Tripbericht lesen

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Titel:Diesmal mach ich's richtig!
Drogen:Psilocybinhaltige Pilze
Autor:ehemaliges Mitglied
Datum:16.03.2018 01:09
Set:In freudiger Erwartung, ein bisschen aufgeregt
Setting:In meinem alten Elternhaus, allerdings sturmfrei
Nützlichkeit:9,19 von 10 möglichen   (21 Stimmen abgegeben)

Bericht:

Hey ihr Lieben!
Das ist der TB meines letzten Pilztrips vor etwa einem Monat. Weil ich der Meinung bin, dass meine Vorgeschichte, was Halluzinogene anbelangt, vielleicht interessant sein könnte, da ich die Pilze sozusagen für mich "wiederentdeckt" habe, füge ich sie ebenfalls hinzu. Wen nur der Trip interessiert, der springt zu 4.!

Viel Spaß beim Lesen!


1. Psychedelischer Prolog

Meine psychedelische Reise begann vor etwas weniger als 5 Jahren, ich war damals 16. Aus Neugier (und Langeweile) hatte ich mir etwas Salvia und eine Bong aus dem Internet besorgt. Der erste Kopf hatte mir bloß ein etwas seltsam anmutendes Amüsement über die Situation beschert, darum machte ich mich daran, den zweiten zu packen. Als ich das getan und einen tiefen Zug genommen hatte (damals rauchte ich noch regelmäßig Zigaretten und hatte keine Probleme mit einer solchen Menge Rauch), fragte ich mich, wann denn nun endlich eine Wirkung einsetzen würde, und beschloss, einen dritten Kopf zu rauchen, wenn denn endlich die Krokodile verschwunden wären, die links und rechts an mir vorbei zu schweben schienen.

„Moment.“

Ab diesem Moment wusste ich, dass ich noch sehr viel trippen würde. Ich konnte es so wenig erwarten, dass ich mir, nachdem die Krokodile verschwunden waren, tatsächlich einen dritten Kopf genehmigte. Einen dicken. Und der ließ mein Ego sterben und mich für ein paar unendliche Augenblicke im schwarzen Nichts schweben. Im Landeanflug schmiss ich versehentlich die Bong um und beschloss, es für heute gut sein zu lassen und das Erfahrene in meinen Alltag zu integrieren.

Es folgten noch einige Sessions mit Salvia, meistens alleine, allerdings verlor ich durch den grausigen Geschmack und das unangenehme Körpergefühl bald die Lust daran. (Vor einem halben Jahr habe ich mir in einem Anflug von Nostalgie wieder ein wenig besorgt, einen weiteren Egotod konnte ich jedoch bis heute nicht reproduzieren).

In der Zwischenzeit waren die Pilze, die ich mitsamt dem Salvia bestellt hatte, bereits groß geworden und warteten darauf, aus der Growbox geerntet und getrocknet zu werden. Damals war es auch noch möglich, Trüffel (legal) im Netz zu bestellen, diese hatten allerdings leider keinen Effekt auf mich (ich vermute, dass ich sie unsachgemäß gelagert hatte). Da ich mit Salvia gut umgehen konnte und mich die Floskel „stärkstes natürlich vorkommendes Halluzinogen“ zutiefst beeindruckte, bildete ich mir in meinem jugendlichen Übermut ein, jedem psychedelischen Molekül gewachsen zu sein. Mein erster Pilztrip fand darum in einem denkbar gedankenlosen Setting statt: Ich nahm gemeinsam mit meiner damaligen Freundin A. die Ernte des ersten Flushes ein, natürlich ohne vorher abzuwiegen (ich schätze, dass es jeweils um die 3 Gramm gewesen sind) oder abzuwägen, dass es vielleicht unklug sein könnte, dies zu tun, während meine Mutter mit ihrem Freund ebenfalls im Haus war und von all dem natürlich keinesfalls Wind bekommen durfte.

