Tripbericht lesen
Übersicht:
Titel: | Meine Zeitreise / Plateau Sigma |
Drogen: | DXM |
Autor: | iter animae |
Datum: | 04.06.2012 14:59 |
Set: | Sehr schlecht drauf, eigentlich nicht in der Verfassung, DXM zu nehmen |
Setting: | Erst in der Schule, dann bei einem Freund und am Ende zu Hause |
Nützlichkeit: | 8,86 von 10 möglichen (80 Stimmen abgegeben) |
Bericht:
"I’ve been very hopeful so far
Now for the first time I think we’re going wrong
Hurry up and tell me this is just a dream
Could we start again, please? "
— Jesus Christ Superstar
Vorab ein paar Informationen zu mir: Ich bin sehr dünn für meine Größe, und zum Zeitpunkt des Trips war ich noch dünner. Ich wog etwa 52 kg bei einer Größe von 1,84 m. Außerdem hatte ich an dem Tag, abgesehen von der Gelatine der Kapseln, keine Nahrung zu mir genommen. Das sollte erklären, warum eine relativ geringe Dosis bei mir so eine starke Wirkung hatte. Des Weiteren möchte ich bereits im Voraus explizit darauf hinweisen, dass alles, was ich am beschriebenen Tag gemacht habe, ein riesiger Fehler war. Ich war zu diesem Zeitpunkt psychisch angeschlagen und somit eigentlich nicht in der Verfassung, überhaupt irgendetwas zu nehmen – und schon gar nicht DXM in dieser Dosierung. Doch selbst Leuten, die in der Blüte ihres Lebens sind würde ich davon abraten, eine solche Erfahrung zu provozieren, da sie wirklich eine starke psychische Belastungsprobe ist.
Damit ihr auch verstehen könnt, wie es zu diesem Fehler kommen konnte, möchte ich noch kurz erklären, was zu diesem Zeitpunkt der Hauptgrund für meinen DXM-Konsum war: Ich nenne es "das Fliegen". Es ist der Zustand, in den ich immer kurz vor, auf und kurz nach dem Höhepunkt des Trips gerate. Ich setze oder lege mich, wenn ich spüre, dass es losgeht, meistens irgendwo hin, schließe die Augen und höre Musik. Dann fühle ich mich, als wäre ich vollkommen frei von Schwerkraft und würde langsam in den Himmel abheben und die Tiefen des Universums erkunden. Jeder Trip, auf dem ich nicht "flog", war damals für mich ein vergeudeter Trip.
Nun aber zum eigentlichen Tripbericht: Wie die meisten meiner Drogenerfahrungen begann auch diese in der Schule. Es war in einer Zeit, in der in meinem Leben einfach alles drunter und drüber ging und so war der Unterricht wirklich das Letzte, worauf ich mich konzentrieren konnte. Gleichzeitig war es auch eine Zeit, in der ich sehr unverantwortlich mit Rauschmitteln aller Art umging. Also war natürlich mein erster Gedanke, einfach den Rest vom Unterricht zu schwänzen und mir stattdessen irgendetwas zu Gemüte zu führen, was mich meine Sorgen für ein paar Stunden vergessen lassen würde. DXM erschien mir perfekt – ich hatte Lust, mir einfach eine Schachtel Hustenstiller aus der Apotheke zu holen, Musik zu hören, die Augen zu schließen und zu spüren, wie mein Verstand durch die Weiten des Universums fliegt.
In der Pause unterbreitete ich einem Freund, Simon, meinen Plan. Gemeinsam beschlossen wir, uns erstmal eine Schachtel zu holen, sie uns vor der sechsten Stunde zu teilen und nach der Schule zu ihm zu gehen. Da wollten wir dann nach Bedarf nachwerfen (Simon hatte einige Schachteln DXM zuhause). Gesagt, getan: Nach der fünften Stunde trafen wir uns auf dem Klo und spülten je 300mg DXM runter. Die Sechste verlief noch normal, erst als ich aus der Schule ging, also gegen 13:00, spürte ich das erste Anfluten der Wirkung. Damit begann der wohl intensivste DXM-Trip meines Lebens.
Simon hatte schlechte Nachrichten: Ihm war eingefallen, dass er noch mit seinen Eltern essen musste, bevor ich kommen konnte. Da ich erwartete, dass er maximal eine halbe Stunde brauchen würde, beschloss ich, nicht nach Hause zu gehen und stattdessen mit Pascal, der ebenfalls zu ihm kommen wollte, vor seinem Haus zu warten. Wir vertrieben uns die Zeit damit, ein bisschen rumzulaufen und zu reden. Während des Gesprächs merkte ich, wie das DXM immer mehr zu wirken begann. Allerdings kam die Wirkung nicht über ein gewisses Niveau heraus – ich fühlte mich, wie wenn ich betrunken wäre. Das war ja auch klar, ich hatte schließlich nur zehn Kapseln geschluckt.
