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Titel:Mein Leben mit Alkohol, 13 Jahre Rausch
Droge:Alkohol
Autor:anonym
Datum:11.09.2012 19:17
Nützlichkeit:8,34 von 10 möglichen   (41 Stimmen abgegeben)

Bericht::

Vorwort: Ich werde in diesem LZ explizit auf Alkohol eingehen und all die anderen Sachen die ich auch genommen habe nur am Rande erwähnen. Hier soll der Alkohol im Vordergrund stehen.

Der Grund und die Lösung aller Probleme!

Anfangs geht es um die Anfangsphase, wie man langsam reinschlittert. Das Ende bschäftigt mit dem hier und jetzt, 13 Jahre später und der Zukunft.

Ich habe manche Sachen nicht bis ins letzte Detail ausgeschmückt sondern mich an dem wesentlichen Gehalten. Es kann gut sein das ich das ganze hier nochmal Editiere. Es ist ein bisschen viel Text, trotzdem wünsche ich Euch gute Unterhaltung.




Es fing alles, wie bei jedem, ganz locker an. Mein erstes Mal Alkohol. Das muss so mit 13 gewesen sein. Man war das toll. Mein damalig bester Freund und ich standen ein paar Meter von einer Bude entfernt und wir fragten den ein oder anderen Passanten ob die für uns einen "Kleinen Feigling" holen könnten. Irgendein netter Mann hatte das getan. Das haben wir 2-3 mal gemacht.

Nachdem ich von der Schule flog hatte ich zu diesem Kollegen keinen Kontakt mehr. Alkohol war auch nicht direkt schuld. Ich bin 2x hintereinander Sitzen geblieben. Auf dem Zeugnis waren ca. 9x eine 5 und 2x eine 6 in beiden Jahren, das nenne ich mal eine Leistung. Im ersten Jahr wollten meine Eltern das Zeugnis nicht sehen, sie wussten von den Gesprächen das ich es nicht gepackt habe, aber nicht in welchem Ausmaß. Beim 2. mal haben sie das Ausmaß gesehen, waren aber schon getrennt und die Kontrolle über mich längst verloren.

Dann kam eig. eine Zeit des großen Kiffens bis einer meiner besten Freunde - den ich nun mittlerweile knapp 13 Jahre kenne und durch dick und dünn gegangen bin - mal erzählte das er noch nie getrunken hat (wir waren da Schätzungsweise 15). Das musste geändert werden! Somit wurde 1x in der Woche Koma-Saufen zum Pflichtprogramm.

Mit 16, als auch Diskos und Mädels immer interessanter wurden, wurde auch der Alkohol interessanter und unbewusst schlittern wir alle unserem Schicksal entgegen. Der eine mehr, der andere weniger. Aber sicher nicht nüchtern!

Wenn man in keiner Disko war, wurde getrunken bis zur Besinnungslosigkeit, oder eben nichts mehr da war. So langsam merkte ich das Alkohol nicht nur "lustig" und ein Partykracher ist, ich lernte wie "gut" er mir tut. Ich hatte zu der Zeit ziemlich wenig selbstbewusstsein und habe eig. nie mit jemanden außerhalb meines Freundeskreis geredet, warum auch.

Das lief dann mit Alkohol natürlich ganz anders: damit war ich nun Stimmungskanone, Kasanova und Diskutierer Nummer 1. Es flutschte, läuft würde man heute sagen. Alles war kein Problem.

Ich muss dabei sagen das ich bei der Wirkung relativ harmlos reagiere: ich werde nicht aggressiv, ich komme auf keine saublöden Ideen, bin nicht unhöflich oder sonst was. Ich verwandel mich zu Mr. Perfect ("wärst du mein Freund, ich würde dich ständig betrunken machen!") Okay, manchmal kam ich auch auf blöde Ideen -> ich sagte zu einer Freundin auf einer Party folgendes, ihr Freund war 2m entfernt: "ich habe voll Bock deine kleine Fickfotze zu lecken und dir es so richtig schön zu besorgen!" Okay, ich habe auch gut Pepp gezogen nebenbei, aber alles in allem habe ich wirklich wenig bis kaum Scheisse verzapft.

