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Titel:Tiefe, dextromethorphane Einblicke.
Droge:DXM
Autor:Diazepam
Datum:29.11.2013 22:01
Nützlichkeit:9,55 von 10 möglichen   (111 Stimmen abgegeben)

Bericht::

Über mein (Dreiviertel-)Jahr mit Dextromethorphan (=> DXM, Dex, Hustenstiller ratiopharm, Silomat)

- Tagsüber ein Roboter ohne Emotionen, nachts ein gefühlvolles Wesen im All. -

Menschen mit dextromethorphanen Erfahrungen werden sich wahrscheinlich in der ein oder anderen Sache wiederentdecken. Und Leute, die auf diesem Planet neu sind, werden sich vielleicht hinein versetzen können. In erster Linie dient dieser Langzeitbericht als Rückblick für mich selber, eine Art Selbstreflexion, und um meine Worte und Gedanken, die mich in dieser Lebensphase ausmach(t)en wiederzugeben, zu teilen und endlich ausführlich zu sammeln. Ich habe damals immer einige Notizen und Zitate zu Gedankensprüngen oder Trips gemacht, welche ich auch miteinbringen werde. Es geht mir darum, die positiven und negativen Löcher des DXM zu vermitteln, und meine zwiespaltige Gedankenwelt, transformiert in Sätze.

»Du hörst die Zeit aufschlagen, du hörst sie knistern. Sterne fressen, den Himmel sehen mit geschlossenen Augen. In gedimmten Licht liegen und das Gefühl haben, als würde die Welt an dir saugen. Im Kopf läuft dein Film, du bist Regisseur und Held zugleich. Alles um dich herum verschmilzt, wird verschwommen und weich.«



Hier beginnt der Film.



Frühjahr. Angefangen hat das Ganze aus Interesse. Siebzehn war ich, eine Freundin und ich stießen durch pure Neugier und Internet-Recherche auf den sogenannten Hustenstiller. (Hier bitte das hähmische Lachen einfügen von denen, die zum ersten Mal davon hören.) Mein großer Respekt vor Drogen sollte sich immer wieder bestätigen, auch wenn ich teilweise echt leichtfertig damit umging.

Wir saßen also rum und nahmen uns fest vor, am nächsten Tag diesen Hustenstiller zu besorgen. Nervosität stieg, als wir das Pulver aus den Kapseln auf Löffel verteilten. Wirklich, keine Ahnung was mich erwartet - der Himmel oder die Hölle, alles ist eine Option. Auch die Dosierung ist mir unklar, ich will was spüren, hab andererseits totale Panik mich selbst nicht mehr zu fühlen. Im Endeffekt fraßen wir also das bittere Pulver und bei mir waren es so um die 5-6 Kapsel-Inhalte. Als Anfängerdosis vielleicht ganz gut, aber nicht wenn die Umgebung nicht passt. Das, Dextromethorphan, war somit (abgesehen von kleineren Experimenten) die allererste richtige offizielle bewusstseinsverändernde "Droge" die ich zu mir nahm. In meinem Hirn spielte alles verrückt, sobald das Zeug einmal geschluckt war plagten mich panische Gedanken über Halluzinationen und Kontrollverlust. Nicht ich selbst zu sein ist für mich die schlimmste Vorstellung. Der erste 'Trip'. Ich spürte gar nichts, ich fühlte mich leer und leerer, meine Nervosität sackte in meinen Magen und ich übergab mich nach einer langen Bahnfahrt, die wir irgendwie schweigend und sehr abwesend verbrachten. Ich war ein Zombie. Als wir uns hinstellten, kamen wir beide zu dem Schluss, dass wir uns extrem verschoben und komisch fühlen, irgendwie waren unsere Beine wie Blei und wir schlurften mehr umher als dass wir liefen. Alles in allem war die Optik sehr seltsam, das Körpergefühl sehr kalt und metallisch, alles eher unangenehm als schön. Wir schrieben zeitweise sogar SMS weil es mir vorkam als wären meine Lippen aufeinander gekleistert und ich konnte keinen Ton hervorbringen. Als hätte ich das Sprechen verlernt.

Zu Hause angekommen war mir klar: Das war nichts für mich, Tschüß Dex.





I. Abstecher ins pure Glück

Zeit verstrich, es waren Osterferien.

Alleine zu Hause. Frustriert, gelangweilt. Mein Interesse verstrich jedoch nie. Zu Hause, eigentlich auf der Suche nach etwas anderem, fand ich im Medikamentenschrank plötzlich diese Schachtel. Aus blauen Linien lachte mir dieser im Schal vermummte Herr der ratiopharm-Hustenstiller entgegen und irgendwie war die Neugier zu groß, alle weiteren Hoffnungen zu einladend, als dass ich einem weiteren Versuch widerstehen konnte. Meine oben erwähnte Kollegin hatte mir so oft von weitern Trips vorgeschwärmt, und ich beschloss, dass dieses Potential, was ich beim ersten Mal nicht ansatzweise geniessen konnte, vielleicht doch etwas für mich hergeben konnte.

Ich machte mir etwas zu Essen und fraß gleich darauf das weiße Pulver. Sechs Stück. Keine zu hohen Erwartungen, trotzdem wieder Nervosität, ich verbrachte mir die Wartezeit aufs Anfluten am PC und zockte. So liefen eigentlich die meisten meiner Tage ab. Irgendwann merkte ich, spätestens beim Musikhören, wie sich diese seeligfriedliche Grundstimmung anschlich, die ich zu dem Zeitpunkt zum aller ersten Mal verspüren durfte, und mich urplötzlich grundlos lächeln ließ. Ich weiß was du meintest, dachte ich mir. Das ist der Himmel.

