Tripbericht lesen

Übersicht:

Titel:Transhumanismus oder Freude an der bloßen Realität
Drogen:Mischkonsum von LSD, Speed, GHB und Ketamin (Reihenfolge vom Autor festgelegt)
Autor:wallowinmaya
Datum:08.01.2013 18:18
Set:Gut gelaunt, voller Vorfreude und ein wenig aufgeregt.
Setting:An einem warmen Sommertag auf dem Goa-Festival \"Ozora\".
Nützlichkeit:8,60 von 10 möglichen   (30 Stimmen abgegeben)

Bericht:

Warum nehme ich überhaupt psychedelische Drogen? Nun, in den letzten Jahren habe ich ziemlich viel gelesen, was dazu geführt hat, dass ich meine Weltanschauungen so oft gewechselt habe, wie andere ihre Kleidung. Doch seit ca. 1 Jahr ist mein Weltbild relativ konstant geblieben und ich bin auf keinerlei fundamental neue Erkenntnisse gestoßen. Das zeigt vielleicht nur, dass ich ein epistemisches Optimum erreicht habe. Oder aber, dass ich alt, stur und konservativ geworden bin. Da ich mich vor solch einer intellektuellen Stagnation fürchte, will ich mein Gehirn ein bisschen aus dem Trott bringen und vielleicht so neuen Lebensmut finden (ein weiterer Grund). Und was wirft einen mehr aus der Bahn als ein ordentlicher LSD-Trip?

Im August bin ich nach Ozora gefahren, ein Goa-Festival voller Hippies und Drogen, d.h. genau mein Ding. Es war mein allererstes Festival, zu dem ich auch noch ganz alleine gefahren bin. Überdies habe ich in meinem Leben vielleicht 5 Goa-Lieder gehört, die mir nicht einmal sonderlich gefallen haben. Es sollte sich aber doch als eine der besten Ideen meines Lebens entpuppen, nach Ozora zu fahren.

Genug dem beschreibenden Vorgeplänkel, gleich am Abend des ersten Tages, so gegen 20 Uhr, nahm ich eine Pappe mit einem Typ, den ich seit ca. 10 Stunden kannte. Wir verstanden uns allerdings ziemlich gut, nicht zuletzt deswegen, weil wir beide Psychologie studieren und beide sehr angetan von psychedelischen Drogen sind. Nennen wir ihn L.
Nach ungefähr einer Stunde begann das LSD zu wirken und ich begann leichte Halluzinationen zu bekommen, sowie Muster auf den Gesichtern mancher Menschen zu sehen. Alles in allem fühlte ich mich ziemlich wunderbar, wenn nicht sogar überwältigt von den tanzenden Menschenmassen, der gewaltigen Öffnungszeremonie mit allerlei Feuerkünstlern und natürlich der trance-induzierenden Goa-Musik. Ich war irgendwie mehr und mehr in der Lage die Musik auf einer tieferen Ebene zu verstehen. Musikalisch talentierte Menschen nehmen Musik wahrscheinlich immer auf diese Weise wahr. Beneidenswert.

Inzwischen veränderte sich auch meine Körperwahrnehmung. Ich habe meinen Körper noch nie auf solch eine klare, intensive und rohe Art gespürt. Somit tanzte ich natürlich derart exaltiert, ausgelassen und - man mag mir meine Arroganz verzeihen - ästhetisch wertvoll wie noch nie in meinem Leben. Die Effekte wurden nun immer stärker und stärker. Die Gesichter der Menschen waren nicht mehr nur von leichten Mustern gezeichnet, sondern sahen aus wie die von Untoten, wenn ich nicht genau hinsah. Zudem fing die ganze Umgebung leicht zu morphen an. Also den nächsten halben Pappen gesnackt.

Auch meine grundlegende psychische Verfassung begann sich irgendwie zu verändern. Normalerweise fühle ich mich immer ein wenig von anderen abgegrenzt und distanziert, nicht wirklich dazu gehörig. Zudem etwas kühl und desinteressiert, böse Züngen würden von Zynismus sprechen. Aber nun wurde ich immer euphorischer und aufgeschlossener. Ich begann mehr und mehr den Augenblich zu genießen und mich am reinen Existieren zu erfreuen. Meine Wahrnehmung war nicht wie sonst von dieser leichten, misanthropen Apathie getrübt. Außerdem fühlte sich Tanzen mit diesen freundlich-extravaganten Menschen viel erhabener und echter an, als das aufgesetzte Herumgehupse mit den oberflächlich-hedonistischen Massen der meisten Mainstream-Clubs. Ach, es ist schwer in Worte zu fassen. (Lustige Tatsache am Rande: In einer auf dem Festival verteilten Drogenbroschüre, die die Effekte vieler Drogen detailliert beschrieb, stand zu LSD nur: Die Effekte sind schwer zu beschreiben, ziemlich mächtig und variieren stark. Meine Rede.)