Die Räusche wurden aber immer extremer. Ich kam schon betrunken zum vorglühen und ich hatte zuhause schon was auf Vorrat falls mal nicht genug Alkohol da war. Das war nämlich das schlimmste: man will betrunken sein aber nach 3 Gläsern ist nichts mehr da. Ein Horrorszenario durch und durch.

So richtig bewusst das ich ohne Alkohol in Gesellschaft nicht funktioniere, zumindest in Diskos / auf Parties war eines Abends an Heilig Abend: ich das erste mal nüchtern in einer Disko. Ohne eine Tropfen Alkohol in einer Disko. Die Realität war wie ein Horror-Trip. Ich kam auf die ganzen betrunkenen Menschen nicht klar, ich habe mich wie ein kleiner Junge gefühlt. Ich schämte mich wenn mich irgendwer angesprochen hab mit dem ich sonst gut klar kam und normalerweise erst mal einen getrunken hätte. Ich wusste nicht wie ich mich verhalten sollte. Spielte keine Rolle ob männlein oder weiblein. Ich war hoffnungslos überfordert. Was war hier los? Ich habe mich dann auch schnell verdrückt mit der Ausrede das es mir nicht so gut geht.

Das war schon ein heftiges Erlebnis. Von da an beschloss ich: NIE WIEDER NÜCHTERN IN EINE DISKO! So bescheuert bin ich kein zweites mal... Das muss so mit 20 gewesen sein. Zu der Zeit habe ich mein Abi nachgeholt. Ich war mit 3 weiteren Typen und 20 Mädels in der Berufsschulklasse. Das war nicht einfach sage ich Euch. Aber ich lernte schnell, erlang wieder mehr Selbstvertrauen und kam nun auch ganz normal ziemlich gut an. Gar nicht mal so schlecht dachte ich mir. Trotzdem, getankt wurde auch zu dieser Zeit nicht zu knapp. Aussage meiner Klassenlehrerin gegen Mitte des 2. Jahres "Herr B., ich sage dazu nichts mehr. Sie sind alt genug. Passen Sie gut auf sich auf!"

Ich war aber oft traurig. Ich hatte Zukunftsängste. Ich hätte auch gerne eine Freundin. Es passierte immer öfter das ich auch unter der Woche getrunken habe. Da kam es auch zum ersten mal vor das mein, ich nenn es einfach mal "Sauf-Wahn", kam. Das muss man sich so vorstellen: Nach einem guten Trinkabend wenn ich aufstehe checke ich ein paar Sachen ab: Wie spät? Wie geht es dir? Wie fühlst du dich? Was hast du heute noch vor? Hast du Geld im Haus? Hast du Alkohol im Haus? Wenn alles stimmt wird direkt weitergetrunken.

Als ich noch zuhause gewohnt habe war das Problematisch, aber mit 21 und erster eigener Wohnung kein Problem. So kam es zu diesem teilweise auftretenden Sauf-Wahn am WE, zusätzlich zum trinken unter der Woche. Wenn mein Sauf-Wahn eintrat habe ich einfach das komplette WE durchgesoffen. Nach dem aufstehen direkt eine Kanne. Oder einen Vodka-Mix, vollkommen egal!

Meine Räusche endeten immer gleich, schon immer seit meinen ersten Alkoholrausch: voll bis zum abwinken bzw. bis zur Besinnungslosigkeit. Die meisten würden das einen Totalabsturz nennen. Für mich ist das normal, habe es auch nie anders gelernt. Es kann dann schonmal vorkommen das ich einfach mitten im Wohnzimmer auf dem Boden oder im Bad schlafe, weil ich kurz vorher noch einmal kotzen muss. Aber kotzen hat mich noch nie vom Alkohol abgehalten. Sobald da was rauskommt ist wieder Platz für neues!

