Tripbericht lesen

Übersicht:

Titel:Wildes Halloween und "Ich bin zu alt für diesen Scheiß"
Drogen:Mischkonsum von PCP und Alkohol (Reihenfolge vom Autor festgelegt)
Autor:Crystal Eye 193
Datum:31.10.2017 21:02
Set:aufgeregt und voller Vorfreude
Setting:WG-Zimmer eines guten Bekannten, Innenstadt, altes Gebäude etwas außerhalb
Nützlichkeit:9,04 von 10 möglichen   (23 Stimmen abgegeben)

Bericht:

Dies ist die Geschichte der verrücktesten Halloween Nacht meines bisherigen Lebens und zugleich ein kleines Schlüsselerlebnis auf meinem Weg. Viel Spaß beim Lesen.

Part I Vorfreude und Anglühen
Ich hatte einen angenehmen Arbeitstag und wollte abends mit meinem Bruder und ein paar Freunden ein Tekk-Event in meiner Stadt besuchen. Da die Anderen mit dem Zug von außerhalb kamen und sowieso erst dreiviertel neun da sein wollten, hatte ich mich mit einem guten Bekannten verabredet, um bei ihm vorzuglühen. Anschließend wollte jeder von uns auf seine jeweilige Party gehen.
Tja, wie heißt es so schön: Gott lacht, wenn wir Pläne schmieden.

Nachdem ich frisch geduscht war, machte ich mich gegen halb fünf mit der Straßenbahn auf zum Treffpunkt. Unterwegs telefonierte ich mit einem alten Freund und war in bester Stimmung. Etwas Großes lag in der Luft, man konnte es spüren. Am Himmel sah ich eine Schar Wildgänse, die Richtung Süden flogen, und mir wurde klar: "Winter is coming". Die Stadt war voller Menschen, überall war Bewegung und man fühlte sich richtig lebendig.

Am Treffpunkt angekommen überbrückte ich die kurze Wartezeit mit einer Zigarette und dann erschien auch schon B. auf der Bildfläche. Wir kennen uns schon einige Jahre, haben viele Feiern, zwei gemeinsame Urlaube mit Freunden und einen äußerst interessanten MDMA Trip hinter uns. Daher herrscht eine gute Grundstimmung zwischen uns, außerdem haben wir ähnliche Denkmuster. Perfekte Voraussetzungen für das Folgende.

Nachdem wir Alk gekauft hatten, gingen wir in sein WG-Zimmer. Hier wurden erstmal die ersten Mischen vernichtet, dazu Musik gehört und wir plauderten über dies und das. Zwischendurch gingen wir mal nach draußen, um eine Zigarette zu rauchen. Hier fiel mir bereits eine veränderte Wahrnehmung auf. Die ganze Stadt, der Verkehr, die Menschen, die Geräusche, all das wirkte leicht fremd. Ungefähr so wie am Anfang eines psychodelischen Trips, wenn man auf einmal alle Sinnesreize ein wenig schärfer und mehr von einander getrennt wahrnimmt. Dabei hatte ich bisher bloß etwas Alkohol getrunken...


Part II Runter damit und los gehts...
Wieder drinnen, überkam mich ein leicht verrückter Gedanke. Ich hatte noch etwas 3-Meo-PCP bei mir. Eigentlich gedacht für später, damit ich auf dem Beat und nach dem Konsum von etwas Speed, das mir mitgebracht werden sollte, noch ne Schippe draufsetzen konnte. "Scheiß drauf" dachte ich mir und machte kurzerhand für mich und B. ein Bömbchen zurecht. In dem Augenblick schätze ich die Menge auf ca. 8 mg, nüchtern betrachtet muss ich gestehen, es waren wahrscheinlich eher 15-20 mg. Pro Bombe. Ja ich weiss, eyeballed bei so ner Substanz ist nicht ohne, aber hey, ich bin ein strammer Kerl und es fühlte sich richtig an. Außerdem hatten wir in dem Augenblick eh keine Feinwaage da und ganz ehrlich: Selbst wenn, hätte ich sie nicht benutzt. Ich finde, man sollte sich da auf sein Gefühl verlassen und ein bißchen Spiel mit dem Feuer gehört dazu^^ ich hatte das Mauzi, wie ich es liebevoll getauft hatte, bereits vorher nasal und oral ausprobiert, und fand besonders die orale Erfahrung sehr besonders. Mir kam es damals so vor, als wäre ich eine Figur in einem der Bücher, die ich so gerne lese, und mein Leben bildet die Handlung dieses Romans. Ein tragischer Held, der trotzdem mit Hoffnung in die Zukunft geht. Der sich nicht unterkriegen lässt und zu seinen Gefühlen steht. Und genau so verhielt ich mich auch während des Trips. Etwas, dass mir im nüchternen Leben eher schwer fällt, aber seit meinem ersten Mal Mauzi geht es viel besser. Da hat er was Gutes vom Trip mitgenommen...

