Tripbericht lesen

Übersicht:

Titel:Die Energiewende
Drogen:Codein
Autor:souljacker
Datum:03.06.2014 01:15
Set:Lethargisch & Kraftvoll, Zermürbt & Glücklich
Setting:Zuhause mit vielen rasenden Gedanken
Nützlichkeit:8,67 von 10 möglichen   (52 Stimmen abgegeben)

Bericht:

Ein gewaltiger Zug mit unendlich vielen angekoppelten Containern rast durch meinen Körper. Alles Negative steigt an den verschiedensten Stationen meines Körpers in diesen Zug ein und wird abtransportiert. Meine Gelenke und meine Muskeln entspannen sich und in meinem Kopf angekommen zieht mein Geist nach. Alle Sorgen, Ängste und Verwirrungen verlassen ihr Zuhause und fahren in den Urlaub. Durch die Abwesenheit von allem Negativen fühle ich mich frei und mir ist angenehm warm. Wellen des Glücks durchfluten meine Seele und mein Körper wird von einer tiefen Zufriedenheit umhüllt. Der durch die Verreisenden gewonnene Lebensraum wird jetzt von Kreativität und Genuss bevölkert. Und die beiden sind bekannt dafür richtig fette Einzugspartys zu feiern.

Aber der Zug verlässt den Körper nie. Irgendwann geht ihm die Energie aus und er bleibt am nächsten Bahnhof stehen. Vollbeladen. Er braucht neue Rohstoffe, um wieder weiter zu fahren und seine noble Tat fortzuführen. Heute ist Codein mein Zugführer. Er fährt sehr vorsichtig und bedächtig, weiß aber genau wo seine Passagiere schon am längsten warten und er am meisten gebraucht wird. Zielstrebig steuert er diese Stationen an. Er wird aber sehr schnell müde und rastet auch mal am Bahnhof. Dann ist Zeit für einen Schichtwechsel im Führerstand. Damit der Zug am Rollen bleibt.

Klingt doch nach einer super Sache. Aber wie bei allen Transportmitteln gibt es auch hier einige nicht unerhebliche Probleme. Die Zugführer wollen bezahlt werden, sie machen diesen harten Job ja verständlicherweise nicht zum Spaß. Sobald sie kein Geld mehr bekommen steht der Zug still. Und wenn der Zug eine längere Zeit an einem Bahnhof stehen bleibt merken die Passagiere sehr schnell, dass es für sie wohl doch nicht in den langersehnten Urlaub geht und steigen enttäuscht wieder aus. Mit traurig müdem Blick kehren sie in ihre alte Heimat zurück. Sie sind am Boden zerstört. Diese Zugfahrt klang so vielversprechend. Eine Win/Win Situation sowohl für sie, als auch für ihre Heimat. Aber es sollte wohl doch nicht sein. Wäre ja auch zu einfach gewesen.

Ich habe gerade genug Geld die Zugführer zu bezahlen, deswegen muss ich mir darum keine Gedanken machen. Aber die Gewerkschaft der Zugführer sitzt mir schon im Nacken. Diese geldgeilen Schweine fordern ständig mehr Entlohnung bei gleichzeitiger Verkürzung ihrer Arbeitszeit. Mit gezieltem Lobbyismus schafft es die Gewerkschaft, dass die korrupte Regierung in meinem Gehirn letztendlich nachgibt. So können sie ihre Forderungen sehr oft durchsetzen. Wieso erlassen die da oben nicht mal eine Gesetzesänderung, die solch eine unethische politische Partizipation verbietet? Muss ich mich wahrscheinlich selber drum kümmern und politisch aktiv werden.

Dazu kommt die allgegenwärtige Möglichkeit eines schlimmen Verkehrsunfalls. Wenn der Zug in meinem Körper entgleist, dann können dabei viele Unschuldige getötet und ganze Landschaftsstriche komplett zerstört werden. Und seine unsterblichen Fahrgäste wären so schockiert, dass sie an ihrem Schicksal zu Grunde gehen würden. Sie würden in ihrem ewigen Dasein alles um sich herum mit ins Nichts reißen.

Früher gab es solche Probleme nicht. Die Risiken dieses Transportmittels haben sich erst mit der Zeit entwickelt. Die Schienen auf denen der Zug seinen Weg durch meinen Körper antritt sind verrostet. Die Mentalität der Zugführer hat sich verändert. Oder vielleicht eher das Umfeld, in dem sie in ihrem Leben sozialisiert werden. Außerdem sind die Urlaubsziele immer diffuser geworden. Früher waren die Züge eigentlich immer pünktlich wenn sie dann am Ziel angekommen waren, sind die Passagiere als glückliche neue Elemente wieder ausgestiegen. Die magische Fahrt hatte die Macht sie zu verändern und in etwas Positives zu verwandeln.

Diese Problematik stellt mich zwangsläufig vor die Aufgabe, die Infrastruktur meines Körpers nachhaltig zu verändern. Zu dieser Thematik finden nun im Kabinett des Kopfes immer häufiger sehr intensive politische Grundsatzdebatten statt. Die Zeit für einen Umschwung ist gekommen. Die ökologische Energiewende zugunsten eines langfristig sichereren und nachhaltigeren Verkehrsmittels steht kurz bevor. Sollte der demokratische Regierungswechsel durch die täglich stattfindende Wahl allerdings weiterhin auf sich warten lassen bin ich durchaus auch bereit, mich der Revolution aus dem Untergrund anzuschließen. Es ist ein gefährlicher Weg, aber es lohnt sich dafür zu kämpfen, egal auf welche Art und Weise.

Ich selbst setze nun das erste Zeichen in meinem eigenen Leben, um als gutes Vorbild voranzugehen. Ich werde wieder viel öfter mit dem Fahrrad fahren. Das ist zwar viel anstrengender und man kommt langsamer voran, aber dafür trainiert man seinen Körper und wird mit jedem vergangenen Tag stärker und selbstbestimmter. Unsere eigene Welt wird dadurch langfristig zu einem besseren Ort. Ein Ort an dem sich lohnt zu leben.

Die Welt steckt voller Erfahrungen, voller toller Menschen, die genug Liebe für uns alle übrig haben und nur darauf warten von uns gefunden zu werden. Wir müssen nur endlich die Augen aufmachen.

Und nie wieder schließen.