Ansonsten hab ich leider wenige Erinnerungen an diesen ersten gelungenen Trip, außer dass ich alle vollschwärmte wie gut es mir doch ging und sogar andere (Internet-)freunde animieren konnte am nächsten Tag auch zu konsumieren. Ich war zum ersten mal seit langer, langer Zeit wieder richtig glücklich. Ich spürte eine tiefe Verbundenheit zum Weltall und zu den Sternen, lernte, dass die Welt mehr war als das, für was ich sie gehalten hatte. Auch am nächsten Tag hielt diese Wirkung an, dieses gedämpfte, wohlige Gefühl, in das ich mich rasch verliebte. Dieses Gefühl brannte sich so tief in mein Gedächtnis. Ich war gebannt. Gefesselt. Ich wollte mehr. Diese Notiz hab ich noch in meinem alten Handy gefunden:

»Ein unfassbar geiles Gefühl. Ich sehe die Tasten gar nicht wirklich, höre nur den Klang dieser Musik neben mir und das ist so verdammt schön. Kann nix mehr außer lächeln, und das klappt gut. Es fühlt sich an wie Kribbeln in meiner Stirn, meine Augen werden zugedrückt. Ich will die Sterne sehen! Ich könnte ein Stein aber auch genauso gut eine Feder sein, mein Körper fühlt sich schwer und leicht zugleich an. Ich habe den Drang Sterne um mich herum zu haben. Ich will sie einatmen. Ihre Freiheit und ihre Klarheit spüren. (...) Ich hab kein Zeitgefühl mehr, aber da steht was von halb 3. Ich möchte für immer so bleiben grad. Jeder Mensch sollte solche Möglichkeiten haben. 10 nach 3. Meine Reise im Weltall geht weiter. Ich würde am liebsten raus auf ein offenes Feld rennen! Mich hinlegen und alles an mir vorbeiziehen sehen. Die Kälte, die Sterne, den Mond. Das Leben. Es ist so wunderschön in meinem Kopf. An diesem Abend hörte ich nicht mehr auf zu lächeln. Es war wundervoll. Ich habe im Dunkeln in meinem Zimmer getanzt. Eigentlich habe ich mich nur ganz schnell im Kreis gedreht, und bin dann ins Bett gefallen, ohne Orientierung. (...)« Die Nacht beschrieb ich als unruhig, einschlafen war fast unmöglich. Nach dem Aufwachen jedoch blieb ein wundervolles Gefühl, ich erinnerte mich nicht an Träume, wusste aber dass ich irgendetwas Episches geträumt hatte, und fühlte mich einfach rundum perfekt. (Do., März 28, 2013)

Das war mein erster Trip, einmalig. Und fest stand, es würde nicht bei dem einen Mal bleiben. Das Glück war zu perfekt, zu einfach zu besorgen, zu spannend, und meine Neugier zu groß. Wieso auf etwas verzichten, das das Leben dir schenkt? Ich hatte sowieso nichts zu tun, nie eigentlich. Es sprach einfach rein gar nichts dagegen.

Ich hatte auch keine Angst vor einer Sucht, denn, was wäre denn so schlimm daran? Eine Sucht verleiht deinem Leben in gewisser Weise einen Sinn. Und den habe ich gesucht, vermeintlich gefunden, damals.



II. Es dreht sich! - Facetten des DXM

Meine Dosis steigerte sich schließlich auf 8-12 pro Trip, in seltenen Ausnahmen auch mehr. Meistens eben eine Packung, 10 Stück. Extreme Überdosierung habe ich übrigens nie betrieben, reizte mich nichts dran. Da ich auf 6 Stück teilweise schon arg in die Traumwelt hineingezerrt wurde, schließe ich, dass ich eine recht niedrige Toleranz habe, was Dxm anbelangt.

Trips liefen meistens so ab, dass ich zockte, und mit einem weiteren Trippenden telefonierte, meistens stundenlang. Sieben bis acht Stunden an einem solchen auserwählten Tag waren normal, und vollgestopft mit meist grundlosen, ewig langen Lachanfällen, die für mich irgendwie die einmaligsten und sorglosesten Erinnerungen darstellen. Es erinnert mich ein bisschen an das Gefühl, das Kinder haben, wenn sie die Welt kennen lernen. Wir waren mehr als Freunde zu der Zeit, es war als wären unsere Gehirne miteinander verknüpft, und wir konnten uns verstehen auch wenn wir stundenlang nichts sagten, weil wir vom Trip überwältigt irgendwo im unseren eigenen Universum lagen. Auch immer wenn man drohte den Bezug zur Realität zu verlieren, konnte man sich ans Telefonat festhalten und alles war in eine gewisse Sicherheit getaucht. Einmalige, nüchtern betrachtet sinnlose, Wortkombinationen und Insider entstanden, die in jenen Momenten einfach so viel Sinn ergaben wie nichts anderes. Es war unfassbar gut, sowas mit einer Person teilen zu können. »Das waren die schönsten Ferien. So erholsam, mit so viel Glück und Freude gespickt wie nie zuvor. Schier endlose Euphorie und Gemütlichkeit, keinerlei Zwischenfälle. Wie ein leuchtendes Band aus purem Glück. Mehrere Tage, an denen ich der glücklichste Mensch der Welt war, und nie wieder etwas anderes sein wollte.« (So., April 7 2913)

Die schönsten Osterferien meines Lebens waren schon lange vorbei, und mein Konsummuster sollte sich nicht nur an Wochenenden ausweiten, sondern auch vereinzelt über die gesamte Schulwoche, wann immer genug Zeit da war.

Dextromethorphan war für mich sowas wie der Sinn des Lebens geworden, ein intensives Hobby, das mich gänzlich erfüllte. Es gefiel mir. Ich wollte diese Person sein, die ich damals war, ich wollte ewig unabhängig von anderen Menschen glücklich sein und in meiner eigenen Welt leben. Wann immer es mir schlecht ging, stellte ich mir einfach vor wie ich vollgepumpt mit Pillen in einer stillen Kammer hockte, und fand Frieden in diesen Ideen. Nicht vieles im Leben gab es, was einen kümmern sollte, außer das eigene Glück, und ich war im Begriff es mir jederzeit nehmen zu können, wenn ich danach verlangte. Es war so einfach zu bekommen, ohne Umwege, es war so einfach auszuleben, ohne das irgendwer es mitbekam. Es war der Himmel. Ich spürte, wie das Leben bergauf ging. Denn eigentlich war doch alles perfekt im Moment. »Jeder Gedanke, so einleuchtend, und plötzlich verstehst du diese kranke Welt. Jeden ihrer kranken Zuege und Angewohnheiten. Und das schönste: Du fragst dich, wie Menschen traurig sein können. Wenn doch alles einen Sinn ergibt, zwischen tausenden von Linien und Farben.«

Es gab auch negative Trips, deren Eindrücke ich natürlich nicht unerwähnt lassen will.