Wie dem auch sei, so langsam verschwanden die Halluzinationen nicht mehr, selbst wenn ich genau hinsah. Nein, manche Menschen sahen einfach aus wie wahrhaftige Untote. Nicht, dass ihr mich falsch versteht. Ich war überhaupt nicht verängstigt, im Gegenteil, wahrscheinlich so euphorisch und verzaubert von dieser Welt wie in meinem ganzen Leben noch nicht. Aber ganz nach dem Motto "Wenn im Zweifel, nimm mehr" warf ich noch einen halben Pappen hinterher. Man lebt ja nur einmal.

Daraufhin hab ich mit A., einem Typen, den ich auch erst seit ca. 10 Stunden kannte, Essen geholt. Wir redeten über die Machbarkeit des Kommunismus, - wir betreten nun etwas intellektuellere Gefilde - inspiriert durch den freundlichen und gemeinschaftlichen Vibe, den ein solches Hippie-Festival nun einmal vermittelt. Natürlich fing ich sofort damit an die Vorteile des Transhumanismus (=Befürwortung der Verbesserung menschlicher Fähigkeiten, wie z.B. Intelligenz oder Moralität, auch durch technologische Mittel) zu predigen, da meiner bescheidenen Meinung nach die menschliche Natur in ihrer jetzigen Form nicht mit solch politischen Utopien wie dem Kommunismus kompatibel ist. Dass ich mich für die Veränderung des menschlichen Genoms und die Erschaffung superintelligenter, künstlicher Intelligenzen aussprach, während ich auf ziemlich viel LSD trippte, wirkte sich wahrscheinlich nicht gerade positiv auf meine Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft aus, insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass A. vollkommen nüchtern war, aber ich glaube, er stimmte mir doch in den meisten Punkten zu. Aber wenn man so eloquent ist wie ich, kann man sich anscheinend auch auf 2 Pappen LSD verständlich artikulieren. Haha

Daraufhin sind wir zur Chillout Stage gegangen, wobei man sich durch den Namen nicht täuschen lassen sollte. Die Musik war wahrscheinlich immer noch 130 bpm schnell, zwar deutlich weniger als die 190 bpm der Main Stage, aber dennoch. Raver sind hart im Nehmen, was das Tanzen angeht.
Leider muss ich gestehen, dass mich dieses ganze Friede-Freude-Eierkuchen Getue langsam anzuwidern begann. Die ganzen Hippies, die sich dauernd liebkosten und umarmten waren einfach zu viel für die misanthropisch-zynischen Teile meiner Persönlichkeit. Und dieses ganze mystische Harmoniedenken im Sinne von Wir-sind-alle-ein-Bewusstsein-und-Böses-gibt-es-nicht ging mir auch auf den Sack. Wie vieler dieser harmoniesüchtigen Friedensjunkies wissen von den abgründigen Wahrheiten evolutionärer Psychologie oder haben schon einmal über existentielle, d.h. das Überleben der Menschheit bedrohende, Risiken nachgedacht? Ich fühlte mich alleine (ich war es ja auch, wahrscheinlich einer der Gründe, warum ich die obigen Gedanken hatte, wenn ich ehrlich bin), unverstanden und dachte mir, dass ich der einzige Atheist mit materialistisch-reduktionistischer Weltsicht auf diesem ganzen, verdammten Festival war. Was der Wahrheit wahrscheinlich erschreckend nahe kommt. Aber die Lösung war klar: Mehr Drogen.

Ich lief also zu meinem Zelt und holte mir GHB, das mich nach 10-20 Minuten auch gleich wieder in eine euphorische und sozialere Stimmung brachte. Die perfekte Mischung zu GHB ist natürlich die richtige Menge an Amphetamin, da es einen wach und energisch macht, und mir die Kraft für den kommenden Tanz-Marathon gab. Ich begab mich wieder auf die Tanzfläche und fühlte mich ausgesprochen glücklich. Ich hatte synästhetische Erlebnisse und begann manche Töne irgendwie zu sehen, ich kann das heute gar nicht mehr nachvollziehen. Außerdem sah ich überall Muster und Farben, die sich im Takt zum Beat der Musik bewegten und ich mein Körper bewegte sich wie von alleine.
Nicht weit entfernt tanzte ein Mädchen mit engelsgleicher Anmut, die mir einfach den Atem raubte. Ich bin beileibe kein PUA, wohl eher das Gegenteil, und daher fiel es mir selbst mit diesem Drogencocktail im Blut schwer, mich ihr auch nur zu nähern. Aber ich überwand mich und begann neben und mit ihr zu tanzen. Das alleine versetzte mich schon fast in Ekstase. Zudem bot ein Typ neben mir auch noch ein wenig Ketamin an, das ich, weil ich ja noch nicht so viele Drogen intus hatte und Mischkonsum immer gesund ist, auch sofort aus der Kuppe seines ziemlich langen Fingernagels zog. Jetzt fing der Spaß natürlich erst richtig an.

