Langzeit-Berichte lesen

Übersicht:

Titel:Mein Leben unter Opiaten
Droge:Heroin
Autor:TheOverland
Datum:04.01.2013 04:58
Nützlichkeit:7,33 von 10 möglichen   (39 Stimmen abgegeben)

Bericht::

Zuerst möchte ich hier betonen, dass es um den Wirkstoff Buphrenorphin geht, besser bekannt als Subutex, der aber in der Wirkung Heroin in kaum etwas nachsteht.



H an sich habe ich nie genommen. Generell habe ich nie irgendetwas intravenös konsumiert, nicht mal mit dem Gedanken gespielt. Zuviel Respekt und Unbehagen bei der Vorstellung..Aber das ist eine andere Baustelle.



Ich war , die Pausen abgerechnet, ca. 2 Jahre auf Subutex. Erst illegal besorgt, dann wurde ich die letzten 8 Monate substituiert.

Wie kam es dazu..ich hatte bereits erste Erfahrungen mit Tramaldol und Gelonida. Und war neugierig, da Subutex ja soviel stärker ist.



Der Plan (Planung im Zusammenhang mit Opiaten-ein Widerspruch an sich; wie ich später durchleben musste) war Anfangs "mal ausprobieren..wenn es mir

gefällt halt ab und an mal. Da ich zu dieser Phase mit den ganzen Partydrogen aufhören aber irgendwas anderes als Ausgleich zum teils grauen Alltag haben wollte....das kennen wohl viele.



Die ersten Male waren phantastisch; bis auf die Übelkeit, die aber recht schnell verschwand. Ich fühlte eine tiefe Entspanntheit und Glücksseeligkeit, gepaart mit einem Körpergefühl, das vor allem im Liegen mit geschlossenen Augen einfach nur absolut genial war, diese Mischung aus Tiefenentspanntheit, dieses Gefühl wenn man aus der heißen Badewanne kommt und sich ins Bett legt. Noch anregener war, im Halbschlaf dazulegen, ohne Fernseher oder Musik, und ich fiel von einem Tagtraum in den nächsten, erlebte etwas lustiges, lag in meinem Bett und kicherte von Zeit zu Zeit. Das was in meinen Augen alles dominierte, war die innere Ruhe, sehr positiv. Gleichzeitig war ich motiviert, meine Wohnung später auf Hochglanz zu bringen, schlief die ganze Nacht nicht sondern erst die darauf.



Eine ganze Zeit blieb ich auf der selben Menge, ca. 1-2 mg pro Abend, das ganze alle 3-4 Tage, was mich fälschlicher Weise glauben ließ, ich wäre ja nicht abhängig, durch die "sauberen" Tage zwischendurch. Obwohl ich wusste, dass der Sch.. bis zu 4 Tage nachwirkt. Dieser Zeitraum hielt ca. ein Jahr an.



Irgendwann wurde der Konsum öfters, ich hatte aber immernoch die wunderschönen Trips.

Bis es durch tägliche Einname so zur Gewohnheit wurde, dass ich nach 3 Monaten Dauerkonsum keinen wirklichen Kick mehr verspürte(Das ganze IMMMER nasal.)Das störte mich aber gar nicht so sehr, ich fühlte mich eben dauerhaft in Watte gepackt, das Leben fühlte sich lockerer an..



Zu diesem Zeitpunkt arbeitet ich noch, Konzentration war nicht das Problem, mein Job zu der Zeit forderte mich aber auch nicht übermäßig (Büro..IT).



Jetzt aber zu dem, was ich bemerkte, was mir so gar nicht gefiel: die Nebenwirkungen. Verstopfung, gegen die ich täglich dann einen Sirup trinken musste. Das war noch das kleinste Übel. Aber Thema Sexualität: Kurz nach Einnahme ( ich war inzwischen auf 8mg täglich..das ist schon ne Menge) hatte ich überhaupt keine Lust.

Später dann um so mehr, aber ich war absolut nicht mehr in der Lage, beim Sex zu kommen. No Way. Nur wenn ich schon Entzugserscheinungen hatte und meine Dosis noch nicht genommen hatte (1x pro Tag) war es gerade so möglich. Das hat mich SEHR gestört und war einer der Auslöser, versuchen davon runter zu kommen. Dazu kam übermäßiges Schwitzen, in allen möglichen Situationen. Ich erinnere noch, dass ich mal einen Spaziergang mit einem Freund machte, im Sommer, aber es hatte bloß 16 Grad, zwar hohe Luftfeuchtigkeit...aber halt 16 Grad. Ich hatte zunächst über meinem T-Shirt eine dünne Sommerjacke an, die ich nach nicht mal 2 Minuten auszog. Half ein wenig, aber mir lief der Schweiß in Bächen herunter. Mein Freund sagte sowas hätte er noch nie erlebt. Da dachte ich auch "Scheiße..das kann es irgendwie alles nicht sein" und der Gedanke, dem Zeug good bye zu sagen, erhärtete sich. Ich versuchte es erst "zuhause" mit recht schnellem Absetzen. War dann auch 3 Wochen, "clean" , wurde aber wieder rückfällig, als es mir dreckig ging.



Dann folgte ein Stationärer Entzug. Ich kam rein mit 16 mg Subutex täglich, hatte zwischendurch auf der Station einen heftigen Nervenzusammenbruch, und ich hatte keine Kraft mehr es komplett durchzuziehen, mir gingen auch Gedanken durch den Kopf "du brauchst das halt, gering dosiert wird es besser, nicht mehr so krasse Nebenwirkungen, besser als der ganze gepunchte Scheiss in Pillen, Amphetamin u tlw. sogar Gras. Hm.