Ich erinnere mich nur an Bruchstücke des Trips, an Gedankenschleifen, das Gefühl Zeit und das Leben an sich überhaupt nicht mehr zu verstehen, an leichte Panik, meine Mutter könnte etwas bemerken und an sehr komplizierte Klogänge. A. musste einmal kurz (oder lang?) weinen. Im Nachhinein betrachtet ist es ein Wunder, dass meine Mutter (anscheinend?) nichts bemerkt hatte, wir weder uns verletzt noch irgendetwas kaputt gemacht hatten und vor allem: Dass wir Lust auf mehr psychedelische Erfahrungen hatten.

Ich nahm noch 3x Pilze, jedes Mal unter eher suboptimalen Bedingungen, allerdings deutlich weniger. Zwei mal spürte ich fast gar nichts, beim dritten Mal hatte ich einen Kreislaufzusammenbruch, erinnere mich aber an einen sehr schönen Spaziergang durch die Vorstadt. Psychonautisch waren diese Erfahrungen insgesamt eher unspektakulär.

Meine vorerst letzte Erfahrung mit den magischen Funghi war die mit Abstand unangenehmste. Obwohl mehr als ein halbes Jahr seit der ersten vergangen war, wusste ich es noch immer nicht besser und warf aus Langeweile alleine (die vorigen Male waren zumindest andere Menschen dabei) circa 2-3 Gramm in meinen Tee, und dann noch circa einen, da ich wieder richtig spacen wollte. Es folgten drei furchtbar anstrengende Stunden, in denen ich mir einbildete, mir versehentlich meine Finger abgehakt und ins Bett gekotzt zu haben. Am Ende wollte ich meine restlichen Pilze im Klo hinunterspülen, entschied mich dann aber dafür, sie zu verschenken.

Es war meine letzte „richtige“ halluzinogene Erfahrung für eine lange Zeit. Zwar kiffte ich nun auch, probierte 2x DXM in niedrigen Dosierungen (es gibt hier einen TB zu meiner ersten Erfahrung zu lesen) und 1x XTC, und irgendwann knabberte ich mal 2 Holzrosensamen, doch waren diese Erfahungen für mich allesamt nicht ansatzweise so psychedelisch, wie es die erste und die vorerst letzte Pilzerfahrung gewesen waren. Ich war vorsichtiger geworden, bereitete mich nun stets gut auf meine Drogenerfahrungen vor und hatte vor allem Angst. Ich wollte nicht mehr so sehr die Kontrolle verlieren.

Doch ich wurde älter. Ich begriff immer mehr, wie dumm ich gewesen war, wie wenig Ahnung ich doch gehabt hatte, wie gedankenlos ich meine Entscheidungen getroffen hatte. Ich hatte zwar meinen Mut verloren, doch nicht meine Neugier, und so kam mein Interesse für Halluzinogene wieder zutage, als ich 20 war. Ich machte eine schwierige Zeit durch, hatte einen mir nahestehenden Menschen verloren und wurde kurz darauf von meiner Freundin (nicht A.) verlassen. Für fast ein Jahr versank ich beinah vollständig in Alkohol, Gras und Einsamkeit. Ich brauchte einen neuen Blick auf mein Leben, einen neuen Anstoß. Ich besorgte mir wieder Pilze, experimentierte allerdings nur mit Mikrodosierungen. Es half mir nicht wirklich. Doch der erneute Kontakt zu jener Art von Drogen führte dazu, dass ich mir Wissen aneignete. Man könnte sagen, dass ich langsam reifer wurde.

