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Titel:Der schmale Grad zwischen Realität und Realität
Droge:Cannabis
Autor:DerReisende
Datum:15.11.2010 17:27
Nützlichkeit:9,13 von 10 möglichen   (56 Stimmen abgegeben)

Bericht::

Hallo,



Mein folgender Langzeitbericht umfasst die Zeit vom ca. Januar oder Dezember des letzen Jahres bis zum Donnerstag der letzen Woche (den 11.11.2010).



Die meisten unter euch werden es wissen, aber es sei dennoch gesagt, dass ich in dem Bericht nur meine persönlichen Eindrücke und Erlebnisse mit der Droge Cannabis schilder,

mein Bericht trägt auf keinen Fall die Botschaft, dass es jedem, der Gras raucht, zwangsläufig so ergehen wird wie mir.



Zu meiner Person ist zu sagen, dass ich den Konsum von anderen Drogen außer Alkohol mit 15 Jahren begonnen hab. In meinem Fall war es LSA und Gras.

LSA später nicht mehr, weil es, wie ich fand, nichts für mich und meinen Alltag war.

Mein Gras Konsum lag so bei 1 bis 2 Joints (vor und nach der Schule/vor der Schule eher selten) täglich, manchmal auch mehr.



Mit den oben beschriebenen Konsumgewohnheiten gingen also die Tage dahin. Ich begann die ganze Sache (also Gras konsum) minimal kritisch zu betrachten, als mir an einem zu der Zeit guten Freund

ein verändertes Verhalten auffiel, das ich mit seinem ziemlich hohen Gras Konsum (er rauchte so ca. das 10 Fache von mir) in Verbindung brachte. Es schien als hätte er keinen Bock mehr auf überhaupt irgendetwas, alles war für ihn ziemlich unbedeutend und sinnlos, er lag nur noch rum und kiffte, hasste die meisten Menschen aus seiner Umgebung, fühlte sich allein und missverstanden. Es war fast als würde er seine Zukunft mit voller Absicht und Ignoranz einfach gefährden (nicht Zukunft im körperlichen, sondern im konventionellen Sinne). Außerdem war er ziemlich gereizt und nervös, wenn er nicht gerade was zum rauchen hatte. Was genau es damit auf sich hatte hab ich zu dem Zeitpunkt noch nicht verstanden (und in der vollen Tiefe werde ich es wohl auch nie verstehen). Jedenfalls habe ich seit dem nichts mehr von ihm gehört, außer Gerüchte über psychiatrische Behandlung und Kliniken.



Dennoch brachten mich die leichten Zweifel nicht von meinen Konsumgewohnheiten ab und so ging es eine ganze Zeit lang weiter. Nach manchen Mischen wie Silverhaze und Schwarzer in einer Tüte schob ich ziemlich starke Sachen. Ich hatte Optiks, die von ganz alleine und nicht endenwollend durch meinen Kopf strömten, und diese begann ich irgendwann zu interpretieren.

Ich fand es interessant meine eigenen Verborgenen Gedanken weiter zu erforschen und tiefer auszuführen, nicht nur die meinen, sondern auch die anderer. Wenn ich zum Beispiel in der

Gesellschaft von Freunden war, redeten wir manchmal über irgendwelche komplexen philosophischen Dinge, die ich heute kaum noch wieder geben kann.

Wie dem auch sei, ich neigte auf jeden Fall dazu, beliebige und noch so verdammt unwichtige Gedanken bis zur absoluten Grenze weiter auszuführen. Es war auch als würde man, wenn man die Gedanken immer weiter auf andere Ebenen reproduziert bei jedem beliebigen Gedanken zu dem selben Schluss gelangen. Was genau das für einer war, kann ich nicht sagen, ich kann aber sagen, dass mich jedes mal eine krasse Gänsehautwelle durchlief, wenn ich an diesem Punkt angekommen war. Mit Worten lässt sich das kaum beschreiben. Diese Zusammenhänge und "sich nicht widersprechenden Widersprüche" gingen keines Falls wie gewohnt durch meinen Kopf, sonder immer in abstrakten Bildern oder wirren Wortfolgen. Eine zusammenhangslos erscheinende Wortreihe ergab vollkommen Sinn und war in der Lage das gesamte Universum zu erklären.



Nach solchen Trips war es immer total schwer, sich wieder in die Realität zurück zu holen.



Dieses ewige Hinterfragen und weiter Ausführen von Gedanken und Gegebenheiten, was aber irgendwie unterbewusst geschah, festigte sich später auch im nicht bekifften Zustand.

"Ich blickte irgendwann so weit über die Realität hinaus", dass mir alles nurnoch sinnlos und falsch erschien. "Was ist überhaupt diese von Menschen konstruierte Realität

und wem oder was jagen die ganzen Menschen nach, was soll dieses streben nach Erfolg, der Geld bedeutet, und wozu das alles. Es weiß doch niemand was real ist und was nicht

und warum in einer Illusion leben und einer Illusion nachjagen?."
(pränzieser ist es mit Worten leider nicht wiederzugeben). Ich begann die Menschen in meiner Umgebung zu verachten,

weil sie für mich wie Gefangene waren, gefangen in dieser beschränkten Welt, in diesem beschränkten Konstrukt ihrer eigenen Realität, die niemand weiter hinterfragte. Erbärmliche Gefangene.