Letztendlich wurde es 15:00 bis wir endlich zu Simon reindurften. Während ich mit Pascal die Zeit totgeschlagen hatte, hatte ich natürlich den Höhepunkt des Trips und damit das Fliegen verpasst. Um 15:20, also ungefähr drei Stunden nach Einnahme der ersten Kapseln schmiss ich nochmal zwölf nach, sozusagen um den Trip zu reaktivieren und noch einmal die Möglichkeit zu haben, zu fliegen. Auch Simon warf noch zwölf Kapseln ein.
Aber das Fliegen kam nicht wieder. Wir saßen in Simons Zimmer und hörten Musik. Ich spürte, wie die Wirkung der neuen Kapseln immer stärker wurde und schloss immer wieder zwischendurch die Augen, aber das Gefühl der Freiheit und der Unantastbarkeit, das ich mir davon erhoffte, wollte einfach nicht kommen. Als ich es gegen 17:30 immer noch nicht spüren konnte, beschloss ich, noch einmal neun Kapseln nachzuwerfen. Einfach, um heute vielleicht doch noch fliegen zu können. Dass ich die Kapseln genau so dosiert hatte wie es Leute tun, die auf Plateau Sigma gelangen wollen, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.
Wieder schloss ich die Augen, doch das Fliegen kam nicht. Es wollte einfach nicht mehr kommen. Auch die Wirkung der letzten Dosis ließ auf sich warten, ich merkte, wie mein Trip langsam wieder abklang.
Und dann, als ich gar nicht mehr damit rechnete, überkam es mich einfach. Die letzten 270 mg entfalteten sich auf einen Schlag. Ich hatte das Gefühl, immer tiefer in das Sofa zu sinken, langsam in sein Polster einzutauchen. Dann folgte eine kurze Phase, in der ich mich irgendwo zwischen meinen Gedanken und der Realität befand. Was genau ich da erlebt habe, weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur, dass ich irgendwann wieder aus dem Sofa auftauchte.
Und plötzlich war das Zimmer voller Leute. Ich war nicht fähig, sie zu zählen, aber es waren auf jeden Fall nicht nur Simon und Pascal im Raum. Ich erkannte die neu Hinzugekommenen auch nicht. Es war einfach viel zu dunkel, sie waren nur Schattengestalten. Ich wollte zu ihnen gehen und versuchte mehrere Male, vom Sofa aufzustehen. Es gelang mir nicht. Kaum war ich aufgestanden und zwei Schritte gegangen verschwamm mein Blickfeld komplett und das nächste, was ich registrierte, war, dass ich wieder auf dem Sofa saß. Das geschah wieder und wieder. Irgendwann kam mir der Gedanke, dass ich auf diesem Sofa gefangen war. Und damit begann der Wahnsinn.
Ich fühlte mich unglaublich unwohl in meiner Haut. Mehr und mehr steigerte ich mich in den Gedanken rein, dass ich es heute übertrieben hatte und von diesem Trip nie wieder runterkommen würde. Das ist natürlich das Dümmste, was man in so einer Situation tun kann: Ich begann, panisch zu werden. Mein Herz pochte wie verrückt. Mir wurde heiß, alles an meinem Körper begann, unerträglich zu jucken.
In meiner Panik erschien mir nur eines logisch: Ich kauerte mich auf dem Sofa, meinem gepolsterten Gefängnis, zusammen und schloss die Augen. Ich versuchte zu meditieren, an nichts zu denken, meinen Kopf frei zu kriegen. Doch es funktionierte nicht. Mein Kopf schien von wirren Gedankenfetzen schier überflutet zu sein, es war mir unmöglich, mich auf irgendetwas zu konzentrieren oder auch nur einen klaren Gedanken zu fassen.
Ich hörte plötzlich eine Stimme, die meinen Namen rief. Ich öffnete die Augen und erschrak: Eine der Schattengestalten stand direkt vor mir. Ich sah sie genau an. Langsam erkannte ich ihr Gesicht. Es kam mir bekannt vor, doch ich konnte es niemandem zuordnen. Die Schattengestalt fragte mich, ob alles in Ordnung sei. Als Reaktion auf diese Frage kippte ich nach hinten um.