Es war Sommer, ein paar Wochen vor meinem 21. Geburtstag, als ich erst ein Space-E und dann noch ein weiteres zu mir nahm. Die Wirkung des zweiten überrumpelte mich völlig und machte mir etwas Angst, doch was von jenem Abend blieb war etwas Anderes: Lebensenergie. Ich begann langsam, Sport zu machen, mehr zu lesen, mehr zu unternehmen. Auszunüchtern. Glücklicher zu sein. Es gab Rückschläge, doch als das Jahr zu Ende ging, war ich ein anderer Mensch. Es gab noch vieles in meinem Leben, was mir Kopfzerbrechen bereitete, doch… ich lebte wieder. Und das hatte ich schon lange nicht mehr getan.

Die letzte psychedelische Droge, die ich probierte, war Ketamin, allerdings ohne Lust auf das K-Hole in kleiner Dosierung.


2. Ich will zurück

Ein halbes Jahr war seit der LSA-Erfahrung im Sommer vergangen. Ich hätte seitdem am liebsten jeden Monat getrippt, doch ich war reifer geworden und wollte mich bereit und gewappnet fühlen. Anfang Februar war ich soweit: Ich hatte viel gelesen, mir diverse einschlägige Youtubekanäle zu Gemüte geführt und viele Stunden darüber nachgedacht. Ich war bereit. Und ich wollte einen Neuanfang. A., mit der ich meinen ersten Pilztrip erlebt hatte, war – trotz vielem, was vorgefallen war – zu meiner besten Freundin geworden. Ich bat sie, diesmal meine Tripsitterin zu sein. Obwohl ich schon ausgezogen war, wollte ich in meinem alten Kinderzimmer, in dem wir zum ersten Mal Pilze genommen hatten, trippen. Diesmal allerdings, während meine Mutter nicht im Haus war. Eine Waage hatte ich mittlerweile auch, zwei Gramm sollten es diesmal werden. Ich nahm mir Zeit, bereitete mich vor. In der Nacht vor dem Trip brauchte ich sehr lange, um einzuschlafen. Ich war aufgeregt, und all die Probleme, die ich im Leben hatte, geisterten in meinem Kopf herum. Es war, als hätte der Trip schon begonnen.

Als ich am nächsten Tag erwachte, fragte ich mich, ob ich angesichts der unruhigen Nacht den Trip verschieben sollte. Doch eigenartigerweise fühlte ich mich gewappneter als am Tag zuvor, und hatte das Gefühl, dass sich mein Geist sich in der Nacht auf den bevorstehenden Ausnahmezustand vorbereitet hatte. Ich fühlte mich bereit, bereiter denn je.


3. Vorbereitungen

Ich widmete den ganzen Tag meinem Trip, legte wunderschön illustrierte Kinderbücher, Obst, einen leuchtenden Globus und anderes parat, das den Trip aufwerten sollte. Meine Playlist war bunt durchmischt, Grateful Dead, Tschaikowsky, Boney M, Falco und viele andere sollten mir die Stunden versüßen. Ich entschied mich dagegen, den ganzen Tag zu fasten, da es mir wichtig war, Energie zu haben. 6 Stunden vor dem Abflug aß ich Cornflakes und hoffte, dass ich auch diesmal nicht von den Pilzen erbrechen musste (das war mir lediglich auf LSA passiert).

Um 18 Uhr kam schließlich A. Ich begann sogleich, sie vollzulabern und ihr von all meinen Plänen für den Trip zu erzählen. Unter anderem wollte ich, dass sie mir aus den „Fragebögen“ von Max Frisch einige Fragen vorliest, die ich dann beantworten würde. Das sollte auch aufgenommen werden. Zudem wollte ich Obst blind am Geschmack erkennen. Und sie sollte mir eine Kindergeschichte vorlesen. Geduldig, wie A. immer war, ließ sie mich plappern und versetzte mich damit in einen wunderbaren Vibe. Ich war gelassen und ruhig, als ich begann, meinen Pilztee zu kochen.