Ich fühlte mich selbst ebenfalls gefangen in der Realität. Auf eine unerträgliche Art und Weise. Nicht nur gefangen in der Realität, sondern überhaupt gefangen im "Menschen Dasein".

Ich konnte/wollte mich mit den Grenzen meines Verstandes nicht abfinden. Es machte mich wahnsinnig, dass es Dinge gab, für deren Verständnis mein Gehirn nicht gemacht ist.

Das einzige was mir richtig erschien war der Tod, oder die ausgelebte Anarchie. Aber letzlich doch eher der Tod. Das war auch der Grund dafür, warum mich plötzlich nichts mehr interessierte,

ich wollte meine Zeit in der Illusion blos absitzen. Mehr nicht.



Ich verfiel also in einen andauernden Zustand von Unzufriedenheit, Depression und Isolation. Ich distanzierte mich von Menschen, weil ich sie verachtete, alle samt, ich war unzufrieden mit

den Grenzen meines Verstanden die ich, und das wusste ich komischer Weiße ganz genau, nicht überbrücken kann! An meinen Konsumgewohnheiten zweifelte ich - ebenfalls komischer Weiße - nie.



Freunde machten mich aus Sorge auf ein verändertes Verhalten aufmerksam und in der Beschreibung meines Verhaltens begann ich den ehemaligen Freund wieder zu entdecken, von dem ich oben schon erzählt hatte.



Ich riss mich also zusammen und kam aus meinem Zustand der Sinnlosigkeit und Lethargie wieder raus, denn ich wollte die Realität annehmen. Nicht weil ich fand das es besser für mich gewesen wäre, nein, weil es erträglicher wäre für die Menschen denen was an mir liegt und gegenüber denen ich eine gewisse Verantwortung habe.



Aufgehört zu Kiffen hatte ich trotzdem nicht.



Eines Tages, als mein Bruder mit ’nem Zipper voll gutem Grünen ankam und fragte, ob wir nicht mal einen durchziehn wollten, taten wir genau das. (Das Gras war wirklich überraschend "gut", also stark.).

Da mein Bruder nach etwas weniger Zügen wie gewohnt bedient war, überlies er mir den Rest, den ich ohne Weiteres aufrauchte.

Darauf folgte das Erlebnis, was mich endgültig dazu veranlasste, das Kiffen zu lassen.



Wir gingen also zurück in die Wohnung und ich wollte mir was bequemes anziehen. Ich stand vor dem Spiegel und starrte auf mein Spiegelbild weil ich viel zu sediert war um mich weg zu bewegen.

Ich weiß nich warum, aber das Spiegelbild wirkte beunruhigend auf mich, ich beschloss also mich vom Spiegel zu entfernen. Das Speigelbild wirkte auf mich als wolle es mir was böses.

Ich beschloss mich hinzulegen und die Augen zu schließen, hatte keine Lust auf Fernsehen oder Essen oder Sonstiges, wäre mir zu stressig gewesen.



Ich lag also da mit geschlossenen Augen und hab versucht es mir auf meinem Bett bequem zu machen, was mir aber irgendwie nicht gelang, denn ich hab, wie es meistens war wenn ich

Breit war, meinen Körper ganz anders gespürt. ...



Es war als wäre ich sozusagen gespalten, es gab 2 "Ichs". Ein äußeres Ich, das war das gewohnte Ich, das Ich was Teil der Gesellschaft ist und nach außen bekannt. Dann das innere Ich.

Das innere Ich war mir bis dahin zumindest im Bewusstsein noch nicht bekannt, aber plötzlich nahm ich es wahr. Das innere ich hat ständig zu meinem äußeren Ich geredet und mein äußeres Ich (das war ICH) hat also dagegen angekämpft. Was das innere Ich zu mir/bzw zu meinem äußeren Ich gesagt hat, kann ich kaum wiedergeben. Es hat nicht wie gewohnt geredet, sonder wie in den zuvor erwähnten zusammenhangslos erscheinenden Wortreihen.

Es war als würde das innere ich ständig versuchen, mich in ein Loch voller Leere und gleichzeitig voller Enge zu reißen, sozusagen komplett von der Realität/Illusion weg zu führen.

Mit meinem äußeren Ich hab ich permanent, aber vergeblich dagegen angekämpft. Irgendwann hab ich dann auch merkwürdige Stimmen gehört, die ich nich zuordnen konnte.

Bin dann also aufgestanden um den Raum zu verlassen, weil mich die Stimmen noch stärker beunruhigt haben.