B. hatte es noch nie konsumiert, aber bereits Erfahrung mit Psychodelikas. Also nicht lang gefackelt und runter damit. Wir tranken fröhlich weiter und bald fühlte ich die erste Welle: In meinem Nacken bekam ich ein eigenartiges Gefühl und meine Wahrnehmung veränderte sich. Oh ja, da war es wieder. Es war mein dritter Trip mit Mauzi und schon jetzt liebe ich diese Substanz. Hier kann ich mich voll in den Trip fallen lassen, ohne das Nachdenken darüber, wie man auf andere wirkt. Sich einfach voll der Wirkung hingeben. Herrlich. Ich fühlte mich sofort wieder wie in einem Film oder ähnlichem, jedenfalls weit weg von der Realität. Bei B. fuhr es auch gut rein, wir waren auf einer Welle. Wir verließen seine WG gegen sieben, da die Mitbewohnerinnen nicht so recht für Drogen zu begeistern sind, wir uns laut und offen über die Wirkung unterhalten wollten und, vor allem, sowieso raus wollten. Die Wirkung wurde immer stärker, schon ca. 20 Minuten nach der Einnahme fühlte sich das Stiefel Zubinden wie eine schicksalsschwere Tat an und zum Gang durchs Treppenhaus hätte epische Musik gut gepasst. Wir kamen draußen an und wusch...


Part III Das Tier in mir
Von jetzt an wird die Wahrnehmung bruchstückhaft. Ich erinnere mich, dass alles fremd war. Die Gebäude, die Autos, die Menschen, zu nichts hatte ich mehr einen Bezug. Dafür umso mehr zu mir. Als Begleitmusik startete ich einen Trancemix, der uns sofort in seinen Bann zog. Die Musik war so tief, so passend. Als wäre sie nur für diesen Moment auf meinem Handy. Ich sagte zu B. "lass uns rennen" und joggte los. Er neben mir. Kein Gedanke daran, was die Leute von uns halten, es war einfach geil, in Bewegung zu sein. Apropos Bewegung: Das Körpergefühl ist völlig verfremdet. Leicht ketaminartig, aber irgendwie flüssiger. Man nimmt keine bewusste Bewegung der Beine oder des Oberkörpers wahr, sondern ich dachte "rennen" und mein Körper gehorchte. Als wären Kopf und Körper völlig getrennt. Ein sehr stranges Gefühl, andererseits fühlte ich mich auch sehr mächtig. Mein Körper war das ultimative Werkzeug, um meinen Bedürfnissen und Instinkten zu folgen.

Das nächte, das ich realisiere: Wir stehen im Park. Knurren wie Wölfe. Ich habe das Gefühl, als könnte ich meine dünne menschliche Hülle, also Haut und Haare, abreißen und darunter kommt mein wahres Ich zum Vorschein. Vor meinem geistigen Auge tue ich genau das. Ein mächtiger Wolf kommt zum Vorschein, geballte Muskeln, spitze Schnauze und glühende Augen. Das bin Ich. Wir reden kurz darüber, dass dies unsere wahre Natur ist und wir sie heute rauslassen. Wir heulen zum Himmel, keuchen und knurren weiter. Wieder rennen, jagen durch den dunkeln Park. Menschen kommen uns entgegen und machen einen großen Bogen, egal. Nein, richtig so! Dem Wolfpac stellt man sich nicht in den Weg. Es ist Halloween, wir spüren die Magie in der Luft. Alles ist anders. Dieses Gefühl ist einzigartig: Ich stelle mir nicht vor, ein Werwolf zu sein, ich bin es. Ohne Zweifel oder Hinterfragen. Genau so, wie ich mich nüchtern ohne nachzudenken als Menschen, als Homo sapiens sapiens betrachte, so bin ich in diesem Moment ein Werwolf.