Di, 19. April, 2013:

»Ich bin nicht mehr in mir drin. Ich hing überm Klo. Realitätsverlust. Lücken. Ganz viele.«
Ich hatte an diesem Tag einfach so früh angefangen die Pillen einzunehmen, während des Anflutens waren meine Eltern grad weg, und ich hing irgendwie in einem paranoiden Wahn fest, dass sie jeden Moment zurückkämen. Irgendwann fing ich auch an extremst zu zittern und den Bezug zur Realität gänzlich zu verlieren. Ich sprang auf, übergab mich und hing dann irgendwie am Rand der Kloschüssel um über die intensiven Farben meines Erbrochenens zu staunen. Es war Gelb, Orange, Rot, in extrem knalligen Farben. Meine Sicht war derartig verschoben, dass alles plötzlich ganz nah und dann wieder weit weg war, wie das Zoomen bei einer Kamera, jedoch arg zeitversetzt und winzige Blackouts dazwischen. »Dann lief ich immer wieder vom Flur zurück ins Bad um mich zu vergewissern ob ich mich wirklich grad übergeben habe. Da das Klo sauber schien, war ich mir nicht mehr sicher. Ich merkte, wie ich die Kontrolle über mein Gedächtnis verlor und steigerte mich immer mehr in meinen Schock. Das einzige was ich tun konnte war abwarten. Also flüchtete ich ins Bett, und genau dann kamen meine Eltern (es war gegen 15 Uhr). Ich sagte ich sei müde (bei mir war Rollade unten, mittags), und während ich sprach war es, als würde ich mir dabei nur zuhören. Mein Bewusstsein schien irgendwie taub. Zwei Sekunden später sprang ich auf und ging einfach duschen, der Gedanke, dass jemand etwas bemerken könnte beunruhigte mich so sehr, dass ich an irgendeinen Ort wollte, wo niemand einfach so die Tür aufriss.« Ich weiß, dass auch das Duschen in diesen episodischen Blackouts verfangen war, und ich zeitweise sogar saß anstatt zu stehen und mir einfach nur wünschte, es würde endlich aufhören. Doch die Zeit, auf Dxm zieht sie sich wie Kaugummi, kilometerlanger Kaugummi. Das Zeitgefühl friert gänzlich ein, und deine Orientierung verblasst. Ich war vollkommen am Ende und einfach nur leer.

Solche Trips waren für mich selten eine Warnung, sondern eher die Motivation und der Drang es beim nächsten mal besser hinzukriegen, die Wirkung zu perfektionieren. Ich mochte es nicht, wenn mir irgendwas schlecht in Erinnerung blieb, und so wollte ich niemals mit etwas abschließen, das ich über alles vergötterte. Spätestens zwei Tage später schmiss ich wieder Pillen ein. Es schien die Sonne, und auf diesem Modus im Garten zu chillen, dabei Musik zu lauschen, war eines der wunderbarsten Gefühle. Durch geschlossene Augen sah ich das glühende Orange der Sonne, ich konnte daraufzugehen bis es mich einschloss und mich dermaßen mit Wärme vollpumpte, dass ich immerzu am lächeln war. Das Leben war doch so einfach. So einfach.

Meine Persönlichkeit würde ich in dieser Zeit als leicht reizbar und extrem unsicher einschätzen. Ich steigerte mich dermaßen in die Beziehung zu irgendwelchen Menschen, dass ich immer frustrierter wurde sobald sie mir nicht entsprachen, und enormen Hass auf alles hegte. Es vergingen keine drei Tage ohne dass ich mir wieder was geben musste, um Spaß zu haben. Dabei ging es mir nicht schlecht, denn ich wusste ja, dass es immer jemanden gab, der für mich da war. Der nette Herr von ratiopharm. »Wichtigste Regel im Leben: Mach dein Glück nicht abhängig von anderen Personen!« Ich ging gar nicht mehr raus, nur noch zur Pflicht, eigentlich war es nie anders, aber zu der Zeit wurde es mir dermaßen bewusst und störte mich indirekt schon enorm.



III. Dissoziiert, aber glücklich

Ich kam mir während all dieser Zeit vor wie ein besserer Mensch. Wie ein interessanter, ungewöhnlicher Mensch, der sein Leben und das Potential seines Gehirns zu nutzen wusste. Außerdem war ich die meiste Zeit über von den Nachwirkungen noch so sediert, dass selbst Schule klar ging. Es folgten aber stetige extremste Stimmungsschwankungen, ich starrte zeitweise minutenlang ohne einen einzigen Gedanken ins Leere und tauchte ab. Im nächsten Moment konnte ich lachen, oder aber vor Genervtheit verdammt wütend werden und einfach die Schule verlassen, um schlafen zu gehen.

Ich war süchtig nach dem einmaligen Gefühl, das mir kein Mensch, das nur Dex mir geben konnte. Ich lebte auch wenn ich nüchtern war gedanklich in meiner eigenen Welt, abgekapselt von all den seelenlosen Menschen, die von meiner Wahrheit so derartig entfernt waren, dass ich mich sogar für sie schämte. Über was für Dinge sie sich aufregten, was ihre Probleme waren, alles so lächerlich. Es gab weitaus tiefgreifendere, verwurzeltere Gedanken, die ihre Hirne nicht zu denken in der Lage waren. Ich hasste sie so sehr, mich selbst zeitweise auch extremst. Es war ein ewiges Auf und Ab, ich weiß heute nicht, ob es ohne den Dxm-Konsum anders gewesen wäre. Ich verherrliche gerne, und sage, Dxm hat mich aus diesem Loch der Depressionen eher befreit, da ich zurückblickend gesehen vorher noch schlimmer dran war, aber wenn ich ehrlich bin, kenne ich die Antwort nicht. Vielleicht ist das auch besser so.

Einmal bekam ich die Chance Tramadol zu nehmen. Hier ein Zitat vom 30.April: »Dieses endlos vollkommene Gefühl. Endlich diese Leere gefüllt zu haben, Halt gefunden zu haben, und grundlos glücklich zu sein. Sich an seiner eigenen Existenz zu erfreuen. Sich ausnahmsweise mal nicht selbst im Weg stehen.« Darauf gehe ich hier nicht näher ein. Ich hatte damals nicht viel davon, weswegen mein DXM-Konsum sich ohne weiteres fortsetzte.

