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Titel:Meine Wahrheit
Drogen:Mischkonsum von LSD, Cannabis, Alkohol und Tabak (Reihenfolge vom Autor festgelegt)
Autor:Minor
Datum:03.11.2013 14:06
Set:Vorfreude, Zufriedenheit
Setting:Wohnung von bestem Freund
Nützlichkeit:9,26 von 10 möglichen   (46 Stimmen abgegeben)

Bericht:

Meine Wahrheit

„Es wohnt Genuss im dunklen Waldesgrüne,
Entzücken weilt auf unbetretener Düne,
Gesellschaft ist, wo alles menschenleer,
Musik im Wellenschschlag am ewigen Meer,
Die Menschen lieb ich, die Natur noch mehr.“
Lord Byron



Es war endlich soweit – ich fühlte mich endlich bereit, um Mutter LSD die Hand zu geben und mich von ihr in ihre Welt führen zu lassen. Ich hatte Zeit meines Lebens sehr großen Respekt vor dieser Droge und eine gute Zeitlang auch die Angst, dass mich LSD ins negative Verändern wird. Diese Angst habe ich über die Jahre verloren, der Respekt ist zum Glück geblieben und hatte sich mit einer tiefen Neugier gepaart.


Set&Setting:
Meinen ersten LSD-Trip wollte ich unbedingt mit meinem besten Freund genießen, dessen Interesse bezüglich LSD ähnlich intensiv ausgeprägt war. Wir mussten die Tickets am Abend des Konsums noch besorgen, was sich als relativ Zeitaufwendig herausstelle, weshalb wir erst gegen halb 11 in seiner Wohnung ankamen. Ich hatte nach kurzer Beratung im Chat noch einige Sachen eingepackt, die uns den bevorstehenden Abend versüßen sollten. Darunter eine LED-Leiste, mit verschiedenen Farbwahlmöglichkeiten, Duftöle, verschiedene Percussioninstrumente, Zigaretten, Gras und Hasch, Bier und verschiedene Nahrungsmittel. Wir verbrachten fast den gesamten Trip in seiner Wohnung, es lief fast durchgehend Musik oder wir spielten selbst welche. Ich war sehr gut gelaunt, als wir endlich ankamen und alles bereit war, um die dunkelblauen Tickets zu teilen und auf der Zunge zergehen zu lassen. Wir nahmen jeder 1,5 Stück, fingen mit einem halben Ticket an und legten je nach einer halben Stunde ein halbes nach.


Der Anfang/Abheben:
In den ersten 1,5 Stunden nach der ersten Einnahme verbrachten wir die Zeit mit Musik, unterhielten uns und spielten ein wenig Musik. Ich spielte auf einem Cajon und mein Freund auf seiner Gitarre, welche noch eine Schlüsselposition des Abends einnehmen sollte. Ich habe mir leider aufgrund meiner Euphorie unglücklich auf ein Fingerglied geschlagen, was meine Möglichkeiten an diesem Abend Musik zu machen deutlich einschränkte, was für mich aber kein Problem darstellte. Nach einer halben Stunde machte sich ein fremdes Körpergefühl breit, welches sich wie ein widersprüchliches Gemisch aus Euphorie, Wohlbefinden, Ruhe und Ekstase anfühlte. In welche unermessliche Höhen sich dieses Gefühl noch potenzieren sollte, wagte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht mal im Ansatz zu vermuten.


...und plötzlich kam das Katapult/Flughöhe:
Ich kann den Zeitpunkt im Nachhinein gar nicht genau bestimmen und mir fehlt leider der Moment in der Erinnerung, als ich dem LSD eine deutliche Wirkung zuschreiben konnte, die nicht normaler Vorfreude zu schulden war. Aber irgendwann kam der Moment, als ich genug vom Musik machen hatte und mich auf die Couch setzte. Davor hatten wir ohne Einflüsse von außen gespielt, bis ich auf die richtungsweisende Idee kam, ein Album an zu machen, welches mich vorher schon so beeindruckt hat, wie kaum eines zuvor. Ich prophezeite meinem Freund, wohl wissend welche Wirkung diese Musik schon im nüchternen Zustand auf mich hatte, dass uns dieses Album ungekaut fressen und wieder auskotzen würde. Ich war der festen Überzeugung – nein ich wusste genau, dass dieses Album genau das Richtige für uns war. Ich lehnte mich zurück und genoss das wohlig-warme Intro, bis ich irgendwann mir unbekannte Geräusche vernahm. Ich schaute mich im Raum um und nahm erst jetzt war, dass mein Freund tranceartig auf dem Boden saß und diese neuartigen Klänge seiner Gitarre entlockte. Sein Sound sprang wie von Sinnen in die Geräuschkulisse des Intros, reichte den Tönen die Hand und tanzte unbeschwert wie ein Kind durch die Töne, Takte und Harmonien, als gäbe es kein Morgen mehr. Der Sound war wie für ihn geschaffen – oder war es doch anders herum? Die Töne im Raum wiegten sich bis zur Ekstase auf, um bei mir einen Zustand völliger Glückseligkeit zu hinterlassen. In diesem Moment wurde mir klar, dass ich noch nie die Ehre hatte, Musik auf eine solche Weise wahrzunehmen. Ich realisierte, dass mich Mutter LSD völlig in der Hand hatte – ich war nun auf meinem ersten Trip abgekommen, LSD hatte mich in eine völlig anderen Bewusstseinszustand katapultiert, welchen ich noch nicht mal im Ansatz voll erfassen konnte. Mein Körper sprudelte über vor Emotionen – eine derartige Intensität von Emotionen habe ich nie zuvor verspüren dürfen. Schon zu diesem Zeitpunkt reifte in mir der Gedanke, dass dieser Abend für mich eine bahnbrechende Erfahren werden sollte.

