Langzeit-Berichte lesen
Übersicht:
Titel: | Der künstliche Weg nach oben geht nach unten |
Droge: | Opium |
Autor: | Yokat |
Datum: | 06.12.2022 20:21 |
Nützlichkeit: | 9,18 von 10 möglichen (160 Stimmen abgegeben) |
Bericht::
1. Einleitung
1.1. Vorwort
In einem Langzeitbericht kann offenbar nur eine Droge genannt werden... Der Vollständigkeit halber sollte ich aber erwähnen, dass es eigentlich immer mal weniger oder mehr war als 'nur' Opium - wobei auch das eigentlich nicht richtig ist, da ich hier primär über meine Langzeiterfahrung mit der Mohnpflanze schreibe, die bekanntermaßen aus mehr als nur Opium besteht. Aber ich greife hier schon zu weit voraus... Wo beginnen?
1.2. Vorgeschichte
Ich war nie ein besonders guter Schüler. Neugierig wie ein kleiner Schimpanse allemal, aber konzentriert und zielstrebing? Eher nein. Gegen Ende meiner Grundschulzeit wurde dann auch ADHS bei mir diagnostiziert und aus irgendeinem Grund wollten meine Eltern mich nicht mit Medikamenten (ein besserer Begriff als 'Drogen') behandeln lassen - was, im Rückblick, auch eine gute Sache war. Schließlich half mir das, mich 'geistig zu entwickeln'.
Mit etwas Glück erhielt ich meine Hauptschulempfehlung (statt zu Wiederholen) und kam auf eine wirklich miese Realschule. Hier musste ich mich nicht mal anstregend oder lernen, um weiter zu kommen. Meinen Abschluss dort machte ich auch recht überdurchschnittlich und wollte endlich fertig mit der Schule sein. Ich wollte eine Ausbildung machen und endlich Geld verdienen. Nach zahllosen Bewerbungen dann fand ich eine schulische Ausbildung (IT), die einem noch ein allgemeines Fachabi schenkte zum Abschluss. Diese Ausbildung machte ich mit tierisch schlechten Noten und verlor auch noch das letzte bisschen Interesse an der IT und noch mehr an der Schule. Anschließend folgte mein Wehrdienst, wo ich mich ziemlich quer stellte. Ich machte einen auf Depri, laberte was von Selbstmord und wurde dann endlich rausgeschmissen - in die Arbeitslosigkeit. Ich wusste nicht, was ich mit meinem Leben anfangen sollte. Zu dieser Zeit trennte sich auch meine Freundin von mir, was mich ziemlich mitnahm.
Wenn ich nicht bald etwas fand, wäre es mit mir vorbei. Das wars zumindest, was ich damals fühlte. Also erinnerte ich mich zurück und das einzige, was ich mein Leben lang gemacht habe, war Schule. Ich hatte schließlich auch mein Fachabi, also bewarb ich mich für verschiedene Studiengänge - und dank der schlechten Noten musste ich mich praktisch auch überall einklagen...
2. Wegbeschreibung
2.1. Der Einstieg
Irgendwie habe ich all mein Ehrgeiz zusammengekratzt und um meinen Studienplatz gekämpft und gewonnen. Ich begann also mein BWL-Studium verspätet und fühlte mich... irgendwie glücklich. Ja, es fühlte sich super an, wieder einen Lebensinhalt zu haben. Es ging sogar so weit, dass ich richtig gut wurde und sogar Tutor für einen Kurs wurde... Da ich immer noch mit meiner Konzentration kämpfen musste, besorge ich mir Modafinil, welches leichter zu besorgen war als Ritalin - wobei ich das auch zu irgendeinem Zeitpunkt mal nahm, aber nicht besonders begeistert war.
Das Zeug half super! Ich glaube nicht, dass ich mich je klarer gefühlt habe, als mit diesen Wunderpillen.