Im Mai bekam ich erstmals Probleme mit längerfristigen Folgen. Ich war ernsthaft verklatscht, und mein taubes Körpergefühl erstreckte sich über mehrere Tage. Ich fühlte alles verzögert, insbesondere Kälte- und Wärmeunterschiede, als wären meine Nerven tot. Ich konnte nicht mehr schlafen und hatte das Gefühl, sehr bald sterben zu müssen. »Das Unerträgliche erträglich machen, darum geht es doch im Leben«, lautet ein Zitat was mich in diese Zeit sehr in meinen Tätigkeiten bekräftigte. Episoden, in denen ich im nüchternen Alltag einfach so da hockte und in die Leere starrte, häuften sich. In diesen Momenten verlor ich ohne jeglichen Grund den Bezug zur Realität, zweifelte alles Existierende an, alles was um mich herum war, aber gleichzeitig war es mir auch unfassbar egal. Ich saß zum Beispiel im Unterricht und blickte nur auf den Boden, ohne einen einzigen Gedanken zu haben. Ich war leer, und es war mir egal. Gleichgültig sah ich über Dinge hinweg, nahm alles hin, was mich vielleicht normalerweise schockiert hätte. Morgens aufwachen mit dem Gedanken "Wozu das alles noch?" war bitterer Standard geworden. Es ging nur noch bergauf, weil ich etwas hatte, an dem ich festhalten konnte. Der Sinn des Lebens war Dxm. Es war mit weitem, beeindruckenden Abstand wirklich das absolut einzige was in der gesamten Welt Sinn ergab.

12. Juni ging es weiter: »Ich will dass diese Nacht niemals endet! Dass auf diese noch weitere geile Nächte oder Tage folgen! Dass das Leben doch mehr ist als wir denken. Dass das was mehr ist nur in unseren Köpfen existiert. Und wir holen es raus! Und dann bleibt es für einen kleinen funklenden Moment da! Das Glück, zum Greifen nah.«



VI. Das heilige Trippen - Willkommen im Dex-Himmel

»Ich hab die Augen geschlossen und dachte ich wäre im All, und stand eigentlich neben meinem Schrank.« Du fühlst dich frei. Schwerelos. Kein Gedanke ist da, nur die Sterne.

Ein ganz neues Level bekam DXM, als ich das Trippen für mich entdeckte. Optik, Lachanfälle und Begeisterung waren Nebensache - das Größte war, die Augen einfach zu schließen. Sogenannte Closed Eyes Visions. (Dieses Trip-Plateau erreichte ich gewöhnlicherweise so ab 9-12 Kapseln. Alles darüber war nur Verklatschtheit und Wirrwarr, alles darunter zwar angenehm, aber auf die Dauer zu öde.)

So lag ich sediert in der Nische meines Sofas rum, lauschte Musik und schloss die Augen. Schwärze. Aber nicht lange. Tausend Gedankenblitzen, Bilder, Erinnerungen, irgendwas war immer da. Bei intensiven Trips hatte ich jene Ich-Trennungen, in angenehmem Maße. Die Augen geschlossen, die Gedanken am springen und wandern, so schwebte irgendetwas in mir, vielleicht kann ich es "Seele" nennen, immer weiter fort. Es riss an den letzten Fäden und schepperte in Wellenlinien davon, nicht weit, direkt über mich. Ich sah Visionen. Ich war wer anders. Ich konnte an beliebigen Orten erwachen, als Kriegerin in einer Wüste und den Sand unter mir spüren, die brennende Hitze der gelben Sonne. Oft hatte ich die Vision von einer Matratze in einem abgedunkelten Raum, auf der ich scheinbar lag, aber aus einem sehr skurrilen Winkel den Fernseher betrachten konnte, der vor sich hin schimmerte und ein bläuliches diffuses Licht auf das enge Räumchen warf. Mit diesem Bild kamen stets gewaltige Euphorie-Schübe, mein Körper war nicht mehr existent und gesamt mit der Dex-Welt verschmolzen. Ich spürte nur noch diese Matratze unter mir, Realität existierte nicht. Als hätte man ihn einfach da am Kopf abgetrennt und wäre jetzt nur noch in der Lage zu träumen und Glück zu empfinden.

Manchmal lehnte ich auch an meinem Sofa während dieses Trippens und irgendwann als ich in die Welt abdriftete, spürte ich so realistisch wie noch nie, Arme um mich, die mich von hinten umarmten und komplett einschlossen. Mit ihnen schoss eine gewaltige Wärme in meinen Kopf und ich war noch nie so glücklich wie in diesem Moment. Ich konnte mein Gesicht nicht spüren, aber ich wusste wie riesig mein Lächeln plötzlich wurde. Euphorie pur. Auch interessant war die Erfahrung, mit geschlossenem Auge mein eigenes Zimmer zu betrachten. Es war ein ganz verschobener Winkel, und es waren blaue, umrisshafte Formen, die meine Möbel annahmen, und immer wenn ich die Augen wieder aufschlug, wunderte ich mich, wie anders mein Zimmer doch in echt aussah.

Dieses Glück ist Perfektion. Ich werde nie ein anderes Glück brauchen in meinem Leben. Die Tage und Nächte, die ich trippend verbrachte, erfüllten mich zu genüge.

Ich habe viel gelernt. Ich habe meine Gedankengänge derartig erweitert und ausgefeilt, vor allem aber habe ich meine eingeschränkte Sicht in speziellen Bereichen ablegen können. "Das Leben macht keinen Sinn, ständig grundlos traurig zu sein ist der Sinn", eine solche Denkweise war zeitweise wie ausgemerzt, weil ich eben meinen Sinn endlich gefunden hatte. Der Mensch ist süchtig nach Glück, konnte ich am eigenen Leib erfahren. Auch ich war süchtig, nicht nach Dextromethorphan, sondern nach der Bedeutung, die es meinem Leben nun endlich verlieh. Denn ich lernte, dass eine Existenz Sinn ergibt, sobald man etwas hat, das einen glücklich macht. Das müssen keine Drogen sein. Einfach diese Erkenntnis reichte mir, um weiterzuforschen, was dieses Glück in meinem Fall denn sein mochte. Also wieder hinein stürzen in die dextromethorphanen Welten!



V. Allen Problemen zum Trotz!

Gegen Sommer war die Beschaffung schwierig. »Hustenstiller... von Ratiopharm? Der ist zur Zeit nicht lieferbar, steht hier, hm...« Ich dachte erstmal man verarscht mich, erhielt jedoch auch in allen umliegenden Apotheken dieselben Ausflüchte und im Internet stand ähnliches dazu. Meine Welt brach kurzzeitig zusammen. Das konnte nicht das Ende sein, ich hatte noch nicht alles herausgefunden!