Hab das Gespräch mit meinen Bruder gesucht um mich zu normalisieren, aber es gelang mir kein bisschen. Ich fühlte mich wie ferngesteuert von meinem inneren Ich, ich verhielt mich zwar nicht besonders merkwürdig, aber ich hatte sozusagen keinen freien Willen. Normalerweise kann man sich auf Gras ja zusammenreißen und ’n Stück weit normalisieren, aber da das nicht mal ein bisschen ging wurde ich panisch, denn ich hatte Angst, endgültig meinen Verstand verloren zu haben.

Jeder Versuch sich zu beruhigen half nichts, auch die Stimmen wurden nicht wirklich leiser. Die Panik/Angst wurde so stark, dass ich bei jedem Gedanken an das Hängenbleiben in dem Zustand wirklich Schmerzen am Körper bekam.

Die Realität hatte ich an dem Punkt schon vollkommen verloren..

Es war so, als wäre das Bild, was ich vor Augen hab, garnicht die eigentliche Welt. Vielmehr als hätte ich eine Brille auf, auf deren Gläsern das illusionäre Bild der Welt projiziert wird.

Das ganze war unglaublich real. (witzig, das Wort real an dieser Stelle zu verwenden)



Demnach fühlte ich mich ohne meinen freien Willen und der Illusion vor Augen auch garnicht mehr als Teil der Welt, ich nahm viel mehr eine "Beobachter Rolle" ein, oder villeicht hab ich nicht mal beobachtet, es war das bloße Dasein in einer anderen Sphäre.



Als ich mich wieder hinlegte und die Augen schloss ging die Sache weiter. Ich kämpfte weiter gegen mein inneres Ich an und bekam plötzlich Optiks in denen

ich mich selbst anschreie und frage:"Wieso machst du mich Kaputt?"



Ich war gefangen in meiner eigenen Welt voller nie enden wollender Gedankenströme und einem 2 Ich, das in "sinnlosen" Wortreihen versucht, mich meines Verstandes zu berauben.

Ich merkte, dass während ich versuchte, gegen mein inneres Ich anzukämpfen und meinen Verstand zu retten, ich ihn längst verloren haben muss und das es keinen Ausweg gibt und ich praktisch für immer in dieser Sphäre/Welt gefangen bin, hängen geblieben. Bei dem Gedanken durchfuhr mich eine kalte Welle und ich bekam Gänsehaut am ganzen Körper.



Während mein inneres Ich weiter in Wortreihen zu mir sprach, nahm ich meine Gedanken bis zur Grenze auseinander und hatte dabei die verschiedenen Geistigen Ebenen und die Ebenen der Realität, auf denen ich mich bewegte, farbig und Bildlich vor Augen. (Mit dem Satz wird wohl kaum jemand was anfangen können, aber das ist nicht schlimm, denn Worte sind dafür ja icht gemacht.).



Immer wieder kam ich zu dem Schluss, dass es keinen Ausweg mehr gibt und immer wieder überkam mich dabei eine kalte Welle und ich bekam Gänsehaut. Die einzige Lösung, die sich mir aufzeigte war wieder mal nur der Tod. Ich überlegte also mich umzubringen und dem ein Ende zu setzen, weil es einfach unerträglich wurde. Dennoch wusste ich, dass ich das nicht tun darf/sollte, weil ein Quäntchen Hoffung besteht, dass es irgendwann von alleine endet.

Außerdem hätte ich kaum aufstehen können, weil ich ziemlich zittterte und komisch gezuckt hab.

Zeit wurde auch bedeutungslos, jeder Moment kam mir vor wie die Ewigkeit und die Ewigkeit wie ein einziger Moment.



Irgendwann wachte ich dann auf, weil ich zur Schule musste. Meinen eigenen Willen hatte ich wieder, aus meinem Panik zustand war ich raus und ein gespaltenes Ich hatte ich auch nicht mehr.

Trotzdem hatte immernoch alles den Schein, als wäre es eine 2D Proijektion auf Brillengläsern und ich fühlte mich immernoch nicht als Teil der Welt/Realität.

Ich fühlte mich, als wäre ich in meiner Sphäre, in der ich jetzt unabdingbar gefangen war, für die anderen unsichtbar. Ich bekam z.B. leichte innere Panik, wenn Leute auf meine Begrüßung hin nicht reagiert haben usw..

Auch hatte ich das Gefühl, mein ganzes Wissen und meine Logik wären weg. Vor Allem meine Logik.

In den ersten 4 Schulstunden hatte ich mich kaum gemeldet, weil ich einfach nicht folgen konnte.

Außerdem musste ich an dem Tag öfter Gegenstände berühren, um mir klar zu machen, dass ich Teil der Welt bin, die Sachen greifbar sind und ich kein 2D Bild, keine Illusion vor Augen hab.



Mittlerweile hat sich der Zustand gelegt, aber meine Sicht auf die Dinge wird garantiert nie mehr so wie zuvor.



Danke für das Lesen bis zum Ende

und beste Grüße,



Alex