Tripbericht lesen

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Titel:Wie mich Ayahuasca daran erinnerte, wer ich bin
Drogen:Ayahuasca
Autor:nicksi
Datum:03.03.2018 02:56
Set:erwartungsvoll, Stimmung durch Arbeitssituation beeinträchtigt
Setting:Eine Rundhütte auf einem abgeschiedenen Gelände mit etwa 30 Teilnehmern und zwei Schamanen
Nützlichkeit:9,07 von 10 möglichen   (14 Stimmen abgegeben)

Bericht:

Ich bin eine 52jährige Frau und wollte schon lange die Geschichte meiner Ayahuasca Erfahrung vor etwa 5 Jahren erzählen. Mein Erlebnis in Worte zu fassen, hat fast so lange gedauert, wie der Text dann lang geworden ist. Ich hoffe, Ihr langweilt Euch nicht! Sehr persönlich ist er auch. Aber das haben diese Erfahrungen ja so an sich, nicht wahr.

Als wir an dem kleinen Waldstück ankamen, in dem das Anwesen lag, war es noch früher Nachmittag und so war mehr als ausreichend Zeit, um mit den anderen ins Gespräch zu kommen und sich einzurichten. Das Gelände war ausreichend groß und mit einfachen Plumpsklos und zahlreichen Löchern ausgestattet. Mit beiden Einrichtungen würden wir alle heute Nacht enge Bekanntschaft schließen. Ich versuchte mir schon beim Hochgehen, die Lage von Toiletten und Löchern einzuprägen und hielt Ausschau nach einem besonders angenehmen Erdloch. Zur Malloca schlängelte sich ein schmaler Weg inmitten hoher Bäume. Wir bewunderten die Kerzen in bunten Windlichtern, Laternen und anderen interessanten Lichtobjekten, die uns heute Nacht helfen würden, auf den von handgroßen Steinen eingesäumten Wegen zu bleiben. Wie liebevoll und kreativ das alles war! Ich war auch erfreut, mitten im Wald eine große Feuerstelle mit Sitzbänken zu sehen, an der bereits das Holz für die Nacht bereit lag. Für mich ist das eine ganz tolle Sache, weil es mir im Inneren der Malloca gerne zu eng und stickig wird. Überhaupt scheine ich einen wesentlich ausgeprägteren Bewegungsdrang zu entwickeln als die meisten anderen. Auch, um die anderen mit meiner Rumzappelei nicht auf die Nerven zu gehen, weiß ich ein schönes Feuer zu schätzen.

In der Malloca war nur die Hälfte der Plätze vergeben und so konnten wir noch zwei Plätze ergattern, die nicht direkt am Eingang lagen, aber auch nicht gleich bei den Schamanen, perfekt. Bis zum Beginn der Zeremonie, zu der wir uns um 22h im Inneren der Malloca versammeln würden, gab es noch viel Gelegenheit, sich mit den anderen auszutauschen. Die Gruppe ist in fast jeder Hinsicht – Alter, Berufe, Lebensstile, Einkommen, persönlicher Hintergrund – heterogen. Immer wieder bin ich über die vielen interessanten Menschen erstaunt, von denen manche ein völlig anderes Alltagsleben als ich führen. Wie anregend das immer ist. Völlig neue Gedanken. Viele spielen auch ein Instrument, darunter Gitarre, Harfen, Hangs, Leier und ein Instrument, das ich noch nie gesehen habe. Ein längliches Ding mit Saiten wie bei einer Zither, aber wie gesagt, keine Ahnung, was es war. Die Spielerin konnte dazu jedenfalls noch hervorragend singen. Ich freute mich schon auf die musikalische Untermalung in den frühen Morgenstunden. Es macht mich teilweise neidisch, weil einige den „spirit“, der hier herrscht, viel besser in ihr Leben integrieren als ich. Manche finde ich kurios wie z. B. die blonde Deutsche im indischen Sari, die mir ihren indischen Namen nannte, weil sie sich an ihren wahren Namen nicht mehr erinnern könne. Das Geschwurbel über die Veden machte mich fertig und ich war froh, dass Jochen das Gespräch fortsetzt. Später hat er mir mal erzählt, dass er die gut fand, trotz dem hohlen Gefasel. Ein Beweis, dass Männer sich mit weit weniger zufrieden geben als frau denkt. Die Zeit verging wie im Flug und langsam begeben wir uns ins Innere der Malloca.