Ich fuhr in jeder meiner Freistunden oder auch direkt nach der Schule in abgelegenere Städte und Dörfer, graste dort Laden für Laden ab und erhielt so meistens am Ende noch die ein oder andere Schachtel. Irgendwie war allein dieses Gefühl, an den raren Stoff zu gelangen, Befriedigung pur. Ich konnte danach weiter in der Schule hocken, wissend, dass sich DXM in meiner Tasche befand, und dabei seelig in mich hinein grinsen. Nun stellte die Beschaffung des Dxm die hauptsächliche Bedeutung meines Lebens dar. Zu Hause gings dann so weiter wie immer.

Abgehakt wurden diese Sessions nur kurzzeitig, als es mir während dem Konsum von 16 Kapseln so elendig ging wie noch nie zuvor. (Wie ich oben flüchtig erwähnte: Weniger ist mehr bei Dxm. Eine gesteigerte Dosis macht den Trip absolut nicht schöner – zumindest in meinem Fall). Das war mein wohl längster Gedächtnisaussetzer von allen. Dieses episodische Zeitgefühl, das mich an jeden Trips irgendwie ein wenig störte, war nun permanent vorhanden. Alle paar Sekunden befand ich mich in einer anderen Dimension, man warf mich quasi kopfüber hinein in wirre Welten, die eigentlich nur aus meinem Zimmer bestanden, aber trotzdem immer anders und fremd wirkten. Ich fühlte mich nicht zu Hause, alles war unangenehm und ich wollte nur noch dass es aufhörte. Dazu kamen ausgeprägte Zitterkicks. Letzten endes lag ich irgendwo auf meinem Teppich rum und versuchte klarzukommen. Als der Trip sich dem Ende neigte gab ich mir beruhigende Musik, was mir enorm half immerhin noch ein wenig Ruhe an diesem Tag zu finden. Am nächsten Morgen habe ich noch verzweifelt nach den verliebenen Kapseln gesucht, weil ich fester Überzeugung war nur 13 eingenommen zu haben. Kein Plan, wo mein Erinnerungsvermögen zu der Zeit spazieren war.

Negativ waren auch Erfahrungen mit anderen Menschen. Alleine, für mich sein war das Schönste, auch wenn ich mir meistens jemanden wünschte, der da war, so störte einen die Anwesenheit irgendwelcher Personen dabei, seinen Trip ausleben zu können und sich komplett der Euphorie zu ergeben. Gedankenbahnen werden gestört, sobald man sich um seine Mitmenschen kümmern muss.

Kotzen wurde fast auch zum Standardprogramm. Mittlerweile schluckte ich die Kapseln statt das pure Pulver, weil es irgendwie schneller ging und geschmacklich natürlich nicht annähernd so ekelhaft war.



VI. Selbstmedikation mit Dxm? & Denkprozesse

Dxm hat eine antidepressive Wirkung, die langfristig anhält. Bin ich nur deswegen so "glücklich"?

Später kam ich dazu, statt Langeweile-Vertreib, eine Selbstmedikation in Erwägung zu ziehen. Man kommt früher oder später immer an die Frage, ob das, was man da täglich einnimmt, eigentlich gut für einen ist, beziehungsweise wie viel Schaden es wirklich anrichtet. Oder ob es vielleicht sogar hilft.

Da ich DXM mittlerweile größenteils hoch frustriert und angenervt einnahm, während des Trippens von allem befreit war und auf alle Gedanken zugriff hatte, konnte ich so objektiv und verständnisvoll auf meine Probleme blicken wie noch nie zuvor. Diese Einblicke gehen tiefer als alles andere. Tiefer als je ein Psychologe in dich vordringen könnte. Du erkennst nicht direkt Lösungen, aber dein Problem scheint sich von selbst zu lösen, in dem es ganz simpel abgepackt in einem Satz da steht und dir so winzig wie noch nie vorkommt. Ich wusste ich benötigte Dxm. Nicht mehr wegen dem Vergnügen, sondern primär wegen meiner Psyche. Mindestens ein mal die Woche musste ein Trip her (meistens mehrmals), damit ich nicht in tiefste Depressionen verfiel – so dachte ich.

Wie beschreibe ich diese heilsamen Dxm-Denkprozesse am besten? Man kennt doch diese Kinderrätsel in denen tausende von wirren Linien kreuz und quer übereinander liegen und man den einen richtigen finden muss, um ans Ziel zu kommen. So ist das mit Konflikten in der Dex-Welt. Du findest keine komplizierten Lösungen, sondern siehst vor deinem inneren Auge quasi den direkten ungeschwungenen, geradlinigen Pfad zu deinen Problemen, und kannst sie so simpel und zum Greifen nah vor dir sehen, in einfachsten Sätzen zusammengefasst. Das ist eine unglaubliche Erfahrung. Für jeden deiner Gedanken gibt es eine passende Erklärung, eine Schlussfolgerung. Du siehst, wie sie all die Dinge, die dich Tag für Tag beschäftigen, einfach immer kleiner werden und unbedeutender.



VII. Willkommen im Nichts

Und irgendwann fiel ich. Ich fiel immer weiter.

DXM konnte mir nichts mehr geben. Die Leere beim Abflauen eines Trips, die dich gänzlich umbringt, ließ mich in ein ausgegrabenes Loch sinken, in dem ich immer so lange hocken blieb, bis ich den Entschluss entfasse "Nie wieder DXM!". Ich hockte in völliger Dunkelheit auf meinem Sofa in diesem Loch. Nachdem die Euphorie verflog, war ich leer.

Es waren Gefühle der Abneigung, fast sogar Ekel vor mir selbst, mehr aber auf diesen Zustand der Unmenschlichkeit bezogen, in dem ich mich immer wieder befand. Warum tat ich das immer wieder? Was hatte ich davon, in regelmäßigen Abständen unzurechnungsfähig und sediert auf meinem Sofa rumzuliegen? Gewissensbisse plagten mich, aber noch viel mehr die Sinnlosigkeit meiner Tätigkeit. Meiner einzigen Tätigkeit. Die doch damals so viel Sinn ergab wie nichts anderes. Immer beim Abflauen der Wirkung nahm ich mir vor, aufzuhören. Am nächsten Tag war es mir wieder egal, ich hätte direkt nach dem Aufstehen weitermachen können.