Dann eine kurze Pause, ich habe meine Brille verloren. Egal, ein Wolf braucht keine und jetzt im Dunkeln zwischen all dem Laub finde ich die eh nicht. Wir pausieren kurz, der Trip wird noch stärker. B. fragt mehrmals, ob wir jetzt in der Matrix sind, ich bejahe. Jetzt fängt etwas stranges an, ich fange an, alles was ich sage, in Reimen auszusprechen. So kommen wir uns vor wie in einem Gedicht, das Wirklichkeit geworden ist, und ich lese gleichzeitig vor und bin Hauptperson. Ich rufe meinen Bruder an, den wir vom Bahnhof abholen wollen. Es sind eigentlich nur drei Minuten Fußweg, doch die Reize werden immer mehr. Bald kann ich optisch gar nichts mehr erkennen, nur noch unterschiedliche Formen und Farben, die ineinander übergehen. B. bekommt es scheinbar etwas mit der Angst zu tun, denn er wirkt leicht überfordert und nervös. Ich beruhige ihn, dass ich für ihn da bin, wir alles zusammen machen und hackle ihn sogar am Arm unter. So sehen wir zwar aus wie ein Schwulenpaar, doch das Rudel geht vor, selbst wenn es etwas lächerlich aussieht. Wir treffen meinen Bruder und meine Freunde. Natürlich ist denen sofort klar, was bei uns Sachstand ist, und wir sind uns einig, dass wir erstmal nicht mit zum Beat fahren. Eine weise Entscheidung. Noch mehr Leute, laute Musik und Strobo können wir grade wirklich nicht gebrauchen. Übrigens habe ich laut meinem Bruder noch etwas von Engeln und Engelsstaub genuschelt ( Engelsstaub ist ein Szenename für PCP ), woran ich mich jedoch gar nicht erinnern kann. Jedenfalls beschlossen B. und ich, erstmal zu mir zu starten, um einen Ruhepol zu haben.


Part IV Erleuchtung und langsames Landen
Ich kaufte zwei Tickets für die Straßenbahn, doch bereits nach zwei Stationen bat ich B., wieder mit mir auszusteigen. Uns gegenüber saßen zwei Mädchen, die deutlich von unserem merkwürdigen Verhalten befremdet waren, dazu die Beengtheit und das grelle Licht, all das wurde mir zu viel. Außerdem kam mir die Fahrt vor, als wären wir auf dem Styx, einem der Flüsse durch die Unterwelt in der griechischen Mythologie. Passt zu meiner Ausbildung als Bestattungsfachkraft^^ Die Toten zu beiden Seiten störten mich nicht, eher die echten Menschen, die mit uns fuhren. Also gings wieder raus und wir standen auf dem fast leeren Domplatz. Die zwei Kirchen wurden majestätisch beleuchtet, der Himmel sah toll aus und ich wusste, es war die richtige Entscheidung.
Nun stiegen wir die riesigen Stufen zum Dom hinauf und kamen uns vor wie zwei Pilger, die endlich das Ziel ihrer Reise erreichen. Besonders für B., der christlich geprägt ist, war dies ein bedeutender Moment. Er erzählte, dass er sich nun wahrhaft erleuchtet fühle, und er sah auch viel gelassener und "realer" aus. Als hätte sich seine Ausstrahlung von einem Moment auf den anderen verstärkt und an Substanz gewonnen. Ich selber war froh, endlich wieder einen Fuß in der Realität zu haben. Da war es so gegen neun, also ca. 2,5 Stunden nach der Einnahme. Die Wirkung war natürlich noch stark präsent, aber nicht mehr ganz so heftig wie zur Werwolfzeit.