Bevor ich sie zerkleinerte, sprach ich mit den 11 kleinen Pilzen, die ich für diesen Abend erwählt hatte. Ich wüsste um ihr großes Potential, um die vielen Dinge, die sie mir lehren konnten. Doch wüsste ich auch, welch unangenehme Stunden sie mir bereiten konnten. Mir wäre klar, dass es größtenteils in meiner Hand läge, meinen Trip gut zu gestalten, allerdings nicht ausschließlich, weshalb ich sie bat, gut zu mir zu sein. Ich muss erwähnen, dass ich ein sehr rationaler Mensch bin und mir normalerweise schwer mit Spiritualität tue, jedoch schien es mir evident, dass ich meinen Trip entscheidend durch die Bedeutung, die ich ihm gab, prägen würde. Insgeheim hatte ich mein wissenschaftliches Weltbild wohl auch langsam satt.

Ich danke den Pilzen noch, bevor ich einen überraschend leckeren Ingwer-Zitronen-Honig-Tee mit ihnen zubereitete. Um 20:20 schließlich setzte ich mich mit A. auf den Balkon, sie rauchte einen Joint, ich begann, meinen Tee zu schlürfen.


4. Die Reise

Bereits ein paar Minuten nach dem ersten Schluck – die Tasse war noch halbvoll – ist mir, als würde ich meine Umgebung etwas genauer wahrnehmen, schärfer sehen. Zudem fühle ich mich sehr ruhig und entspannt, jegliche Nervosität ist auf einmal verflogen. Es handelt sich vermutlich nur um Placebo, aber ich freue mich dennoch, denn auch die Wärme des Tees löst ein wohliges Gefühl in mir aus und bringt mich auf einen wunderbaren Vibe. Nach 20 Minuten habe ich meine Tasse geleert – der letzte Schluck ist ob sehr vieler Pilzstückchen nicht ganz so lecker – und A. ihren Ofen geraucht. Zwar ist es eine schöne Nacht, allerdings auch sehr kalt, weshalb wir wieder in mein Zimmer gehen.

Um die Zeit schneller voranschreiten zu lassen, schauen wir ein Video auf Youtube (Maschek). Ich bemerke plötzlich, dass es mich anstrengt, ihm zu folgen, und meine zu A., dass es nun losgehen würde. Und das tut es auch. Meine Gedanken werden schneller, getriebener. Sie scheinen immer mehr an Eigendynamik zu gewinnen, lassen sich immer schwieriger kontrollieren. Die Filter schalten ebenfalls langsam herunter, die vertrauten „Bahnen“ werden verlassen, die Sprünge werden freier, wirrer, unvorhersehbarer. Indes wird es heller in jenem dunklen Raum, die Farben kräftiger, alles schärfer und plastischer. Plötzlich scheint mein linker Arm um gute 20 cm länger als mein rechter, was mich sehr erheitert. Ich schließe meine Augen und sehe aztekisch anmutende Muster, sich langsam nach rechts drehend, verändernd. Plötzlich entfernen sie sich und ich sehe, dass sie bloß auf einem Bild sind, das ein seltsam kniender Mann mir entgegenhält. Ich bemerke, dass mich diese Welt völlig in ihren Bann reißt, und entscheide mich, die Augen wieder zu öffnen, da mir etwas schwindlig geworden ist. Mein Gewand nervt mich, ich ziehe mich aus, bitte A., es mir gleich zu tun (wir schlafen immer mal wieder miteinander, also ist Nacktheit kein Problem). Ich kuschle mich an sie, genieße es, dass sie da ist. Die Anziehung, die ich gerade zu ihr empfinde, ist nicht sexuell, es ist einfach nur Nähe, Freundschaft, Intimität, die ich gerade will. Ich fühle mich wie ein Kind, das noch kein sexuelles Bedürfnis hat. Ich gebe ihr einen Kuss auf die Stirn, bedanke mich bei ihr, dass sie für mich da ist, und sage ihr, dass ich mich sehr wohl fühle.