Die runde Malloca war nur vom Licht des Heiligen Feuers erhellt, das in der Mitte brannte. Sie war aus Holz und Bambus gebaut und machte einen robusten Eindruck. Die bunten Pilze, Fabelwesen und Naturobjekte, die überall davor, darauf und darinnen zu sehen waren sowie die tollen Ornamente vermittelten einen Eindruck verspielter Kreativität. Im Inneren lagen entlang der Wand etwa 30 Psychonauten, Frauen und Männer, die es sich auf ihren Schlafgelegenheiten, die eng aneinander lagen, bequem gemacht hatten. Ein Schamane spielte auf der Hang während der andere, ein Südamerikaner, mit leiser Stimme eine Art Formeln über dem Trank zu sprechen schien und dabei segnende Bewegungen machte. Über allem lag eine feierliche Atmosphäre und alle waren entspannt. Trotzdem lag auch ein gewisses „Zittern“ in der Luft, ausgelöst durch die verschiedenen Gründe und Erwartungen, die die einzelnen mitgebracht hatten. Nach und nach werden die meisten Gespräche bis auf ein leises Flüstern eingestellt und bald hat jeder seinen Platz gefunden und bereit für eine neue Erfahrung.

Links vom Schamanen stand der erste auf, stellte sich hin und streckte beide Arme zur Seite aus, damit der gesamte Körper von einer Frau mit dunklen langen Haaren, hohen Wangenknochen und einem irgendwie traurigem Blick mit einem Adlerflügel und dem Harz Kopal, das aus einem Kessel rauchte, gereinigt werden kann. Dabei arbeitet sie sich mit Adlerflügel und Rauch an Vorder- und Hinterseite der Person entlang. Immer mit dem Kesselchen qualmenden Kopals in der einen und dem Flügel in der anderen Hand, mit dem sie den Rauch über und weg vom Körper lenkt. So gereinigt, kniete der erste Kandidat vor dem Schamanen, der für ihn eine tönerne Teetasse mit dem erdig riechenden Trank füllte und mit unverständlichen Worten besprach bevor er sie an den Mann weiterreichte. Um den ungewohnten Geschmack zu vertreiben, stand freundlicherweise gleich ein Glas Wasser bereit. So ging das dann reihum. Jede und jeder stand auf, wurde mit Kopal gereinigt, kniete vor dem Schamanen und trank. Schon nach etwa acht Leuten gingen die ersten nach draußen, um sich zu übergeben oder sonst zu entleeren. Andere blieben erstmal liegen und wirkten dabei sehr entspannt.

