Tripbericht lesen

Übersicht:

Titel:Mein ganz persönlicher, größter Horror
Drogen:LSD
Autor:AcidOwl
Datum:30.11.2016 21:12
Set:Ozora mit guten Freunden
Setting:Ziemlich angeschlagen
Nützlichkeit:8,39 von 10 möglichen   (18 Stimmen abgegeben)

Bericht:

Achtung, es folgt ein sehr langer, emotionaler, und für mich sehr heftiger Tripbericht ;)



Einleitung
Seit meinem letzten Tripbericht vor 2 Jahren habe ich einige weitere schöne (aber auch weit weniger bedeutsame) LSD-Erfahrungen gemacht, dieses Jahr auf der Ozora hatte ich die mit Abstand heftigste psychedelische Erfahrung bisher.
Ich bin bei diesem Tripbericht sehr ehrlich, und es kostet mich einiges an Überwindung ihn zu veröffentlichen, aber ich glaube, dass auch das ein wichtiger Schritt für mich ist.



Set
Ich habe schon seit immer eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung, die ich meistens wirklich gut unter Kontrolle habe, und mehr als interessante Aufgabe, als ein richtiges Problem sehe, allerdings hatte ich in diesem Jahr ununterbrochen ziemliche Depressionen und ein ziemliches Speedproblem, konnte mich selber nur schwer annehmen und war mir selber eigentlich total egal. Deshalb habe ich schon vorher beschlossen dass ich dieses Jahr keinen Trip nehmen sollte...



Setting
Auf dem Ozorafestival mit zwei meiner engsten und vertrautesten Freundinnen, die beide ebenfalls schon viel Drogenerfahrung haben. Eine von ihnen hatte dort beschlossen ihren ersten LSD-Trip zu nehmen, und da hab ich beschlossen trotz meiner Verfassung mitzumachen weil mir Acid „sowieso immer nur gut fährt“. Keine Angst, ich wurde eines Besseren belehrt.



Drogen
Der Zettel wurde uns als 150µg Sunshine Acid verkauft, wie sich später herausstellte war er doppelt... Ich habe insgesamt ein Dreiviertel innerhalb einer halben Stunde genommen, also ca. 180-230µg (normalerweise nehme ich nie mehr als 120µg) und meine Freundin ein Viertel.



Come- up
Am Mainfoor irgendwann am frühen Nachmittag nahm ich die erste Hälfte, meine Freundin nahm ein Viertel. Es wirkte extrem schnell, ca. 20 Minuten nach Einnahme, ich spürte das typisch euphorische Anfluten, sofort habe ich beschlossen, das letzte Viertel nachzulegen, an dem ich mich total verschluckte (super Einstieg).
Ich ging zur Wasserstelle, gottseidank wurde ich von meinen beiden Freundinnen begleitet. Als ich mich angestellt habe, und hinter mir immer mehr Leute dazukamen bekam ich das erste mal richtig Panik, ich mag es auch nüchtern garnicht wenn ich mich beengt fühle, und plötzlich wurde diese Platzangst und Beklemmung unaushaltbar. Eine meiner Freundinnen füllte für mich die Flasche auf. Obwohl ich nicht mehr in der Menge stand wuchs dieses beklemmende Gefühl immer weiter, und mir kam der Gedanke, scheisse, der Trip war keine gute Idee. Die laute Musik war mir sofort zu viel. Ich kannte dieses Gefühl auch von vorherigen Trips, ich bin eher jemand der nüchtern tanzt, wenn ich Psychedelika nehme habe lieber Ruhe, aber so gestresst hat es mich bis zu diesem Zeitpunkt noch nie.
Wir sind zusammen etwas abseits auf einen Hügel gegangen, damit ich mich beruhigen konnte. Der Trip stieg und stieg und mein Gefühl wurde nicht besser. Ich hatte noch ziemlich gutes Koks eingestekt und mal gehört, dass es einen von Acid gut runterholen kann. Ich bat eine Freundin, uns etwas davon aufzulegen. In dieser Situation habe ich noch gesagt, dass ich aus reinem Interesse Koks ziehen wollte, um zu sehen wie es das Acid beeinflusst. Erst im Nachhinnein habe ich realisiert, dass ich in dieser Situation den Trip nurnoch stoppen, und es vor mir selbst nicht zugeben wollte. Als ich es dann gezogen habe, wusste ich garnicht mehr wirklich, was ich da eigentlich gerade tat und ich wunderte mich über mich selbst, was ich davon erwartete Was ist Kokain eigentlich? Ich war schon zu diesem Zeitpunkt weit weg von der Realität. Der einzige Effekt den ich davon hatte war der wiederliche Geschmack, den ich nichtmehr einordnen konnte, und der mich irgendwie beunruhigte. Trotz des Ortswechsels fühlte ich mich nicht besser, und ich bat die Anderen mit mir noch weiter weg von der Musik und den Leuten zu gehen.