Meine Haus- und Semesterarbeiten waren auch so gut, dass zwei davon veröffentlicht wurden. Natürlich wurde ich gebeten 'mehr' zu schreiben, aber irgendwie fehlte mir die Motivation. So kam ich dann zu Kratom, nachdem ich hörte, dass es praktisch nicht abhängig macht und einen stark 'aktiviert' - was auch zu stimmen schien! Meine Schwelle für den Einstieg war auch deshalb nicht so hoch, da ich ohnehin relativ viele Schmerzmittel nehmen musste, da ich Migräniker bin. Somit erschien mir alles Willkommen, das auch Schmerzen vertreibt...
Nachteil bei Kratom war, dass am nächsten Tag die Toleranz praktisch bei 90% lag. Nun konnte ich zwar dank Modafinil durcharbeiten, hatte aber nur selten Lust dazu. Letzterer Umstand war besonders während meiner Abschlussarbeit problematisch. Die nächste Stufe musste also her.
2.2. Die Spitze
Was folgte war Tramadol. Und whow, konnte ich damit durcharbeiten. Wenn ich auf Tramadol war, konnte ich der Farbe beim Trocknen zusehen und war immens unterhalten. Egal was ich machte, es geschah alles mit elan. Und so konzentrierte ich alles auf die Akademie... Ein Abschluss von 1,4 war Zeugnis dieses Braindopings und ich wollte unbedingt weitermachen. Ich entschied mich für ein Master-Studium und hier begann auch allmählich das Tramadol nachzulassen, bzw. in meiner gewohnten Dosierung nicht mehr und vor allem nicht mehr lang zu wirken. Kurz vor Abschluss meines Masters heiratete ich meine Freundin und bis heute weiß sie nichts von meinem 'Doppelleben'.
Ich nutzte diese Drogen wirklich nur an Tagen, wo ich ziemlich gefordert war. Zu Paper-Deadlines, Klausurvorbereitung, etc. Natürlich bin ich nicht blöd und weiß, dass das alles ziemlich schnell abhängig machen kann und keine Dauerlösung ist... Mein Leben bestand also aus Phasen starken Konsums und Wiederausschleichens mit Kratom. Es kam jedoch wie es kommen musste und irgendwann wurden auch die Ausschleichphasen immer kürzer... bis sie gänzlich verschwanden. Um wenigstens gegen 3 Uhr morgens einschlafen zu können, habe ich meist noch einen Johnny geraucht, während meine Frau schon schlief.
2.3. Die Klippe
Hier kam ich dann in Kontakt mit der Mohnpflanze (P.Somniferum), die ich mir getrocknet aus dem Internet bestellte. Auch hier alles "verantwortungsvoll" angelehnt an die Belastungsphasen. Eine kleine Tasse Tee und 300mg Modafinil waren meist genug, um mich den ganzen Tag am Durcharbeiten zu halten. Ich vergaß sogar oft zu essen, weil Appetit praktisch nicht mehr vorhanden war. Erst wenn mir schwindlig wurde, zwang ich mich zum Essen.
Ein kleiner Umstand machte das Konzept des verantwortungsvollen Konsums etwas schwieriger durchzuziehen... Mein Prof wurde aufmerksam auf mich und bot mir an, im Anschluss an meinen nahenden Abschluss, an seinem Lehrstuhl als Wissenschaftlicher Mitarbeiter zu promovieren. Natürlich sagte ich nicht nein... Schließlich liebte ich das Akademikerleben oder glaubte das zumindest... Ich war mittlerweile auch freiberuflicher Dozent an verschiedenen Hochschulen in ganz Deutschland. Schon komisch, wenn ich daran denke, dass die meisten meiner Kommilitonen im Kino arbeiteten, ein Werkspraktikum machten oder einfach vom BaFöG lebten...
Mein Modafinil und mein P.Somniferum-Pulver waren natürlich immer bei mir - und seit kurzem auch Fluoxetin (SSRI). Gelegentlich musste ich auch zwei Tage durchgehend von 8-19 Uhr Vorlesung geben, damit die entprechende Uni mir nicht jede Woche Anfahrten und Übernachtungen zahlen musste. So begann ich auch mein Zeug öfter am Tag zu schlucken. Tee reichte hier auch schon nicht mehr, sodass ich ca. 7-8 Teelöffel Pulver in ein Glas Saft einrühren musste, um es dann zu trinken - gelegentlich dann auch zwei mal am Tag. Da mein Mund ziemtlich trocken wurde, musste ich während der Vorträge auch viel trinken und hatte praktisch immer fiese Halsschmerzen im Anschluss.