Auch gegessen habe ich kaum regelmäßig. Wegen des ständigen Erbrechens sah ich keinen Sinn darin.

Ich distanzierte mich von fast allem, sprach mit kaum jemandem mehr. Es war mir so egal. Ich verdrängte alles, was nicht mit Dxm zutun hatte.

»Was ist aus mir geworden? Ich bin ein mentales Wrack, ein Loch, das nur danach lechzt sich mit Medikamenten vollzustopfen. Das nur noch wegwill, die Realität verdrängt, und dämmernd dahin vegitiert. Für mich ist Leben gar keine Option mehr. Weglaufen aber. Ich hätte so viel ändern können. Muss abwägen zwischen Realität und Traumwelt. Was ist mir wichtiger? Leider ist letzteres bei weitem angenehmer, vertrauter und sicherer. Ich will nicht mehr zurück. Niemals... Ich bleibe ein Einzelgänger. Schicksal, wenn man sein Glück von Nichtigkeiten abhängig macht.« (Juni, 22)

Ist mein Dxm-Ich mein wahres ich? Kann ich nur dann noch klar denken? Ich muss es aufrecht erhalten, um jeden Preis. Ich hatte mich damit abgefunden, nie ein normales Leben führen zu können und somit auf ewig damit verdammt zu sein, weiterzumachen. Letzten endes war es eben dieses Hochgefühl, an dem ich so hing, und das ich für nichts in der Welt austauschen wollte, kein noch so perfektes Leben könnte mir annähernd diese Gefühle vermitteln.

»Und ich vermisse die Wüsten aus weißem Sand, ich vermisse meinen eigenen kleinen Sternhimmel. Lass mich noch einmal fliegen.«

Ab dem 25. Juni habe ich für einige Tage Antidepressiva probiert. Abgesetzt. Und fing anschließend, am 13. Juli ca. wieder an, mir Hustenstiller zu besorgen. Weil ratiopharm nicht mehr erhältlich war, stieg ich zunächst misstrauisch auf Silomat um. (Gleicher Wirkstoff, größere Kapseln, 12 Stück). Aufgrund des immensen Preises konnte ich mir diesen Spaß jedoch nicht mehr allzu oft gönnen, oder ich strich ganz einfach das Geld was ich für unnötiges Essen ausgab und investierte es in mein Glück. Dex verlor an Reiz, aber es war eben da, und es sprach einfach nichts dagegen, es hin und wieder zu nehmen.



VIII. Tiefer ins Nichts

Sommerferien. In diesen Ferien plante ich, alles zu ändern. Ich wollte aktiv am Leben teilnehmen, war ich doch nur vegitiert bisher. Alles sollte sich ändern. Ich, mein Leben, alles. Ich überlegte voller Vorfreude, auf andere üblichere Drogen umzusteigen, beziehungsweise einfach mal sowas wie Ecstasy zu testen.

Tat ich leichtsinnigerweise auch, was einer meiner größten Fehler war. Kurz zusammengefasst: Ich hatte zwei Tage zuvor noch Dxm genommen und aufgrund dem Zusammenspiel meiner derzeitigen Hirnchemie erlitt ich einen Zusammenbruch, á la Serotonin-Syndrom, und erwachte letzten endes nach einigen Krampfanfällen und grausamen Blackouts ich im Krankenhaus. Das war wie ein Schlag ins Gesicht, meine gesamte Welt stand dermaßen unter Schock, dass ich auch Tage danach auf nichts mehr klarkam. Ich war kein Mensch mehr, ich bin an diesem Tag gestorben.

Ich habe bis heute nicht viel davon wirklich realisiert, Einzelheiten erspare ich euch, ich kann auf jeden Fall behaupten dass dies einer der grausamsten Ereignisse in meinem Leben war, und wenn es mich als Person betrifft, dann das Erlebnis das am nächsten am Tod stand.

Drogen sollten dir doch Glück geben, dich stark machen, dachte ich. Mein Sinn des Lebens bekam einen derartigen Knacks, alles verschwamm in meinem Kopf, wurde leer und leerer als es jemals zuvor war.

Zu diesem Zeitpunkt ging alles den Bach runter. Ich wusste nicht wirklich wer ich war, wusste nichts mit mir anzufangen und hatte das Gefühl, dass alle anderen mich auch aufgaben. Aber vor allem ich mich selbst. Es reichte, ich hörte ein für alle mal auf mit Pillen schlucken. »Es ist so leichtfertig Chemie zu fressen. Warum erfreuen wir uns nicht einfach an unserer Gesundheit?« Es sollte endgültig Schluss sein. Das war kein Problem für mich, ich hatte nicht annähernd das Verlangen nach irgendwelchen Drogen. Mehrere Wochen hielt das an, die Sommerferien neigten sich dem Ende.



IX. Das Leben ist ein Karussell

Trotzdem dauerte es nicht lange. Ich vermisste die Dxm-Zeit enorm. Diese Unbeschwertheit und das Glück, es fehlte dermaßen in meinem Leben. Nach ein bisschen Ablenkung in diesen Ferien erholte ich mich allmählich von all dem Müll.

Gegen Ende der Ferien wollte ich nochmal dexen, meine tiefsitzende Angst überwinden, nochmal glücklich sein und vielleicht meinen Sinn wiederfinden. Und, was soll ich sagen, es lohnte sich. Ich war wieder zu Hause angekommen. Endlich wieder als grinsender Roboter durch die Wohnung wandeln.