Wir gingen weg vom Gelände und den Leuten, auf eine Wiese, wo wir uns zu alleine hinsetzten. Ich klammerte mich schon die ganze Zeit über an meine (nüchterne) Freundin. Dazu muss ich sagen, dass allein das für mich schon sehr ungewöhnlich war. Ich habe seit ich klein bin ein großes Problem damit Schwäche zu zeigen, habe mich in unserer Gruppe schon immer als die „Starke“ gefühlt, die immer alles alleine schafft, kontrolliert und regelt, und ich kann es normalerweise nicht, meine eigenen Probleme zeigen und Hilfe anzunehmen. Ich bin ein ziemlicher Kontrollfreak, und egal wie viele Drogen ich nehme, ich gehe nie über den Punkt in dem ich mir meiner Taten noch bewusst bin hinnaus. Im Nachhinnein haben mir meine Freundinnen erzählt, dass ich sogar in dieser Situation die Kontrolle und Verantwortung „kontrolliert abgegeben“ hatte, kurz bevor ich sie komplett verlor (ich hoffe das macht irgendwie Sinn) Ausserdem ist es für ich sehr schwierig körperliche Nähe anzunehmen, was ich alles in diesem Moment ohne darüber nachzudenken tat, und sogar dannach suchte.

Ich empfand ein unendliches Gefühl der Schutzlosigkeit und ich wollte nichts mehr als mich in mein Bett zu kuscheln, und mich sicher zu fühlen. Ich wickelte mich in mein Tuch ein, das Problem war, dass es ca. 40° hatte, und mir nach ein paar Sekunden unendlich heiß war. Sobald ich das Tuch aber ablegte oder ich mich mehr in den Schatten setzte wurde mir eiskalt. Diese extremen Temperaturempfindungen zogen sich den ganzen Trip durch und waren unerträglich, und mein Unwohlsein wurde auch dadurch immer stärker. Langsam hatte ich auch immer stärkere Optiken, mir fielen die Muster auf den Bäumen auf, typische Acidoptik, die ich eigentlich sehr gern hatte.
Ich dachte lange darüber nach, mir war die Schönheit, die Einheit von Allem wie immer irgendwo bewusst, aber ich konnte sie keine Sekunde lang genießen, egal wie sehr ich versuchte mich darauf zu konzentrieren. Ich versuchte zu sagen oder zu erklären was mir fehlte, aber ich war nicht in der Lage das Gefühl auszudrücken. Endlose Schutzlosigkeit und Angst und- Müdigkeit! Ich wollte schlafen, und in einen sicheren, geschlossenen Raum. Ich wollte einfach nur das Alles aufhört, die Zeit anhalten und Ruhe, von der ganzen Welt, und vor Allem Ruhe vor mir selbst. Es war als wäre das Gefühl der Schwere und Müdigkeit meiner Depression auf einmal ins Tausenfache gewachsen. Ich wollte nur noch das es aufhört. Das war eines der einzigen Dinge die ich den ganzen Tag über sagte: Ich möchte schlafen. Können wir Hasch, Opium oder andere Downers auftreiben?

Auf diese Bitte hin haben wir uns auf den Weg richtung Zeltplatz gemacht, und meine Freundinnen wollten unterwegs etwas das mich beruhigt besorgen. Den ganzen Weg über konnte ich die Hände von den Beiden nicht loslassen. Jeder andere wirkte auf mich bedrohlich. Sobald sie jemanden angesprochen haben wurde ich panisch und wollte nur noch weg, auch wenn ich die Leute kannte. So hatten wir es bis zum Zeltplatz nicht geschafft irgendetwas zu besorgen.

Als ich mich vor dem Auto hinsetzte fiel mir auf wie dreckig meine Beine waren (ich war vorhin Barfuß durch den Schlamm gelaufen). Intressanterweise habe ich ansonsten auf Acid das Gefühl, dass alle anderen total schmutzig und staubig sind. Ich wollte mich unbedingt waschen, und hab die Anderen gebeten mit mir zum Wasser zu gehen, nach 10 Metern bekam ich aber schon wieder solche Angst, dass ich wieder zurück zum Zeltplatz wollte. Dort haben mir meine Freundinnen geholfen, meine Beine und mein Gesicht mit Taschentüchern halbwegs sauber zu bekommen, und mir saubere Kleidung und Schuhe anzuziehen. Ich finde diese Situation war eine sehr schöne Metapher für diesen Selbsthass, den ich zu dieser Zeit so oft empfunden habe.