3. Zusammenfassung und Fazit
Neben meiner Arbeit am Lehrstuhl arbeite ich (wie es üblich ist für diese Position) parallel an meiner Forschung, fahre auf Konferenzen, reise durch Deutschland, um Vorlesungen zu geben und ziehe (pendle) demnächst auch in eine andere Stadt, um die halbe Woche dort an der Uni zu arbeiten und die andere Hälfte bei meiner Frau in der Heimat zu sein.
Wenn ich nicht auf meiner Brain-Kombo bin, habe ich starke Depressionen. Ich träume von meinem Selbstmord, sehr häufig auch von Zombie-Apokalypsen (?). Gelegentlich wache ich schreiend auf, aber komischerweise nie, wenn es um Alpträume geht. Meiner Frau erzähle ich immer, dass das irgendwas mit meinem Migränehirn zu tun hat.
Freunde habe ich praktisch keine mehr, weil ich jeden so ziemlich aus meinem Leben herausignoriert habe. Zudem bin ich ja auch immer beschäftigt, sodass das kaum auffällt.
Ich hasse mich praktisch selbst und weiß, dass andere auch keine hohe Meinung von mir haben und ich sie ständig enttäusche. Ich wache auf und schlafe ein mit den Worten "brennende Seele" in meinen Ohren. Schlafprobleme habe ich nur selten. Tatsächlich bin ich den ganzen Tag über extrem müde, sodass ich schon um 22 Uhr einschlafe und i.d.R. gegen 11 Uhr aufwache, wenn ich denn so lange schlafen 'darf' unter der Woche. Gelegentlich aber, bin ich auch schon um 3-4 Uhr hellwach und kann dann nicht mehr einschlafen.
Alles ein weiterer Beweis dafür, dass Drogen oft ein Symptom und nicht die Krankheit sind... Ich hoffe nach dem Doktor mein Leben in den Griff zu kriegen. Hmm... Schon komisch, so einen Satz zu lesen, wette ich...
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Update 11.12.2012 Aus der 'Anonymität'
Auch aufgrund der zwar geringen, aber netten Beiträge in der Diskussion habe ich mich entschlossen einen 'kleinen' Entzug durchzuziehen. Ich wechsle zu Januar die Uni, an der ich forschen und lehren werde und nutze diesen Monat gewissermaßen als Übergang. Wenn ich eine Eigenschaft habe mit der ich angeben kann, dann ist es Disziplin. Bis heute konnte ich immerhin stets meine (Entzugs-)Pläne durchziehen und nahm eigentlich auch nie etwas nur 'aus Spaß'. Das "Nodden" und "Chillen", wie ich es hier immer wieder lese, habe ich also nie wirklich gehabt. Selbstverständlich gibt mir mein Opium auch ein sehr angenehmes Körpergefühl. Aber da ich es eben nie als reines Entspannungsmittelchen genommen habe (lang lebe MJ), ist es vielleicht auch ein Stück weit leichter.
Der Plan: Im wesentlichen das berühmte Thomas-Recipe (Google), allerdings mit einigen Abwandlungen in Kombination mit einer Reduktion. 1-2 Mal bin ich bereits ganz gut damit gefahren und kann, erfahrungsbedingt, das Ganze etwas modifizieren. Als alter Wissenschaftler werde ich auch fleißig Daten dazu im Selbsttest sammeln und berichten - an alle Interessierten.
Cold Turkey kann ich mir, auch angesichts der teilweise gewonnenen Freizeit, nicht leisten, da ich ja noch die ein oder anderen regelmäßigen Lehraufträge durchziehen muss und mich darüber hinaus auf den Umzug konzentrieren darf. Da ich dann demnächst regelmäßig pendeln werde, habe ich so immerhin 3-4 Tage allein (ohne Frau), wo ich zumindest nach der Arbeit etwas vor mich hin leiden kann. Das Ziel ist es weiterhin nach ca. zwei Jahren ganz ab zu setzen.