Ich habe zu der Zeit auch viele andere Drogen probiert aber Alkohol war immer mein "One and Only". Allzeit bereit, Gesellschaftlich vertretbar, läuft. Alles kein Problem. 2008 habe ich meine Ausbildung zum IT-Kaufmann begonnen. Habe seitdem auch nicht mehr gekifft oder andere Drogen genommen. Vielleicht 3-4x mal im Jahr. Gesoffen aber wie ein Loch. Selbst dort, trotz der Arbeit und meines enorm gestiegenen Selbstwertgefühls/Selbstvertrauens, meiner neuen Lebensqualität und meiner Freundin die ich dort kennen lernte, habe ich ab und zu unter der Woche getrunken, natürlich bis zum bitteren Ende. Ich bin mehrmals nicht auf der Arbeit erschienen. Da ich 800m Luftlinie von meiner Ausbildung gewohnt hatte, kam mal jemand vorbei um nachzusehen. Das war an einem Montag. Ich hatte da ab Freitag durchgesoffen. Dementsprechend sah ich aus und meine Ausrede das ich mir einen richtig üblen Virus eingefangen hatte, hatte wohl gefruchtet.

Nachdem ich dann mit meiner Freundin zusammen kam hat sich das etwas verändert. Anfangs. Aber bereits nach einem Jahr hatte ich hin und wieder meinen Sauf-Wahn. Auch wenn sie dabei war. Sie hat nichts dazu gesagt. Sie hat es hingenommen, Liebe macht Blind. Kennt ihr doch. In der gesamten Zeit blieb dann mein Alkoholkonsum konstant hoch. Auch nachdem ich die Ausbildung erfolgreich beendet und in einem anderen Unternehmen angefangen habe. Nachdem meine Freundin öfters meinen hohen Alkoholkonsum bemängelt hat, habe ich diesen etwas reduziert, kurzzeitig. Ich war nicht Freitag UND Samstag Abend stockbesoffen sondern nur einen Tag davon. Immerhin.

Zum Ende hin, angekommen im Jahre 2012, mittlerweile 26 Jahr alt, war es so das ich mit meiner Beziehung nicht mehr 100% glücklich war und meine Freundin auch nicht. Ich habe meiner Freundin am Wochenende immer öfter abgesagt. Ich wollte lieber trinken und zwar richtig viel und auch lieber allein sein. Das habe ich in der Vergangenheit schon gerne gemacht und mache ich heute noch gerne. Was für andere Unvorstellbar ist und sie total langweilig finden macht mir absoluten Spaß. Alleine bis zur absoluten Besinnungslosigkeit trinken, zwischendurch zocken, hier und da ein Kommentar in irgendeinen Forum schreiben und zum Schluss viel Musik hören und "Filme schieben".



Ich bin nun wieder frisch Single, meine Freundin hat sich von mir getrennt. Der Alkohol hat da auch eine Rolle gespielt. Während meiner Beziehung war ich nie mehr in einer Disko und auch auf keinen richtigen Parties mehr, das hole ich zur Zeit minimal nach.
Was bleibt mir schlussendlich noch zu sagen. Ich habe mir ein paar Ziele gesteckt. Diese möchte ich auch erreichen. Ich mache einen Neuanfang. Ich werde aber nicht auf Alkohol verzichten aber stark reduzieren. Ich muss auch lernen einfach mal nach 2 Bier zu sagen: so bis hier hin und nicht weiter oder wenn man unter der Woche weg geht erst gar kein Bier zu bestellen. Ich kann mich nicht mein restliches Leben jedes mal komplett voll laufen lassen. Auch Gesundheitlich macht sich das mittlerweile bemerkbar. Ich habe sehr viel zugenommen, bin absolut unfit und habe öfters Herz-Rhythmus Störungen nach einem Saufgelage.

Ich habe Urlaub und seit Freitag durchgetrunken, heute ist Dienstag und ich habe nichts getrunken. Ich habe aber ein unglaublich schlechtes Gewissen. So wie immer nach so einem Sauf-Wahn. Das ist wirklich schlimm. Da würde ich am liebsten jetzt wieder trinken und in "eine andere Welt abtauchen" um das zu verdrängen. Ich will das auch gar nicht mehr. Die letzten Wochen haben mir auch gezeigt das es ohne viel besser ist und ich viel mehr davon habe wieder Sport zu treiben und was zu unternehmen, statt schon um 12 Uhr Mittags betrunken sein.

Ich bin relativ zuversichtlich für die Zukunft. Es wird nicht einfach, aber ich sollte erwachsen werden. Es gibt keine Gründe mehr mich so zu Verhalten. Ich bin erwachsen, ich stehe mit beiden Beinen im Leben. Ich habe das einfach nicht mehr nötig.