(Nun erfolgt ein bewusster Wechsel der Erzählperspektive, da dieses Erlebnis für mich erst ab diesem Zeitpunkt richtig eingebrannt und die Erfahrung ab hier immer noch aktuell ist.)

Als sich im Album die Stelle nähert, wo sich viele Dissonanzen und sich viel aufgebaute Spannung abbaut, bin ich fast auf dem Peak. Die optische Komponente des Trips wird immer stärker, alles wabert, Konturen verschieben sich, Gegenstände verschwimmen. Das ist der Zeitpunkt, wo ich eins mit der Musik geworden bin. Ich konnte optisch und haptisch die Musik wahrnehmen, wie sie den Raum erfüllte. Mir offenbart sich die komplette Wahrheit hinter dem Album. Ich kann jedes Stilmittel zuordnen und bin der festen Überzeugung, das Album in all seinen Facetten wahrgenommen zu haben. Dieses Gefühl gleicht an Perfektion, ich bin bis in die letzte Faser meines Körpers gefüllt mit Glück, Freude, innerem Frieden und Gewissheit. Die Töne machen mich so glücklich, dass ich vor überschäumenden Emotionen stöhnen muss – dieses Gefühl ist besser als 20 Orgasmen gleichzeitig, denke ich mir. Das Zusammenspiel zwischen „Harmonia 76 und Brian Eno – Tracks and traces“ und dem experimentellen Gitarrenspiel meines Freundes ist für mich die größte und bedeutendste musikalische Erfahrung meines Lebens. Für mich bedeutet dieses Album die absolute Wahrheit, es gibt mir die Gewissheit, dass ich recht mit der Annahme hatte, dass dieses das tiefgehenste Album ist, was ich jemals gehört habe.
Nachdem das letzte Lied geendet hat, sind wir uns beide einig, grade den schönsten Moment unseres Lebens miteinander zu teilen – es besteht kein Zweifel an der Gültigkeit dieser Aussage. Wir sind beide von erlebten Gefühlen verausgabt und setzen uns aufs Sofa.


Optische Perfektion:
Ich hole meine LED-Leiste raus und schalte sie an. Da im Raum allgemein eher gedämpftes Licht ist, erhellt die Lampe den Raum deutlich. Wo sich bis grade die Wahrnehmung noch auf eine allgemeine Ruhelosigkeit und morphen beschränkt hat, so erreiche ich nun ganz deutlich den optischen Peak. Kaum berührt das Licht die Decke des Raumes, explodiert diese quasi förmlich vor Mustern, Farben und Bewegung. Ich denke so kann man es sich vorstellen, wenn ein von Geburt an Blinder zum ersten Mal das Licht dieser Welt erblickt. Dies zu sehen, ist für mich eine unglaubliche Ehre und erfüllt mich in diesem Moment vollkommen. Die Muster haben die Formel des Lebens inne, da bin ich mir sicher. Schon wieder sticht es mir förmlich in den Kopf, dass ich grade die absolute unveränderte Wahrheit sehe. Die Muster bleiben nie stehen und verändern sich kontinuierlich, was alles nur noch interessanter machte. Wir sitzen geschätzte 1,5 -2 Stunden auf dem Sofa, ohne einen zusammenhängenden Satz zu sprechen. Immer wieder zerreißen Glücksschreie, Wortfetzen oder Stöhnen die ruhige Soundcollage der Musik und erinnern mich daran, dass ich nicht alleine mit der Perfektion der Muster bin. Irgendwann habe ich genug gesehen und setze mich auf, mein Freund erzählt mir etwas, worauf ich gar nicht eingehen kann. Ich habe grade eine Vision, ein dunkelbraunes Gesicht gibt sich unscharf zu erkennen und wird langsam immer schärfer, bis sich ein grinsender Buddha vor meinem Antlitz materialisiert. Er ist da. Er ist echt – das fühle ich, da bin ich mir sicher. Ich frage ihn in Gedanken, was er mir zu sagen hat, aber er grinst nur weiter. Mich verwirrt dieses Nichtssagende dieser Vision, damit kann ich nichts anfangen. Als ich mehr darauf eingehe und tief in die Augen des Buddhas schaue, erkenne ich schlagartig, dass Worte hier völlig fehl am Platz waren. Ein Gefühl überkommt mich, dass ich sicher bin. Alles ist gut und alles wird gut werden – im Großen und ganzen. Diese Gewissheit zurücklassend lässt der Buddha ein Lachen im Raum stehen und verschwindet spurlos. Ich trauere ihm nicht nach, etwas besseres hätte er mir kaum offenbaren können.