Update 02.02.2013 Auf dem besten Weg?
Schon seit gut einem Monat haben der Durchfall und seit Kurzem auch der Schnupfen aufgehört. Meine Modifizierte Rezeptur scheint zu wirken und mein treuer Begleiter ist immer Kratom. Allerdings ist er mir zu treu geworden. Drei Tassen (mit je 1,5 Teelöffel) am Tag sind nun der Regelfall, was zumindest dem Post-Withdrawal-Syndrom (PWS) entgegenwirkt - also der entzugsbedingten Depri. Am Arbeitsplatz fällt es ohnehin nicht auf und bisher wurde ich auch noch nicht nach dem Gebräu gefragt. Sollte das aber mal jemand tun, komme ich sicher mit "Grüner Tee aus Thailand" gut davon.
Anyway, neuer Stressschub steht vor der Tür und ich habe mir wieder zwei Kilo Mohnkapseln bestellt. Ich denke mir einfach, je schneller ich mit allem fertig bin, desto schneller kann ich mit allem abschließen - Opium etwa. Auch wenn das ironischerweise bedeutet, erst mal wieder damit anzufangen.
Update 12.04.2013 Doping-Pause
Die Mohnkapseln hatten mich kurze Zeit später erreicht, woraufhin ich gleich alles zu Pulver zermahlen und in zwei Behälter aufgeteilt habe. Einen für die Heimat, den anderen für die Stadt in der ich arbeite. Als übliche Dosierung nahm ich fünf großzügige Teelöffel täglich. Und ich kann es einfach nicht stark genug betonen: Niemals, wirklich NIEMALS, sollte man noch am selben Tag nachlegen! Denn wer das tut (also z.B. morgens eine Portion und dann nochmal am Nachmittag/Abend), der wird ein riesiges Problem bekommen mit der Abhängigkeit.
Versteht mich nicht falsch; das Problem selbst habe ich schon. Nur habe ich festgestellt, dass mich den ganzen Tag keine Entzugserscheinungen plagen auf diese Weise. Wenn ich mich zurückerinnere, an die ersten Phasen, denke ich daran, wie oft ich nachlegen musste, damit ich halbwegs 'normal' bin. Mit einer einzigen Portion pro Tag habe ich zumindest den halben Tag lang einen guten Schub und den Rest des Tages zumindest keine Probleme...
Wie dem auch sei, ist nun, zwei Monate später, mein Vorrat fast aufgebraucht. Die kommenden Tage werde ich stärker zu Kratom umsteigen, um wieder einen kleinen, alltagsfreundlichen, Entzug zu machen. Auch wenn gerade der Anfang schwer ist, freue ich mich etwas Zeit mit meiner Frau verbringen und ausschlafen zu können, solange ich daheim bin.
Update 18.04.2013 Startfazit zu einem weiteren Zwischenentzug
Wie man sieht, nehme ich Updates jeden (2.) Monat vor, aber an dieser Stelle bietet es sich doch schon an, von den ersten Tagen eines weiteren Mini-Entzugs zu berichten.
Bis heute habe ich die letzten Reste aufgebraucht, indem ich täglich nurnoch ein Drittel meiner ohnehin schon reduzierten Ration benutzt habe (~2 Teelöffel). Erstaunlicherweise hat das auch für den Tag auch immer gereicht, um keine Entzugserscheinungen zu entwickeln. Eine Tasse Kratom gegen Mittag ist da sicher auch ganz förderlich. Natürlich konnte ich eine gewisse Antriebslosigkeit spüren und auch mein Magen-Darm-Trakt meldete sich öfter als mir lieb ist. Immerhin gab es keine Grippeerscheinungen.
Was mich allerdings absolut nervt sind die Schlafprobleme. Wie schon im letzten Update angekündigt habe ich mir fest vorgenommen niemals nachzulegen. Und wenn ich mal schwach werden sollte, dann in einer solchen Nacht...