Ich assoziierte das Festival und seine Bewohner nicht mehr mit hohlem Hedonismus, sondern sah im Tanzen die höchste Form menschlicher Ausdrucksweise. Beim Tanzen kann man die Freuden unserer Existenz am besten würdigen, denn bei ihm werden alle Sinnesmodalitäten beansprucht und man kann all seine motorischen Fähigkeiten zur Gänze ausnutzen. Ich erfuhr ganz neue Bewusstseinszustände und erhaschte vielleicht einen kleinen Einblick auf die Möglichkeiten, die die Zukunft bringt. Nach der Singularität. Die glorreich-fantastische Welt posthumaner Wesen.

Der Glaube an ein langweilig-materialistisches Universum, in dem Magie und Übernatürliches keinen Platz hat, erschien mir jetzt nicht mehr so trist und kalt. Auf einmal verstand ich, dass man auch in so einer Welt an und für das Gute glauben und kämpfen kann. Sicher, wir sind nur eine gewaltige Ansammlung von Elektronen und Protonen, ohne transzendenten Sinn oder Bedeutung. Aber ist gerade diese Tatsache nicht verblüffend? Wir sind nur Staub im Wind, aber wenn ein Haufen Elementarteilchen in der richtigen Anordnung solch große Verzückung erleben kann, folgt daraus nicht, dass die Freude selbst quasi inhärenter Bestandteil unseres Universums ist? Man braucht keine übernatürlichen Zusatzpakete wie eine Seele oder dergleichen Späße, um Glückseligkeit zu erfahren. Nein, die Naturgesetze und die Physik reichen vollkommen aus. Dies zu erkennen und das Leben trotz all des Leidens und der ultimativen Sinnlosigkeit zu zelebrieren, am besten mit einem ähnlich erleuchteten Menschen des geeigneten Geschlechts, ist der Höhepunkt der Revolte gegen die Absurdität unserer Existenz.

(Apropos, um hier auf das Mädchen von vorhin zurückzukommen: Nachdem ich mit ihr noch mehrere Stunden getanzt und in dieser Zeit wahrscheinlich die schönsten Stunden meines Lebens erfahren durfte, bin ich mit ihr auch noch ins Gespräch gekommen. Nachdem wir uns länger unterhalten hatten, ist sie allerdings müde geworden, woraufhin ich sie zu ihrem Zelt begleitet und... nie mehr wieder gesehen habe. Gott, ich will mir heute noch mein feiges Gehirn aus dem Schädel ballern, wenn ich an diese verpasste Chance denke. Ich habe in den nächsten Tagen nicht einmal versucht, sie in ihrem Zelt zu besuchen! Jungs, wenn ihr ein Mädchen seht, bitte, um der Liebe süßer Katzen willen, sprecht sie an. Das Schlimmste, das euch passieren kann, ist eine Zurückweisung. Aber wenn ihr sie nicht ansprecht, wird euer zukünftiges Leben von unerträglichem Bedauern, erdrückender Verzweiflung und nie enden wollender Einsamkeit bestimmt. True story.)

Okay, vielleicht etwas übertrieben, aber weiter in unseren philosophischen Betrachtungen. In dieser Zeit wurde mir auch klar, dass eine naturalistische Metaethik nicht notwendigerweise blanken Hedonismus impliziert. Man braucht keine übernatürliche Rechtfertigung dafür, um sich z.B. nicht in eine Erfahrungsmaschine a la Nozick (~man lebt in einer virtuellen Realität und führt sein Traum-Leben, im wahrsten Sinne des Wortes) zu setzen. Wenn man dies tut, ist man letztendlich alleine. Man weiß es zwar nicht, aber man ist es und das ist traurig.

"Happiness is only real, when shared".

Ich will nicht alleine sein und möchte, dass meine Ansichten und Emotionen der Wirklichkeit entsprechen. Dies sind einfach fundamentale Werte von mir, so einfach ist das.

Das waren einige der Gedanken, an die ich mich noch erinnere. Natürlich kommt mir die Argumentation im nüchternen Zustand nicht annähernd so überzeugend vor, wie damals, aber ich glaube, dass ich seit Ozora wirklich etwas besser mit einer reduktionistischen Weltsicht klar komme. Es gibt keine logischen Argumente, die einen davon überzeugen können, dass das Leben auch in solch einer Welt lebenswert ist. Manche Menschen müssen einfach an etwas Höheres, an etwas Transzendentes glauben, so ist ihre Psyche nun einmal beschaffen. Und auch ich sehne mich nach Sinn. Aber LSD kann einem wahrscheinlich dabei helfen, seine eigene psychische Verfassung in solch einer Weise zu ändern, dass man auch in unserem, manchmal allzu trostlos und finster scheinendem, Universum halbwegs glücklich sein kann.