Schule begann wieder, gute Vorsätze wurden auf den Haufen geschmissen und Dex war wieder regelmäßiger Bestandteil meiner Wochenverläufe, für nichts anderes lebte ich. Unbesorgt dexte ich weiter, spielte aber immer und immer wieder mit dem Gedanken, es endlich sein zu lassen, zumal meine damaligen 'Freunde' alle Pausen einlegten und ich ganz allein damit war. Aber gerade das bestätigte mich teilweise noch in der Not, weiter zu machen, um jeden Preis. Denn sonst wäre ja alles weg. September, Oktober verbrachte ich so. Ich verwahrloste. Ich hing nur noch in anderen Welten, deren versprochenes Glück mir längst nicht mehr genügen wollte. Irgendwas in mir schien sich geändert zu haben, ich war es von Trip zu Trip mehr leid, und trotzdem tat ich es immer wieder, einfach aus Gewohnheit und Langeweile. Und weil sonst nichts da war, was mich eben zuverlässig glücklich stimmen konnte. Dabei wollte ich gar nicht mehr in dieser Welt wandeln, die von Dextromethorphan bestimmt wird. Nach jedem Trip wünschte ich mir, mein Hirn wieder komplett klar zu haben, und stockte trotzdem immer wieder in diesen schier perfekten Dimensionen umher. Ich reduzierte meinen Konsum. Auf jeden Fall sollte er seltener werden, um dieses Besondere beizubehalten. Um das Gefühl, DXM könne mir rein gar nichts mehr geben, zu vertreiben. Vielleicht musste ich menschlich weiterkommen, damit auch meine Gedankenwelt wieder Neues für mich offenbaren konnte. Ich legte ab und zu kleinere Pausen ein.



X. Will ich Realität oder Traumwelt?

Es ging immer entweder Ganz oder Gar nicht. Ich konnte problemlos tagelang verzichten, wie gesagt genoss ich die Klarheit meines Zustands und die Normalität manchmal sogar. Aber sobald irgendwas passierte, was mich einfach runterzog, oder ich gelangweilt in der Schule hockte, sprangen meine Gedanken stets auf Dex. Alles drehte sich nur darum. Wie es wohl jetzt wäre, wieder was zu nehmen? Ach nein, du hast schon so lange ohne durchgehalten, geht auch. Manchmal wurde ich schwach. Ich kann es eigentlich nicht wirklich schwach nennen. Es war mehr die Neugier, ich wollte dem ganzen noch eine Chance geben, mich zu überzeugen. Und einfach weil DXM ein Teil von mir geworden war, brachte ich es nicht übers Herz ganz damit abzuschließen. Es hatte mir ja nichts getan, außer mir unzählige einzigartige Erinnerungen verpasst. Die Lust, derartiges wieder zu erleben, war einfach nicht zu bändigen an diesen leeren und faden Tagen. Es war keine Sucht. Es war einfach nur der Gedanke an etwas Ablenkung, der mir immer gefallen hatte, und dem ich mich so gerne hingab, weil ich sonst nie wirklich etwas hatte in meinem Leben. Da waren weder sportliche Aktivitäten noch andere Tätigkeiten, die ich regelmäßig ausführte. Da war nur diese Schule, dieses zu Hause - alles verhasst und unschön. Und mein geliebtes DXM, das mich weit weit weg von all dem bringen konnte, bei dem ich endlich mein Ich entfalten und lösen konnte. Ich und meine Gedanken. Hier war alles perfekt.

Diesen Text habe ich mal geschrieben zu dieser Zeit, am 9. Oktober, kurz nachdem ich nach ein-wöchiger Pause wieder etwas eingenommen hatte.

9. Oktober: »Was soll das für eine Sucht sein, auf die man problemlos 7 Tage verzichten, aber kaum an etwas anderes denken kann? In mir spricht das Pflichtbewusstsein und trichtert mir dringlichst ein, normal zu bleiben. Und das kleine Kind in mir, das unbedingt seinen Spaß haben will, fleht mich an wieder zu konsumieren. Aber es ist nicht mal wirklich Spaß. Wer Dxm kennt, weiß das. Dex ist kein Spaß. Es ist purer Mindfuck. Es zerfrisst dein Gehirn wie eine Säure und nistet sich in Zwischenräume ein von denen du nie geahnt hättest das sie existieren. Es ist wie eine wilde Strömung, die durch deinen Kopf fließt, es spült Erinnerungen und Gefühle und Bilder an die Oberfläche, die du längst vergessen hast. Es legt dir eine sanfte Maske aufs Gesicht, die dich grinsen lässt, während du statt deiner Haut nur noch deine eigenen Knochen spürst. Deine Gedanken werden miteinander verwoben und du fühlst dich allwissend, unantastbar, was vor allem daherrührt, dass dir das Leben so einfach wie noch nie erscheint. Du kannst jeden Menschen verstehen und nachempfinden, sogar dich. Es gibt keine Probleme in der Dex-Welt. Es gibt sie nur in der realen, rationalen Welt, in der du dich schon längst nicht mehr zu Hause fühlst. Es ist, als würde man dir plötzlich ungeahntes Wissen einflößen, eine Art Erleuchtung. Gedankengänge, völlig neue und unbekannte Schlüsse ziehen sich, denn es gibt für jeden Konflikt eine Lösung. Wenn du dann die Augen schließt, dann kannst du deine Gedanken sehen, du könntest sie sogar malen, wenn sie sich nicht innerhalb von Sekundenbruchteilen verflüssigen und in etwas anderes transformieren würden. Du lernst die Sterne kennen, die in deinem Kopf spazieren gehen, und siehst Bilder, die total fremde Gefühlsschübe in dir auslösen. Es gibt nichts Negatives. Nichts. In allem kann man etwas Positives schöpfen, das Leben ist nur eine Phase die vorübergeht, und der Tod ist auch nur eine. Die Welt um dich herum wird langsam weich und verschwommen, begleitet von Herzklopfen schmiegst du dich an deine Decke und fühlst dich so befreit und perfekt wie noch nie zuvor. Du spürst es, das Zittern am ganzen Körper, die Unsicherheit auf den wackligen Beinen, das breite schiefe Grinsen im Gesicht. Am nächsten Tag weißt du, es hat sich gelohnt. Obwohl es deinen Kopf umstülpt und du niemals weiterkommst. Ich renne immer noch in deinem Labyrinth herum. Und wenn Dex Sterne enthält, dann habe ich schon eine ganze Galaxie geschluckt.«

Wie sollte es jetzt weitergehen?

Meine Gedanken wechselten ständig, stündlich manchmal. Ich überlegte hin und her, vefiel manchmal Ewigkeiten in Philosophien darüber, wie es weitergehen sollte. Tatsachen blieben aber Tatsachen. Und die brachten mich letzten endes zu dem folgenden Entschluss, dass ich Dxm weiterhin als eine Möglichkeit betrachten, aber nie mehr darauf angewiesen sein wollte. Für den Alltag war es nie tauglich gewesen. Ich war immer derartig verklatscht wenn ich versuchte DXM mit Außenwelt und Alltag in Verbindung zu bringen, dass es für mich in den Hintergrund rückte, als ich zu Beginn der Herbstferien an eine Substanz gelangte, die mir diese Option vielleicht eher erfüllen konnte. Tramadol. Hier hielt ich es für angebracht, einfach so diese Pause mit DXM anzusetzen. Es gab mir einen guten Grund, dies auch durchzuziehen. Denn sonst gab es ja nichts, was dagegen sprach.