Da ich oft einen 12-Stunden Tag habe, falle ich meist ins Bett sobald ich Daheim bin. Da ich aber endlich auch wieder mit Sport angefangen habe (Boxen und etwas Fitness), wird es oftmals doch recht spät. Übrigens kann ich Sport während eines Entzugs oder einer Reduktion auch nur empfehlen!
Gegen Mitternacht entwickeln meine Beine dann ein Eigenleben und versuchen regelrecht in die Heimat zurück zu laufen. Ein Feuer das nicht brennt und trotzdem schmerzt. Gegen 01 oder 02 Uhr beginnen dann auch die Schweißausbrüche, wobei mir zugleich heiß und kalt ist. Ab 04/05 Uhr, wenn ich dann mit einer schleimigen Nase 'aufwache' (sie läuft nicht, sie rennt!) darf ich meist gleich noch einmal unter die Dusche, bevor ich wieder meine zwei Teelöffel "Befreiung" einnehmen darf. Morgen vermutlich zum letzten Mal...
Fazit: Ich muss eine kleine Modifikation vornehmen. Ich bleibe dabei, dass ich nichts nachlege (zumal ohnehin kaum was mehr da ist), aber vielleicht verlege ich die Tasse Kratom auf den Abend auf Kosten der Produktivität. Und meine Startration ersetze ich vielleicht auch durch Kratom. Ich werde es mal ausprobieren und berichte dann wieder.
Update 23.06.2013 Verzweifelt
Derzeit ist viel zu viel in meinem Leben los. Die ständigen Reisen und die Arbeit an der Uni sind das eine, aber all meine Nebentätigkeiten haben dafür gesorgt, dass ich praktisch keine Ruhe finde. Mittlerweile leiste ich auch viel weniger, als ich sonst immer konnte und beim Sport war ich auch schon lange nicht mehr. Die beste Endorphinquelle.
Ein paar Tage bin ich nun Daheim geblieben, um von der Heimat aus zu arbeiten. Zähneknirschend wurde es akzeptiert und ich musste halt mal vertreten werden in einer Vorlesung. Natürlich musste ich versprechen einige Ergebnisse zu liefern - und ich habe nicht einen kleinen Finger gerührt... Wie kann ich das Chef erklären. Ich kann ihm ja nicht sagen, dass das alles am PAWS (Post-Withdrawal-Syndrome) liegt. Ich habe nämlich beschlossen endlich aufzuhören. Es ist viel zu teuer (viel Glück solche Ausgaben der Frau zu erklären), viel zu unsicher (ist halt kein Amazon mit Dauerbestand) und, naja, es wirkt eben nicht mehr.
Nicht unwichtig ist zudem... dass ich nun Vater werde.
Oh Mann... Wie habe ich mich gefreut. Und wie bin ich gleichzeitig innerlich gestorben. Noch mehr Verantwortung und noch weniger Zeit.
Im Internet lese ich, dass PAWS gut zwei Jahre anhält. Das kann ich mir nicht leisten. Ich bin auf meine Motivation angewiesen. Und ein Kind? Drogen kann ich mir dann noch weniger leisten. Ich war schon immens erleichtert zu erfahren, dass Opiate keinen schädigenden Einfluss auf den Samen haben sollen.
Und dennoch bin ich verzweifelt. Jetzt muss ich aufhören. Mir zu Liebe, meiner werdenden Familie zu liebe, meiner Karriere willen. Nur befürchte ich, dass ich auf dem Weg zerbrechen werde...
Update 29.07.2013 Substitution und Ausschleichen
Ich habe bewusst darauf verzichtet, nach neuen Quellen für Mohnkapseln zu suchen. Stattdessen hatte ich knapp zwei Woche Urlaub eingereicht und mir 250g Kratom besorgt als Substitut zum Ausschleichen. Tatsächlich fing ich an mit drei Löffeln morgens und 2-3 Löffeln am späten Nachmittag. Mittlerweile bin ich auf einen gehäuften Löffel morgens und abends runter. Versteht es jedoch nicht falsch... Einen 'Boost' o.ä. gibt es damit bei mir nicht. Offengesagt reicht es kaum, um irgendeine Arbeit anzufangen, was im Urlaub kaum ein Problem war (bis auf das Genörgel "Tu endlich was für die Diss!"), aber nun beginnt langsam wieder der 'Alltag'. Zudem geht mir das Kratom aus... Schätze, ich muss mir neues bestellen.