Als die Reihe an mir war, war ich richtig aufgeregt und voller Spannung, was wohl in dieser Nacht passieren würde. Wie immer bei solchen Gelegenheiten habe ich mich, während die anderen sich ihren Trank abholten, wieder hundertmal gefragt, warum ich mich auf so einen Scheiß überhaupt einlasse, und nicht wie die meisten anderen Leute, z. B. meine Kollegen, „normalen“ Freizeittätigkeiten nachgehen kann. Immer dieses „Doppelleben“, über das ich mich nur mit manchen austauschen kann, dieser Hang zum Extrem. Trotzdem fiebere ich dem Augenblick entgegen und der Moment, in dem ich aufstehe, um mich dem Reinigungsritual hinzugeben, gleicht tatsächlich dem Sprung ins kalte Wasser, denn gleich ist er da, der Augenblick, in dem es für alle Bedenken zu spät ist, die Entscheidung getroffen, Würfel gefallen – jeder hat das schon erlebt, vor Prüfungen z.B. So knie ich vor dem Südamerikaner und beobachte wie er den Trank für mich vorbereitet. Er füllt eine Tontasse ungefähr dreiviertel voll und bespricht sie mit unverständlichen Worten bevor er sie mir reicht. Jedes Mal schmeckt und riecht der Trank anders, aber immer erdig, nach Blättern und der Geruch hat ein Flair von Kotze. Vor allem letzteres finde ich echt scheußlich und bin dankbar über das Glas Wasser. Schon bin ich zurück auf meinem Platz und mache es mir bequem. Kotztüte und Wasser liegen bereit genauso wie etliche Kissen. Ich lehne mich an eine Holzsäule in der großen Hütte, damit es nicht zu schwierig wird aufzustehen. Aber es geht ganz gut. Ich merke schon, dass es in meinem Inneren rumort, muss aber nicht gleich kotzen und kacken. Alles recht moderat. Ich gehe trotzdem raus. Es ist schon kalt, aber es toll, vor dem Gebäude zu sitzen und die Bäume ringsherum anzuschauen. Eine Frau hat erzählt, sie würde Wesen in den Bäumen sehen. Mir gelingt das aber nicht, auch nicht später. Dafür entdecke ich meine Stimme und finde es voll cool, dauernd so Vogelrufe auszustoßen. Zum Glück für die anderen komme ich durch einen Erdlochbesuch auf andere Gedanken. Jochen hat mir später belustigt erzählt, dass er mich gehört hätte. Irgendwann war ich dann wieder drin, hatte die dringendsten Bedürfnisse befriedigt und saß in meine Decke gehüllt und an den Holzpfosten gelehnt auf meiner Matte. In der Mitte war ja diese riesige Feuerstelle mit dem „Heiligen Feuer“. Einige verbrannten darin Gegenstände, z. B. welche, die Lebensphasen oder Personen repräsentierten, mit denen sie abschließen wollten. Es war tabu, Kippen zu verbrennen, käme einer Entweihung gleich und alle nutzten die zahlreichen Aschenbecher. Ich genoss es sehr, in die Flammen zu sehen und abzuspacen. Als ich in den Sand vor mir blickte, sah ich Tierspuren darin, die so dreidimensional rauskamen, also in demselben Moment erscheinen, als würde das Tier gerade gehen. Sie sahen aus wie von einer Raubkatze. Kein Wunder, die Pflanze stammt aus Südamerika, wo der Jaguar respektiert und verehrt wird und auch in der Malloca steht die Figur eines Jaguars in der Mitte, in der Nähe des Feuers. So sind also große Katzenspuren nicht weiter verwunderlich irgendwie, faszinierend sind die Spuren dennoch. Es ist als würde ich die Positive davon sehen und sie formen sich gerade in dem Moment, in dem ich draufstarre. Überhaupt bin ich diejenige, die ihnen die Form gibt. Aha. Mir wird bewusst, dass ich das erste Mal in meinem Leben richtige Halluzinationen habe. Hatte? Habe. Ich vollführe die irrsten Verrenkungen, so kommt es mir vor, um diese Spuren, die sich aus dem Sand herauswölben, von der Seite betrachten zu können, den Moment quasi, in dem sie hochgehen, um zu sehen, wie das geht. Ich bin reichlich ungelenk und obwohl schon am Kauern, um eben den Mechanismus zu erkennen, der die Spuren hochwölbt, muss ich dauernd aufpassen, nicht umzufallen. Das ist alles so lustig, so dass ich dauernd kichern muss. Ich bin wirklich megaentspannt und ganz gelöst. Anderen geht es nicht so. Eine Frau weint leise vor sich hin und draußen hört sich jemand an wie ein röhrender Hirsch. Viele liegen mit geschlossenen Augen und zugedeckt da. Niemand weiß, was in ihnen vorgeht. Gespräche sind völlig erloschen. Auch Jochen sitzt zwar aufrecht, aber mit geschlossenen Augen und entrücktem Gesichtsausdruck auf seinem Bett. Während der Oberschamane singt und ein getrocknetes Blätterbündel schüttelt, sitzt der andere bei der Frau, die weint. Er spricht (mir ihr?) und räuchert sie mit Kopal ein. Ich kann den Geruch nicht leiden, er ist mir einfach zu stark. Es ist sogar so, dass mir regelrecht schlecht wird, wenn es zu nah und zu viel ist. Ich weiß, dass ich damit ziemlich alleine stehe. Genauso wie ich den Schnupftabak grausig finde, der eingangs ausgegeben wird, um „die Atemwege frei zu machen“. Wenn die Leute das geschnupft haben, geben sie die fürchterlichsten Geräusche von sich. Nein danke. Auf die Frau hat es eine positive Wirkung, sie scheint sich zu beruhigen und ich finde das total gut, dass wir so gut aufgehoben sind. Ich habe Vertrauen zu den beiden Männern, es kann nichts passieren.