Peak
Als nächstes haben sie dann alle Autotüren aufgemacht und mit feuchten Tüchern zugehängt, damit ich zumindest einen kleinen sicheren Raum hatte. Ich wollte mich auf die Rückbank legen und schlafen, immer meine zwei Freundinnen an der Hand. Sobald ich die Augen aber zumachte, bekam ich das Gefühl mit mir selbst komplett allein zu sein. Ich war in einem geschlossenem Raum aus Angst und Schutzlosigkeit gefangen. Ich bin einige Zeit lang so im Auto gelegen, Augen abwechselnd offen und zu, und es wurde einfach immer stärker. Der Trip hat irgendwann in dieser Zeit seinen Peak erreicht. Ich wusste weder meinen eigenen Namen oder sonst irgendetwas über mich, noch das wir auf einem Festival waren und ich Acid genommen hatte, ich wusste auch nicht wer die Anderen waren, ich erkannte manchmal ihre Namen wenn sie sie erwähnten, und ich wusste dass ich ihnen zu hundert Prozent vertrauen konnte, aber letztendlich war ich komplett allein in meinem kleinen, trotzdem unendlichen Horror aus Angst, Schutzlosigkeit und Verzweiflung, und hatte noch dazu absolut keine Ahnung warum überhaupt. Wenn ich jetzt an die Situation im Auto zurückdenke, weiss ich fast nichts mehr von dem was wirklich passiert ist, die Erinnerung besteht größtenteils aus endlosen Farben, Dimensionen, einer komplett anderen Welt und meinen schrecklichen schmerzhaften Emotionen. Ich glaube ich war entweder schon in einer Ich-Auflösung oder ganz knapp davor. Ich hatte das Gefühl als wären meine Brust und mein Hals zugeschnürt, als würde ich von all dem einfach langsam erstickt werden. Der einzige klare Satz an den ich manchmal dachte war „sitz es einfach aus“ Wir hatten einige Tage davor 2C-B genommen, und dieser Satz war ein total bescheuerter Insider davon gewesen. Lustigerweise half mir genau dieser, den ganzen Trip auszuhalten. Irgendwie wusste ich, dass es nichts brachte panisch zu werden, und dass es das beste war einfach ruhig zu bleiben und zu warten, bis irgendwann irgendwas anders wird. Ich hab es einfach ausgesessen.

Meine Freundin, die das Viertel genommen hatte, war noch mit einem Fuß am Boden, während ich in meiner kleinen, verzweifelten Welt mich Lichtjahre entfernt fühlte. Sie war in dieser Situation wie ein Dolmetscher, mein letzter Zweig in die „normale“ Welt. Sie war sich noch allem total bewusst und hatte einen sehr intensiven, aber schönen Trip, ließ sich von mir nicht runterziehen, und hatte viel Spaß. Sie schaffte es genau zu spüren was ich gerade brauchte, und für mich zu „übersetzen“. Ich habe mit ihr oft richtig schöne Contact Highs, und meine andere, nüchterne, Begleiterin konnte mir so all meine Bedürfnisse erfüllen und mir helfen, soweit es ging. Beseres Setting hätte ich in dieser Situation nicht haben können, und ich bin den Beiden wirklich dankbar, dass sie mich die ganze Reise lang begleitet haben.

Ganz langsam nach diesem Peak kam ich immer wieder kurz zu mir. Der Trip flachte ganz langsam in Wellen ab, anfangs waren es immer wieder kurze Momente in denen ich wieder wusste wer ich war und was passiert war, dazwischen vergaß ich dann wieder alles. Diese Momente wurden über einige Stunden langsam länger und klarer.
Irgendwann zog ein Sommergewitter auf. Die ganze Stimmung und die Luft, alles war wie elektrisch geladen. Am Horizonnt waren Blitze zu sehen. Als wäre das Gewitter überall schon da, ausser auf dem Festivalgelände. Es wurde extrem windig, und wir begannen total im Stress den Zeltplatz aufzuräumen und alles ins Auto zu bringen. Ich versuchte irgendwie zu helfen, aber eigentlich stand ich die ganze Zeit nur panisch herum und wusste nicht wo ich anfangen sollte. Irgendwann sah ich mein Jagdmesser unter dem Auto im Boden stecken. Ich zog es heraus, und im selben Moment bekam ich Panik, wie nie zuvor- ich bestand darauf, dass jemand das Messer sofort verräumte. Die beiden Anderen waren total perplex, warum mich genau das so stresste. Im Nachhinnein war genau diese Situation für mich die absolut wichtigste an dem gesamten Trip. Ich habe durch meine Psychische Erkrankung immer wieder mit Suizidgedanken und Selbstverletzung zu kämpfen, mal mehr mal weniger. Dieser Moment war für mich der endgültige Beweis dafür, dass ich, aus tiefstem Unterbewusstsein leben will. In dem Moment in dem ich das Messer in der Hand hatte wurden mir meine Möglichkeiten bewusst, mir selbst etwas anzutun, und mein komplett ehrliches und reines Selbst wollte sich vor sich Selbst schützen, indem ich das Messer loswerden wollte. Auch wenn es mir jetzt manchmal nicht gut geht, und ich in negative Gedanken abdrifte, hilft mir die Erinnerung an diese Situation mich daran zu erinnern das ich wirklich leben will, und alles andere nicht richtig ist.