Froh bin ich immerhin schon mal, dass ich seit fast einem Monat keine Opiate mehr zu mir nahm. Mein nächstes Ziel ist es, die Kratomeinnahme auf einmal am Tag zu reduzieren. Aber egal wie viel ich nehme (besonders bei so geringen Dosen), gegen den späten Nachmittag hin, kommt ein tiefes down... eben PAWS.
Update 22.03.2014 Gefährdetes Equilibrium
Es ist viel Zeit vergangen, seit ich ein neues Update verfasst habe. Offengesagt hielt ich es eine Zeit lang für sinnlos, allerdings haben mich die guten Bewertungen und Forenkommentare motiviert weiter zu machen… Wenn nicht schon für mich, dann für andere.
Mit meinem letzten Plan habe ich praktisch nie gebrochen. Tatsächlich war ich lange Zeit von den Mohnkapseln runter, allerdings musste ich wieder anfangen, als auch wieder der Druck zunahm – Dennoch im Maßen. Seit gut einem halben Jahr sieht meine Leistungs-‚Diät‘ so aus, dass ich morgens drei Teelöffel Mohnkapselpulver verrührt in Grapefruitsaft trinke und am späten Nachmittag / frühen Abend mit zwei Teelöffeln Kratom nachlege, um dem Leistungstief und den abendlichen Depris entgegenzuwirken. Ich habe es wahrscheinlich schon zwölfmal gesagt, aber: Opiate niemals nachlegen am selben Tag! Den Fehler mache ich nie wieder.
Soweit läuft das ganz gut. Ich bleibe diszipliniert und nehme alles zu festen Uhrzeiten ein. Kein Löffel mehr oder weniger, keine Minute früher oder später. Und so super dieses Gleichgewicht ist, löst es nicht ein einfaches, aber fatales Problem…: Reisen.
Der Erfolg bringt es leider (?) mit sich, dass ich viel reisen muss. Nun ist das innerhalb Deutschlands – ja sogar der EU – kaum ein Problem. Allerdings gehe ich demnächst nach Übersee, um meine Forschung einem internationalen Publikum vorzustellen; und das für fast zwei Wochen gemeinsam mit zwei anderen Forschern (und ich teile mir dort ein Zimmer mit einem). Das macht mir schon etwas Panik. Zum einen wegen der Entzugserscheinungen selbst und zum anderen die Erscheinung, die ich an den Tag legen werde, da ich mir sicher bin, dass man mir ansieht, dass etwas nicht stimmt... ganz zu schweigen von meinen eigenen Vorträgen.
Ich habe bereits im Forum gepostet, dass ich für jeden Tipp dankbar wäre, wie ich dem Entzug entgehen kann. Bis dahin ganz aufhören ist unrealistisch und ‚Stoff‘ mitnehmen praktisch Selbstmord.
Update 19.08.2014 Reise geschafft
Lang ist's her. Die Reise ist geschafft und ich hatte Glück im Unglück… mehr als ich es verdiene – oder verdiene ich es gerade deswegen?
Knapp zwei Monate vor meiner Abreise musste ich plötzlich eines Nachts ins Krankenhaus für eine OP, wo ich zwei Wochen blieb und dann in die ambulante Behandlung entlassen wurde. Mit etwas Drängeln konnte ich dann kurz vor der Reise ein Tramadolrezept und ein Schreiben für die Sicherheitsleute aus dem behandelnden Arzt herauskitzeln. Zur Krankenhauszeit habe ich es tatsächlich auch gebraucht, aber für die Reise war klar: Ich will einen legitimen Grund etwas mitzunehmen. Und den habe ich auch gebraucht, denn mein Krempel wurde durchsucht und meine Pillen in Frage gestellt, was ja Dank ärztlicher Erklärung kein Problem war.