Ich ließ mich auf 2mg stabilisieren. Das klappte draußen auch gut, die Nebenwirkungen wurden tatsächlich deutlich besser. Aber ich erinnerte mich immer wieder

an die wahnsinns-Glücksgefühle, die ich bekam als ich schon mal Entzogen hatte, und meine Freiheit wieder zu erlangen war ein ungeheures Verlangen.



Ich hatte also den festen Plan es IRGENDWIE zu schaffen. Ich dosierte mich dann über Monate runter, im Schnitt 0,1mg pro Woche weniger.

Die letzten 0,5mg noch langsamer. Aber als es richtung 0 ging, waren die Entzugserscheinungen dermaßen heftig, dass ich drohte zu verzweifeln.



Ich war mir sicher, ich müsste einen alternativen Weg gehen, um diese Lebensaufgabe irgendwie zu meistern. Ich möchte jetzt nicht auf einzelheiten eingehen, da ich niemanden empfelen möchte das was ich dann tat, so nach zuahmen. Ich ersetzte das Subutex von heute auf morgen, als ich noch auf ca. 0,4 mg war, mit

einer anderen Substanz, die ich dann auch mehrer Wochen mehr oder weniger durchgehend nahm (keine anderen Opiate, keine Benzos..ich weiß dass der Benzo-Entzug noch beschissener sein muss). Um von dieser speziellen Substanz nicht abhängig zu werden, fiel ich in ein polytoxisches Muster. Abwechselnd dies, das..

Letztenendes bin ich jetzt seit 6 Wochen runter von den Opiaten und will nie wieder in diese Abhängigkeit. Ich denke zwar es gibt deutlich schlimmeres als niedrigdosiertes Subutex..aber da hat jeder seine eigene Meinung zu. Ich merke das ich jetzt wieder wacher bin, sensibler, Musik empfinde ich wieder intensiver, und ich kann mich wieder mehr an den Kleinigkeiten des Lebens erfreuen. Den Konsum anderer Substanzen habe ich inzwischen extrem gedrosselt und ich habe mich nochmal für einen Entzug angemeldet, um wirklich clean zu werden. Diesem sehe ich optimistisch entgegen. Ich habe gerade wieder 3 Tage totale Abstinenz hinter mir. Habe einfach nur viel geschlafen, ok, leichte Depris, aber kein Vergleich zu den Depressionen auf reinem Subutex-Entzug in der Klinik. Das war die Hölle.



Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass mir absolut bewusst ist, dass ich noch LANGE nicht über den Berg bin. 1 Jahr, 2 Jahre, dann würde ich sagen bin ich über den Berg. "Geheilt" wird man wohl nie sein, das ist ja gerade bei Opiaten bekannt, dass es wirklich eine Lebensaufgabe ist, die Finger von dem Zeug zu lassen und trotzdem ein , mehr oder weniger, erfülltes Leben zu haben. Aber ich glaube dran. Wenn ich an den täglichen Gang zur Apotheke denke, wird mir dermaßen schlecht, dass meine Motivation, stark zu bleiben, gleich sprunghaft ansteigt. Zumal ich wahnsinnig viele Hobbys, Interessen und ein komplett Drogenfreies Umfeld habe, was meine Freunde u. Ex-Freundinen betrifft, was mir sehr viel Kraft gibt. Nach dem Entzug, wobei es auch darum geht alle Benzowerte aus dem Urin zu kriegen, ist eine Therapie geplant, die auch bewilligt ist. 6 Monate teilstationär. Und ich genieße jeden nüchternen, schönen Moment als was besonderes und erinnere mich an den Menschen, der ich war, bevor ich dieses Teufelszeug von Opiaten angefangen hatte. Ich sage Teufelszeug, bin aber davon überzeugt, dass es eine extrem anti-psychotische Wirkung besitzt und das widerum ist etwas gutes. Mein Arzt hat mir das bestätigt. Warum damit nicht behandelt wird, is schon klar..



Ich habe einen Tripbericht hier verfasst, der zu einem Zeitpunkt stattfand, wo ich absolut clean war von dem Subutex. Er heißt "Die Absolutheit des Seins".



Ich kann niemandem empfehlen, Opiate auszuprobieren. Gerade Opiate. Der Entzug ist die Hölle. Man denkt, man muss sterben..so ging es mir. Aber man stirbt ja nicht..Wie fühle ich mich jetzt..Hm ich würde sagen, Optimistisch, ich war kürzlich eine Woche in Spanien, Kanaren, Drogenfrei, und habe nichts vermisst. Schöne Fotos geschossen, schwimmen im Meer..wo ich richtige Endorphin Flashs bekam, nur weil ich wusste, meine Glücksgefühle sind auf natürlichem Wege entstanden.



Allen, die in einer (Opiat)Sucht stecken, wünsche ich viel Kraft. Vergesst nie wer ihr seid, versucht euch in schweren Momenten mit warmen Gedanken zu trösten.

Jeder kann alles schaffen ! Das ist meine Überzeugung. Und noch eins möchte ich loswerden: Wenn ich an Opiatflashes denke und mir warm ums Herz wird, lebe ich dieses Gefühl kurz aus, weil es nunmal so schöne Gefühle waren, aber lenke meinen Fokus dann recht schnell auf etwas, auf das ich mich freue: SEX ! Besser als

jede Droge. Die totale Erfüllung ! Vergesst das nie !



END OF STORY