Wir liefen nun in Richtung meines Internatszimmers. Vor einem leeren Supermarkt standen mehrere Sofas und Tische, an denen wir erstmal Platz nahmen. Wir redeten ein wenig über das Erlebte und die Wirkung, ich rauchte eine Zigarette und wir tanzten ohne Musik. Ich sagte ihm, dass ich froh war, ihn bei mir zu haben und mit mir diese Reise zu unternehmen.
Mein Internat liegt etwas außerhalb der Stadt, und das kam uns jetzt zu Gute. Kaum Autos, herrliche Ruhe und eine eher ländliche Atmosphäre begrüßten uns. Bei mir angekommen zündeten wir zunächst Teelichter an, dann chillten wir zu entspannter Musik und unterhielten uns sehr intensiv. Eine schöne Erfahrung, denn so richtig lange haben wir uns noch nie unterhalten. Es war nun gegen zwölf und der Trip ging langsam dem Ende zu. B. wollte gerne heim, ich aber war noch nicht zufrieden und so beschlossen wir, zusammen in die Stadt zu laufen. B. ging heim und ich startete zum Beat, zu lauter Musik, Menschenmassen und Bruder und Freunden...


Part V Ich bin zu alt für diesen Scheiß
Ich kam an, kaufte mir ein Bier und fand schnell meine Leute. Erstmal eine rauchen und labern, natürlich freuten sich alle, dass ich noch gekommen war und ich hatte auch Bock auf Abgehen. Leider hatten wir kein Speed mehr am Start, nur noch Meth und da hatte ich heute nicht so Bock drauf. Wäre mir zu lange gewesen, ich wollte nur noch etwas Energie und nicht gleich den nächsten Trip hinterher. Aber egal, also erstmal vor zur Tanzfläche. Direkt vor die Boxen gestellt und gefreut, dass grad ordentlich Hardcore läuft. Ich tanzte ca. eine halbe bis dreiviertel Stunde durch, war klatschnass geschwitzt aber mega drauf. Meine gesamte Geistes- und Körperhaltung war überlegen: Ich war der Größte hier. Die Bewegungen, das Rhythmusgefühl, die ganze Ausstrahlung, einfach alles war bombe. Nicht auf eine Weise, dass ich andere runterziehen musste, im Gegenteil. Ich ruhte in mir und war zu 100 % gelassen, das ist wahres Ego.

Irgendwann trank ich zwei Fantas und holte mir noch ein Bier. Wieder draußen eine rauchen mit meinem Bruder und den Jungs, und dann kam aus dem Nichts die Erkenntnis: Ich bin zu alt für diesen Scheiß. Ich wollte nicht mehr ziehen, nicht mehr tanzen, ich wollte heim. Es war immer noch ne coole Atmosphäre hier und alle hatten ihren Spaß, aber es war nicht mehr der richtige Ort für mich. Irgendwie hatte ich die wilde Feierei hinter mir gelassen und dies bestätigte mich darin. Das hier war ein Ort für junge und junggebliebene Leute, und ich bin dies nicht mehr ( mit 24 ). Dazu muss ich sagen, dass ich seit meinem 16. Lebensjahr jedes Wochenende feiern gehe, seit Ende des 18. auch meistens mit Drogen. Seit gut nem Jahr kiffe ich nur noch wenig, und in den letzten Monaten wurden auch chemische Sachen weitaus weniger. Und jetzt wollte ich heim, in mein gemütliches Bett. Alle freuten sich, dass ich trotzdem vorbei geschaut habe, mein Bruder bekam noch ein paar Küsschen und dann gings los.


Heimweg und Resümee
Der Heimweg zog sich lange hin, aber war auszuhalten. Es gab ein kurzes Bedauern meinerseits, dass meine Freundin übers verlängerte Wochenende nicht da ist, sie neben mir wäre toll. So sah ich aber gleichzeitig, wie sehr sie mir ans Herz gewachsen ist und dass ich inzwischen vieles habe, dass Drogen als das geilste im Leben verdrängt hat. Ich habe meine Traumausbildung, komme super mit meinen Kollegen zurecht, habe keine Geldsorgen, dafür ein schönes Internatszimmer, eine tolle Freundin und allgemein beste Zukunftsaussichten. Da ist es kein Wunder, dass ich nicht mehr den Abschuss und das unbedingte Weiterfeiern brauch, wie früher. Oh Mann, es tut echt gut, hier so schreiben zu können, was grad alles gut läuft. Und ich bin dankbar und stolz, dass es so geklappt hat.

Wer es bis hierhin geschafft hat, danke fürs Lesen und alles Gute :)