Ich lege nun meinen Fokus auf die Musik… das erste Lied, das ich mit vollem Bewusstsein höre, ist der Russische Tanz aus dem Nussknacker. Zuerst finde ich nicht in das Lied hinein, will A. darum bitten, es zu ändern… und plötzlich reißen mich die Streicher in eine andere Welt. Ich habe, seitdem die Wirkung eingesetzt war, sofort einen Laberflash erfahren und jeden einzelnen Gedanken sofort in Worte verwandelt, doch nun… bringe ich kein einziges mehr hervor. Ich schließe die Augen. Mir ist, als würde ich in rasender Geschwindigkeit gerissen durch ein Meer aus Farben, so schnell dass ich sie gar nicht erkennen kann. Die Musik kommt von allen Seiten, schüttelt mich, durchdringt mich. Alles ist Musik, es gibt nichts anderes mehr. Meine Ohren wirken so, als hätten sie in den letzten paar Minuten 27 Softwareupdates und -upgrades erfahren. Jeder, der schon einmal Halluzinogene zu sich genommen hat, weiß, wie unbeschreiblich sie einen Musik erfahren lassen, und das wusste ich auch, doch ich habe in diesem Zustand noch nie Klassik gehört. Sie ist nicht von dieser Welt. Erst, als der letzte Takt gespielt ist, lässt das Orchester mich wieder frei.

Es ist erst kurz nach 21 Uhr, und ich befinde mich noch immer in der Comeupphase. Zwar bin ich überglücklich, euphorisch, lache und führe meinen Laberflash fort, doch ist in meinem Hinterkopf plötzlich ein schlechter Gedanke:

„Wie stark wird das noch?“

Ich weiß, dass es leicht wäre, ihm zu folgen, Panik zu bekommen, schlechte Stunden zu haben. Ich will das nicht. Ich beginne, die Wirkung vor A. zu beschreiben, in der Hoffnung, dass ich durch einen genauen Blick auf meinen Zustand die Angst vor demselben überwinden kann. Ich weiß nicht, wo ich zu beschreiben anfangen soll.

„Alles wird eins. Alles läuft zusammen und wird ein Erleben, eine Erfahrung, ein Ganzes, ein Verbundenes.“

Es ist dieses Umfassende, dieses Ergreifende, dieses Mitreißende des Trips, das mich bei jeder dieser Erfahrungen aufs Neue überrascht. Ein Alkoholrausch ist für mich nichts als die Anwendung einiger Adjektive auf meinen Bewusstseinszustand (lustig, benebelt, verdummt, …). Ein Grasrausch ist schon etwas mehr, verändert das Erleben auf eine tiefere Art. Doch was Halluzinogene machen, ist viel viel mehr, oder etwas ganz anderes. Ein Trip eben. Mit Worten nicht zu beschreiben, und wohl auch nur vollständig zu erfassen, so er gerade akut erlebt wird. Als wäre man in einem Film, doch nicht so wie bei MDMA… nein, es ist ein Film, dessen Handlung man nicht kennt, ein Film, in dem man vergisst, wie es jemals außerhalb von ihm gewesen ist. Ein Film wie ein anderes Leben.

Ich bemerke, dass mir flau im Magen ist. Zwar habe ich einen Kübel parat gestellt, doch möchte ich es A. ersparen, meine Kotze wegbringen zu müssen. Ich bin der Meinung, es relativ problemlos aufs Klo schaffen zu können, und mache mich auf den Weg. Ich springe aus dem Bett auf und haste zum Klo, knie mich vor die Schüssel. Plötzlich wird alles stärker, die Gedanken erreichen unermessliche Geschwindigkeiten, ich kann ihnen nicht mehr folgen. Alles läuft zusammen, alle Geräusche, Gefühle, alles Visuelle. Es wird viel, viel zu viel, ich denke mir bloß:

„Es ist zu viel.“

Plötzlich ist Ruhe, ich fühle Frieden. Ich öffne meine Augen, verstehe erst gar nicht, was los ist, stelle mir gar nicht die Frage. Bloß dass es schwächer wird, bemerke ich, und bin froh. Dann wird mir klar, dass ich am Boden liege. A. steht neben mir, sieht mich besorgt an. Ich begreife: Offensichtlich bin ich im Knien ohnmächtig geworden, nach links gekippt. Ich spüre jedoch keinen Schmerz, frage A., ob ich mir wehgetan habe. Sie verneint. Sofort entschuldige ich mich bei ihr, es tue mir leid, ich wolle ihr keine Sorgen bereiten. Sie lächelt.