Während ich so entspannt umherblicke, stelle ich fest, dass sich überall total viele kleine Insekten befinden, die über die Einfassung des Kamins huschen. Wie Obstfliegen, die sich aber wie Ameisen bewegen. Es dauert ganz schön lang bis mir klar wird, dass das 1. Keine Insekten sein können, weil zu heiß und 2. das ganze viel zu regelmäßig wirkt, eher wie ein Strom. Ein Insektenstrom? Es sind Muster. Sie sind so fein und laufen so schnell vorbei, dass ihre Konturen wo sie unterbrochen sind wie kleine kurze Striche erscheinen. Zusammen stellen sie komplexeste geometrische Muster dar, die in verschieden breiten Bändern übereinander angeordnet sind und verschieden schnell in beide Richtungen laufen. Viele sind ganz schmal, es sind total viele, die sich über alles legen, was sich im Raum befindet. Ich kann Zickzacklinien erkennen, aber die Zacken sind auch irgendwie aufgefüllt wie Paisleymuster, also es ist von so einer Vielfalt, so facettenreich, dass mir wirklich der Mund offen bleibt. Durch die Muster ist alles belebt, sie sind überall wie ein Netz, eine Art kosmisches Geflecht, das alles bedeckt, auch die Spuren im Sand. Sie bleiben wie sie sind, entwickeln aber ein Eigenleben durch die Ornamentbänder, die auch hier hindurchlaufen. Sie sind überall. Auch als ich rausgehe, sehe ich sie. In den Bäumen, der Rinde. Je näher ich hinschaue, desto feiner werden die Muster. Ich kann sie einfach nicht genau erkennen, aber sie sind wunderschön. Und alles ist in diesen Rotbrauntönen, das gefällt mir so gut. Ich fühle mich sehr sehr wohl, gehe zurück in die Malloca und kuschle mich in meine Decke mit Blick auf die Spuren im Sand, durch die ein Spektrum an Ornamenten lief, die ich mir nie hätte vorstellen können.