Ab da habe ich ein Blackout. Ich weiß nicht, ob ich mich einfach nicht erinnern kann, oder ob ich tatsächlich im Koma lag. Ich weiß nur, dass ich irgendwann meine Augen öffnete und plötzlich alles ganz klar war.
Mit "klar" meine ich nicht, dass ich plötzlich wieder nüchtern war. Nur das Chaos in meinem Kopf, das mich so verrückt gemacht hatte, war wie weggeblasen.
Jeder kennt diese traumartigen Sequenzen, die ganz plötzlich kommen und in denen einem alles – ganz ohne Drogen – komplett unreal vorkommt. Genau so fühlte ich mich. Ich nahm meine Umgebung komplett klar wahr, aber ich hatte keinen Bezug zu ihr. Es war, wie wenn ich einen Film über mein Leben anschauen würde.
Die Leute im Zimmer waren keine Schattengestalten mehr, alles war heller. Ich erkannte jeden Einzelnen der Anwesenden problemlos. Von irgendwo her kam eine majestätische Musik. Im Nachhinein erfuhr ich, dass Simon einfach eine "Jesus Christ Superstar"-Platte aufgelegt hatte, aber in diesem Moment kam es mir so vor, als würde die Melodie in meinem Kopf und nicht im Zimmer spielen.
Tobi, die Schattengestalt, die vorhin vor mir gestanden war, kam wieder zu mir. Er fragte mich, ob wieder alles in Ordnung sei und ob ich Hilfe bräuchte. Ich lehnte dankend ab und sagte, dass alles ok sei.
Und in diesem Moment traf mich fast der Schlag: Ich hatte das alles schon einmal erlebt. Ich war schon einmal genau so in diesem Zimmer gesessen, Tobi hatte mir genau diese Frage gestellt und ich hatte genau diese Antwort gegeben. Ich sah rüber zu Simons Tisch. Dort hatte gerade jemand die Bong umgekippt. Auch das kam mir so unglaublich bekannt vor. Ich hatte das Gefühl, all das schon zu kennen.
Da kam mir eine Erklärung dafür den Kopf, die mir so sinnvoll erschien, dass ich von ihrer Richtigkeit und Unumstößlichkeit sofort felsenfest überzeugt war: Ich war klinisch tot und erlebte einen Tag aus naher Vergangenheit noch einmal. Um wieder in mein Leben zurückzukehren musste ich den Tag noch einmal komplett durchspielen.
Ich sah auf die Uhr: 21:00. Höchste Zeit, nach Hause zu gehen!
Ich verabschiedete mich von allen Anwesenden. Jeder ermahnte mich, lieber da zu bleiben, weil ich so fertig aussah. Aber ich wusste, dass mir nichts passieren würde, wenn ich jetzt nach Hause ging – ich hatte schließlich alles schonmal erlebt. Auch auf die Angebote, mich nach Hause zu begleiten, ging ich nicht ein.
Der Weg nach Hause war unglaublich. Immer noch fühlte es sich an, als würde ein Film vor meinen Augen ablaufen, den ich schon einmal gesehen habe, aber an den ich mich nicht mehr so genau erinnere. Es war nicht so, dass ich den großen Überblick über den gesamten Abend hatte, aber ich hatte immer das Gefühl, etwa fünf Sekunden in die Zukunft sehen zu können: Wenn etwa eine Katze über die Straße lief, dann hatte ich sie bereits kommen sehen.
Körperlich fühlte ich mich zwar fit und nüchtern, aber tatsächlich muss ich wie ein Vollbetrunkener getorkelt sein – denn als ich vor meiner Haustür stand und gerade den Schlüssel ins Schloss stecken wollte, brach ich zusammen. Meine Eltern fanden mich, als sie die Tür öffneten, schlafend im Schnee vor unserem Haus liegend vor, was sie natürlich vermuten ließ, dass ich mal wieder vollkommen zu war.
Sie fragten mich, nachdem sie mich aufgeweckt hatten, wo ich gewesen sei. Diese Frage war natürlich kein Problem für mich: "Ich war beim Alex". Ja, ich hatte, nachdem ich wieder aufgewacht war, den gesamten Tag vergessen. Meine Erinnerung hatte sich komplett durch eine andere ersetzt: Ich war der Meinung, an dem Tag, den ich gerade neu durchlebte, nicht bei Simon sondern bei Alex gewesen zu sein und statt DXM Alkohol zu mir genommen zu haben. Genau so erklärte ich es, lallend und taumelnd, meinen Eltern. Doch aufgrund meiner tellergroßen Pupillen nahmen sie mir nicht ab, dass ich nur getrunken hatte.