Die Reise hat mir jedoch gezeigt, dass ich mittlerweile auf eine ‚nur‘ psychische Abhängigkeit runter bin. Denn: Ich konsumiere nur noch ca. 150mg Tramadol (entretardiert) täglich, was ja schon therapeutische Dosen sind und nicht zum Missbrauch taugt. Aber es bleibt dabei, dass ich es nicht lassen kann. Und mein Kratom brauch ich auch… und bald beginnt wieder eine sehr stressige Phase.
Update 17.07.2017 Ein fast-letztes Update
Die letzten Einträge habe ich damit begonnen, wie lange es jeweils her war. Aber eine derart lange Pause zwischen den Updates wie dieses Mal, hatte ich wohl noch nie. Aber es soll zum einen zeigen, dass es mich noch gibt und zum anderen … dass ich noch immer kämpfe. Allerdings ist ein Ende in Sicht (oder ich bilde es mir zumindest ein).
Der Titel steht bevor. Ende des Jahres soll es soweit sein, wenn nichts mehr schiefläuft und ich bin froh aus mehreren Gründen. Der erste Grund ist der offensichtliche: Der Doktortitel. Der zweite ist der geplante Ausstieg, auf den ich mich hier genauer beziehen möchte. Aktuell nehme ich zwei bis drei Dosierungen (ca. zwei TL) Kratom jeden Tag. Eine morgens und eine am späten Nachmittag. Zwischendurch kann mal nachgelegt werden und gleichzeitig kann ich mittags nur schwer auf 200mg Tramadol verzichten.
Die Drogen sind längst keine Hilfe mehr, sondern eine schwere Belastung – für mich, meine Familie (die noch immer nichts weiß) und meine Arbeit. Sie helfen einfach nicht mehr, um Leistung zu erbringen. Und ich bin einfach nicht der Typ der stetig die Dosis erhöht, um denselben Effekt zu erhalten (zumal das zumindest bei Kratom auch nicht funktioniert). Während ich früher ein schlechtes Gewissen hatte ala „verdiene ich den Titel überhaupt, wenn ich ihn mir essenziell erschummelt habe?“ muss ich mich heute fragen „kann ich es mit diesen permanenten Entzugserscheinungen überhaupt schaffen?“. Verfluchte ausgleichende Gerechtigkeit. Die Motivation ist längst im Keller. Aus dem Grund war ich vor knapp zwei Jahren auch beim Arzt, um meinen ‚Drive‘ wieder zu bekommen. Dieser weiß allerdings von nichts. Er war eher daran interessiert, Medikamente zu verschreiben, als wirklich zu reden. Ich bekam übrigens „Escitalopram“ für jene, die es interessiert. Nach einem Jahr habe ich es selbst abgesetzt und vom Arzt hörte ich auch nichts mehr.
Ich bin mittlerweile erneut Vater geworden und ich habe mir versprochen, alles meiner Frau zu erzählen, wenn ich am Ziel bin. Anschließend (so ist zumindest der Plan), bringe ich die Familie ein paar Wochen zu ihrer Familie in die Heimat (andere Stadt), um einen fiesen, kalten Entzug auf Arbeitslosengeld zu machen. Ob ich den Titel erhalte oder nicht - der Vertrag läuft ab.
In der Zeit meines Entzugs werde ich mich sicher erneut hier melden. Vielleicht finden sich dann auch ein-zwei Leute im Chat oder Forum, die mir helfen bei den Sinnen zu bleiben.
Aber bis dahin gibt es noch die Arbeit zu schaffen und Deadlines einzuhalten…
Update 06.12.2022 Nicht aufgeben
Fünfeinhalb Jahre sind es nun seit dem letzten Update. Fünfeinhalb Jahre in denen sich so viel und doch so wenig geändert hat. Ich habe mittlerweile alle meine Ziele erreicht. Mit dem Titel hat es dann doch noch fast zwei Jahre länger gedauert; aber geschafft ist geschafft. Ich wünschte nur, ich könnte dasselbe auch von den Drogen sagen...