Während ich tiefenentspannte, merkte ich erstens, dass ich Durst bekam und zweitens wie schwer mir koordinierte Bewegungen fielen. Ich wollte unbedingt was trinken und habe gedanklich durchgespielt wie ich am besten zur Wasserflasche komme, die am anderen Ende meines aus einem Schaffell, Matte, Schlafsack und Kissen bestehendem Lager war. Schon alleine das Umdrehen war ein Desaster, ich fiel einfach um, natürlich in die falsche Richtung. Also wieder aufgerappelt und komischerweise war meine Decke so ungünstig um mich herumgewickelt, dass ich mich kaum bewegen konnte. Es war wahnsinnig kompliziert für mich, mich aus der Decke zu winden. Ich konnte mich kaum konzentrieren, außerdem fiel ich dauernd um. Schließlich ließ ich mich erfolgreich in Richtung der Flasche fallen – Aufsetzen oder gar Aufstehen waren ausgeschlossen – und ich konnte endlich trinken. Das ganze schien mir endlos zu dauern und ich fand das so lustig, dass ich die ganze Zeit kichern musste. Danach drehte ich mich wieder zum Pfosten und zog mir die Decke über den Kopf. Ich genoss die Dunkelheit und den warmen Schein des Feuers unter dem Deckensaum. Als ich so vor mich hinträumte, hatte ich eine wirklich schöne Vision. Ich sah mich selbst wie ich war (bin?), auf jeden Fall war, und zwar vor Urzeiten, wie es mir vorkam. Es war ein Mädchen mit einem weißen Trägerhemd (sowas hatte ich nie), aber gleichzeitig eine Frau, mit reinem Herzen, vergnügt, bodenständig, in sich selbst ruhend. Unglaublich sympathisch, lustig, von sonnigem Gemüt. Ich war es, aber ohne all den Ballast, den ich mit mir rumtrage. Als ich näher hinsah, ja, es war wie Hinsehen, da sah ich, dass mein Ich, also diese Person im Hemd, wie verhüllt war, ich konnte sie von schräg oben sehen. Es sah aus als würden sich wie Schalen einer Frucht darum befinden. Nur durch meine besondere Perspektive kann ich sehen, was sich im Inneren befindet. Je mehr ich auf die Schalen fokussiere, die übrigens nicht wie ein Foto stillstehen, sondern sich bewegen, immer mehr werden und übereinander liegen, bis man an die Frucht (ich) gelangt. Es stellte sich heraus, dass die Schalen sich auch sonst unterschieden. Sie trugen Bilder, die mein Leben repräsentieren. Viele davon hatten mit meinem Job zu tun. Klar, der Job hat den Großteil der letzten 20 Jahre geprägt. Es macht Spaß, die Bilder zu sehen, die vielen Reisen, vor allem die tolle Doktorarbeit und die Abenteuer, die ich erlebt habe, ich war wirklich restlos glücklich in dieser Zeit, ich habe dafür gelebt! Es gab außerdem gute Bilder mit den Studenten auf Exkursionen in exotischen Ländern, ja das war ein Riesenspaß. Leider fällt bei näherer Betrachtung auf, dass es in den jüngeren Schalen, denn sie sind chronologisch geordnet, weitaus mehr „schlechte“ Bilder gibt (es fällt mir einfach kein anderes Wort ein, sie sehen aus wie Dias, leicht transparent, sich bewegend, wie kleine Filme, und eben auf diesen Schalen). Ich sehe zum Beispiel deutlich, dass diese Leidenschaft im Moment nicht mehr befriedigt wird, dass die Umstände sich geändert haben. Ich empfinde eine große Traurigkeit als ich feststellen muss, wie blöd das alles ist für mich, dass ich gar nicht mehr ich selbst bin! Ich möchte mich am liebsten selbst in den Arm nehmen und trösten, und sagen, wie schade das alles ist. Dass es nicht meine Schuld ist, wie das alles gekommen ist und sich die Dinge manchmal auch ohne eigenes Zutun, und u. U. sogar trotz allen Einsatzes zum Negativen hinwenden können. Es tut mir so wahnsinnig leid, dass ich mich dabei so vergessen konnte. Mir ist die ganze Zeit bewusst, dass es um mich geht, aber irgendwie bin ich auch dieses zarte sympathische Wesen verborgen zwischen diesen gummiartigen Bananenschalen. Ich spüre deutlich, wie mich die äußeren Umstände quälen, meine Kreativität und Inspiration lähmen. wie abhängig ich bin und wie unfrei ich mich fühle, wie verkrampft und gehemmt ich mich fühle. Dass ich total viel Energie brauche, um das alles aufrecht zu erhalten. Ich finde das alles so traurig, dass ich weinen muss. Das ist nicht unangenehm, eher ein Weinen von Mitgefühl geprägt. Es ist frei von zerstörerischen Emotionen, betrachtet nur, was ist. Es ging nicht um die Einzelheiten, sondern was sie mit mir machen. Dass sie dazu führen, dass ich meine ganze Lebensfreude opfere. Und das war so traurig. Ich bin insgesamt eher erleichtert, weil ich mich wiedergefunden habe. Und unglaublich froh, dass ich noch da bin! Das habe ich auch dem Schamanen erklärt, der mein Weinen gleich mitbekommen hat und mich freundlicherweise nach meinem Wohlbefinden gefragt hat. Ich bin gleichzeitig erstaunt, dass das passieren kann, dass man sich so restlos verliert und es war so deutlich, dass die frühere Leidenschaft irgendwie erstarrt ist. Also unter, in den ganzen Bilderschalen habe ich das gesehen und gespürt. Das Erlebnis war von reinem Mitgefühl und Liebe geprägt. Nicht nur mit dem eingeschlossenen Wesen, sondern auch zu meinem Gefährten. Dabei habe ich auch gespürt, wie sehr ich mich ihm verbunden fühle. Dabei stiegen wieder verschiedenen Bilder auf, diesmal welche mit meinem Mann, von Erlebnissen, Reisen und Festivals vor allem. Das hängt vielleicht damit zusammen, dass er mein Lieblingspsychonaut ist.