Da ich ihnen natürlich keine andere Information geben konnte, ich hatte schließlich nicht nur alles vergessen, sondern sogar präzise Erinnerungen an meinen Tag bei Alex, waren sie der Meinung, ich würde sie anlügen. Sie taten folglich das Vernüftigste: Sie riefen Alex an und fragten, ob ich tatsächlich bei ihm gewesen sei. Der schaltete schnell, da er dachte, ich würde sie anlügen und er müsste mich decken, und antwortete, dass ich tatsächlich den ganzen Tag bei ihm verbracht hätte.
Meine Eltern waren natürlich ein bisschen skeptisch, aber sie sagten mir, ich solle mich ins Bett legen und erstmal ausschlafen.
Als ich in meinem Zimmer war, war ich immer noch überzeugt davon, tot zu sein. Ich war gespannt, wo ich aufwachen würde, wenn ich jetzt einschlief. Doch dann vibrierte mein Handy. Eine SMS von einem der Anwesenden in Simons Zimmer war gekommen. Sie fragten mich, ob ich gut nach Hause gekommen war.
Und plötzlich waren alle Erinnerungen wieder da. Wie ich vor Simons Haus darauf gewartet hatte, endlich reinzukommen, wie ich das erste Mal nachgeworfen hatte. Und wie dann die traumartige Sequenz begonnen hatte, in der ich mich gerade befand – aber nicht bei Alex, sondern bei Simon. Das machte mich stutzig. Ich sah noch einmal auf mein Handy und fand ein weiteres Indiz dafür, dass meine Erklärung für die Erfahrung, die ich gerade durchlebte, nicht richtig sein konnte: Da war ein Hintergrundbild, das an dem Tag, den ich glaubte zu erleben, noch gar nicht existiert hatte.
All das ließ mich an meinem Verstand zweifeln. Zu allem Überfluss kam jetzt auch noch meine Schwester in mein Zimmer (Sie ist Ärztin). Sie leuchtete mir in die Augen. Meine tellergroßen Pupillen bewegten sich keinen Millimeter. Sie fragte mich, was ich genommen hätte. Um meine Familie nicht zu beunruhigen, blieb ich bei meiner Geschichte von vorhin und sagte ihr, ich hätte Vodka getrunken. Da sie mir das nicht glaubte, erzählte ich ihr, dass ich zusätzlich noch ein bisschen was geraucht hätte. Das glaubte sie mir allerdings auch nicht und telefonierte noch bei meinen Freunden rum, um die Wahrheit herauszufinden, aber davon bekam ich nicht mehr viel mit. Irgendwann fiel ich in mein Bett und schlief sofort ein.
Als ich am nächsten Morgen erwachte war ich alles, nur nicht nüchtern. Normalerweise bin ich am Tag nach einem DXM-Trip noch ein bisschen verspult, aber sonst klar im Kopf. An diesem Tag fühlte ich mich noch wie mitten in einem Plateau 3-Trip.
Trotzdem ging ich in die Schule, auch wenn ich vom Unterricht nicht sehr viel mitbekam. Erst am späten Abend war ich wieder einigermaßen nüchtern.
Ich habe mehrere Tage gebraucht, um dieses Erlebnis vollständig zu verarbeiten. Schon oft habe ich versucht, es aufzuschreiben, aber erst jetzt, mehr als ein halbes Jahr später, ist es mir halbwegs – wenn auch mehr schlecht als recht – gelungen. Die größte Schwierigkeit war es, einen distanzierten Blick auf das Ganze zu bekommen, den ich wohl immer noch nicht habe. Wenn ich die Erinnerung an diesen Tag abrufe ist es immer so, als würde ich ihn noch einmal erleben.
Trotz allem habe ich den Trip nicht als Horrortrip, sondern als einzigartige Erfahrung in Erinnerung, die mir gezeigt hat, wie relativ eigentlich unsere Wahrnehmung ist. Nie musste ich deutlicher erkennen, dass unser ganzes Leben eine große Illusion ist, die sich sehr einfach verändern lässt.
Ich kann, obwohl ich das Erlebnis nachträglich positiv bewerte, wie bereits eingangs erwähnt niemandem raten, so eine Erfahrung herauszufordern. Wer es trotzdem wagen sollte, der sollte nie den gleichen Fehler machen wie ich und sich auf seine Wahrnehmung verlassen. Denn wenn die gestört ist, ist der Verstand das Einzige, auf das man hören sollte.