszeichnung. Das ist wohl der Punkt, an dem die Geschichten über die geläuterten Exdruffis normalerweise enden. Nicht so die meine.

Mach meiner Matura stellte ich mir plötzlich die Frage, ob ich vielleicht etwas verpasst habe. Ob ich etwas verloren habe. Vielleicht mich? Ich begann ein Studium, brach es wieder ab. Ich glaube, das war die Zeit, zu der ich begann, Salvia zu rauchen. Es stresste mich. Extrem. Also hab ichs wieder gelassen. Im März 2007 habe ich dann ein anderes Studium begonnen. Es war toll. Und es war die Zeit, in der ich wirklich Energie dahinein steckte, mich selber zu finden. Ich erinnere mich noch an die 3 Wochen bewusst ohne jegliche Drogen, keinen Tropfen Alkohol, nichtmal Kaffee. Ich war in Leipzig, habe Hare Krischna gechantet, ich habe über Religion und Philosophie nachgedacht, ich war unterwegs.



Tja, auch dieses Studium hab ich nicht fertig gemacht. Ich wusste nicht, was ich damit anfangen sollte. No future. Und eine junge Mutter sollte nicht jahrelang studieren, ohne zu wissen, was sie damit macht. Also begann ich eine Berufsausbildung, die ich in 2 Wochen abschließe.



Und mit der Ausbildung habe ich begonnen, mehr Drogen zu konsumieren denn je. Ich machte Erfahrungen mit Halluzinogenen, kiffte wieder öfter, dann probierte ich Opioide, GBL, ich war jedes Wochenende druff. LSA und Pilze habe ich nur wenige Male genommen, und darüber kann ich rückblickend sagen, dass jedes einzelne Mal seinen Sinn und seine Berechtigung haben. Drogen allein geben einem keine Antworten, sie können aber eine enorme Formulierungshilfe für die Fragen darstellen, und das ist schon einiges.



Was den restlichen Drogenkonsum angeht. Es war zu viel. Es war Flucht. Ich nahm zu viel Codein, zu viel Tramal, zu viel Lachgas. Ich trank zu oft. Ich war für alle anderen da, außer für mich. Ich wollte die Welt retten, aber hab mich selber dabei vergessen. On the road again, on the road downwards. Und dann? Ein Freund von mir, mein „kleiner Bruder“, den ich übers LdT kennen gelernt hatte, starb durch Drogen. Mein Freund landete durch Drogen auf der Intensivstation.



Tja, Kitty, time to wake up. Heute konsumiere ich kaum noch was. Hin und wieder trinke ich ein bisschen was, mehr nicht. Ich sage, ich mache es aus Vernunft. Aber wenn ich ehrlich bin ist es auch deshalb, weil ich nichtmehr drauf klarkomme. Wenn ich kiffe oder Lachgas nehme gibt das die übelsten Trips. Ich will mir nicht ausmalen, wie das bei Pilzen o.ä. Wäre. Der Zug ist wohl abgefahren.



Maybe it´s better.



Edit, 27.11.2012



Mehr als drei Jahre sind inzwischen seit dem Verfassen dieses Berichts vergangen. Ich habe meine Ausbildung mit Auszeichnung abgeschlossen und mir mit dem Geld was ich mir zusammengespart habe bzw. durch die Unterstützung meiner Familie ein Studium ermöglicht, in dem ich noch eine Prüfung und eine Arbeit schreiben muss und dann fertig bin. Mein Sohn besucht mittlerweile die zweite Klasse Volksschule.



Ich bin immernoch der Meinung, dass es mit 20 mit meinem Konsum übetrieben habe. Ich habe zu viel aus den falschen Gründen genommen. Allerdings habe ich mit den Jahren gemerkt, dass mein Weg nicht die totale Abstinenz ist, außer was Alkohol angeht, da mir das einfach nicht guttut.



Ich konsumiere also manchmal abends, natürlich nur wenn mein Kind versorgt ist, etwas Kratom. Und ein paar Trips im Jahr. Das alles natürlich nicht neben meinem Kind, aber ich mach es. Mir ist klar, dass jetzt hier wieder einige denken werden "Wie kann sie nur?"



Tja, ich kann, weil ich der Meinung bin, dass Eltern sein nicht totale Selbstaufgabe bedeutet, auch wenn man natürlich eigene Interessen manchmal hinten anstellen muss. Niemals darf man etwas tun, was dem Kind schadet. Allerdings darf man sehr wohl auch mal etwas für sich tun. Und ja, Drogen bergen immer, auch bei verantwortungsvollem Konsum ein Risiko. Gewisse Sportarten bergen auch Risiken. Oder Übergewicht. Oder übermäßiger Stress.



Selbstverständlich ist man als Eltern dazu verpflichtet, so weit es in seiner Macht steht zu verhindern, dass man nicht mehr in der Lage ist seine Kinder zu versorgen. Dies heißt für mich aber nicht, dass man alles was ein Risiko birgt kategorisch ausschließen muss. Es kommt einfach darauf an, wie man damit umgeht. Ich habe für mich einen Weg gefunden, mit dem ich meiner Meinung nach sehr gut fahre. Wer mich ein bisschen kennt kann bestätigen, dass ich keine ihr Kind vernachlässigende Junkiemutter oder so etwas bin.

Ich bin mit unserem Leben im Großen und Ganzen sehr zufrieden.