Ich hatte einen wunderbaren letzten Trip, den ich mit folgender Notiz abschloss: »Das war fürs erste mein letztes Mal Dxm. Ich mach 'ne kleine Pause. Ist Zeit, alles ein bisschen umzukrempeln, mal gucken obs klappt. Wenn nicht kann ich ja immer noch zurückkommen.« (19. Oktober 2013) Und siehe da, es ging. Problemlos. Bis heute sind seit diesem Vorhaben fast zwei Monate vergangen. Ich schwelge viel zu gerne in alten Trip-Erinnerungen und Erkenntnissen, die mich bis heute verfolgen und auf ewig geprägt haben.



XI. Willkommen zurück in der Realität - Résumé!

Und wenn ich heute zurückblicke, auch nach dem Niederschreiben, kommt mir das alles vor als wäre es gar nicht mein eigenes Leben. Es fühlt sich eher an wie ein langer, vieldeutiger Traum. Ein schöner, teilweise wunderschöner Traum...

Ich frage mich manchmal, ob ich heute anders wäre, wenn ich Dex nie entdeckt hätte. Oder heute immer noch druff wäre. Letzten endes kann ich sagen, dass ich die Menschheit noch immer als etwas Niederes betrachte (und das schon immer tat), mir jedoch glücklicherweise diese gewisse Gleichgültigkeit gelieben ist, mit der ich das Leben nun betrachte. Ich sehe es als eine Chance, irgendwas akzeptables daraus zu machen. Früher war für mich Suizid die einzig logische Option und ich weiß nicht, ob diese krassen Abgründe von alleine weggegangen wären. Vielleicht hat Dex mir mit seinen antidepressiven Wirkungen über diese Zeit geholfen, vielleicht hat es mich mit seiner psychotischen Wirkung erst noch tiefer reingeritten - bei Gott, ich weiß es nicht.

Einerseits bin ich froh wieder ich zu sein. Irgendwer zu sein. Auf Dex war ich nur eine Materie, belanglos und von sinnloser Existenz. Eigentlich dachte ich immer, auf Dxm wäre ich in einer Traumwelt angelangt, aber wenn man es mal auseinanderpflückt, dann habe ich erst jetzt wieder angefangen zu träumen. Ich hege wieder menschliche Illusionen von Glück, Pflichtbewusstsein was Schule betrifft, Familie und sowas. Alles, was mir zu meiner heftigen Konsumzeit alles so undenkbar und sinnlos vorkam. Eben diese Illusionen, die einen normalen Menschen menschlich machen und ihn am Leben halten. Ich bin froh, nicht mehr dissoziiert und mit Tunnelblick im Alltag rumzusitzen und meine Realität derartig anzuzweifeln, dass ich mir immer fremder vorkomme. Ich bin froh, dass ich mich wieder mit Nichtigkeiten auseinander setzen kann, ohne mich dafür zu hassen, dass ich wieder mit Menschen über Unsinn reden kann, und nicht nur Rationalität und den wahren Sinn des Lebens anstrebe. Dass ich mich nicht immer wie ein fremdes, andersartiges Wesen fühle.

Während des Trips ist alles wunderbar, von Euphorie untermalt. Doch die Tage danach machen dich zum Zombie. Das Schmachten nach dem nächsten Trip. Das ständige Verlangen nach Antworten, nach mehr, nach etwas Befriedigung deines Geistes. Erst nach einigem Abstand habe ich für mich erkannt, dass ich diejenige bin, die aus jedem Tag das Beste machen muss, die Welt hinnehmen muss als das was sie ist und auch für das schätzen sollte. Ich stehe mittlerweile endlich halbwegs im Leben. Meine Psyche zumindest hab ich halbwegs im Griff.



XII. Wohin jetzt?

Letztenendes gibt es diese zwei Seiten von Dxm, die pure Glückseligkeit und die Kehrseite, die alles beinhalten kann. Die unendliche Leere in deinem Kopf, oder der reine Zorn auf dich und die Menschheit. Ich für meinen Teil kann nicht sagen ob es sich gelohnt hat, bereuen tue ich jedoch nichts. Ich war schon immer der Typ Mensch, dem Normalität gegen den Strich geht, und der sich von grundauf anders fühlt als jeder andere, dem es nie möglich war ein ganz klassisches Leben zu führen. Ganz einfach weil ich mich nicht mit dem zufrieden geben kann. Für mich musste es immer mehr sein. Und Dextromethorphan gab mir dieses gewisse 'mehr' für eine lange, lange Zeit, fast ein Jahr jetzt.

»Stell dir jeden Tag die Frage: Willst du Alltag oder Abenteuer?« Für mich war Dex zu der Zeit dieses Abenteuer.

Eigentlich möchte ich bald wieder einen Trip starten. Ich hab mir sogar schon Hustenstiller gekauft, die liegen seit einigen Wochen bei mir herum jetzt. (Vielleicht gibt es dann schon bald ein Update, falls Interesse besteht).

Bin mir jedoch noch nicht sicher, ob ich das so leichtfertig tun soll oder vielleicht damit irgendeine errungene mentale Stabilität zerstören würde, da sich alles weitesgehend normalisiert hat in meinem Leben. Zumindest verglichen zu damals. Unzufrieden bin ich nach wie vor. Aber es ist okay. Gespannt wäre ich schon, eben weil mir diese positiven Aspekte manchmal so sehr fehlen. Es besteht eine unfassbare Lust, aber wie gesagt, warte ich irgendwie noch auf eine Art Auslöser dafür, weil ich an sich echt stolz bin jetzt so ohne weiters darauf verzichtet zu haben.



Vielen Dank natürlich für das Lesen an der Stelle.

Ich hoffe, ich konnte besagten Einblick in die untiefen Tiefen der Denkmasse einer (Ex-)Konsumentin gewähren, und dass es nicht zu viel, zu verwirrend, oder zu anstrengend zum Nachvollziehen war. Denn hier hört der Film auf.