Come down
Nachdem alles verräumt war setzten wir uns zurück ins Auto. Ich begann manchmal wieder zu lachen, bekam kurz richtige Lachflashs, obwohl sich diese nicht wirklich echt anfühlten. Ich lachte, aber spürte die positive Emotion davon einfach nicht.
Es war als würden meine Emotionen im Wetter manifestiert werden. Alles was ich empfand und nie geschafft hatte auszudrücken kam an diesem Tag an die Oberfläche. Es wurde langsam Abend und kälter, meine Hitzewallungen ließen langsam nach und ich wurde immer klarer und klarer, obwohl meine Emotionen noch immer sehr präsent waren. Meine beiden Freundinnen wurden langsam hungrig, ausserdem war uns das Wasser ausgegangen. Sie konnten mich irgendwann überreden noch vor dem Regen etwas zu Essen zu besorgen. Wir haben gegessen, und sind in der Dämmerung übers Gelände spaziert, ich hatte immer noch Angst vor den anderen und vor Allem auch vor dem Wetter und der angespannten Grundstimmung, aber meine klaren Momente wurde langsam länger und begannen zu überwiegen. Es begann zu regnen, wir gingen zurück zum Zelt. Ich war wieder in der Lage zu sprechen, realisierte langsam das ich LSD genommen hatte, und erzählte langsam über meine Erlebnisse der letzten Stunden.
Ich hatte aber als ich schon wieder sehr klar war das Gefühl, das es sehr lange dauern würde bis ich mich wieder normal fühlen könnte. All die Angst und Traurigkeit war noch ziemlich präsent. In meiner wiedererlangten Klarheit befürchtete ich, das ich diesmal zu weit gegangen war. Ich hatte Angst vor den nächsten Tagen, vor dem Aufwachen, Angst das dieses Gefühl bleiben könnte. Irgendwann bin ich eingeschlafen.


Review
Ich war die Erste die am nächsten Tag aufgewacht ist, und bin alleine zum Floor tanzen gegangen. Die ganzen restlichen Tage über war ich zwar sehr klar, aber extrem traurig. Allerdings war es eine sehr „angenehme“ Art von Traurigkeit. Ich weinte viel, aber ich war total ok mit allem. Es fühlte sich an als hätte ich einen großen, schweren, schrecklichen Teil von mir selbst nach vielen Jahren endlich zurückgelassen. Am Ende konnte ich es als rießengroße Erleichterung beschreiben. Ich fühlte mich wirklich befreit.




Abschließend muss ich noch ein paar Dinge sagen die mir bewusst geworden sind...

-Ich habe mit diesem Trip den Begriff „Horrortrip“ verstanden. Es ist dein ganz persönlicher, allergrößter Horror- deine dunkelste Seite, deine größten Ängste, schlimmsten Gedanken und Emotionen, tausendmal stärker als ich sie mir jemals vorstellen konnte.

-Wie wichtig Set und Setting ist. Auch wenn es einem die schlimmste Erfahrung nicht nehmen kann, ich weiß nicht wo ich ohne meine beiden Freundinnen gelandet wäre! Mir wurde bewusst wie sehr ich ihnen wirklich vertraue, und wie Dankbar ich bin, sie bei dieser Erfahrung an meiner Seite gehabt zu haben!

-Wie wichtig es ist wirklich im Reinen mit sich selbst zu sein wenn man sich an so starke psychoaktive Substanzen wagt...
-...und wie sehr einem diese helfen können, sich sich selbst zu stellen, und Probleme zu lösen. Trotzdem bin ich der Meinung, dass man auch dafür schon etwas Erfahrung und einiges an Selbstkenntniss braucht. Andernfalls wäre ich in der Situation bestimmt nicht so ruhig damit umgegangen, und hätte diesen Trip bestimmt nicht so gut und schnell verarbeitet.




Das war mit Abstand die heftigste und intensivste LSD-Erfahrung, und auch allgemein eine der stärksten Erfahrungen meines Lebens. Mich hat noch keine Drogenerfahrung so viel weitergebracht hat wie diese! Im Nachhinnein bin ich froh, das ich diesen Trip genommen habe, und freue mich auf weitere. Auch wenn ich die Folgenden natürlich nur nehmen werden wenn ich mit mir selbst wirklich klarkomme und im Reinen bin. confused