Affektive Perfektion gepaart mit Aquarell:
Mittlerweile verläuft der Trip in Schüben, es gibt Situationen, in denen ich vollkommen in meinen Trip involviert bin, aber es gibt auch Momente, die mich relativ klar werden lassen und ich die Chance habe, meinen Trip selbst zu lenken. Ich wechsle die Musik, ich suche mir ein sehr langsames, ruhiges Lied aus. Kaum beginnt es, scheint alles um mich herum zähflüssig zu werden. Die Zeit verläuft so langsam, dass ich fast meine sie sei stehen geblieben. 5 Minuten kamen mir vor wie eine Sekunde oder 2 Tage – ich war unfähig zu sagen wie lange ich schon so da sitze. Zeit spielt keine Rolle mehr – zumal die gedachten Gedanken, die gefühlten Emotionen, die gesehenen Optiken für die nächsten 72 Stunden reichen würden.
Das ist der Moment in dem ich mich zurücklehne und wieder an die Decke schaue. Da ich die LED-Leiste nicht mehr bewege, sind die Muster verschwunden. Jetzt hat sich aber etwas anderes verändert, alles sieht plötzlich so intensiv aus, grade so als wäre alle Materie um mich herum aus Aquarellfarben gemalt, die nie trocknen würden. Die Decke ist immer noch unruhig wie ein Meer aus Farben, alles morpht, atmet, verschwimmt und bewegt sich. Dann sehe ich, wie mein Freund seinen Finger in die Luft reckt und anfängt in die Luft zu schreiben. Ohne zu zögern probiere ich das auch aus und lasse einen Freudenschrei raus, der bis ins Mark geht. Ich kann mit meinem Finger die Konturen verschiedener Flächen ineinanderfließen lassen. Alles um mich herum ist wie eine homogene Masse, die dauerhaft probiert, wieder ihre Ausgangsposition zu finden, jedoch nie still steht. So sitzen wir vollkommen zufrieden eine unbestimmbare Zeit lang auf dem Sofa und geben uns unserer persönlichen Kunst hin.
Diese Optik fasziniert mich so dermaßen, dass ich nun am Höhepunkt meines Glücks angekommen bin. Es kann nichts schöneres, nichts wahreres, nichts vollkommeneres geben. Meine Gefühle erreichen ein Maß an Intensität, dass ich zwischenzeitlich das Gefühl habe, dass ich bald platzen müsse.
Mit dieser Gewissheit, schlage ich vor, raus durch den Regen zu spazieren. Nach einiger Überzeugungsarbeit zieht sich auch mein Freund an und wir wagen den Weg nach draußen. Kaum aus der Tür, starren mich von den verputzten Wänden unzählige Gesichter an. Es sind nicht unbedingt positive Fratzen, jedoch machen sie mir keine Angst. Ich bin total perplex und laufe trotzdem weiter, die machen mir keine Angst – sollen sie halt gucken. Als wir aus dem Innenhof heraus auf die Straße treten und ein paar Schritte laufen müssen, können wir beide nicht mehr. Mittlerweile ist es ca. 5 Uhr morgens, Samstag. Es ist keine Menschenseele auf der Straße und wir müssen erst mal innehalten. Wir erfahren eine Reizüberflutung der Extraklasse, wir sind nur noch am staunen. Alles glitzert, die Regentropfen fallen auf meine Brille und lassen alles noch mehr glitzern. So stehen wir bestimmt 20 Minuten da, rauchen, trinken Bier, bis sich mein Freund entschließt, mich mit an einen abgelegenen Platz mitzunehmen. Der Weg dorthin dauert ca. 10 Minuten bei gemütlichem Tempo. Es ist alles voller Laub, es glänzt, alles ist neblig – alles in allem eine unglaublich Atmosphäre morgens um 5 Uhr auf LSD. Wir gehen auf eine Erhöhung direkt neben den Zuggleisen. Vereinzelt rote Lichter, dazu noch das Wetter - gespenstische Atmosphäre.
Der Trip hat jetzt schon deutlich nachgelassen, was mich jedoch nicht daran hindert die atemberaubende Schönheit der Bäume und Büsche wahrzunehmen. Wir verweilen ca. eine halbe Stunde an dem Platz, philosophieren über den bisherigen Trip und unser Leben und die Gesellschaft. Wir stehen Arm in Arm und merken, wie sehr der gemeinsame Trip unserer Freundschaft gestärkt und untermauert hat.