Das Tramadol loszuwerden war die reinste Qual. Nicht nur ging es mir tagsüber richtig schlecht (müde, laufende Nase, Lustlosigkeit, Kopfschmerzen, Depressionen), eines der nervigsten Entzugserscheinungen waren die zappelnden Beine in der Nacht. Aber durch anfängliches Ausschleichen mit recht schnellem Absetzen, habe ich es irgendwann geschafft. Das habe ich allerdings dem Kratom zu verdanken.
Ich war zwischendurch wieder in Therapie wegen Depressionen und hatte erneut Antidepressiva verschrieben bekommen, die ich nach drei Jahren wieder abgesetzt habe. Ich vertrage es einfach nicht. Insgesamt war ich auch sehr unzufrieden mit der Therapeutin. Ich habe versucht auf meine Suchtprobleme hinzuweisen, allerdings hat sie mir regelrecht gedroht die Therapie abzubrechen und mich lieber einzuweisen, wenn ich "das nicht unter Kontrolle bekomme". Entsprechend war nach nicht mal einem Jahr Schluss.
Damit bin ich nur noch beim Kratom - das allerdings in Massen. Mein täglicher Konsum beläuft sich auf ca. acht bis zwölf Tassen (je 1 Teelöffel) pro Tag. Ein Überbleibsel meines Tramadol-Entzugs. Damit bin ich fast permanent am Tee trinken und meinem Magen gefällt es überhaupt nicht. Gleichzeitig bemerke ich den Entzug schon nach zwei Stunden. I.d.R. habe ich auch immer eine Thermoskanne mit dem Zeug dabei wenn ich unterwegs bin, um sicher zu gehen. Allerdings zeigt sich ein neues Problem: Ich bin in ein paar Wochen auf einer zweiwöchigen Forschungsreise in einem Land, wo das Zeug höchst illegal ist und ich werde nicht das Risiko eingehen etwas zu schmuggeln, wie ich es bisher für andere Länder gemacht hatte. Zumal das in der benötigten Menge ohnehin praktisch nicht möglich ist.
Es reicht mir. Ich habe keine Lust mehr.
Vor einer Woche habe ich mich erkältet und das als idealen Vorwand für einen 'heimlichen' Entzug genommen (die Symptome gehen ja einher). Nach der Krankmeldung habe ich mir erst mal den Plan gemacht von meinen 8-12 Tassen runter auf drei zu kommen. Angefangen habe ich damit, morgens nach dem Kaffee erst mal keinen Tee zu machen. Ausgehalten habe ich es eine Stunde lang. Nach dieser Tasse habe ich es dann drei Stunden geschafft. Das ging so weiter, bis ich am Ende des Tages sechs Tassen intus hatte. Nicht ganz das Ziel, aber immerhin.
Die nächsten Tage habe ich den Konsum sukzessive auf 4-5, die letzten beiden Tage auf 3/4 Tassen reduziert. Da sich der Entzug irgendwie 'anstaut' (es wird langsam immer schlimmer), kommt nun auch Durchfall hinzu und ich kann nicht mehr durchschlafen. Auch das Melatonin aus den USA hilft nicht. Müde bin ich dann allemal, aber das Zappeln will nicht aufhören. Wenn das so weitergeht, muss ich demnächst vor dem Schlafengehen wieder ein paar mg Tramadol zu mir nehmen. Mir graut es schon...
Wäre ich bei all dem allein - ich weiß nicht, ob es besser oder schlechter wäre. Meine Familie ist schon eine Ablenkung, allerdings bin ich super-grantig ihnen gegenüber aufgrund meiner ruinierten Stimmung. Krank bin ich mittlerweile auch nicht mehr, was es schwierig macht Ausreden zu geben.
Übermorgen geht es weiter mit der Arbeit. Ich habe vor, zum ersten Mal ohne Kratom den Arbeitstag zu überstehen. Ich werde mir morgens einen Becher schnappen und Abends. Aber nicht vor Ort. Ich weiß nicht, wie ich das überstehen werde. Vielleicht berichte ich sogar noch in diesem Leben.