Man verliert ja völlig das Zeitgefühl in diesem Zustand. Mir ist das bewusst geworden als ich eine Zigarette geraucht hatte und mir bewusst wurde, dass es mir wie eine Ewigkeit vorkam. Dabei ist allseits bekannt, dass Zigaretten unter 10 Minuten geraucht sind. Mir kam es vor wie mindestens zwei Stunden, die ich an dem Ding rauche. Auf den Schamanenassistenten bin ich dann noch sauer geworden. Das hat auch gefühlt ewig gedauert. Es war so, dass mich diese Blätterbüschel von denen tierisch interessiert haben, kurz nachdem ich mich im Schalenkleid gesehen habe. Der Oberschamane schüttelte das Bündel gerade und ich kam näher, um mir die Blätter genauer anzugucken. Der Assistent befürchtete wohl, dass ich ihm das gleich aus den Händen reiße und hat mich voll uncool an der Schulter gezogen. Dieser Vorfall hat mich gefühlte drei Stunden beschäftigt. War aber sicher nicht solange – der Zigaretteneffekt! Als ich später am Feuer saß und den tollen Musikern zuhörte, fragte er, ob ich mich über ihn geärgert hätte. Ich wusste, dass er sagen würde, meine Reaktion auf ihn „hätte mit mir zu tun“, ich wusste es einfach. So kann man sich immer toll rausreden. Vollidiot. Natürlich hat er es gesagt. Und weil ich mich ja ewig darüber geärgert habe, wusste ich auch, was ich sagen würde. So habe ich ihm gesagt, dass ich den Spruch erwartet habe und dieses Thema schon vor langer Zeit mit meiner Therapeuten erledigt hätte und er mir zutrauen könnte, dass ich sein Verhalten schlicht weg als blöden voreiligen Übergriff empfand, der mich außerdem voll aus meiner Bombenstimmung gerissen hat. Er hat sich entschuldigt, was ich sehr korrekt fand. So konnte ich mich wieder total den tollen Musikern hingeben. Da waren ein irischer Harfist, eine Frau mit einem unbekannten Seiteninstrument, das sich mit Tasten regeln ließ, die konnte auch toll singen. Außerdem ein Gitarrenspieler, der virtuos alles Mögliche spielte und die weniger Begabten, wie ich, trommelten auf Bongos, Triangeln oder hatten Schellen oder einfach Stöcke. Es war wirklich ein Riesenspaß, wie alle runterkamen und einfach eine gute Zeit zusammen hatten. Großartig. Eine ältere Dame um die 70 begann zu tanzen und zog sich fast nackt aus. Alles war möglich.
Langsam zogen sich die meisten auf ihre Lager zurück, andere gingen nochmal raus zum Feuer, um weiter Musik zu machen. Am nächsten Morgen frühstückten wir, tauschten unsere Erlebnisse aus und genossen den Sonnenschein. Am Abend begannen die Vorbereitungen für die nächste Nacht.