...irgendwann hat alles ein Ende/Die Landung:
Als ich merke, dass ich gar keine Jacke anhabe und total durchgenässt bin, machen wir uns auf den Heimweg – zum Glück erneut ohne Sichtkontakt zu anderen Menschen zu haben. Wir beschlossen auf dem Weg nochmals raus zu gehen und die Landung mit einer Tüte einzuleiten. Nach einer halben Stunde und viel Gelächter sind wir wieder drinnen. Wir legen uns beide auf die Couch und machen ein letztes Mal ein Album an. Wir sind beide psychisch so verausgabt, dass kaum noch Worte den Weg über unsere Lippen finden. Irgendwann schlafen wir beide ein, ohne dass wir es vorgehabt hätten. Mittlerweile ist es 8 Uhr morgens und wir fallen beide in einen äußerst leichten Schlaf. Nach ein paar Stunden sind wir wieder beide wach, aber zu nichts zu gebrauchen. Wir verbringen den restlichen Tag auf dem Sofa und stehen nur zu Toilettengängen oder zum Essen auf. ca. 20 Stunden nach der Einnahme duschen wir, was uns wieder aus unserem Loch holt. Nun bin ich schlussendlich gelandet, ich bin angekommen in der traurigen Realität. Wir verbringen den Abend noch mit Gras, Filmen, Reden und Musik und schlafen fast genau 24 Stunden nach der Einnahme des ersten halben Tickets ein.

Fazit:
Dieser Tripbericht wird nicht mal im Ansatz dem Erlebten gerecht. Ich habe versucht die wichtigsten Erlebnisse, Gefühle und Situationen so detailliert wie nötig zu beschreiben, aber es ist und bleibt ein Ausschnitt meines Trips. Ich habe einige sehr intime Erkenntnisse und Visionen gehabt, welche zu beschreiben aber den hiesigen Rahmen sprengen würden. Dieser Trip hat mich sehr stark beeinflusst, hat mir die Augen in viele Richtungen geöffnet und meinen Horizont bedeutend erweitert. Es war die schönste Erfahrung meines Lebens, das kann ich ohne zu zögern behaupten. Nichtsdestotrotz habe ich während des Trips gemerkt, wie das Acid an meinen grundfesten Mauern der Wahrnehmung gezerrt hat, ohne diese jedoch einreißen zu können. Das war eine Erfahrung, die meinen Respekt vor LSD nochmals gesteigert hat, jedoch hat mir dies auch das deutliche Potential dieser Droge offenbart. LSD ist für mich ganz klar kein simples Rauschmittel, sondern eine Droge die viel Potential zur Bewusstseinserweiterung, Persönlichkeitsentwicklung und Therapie bietet. Für mich war es essentiell, dass ich meine Angst vor dem Trip restlos ablegen konnte, das hat mir eine deutlich spürbare Leichtigkeit verschafft, während das LSD meine Synapsen zum Tanzen gebracht hat. Ich wünsche jedem Menschen auf dieser Welt so eine Erfahrung wie ich sie machen durfte.

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit, ich hoffe ich konntet einen kleinen Einblick in meine Nacht gewinnen. Für Kritik und Verbesserungsvorschläge bin ich dankbar.

PS: Ich möchte mit diesem Trip niemand ermutigen, LSD zu nehmen, wenn er sich nicht wirklich sicher ist. LSD hat so unglaublich viel in meinem Kopf angestellt, das muss nicht immer gut gehen. Ich kann nur nochmal betonen, dass die innere Bereitschaft und Angstlosigkeit für mich sehr wichtig und essentiell waren.

"Doch Sie haben unrecht wenn sie denken die Freude im Leben würde hauptsächlich aus menschlichen Beziehungen erwachsen. Gott hat sie überall um uns angelegt. Sie steckt überall drin, in allen Dingen die wir fähig sind zu erfahren. Die Menschen müssen nur ihre Sichtweise auf diese Dinge verändern." - Into the wild

Minor