„Wieso stehst du bloß immer so schnell auf!“

Ich schmunzle. Etwas sehr Ähnliches ist mir auch auf LSA passiert.

Ich bemerke, dass mir nicht mehr schlecht ist. Ich liege ganz angenehm auf dem Boden. Ich habe nun auch den Peak erreicht. A. hat die Boxen und eine Matratze zum liegen geholt, ich rolle darauf. Plötzlich reißt es mich: Aus den Boxen schallt eine Stimme, verzerrt, entfremdet, als käme sie direkt aus der Hölle. Ich habe jedoch keine Angst, frage mich bloß, was für ein Lied das ist.

It's so dreamy, oh fantasy free me
So you can't see me, no, not at all
In another dimension, with
voyeuristic intention,
Well secluded, I see all…

Time Warp… A. sagte mir nach dem Trip, ich sei während dieses Liedes bloß manisch lachend und raunend auf dem Boden gelegen, und habe ab und zu irre die Augen aufgerissen. Für mich war es einer der intensivsten Momente, so intensiv, dass ich meine Gefühle und Gedanken mit Worten nicht mehr wiedergeben kann.

A. fragt mich nach dem Lied, ob mir nicht kalt ist, und ich möchte gerade „nein“ sagen, da überfällt mich ein gewaltiger Kälteschauer. Ich zittere plötzlich am ganzen Leib, als hätte ich gerade ein Eisbad genommen. Schnell bewege ich mich zurück ins Bett, wickle mich in die Decke ein. Langsam wird mir wieder warm. A. kommt mit einem aufgeschnittenen Apfel und einer Mandarine zurück ins Bett. Ich habe Hunger und bin neugierig darauf, wie der Apfel schmeckt. Ich beiße hinein und…

„Ooooooooh!“

Der Apfel schmeckt, als hätte man 100 seiner Art genommen, deren ganzen Geschmack in 10ml extrahiert und in diesen eingearbeitet. Zeitweise schmecke ich ihn so intensiv, dass ich aufhören muss zu kauen. Als ich ihn schließlich hinunterschlucke, überkommt mich plötzlich Panik: Ich habe das Gefühl, mich verschluckt zu haben! Ich spüre den Bissen ganz deutlich in meiner Brust… doch Moment… dann könnte ich doch nicht so gut atmen. Mir wird klar, dass ich spüre, wie der Apfel meine Speiseröhre hinunterrutscht. Jede einzelne seiner Berührungen mit meiner Schleimhaut. Ich freue mich darüber, so etwas fühlen zu können, bin aber auch ganz froh, im Alltag nicht so sensibel zu sein, da essen mir auf diese Art wohl zu anstrengend wäre. Es folgen ein weiteres Stück Apfel und dieser Dialog:

Ich: „Eigentlich ist die Schale voll nervig, die schmeckt gar nicht. Wieso esse ich Äpfel sonst immer mit Schale?“
A.: „Weil die ganzen Vitamine darunter sind!“
Ich: „Aja, voll. Sonst gäbe es ja keinen Grund dazu. Sie ist einfach zu nervig. Würdest du die Schale essen, wenn keine Vitamine darunter wären?“
A.: „Ja, vermutlich, manchmal.“
Ich: „Wirklich? Weil du zu faul zum Schälen wärst? Oder findest du sie geil? Würdest du sie auch essen, wenn sie ungesund wäre?“
A.: „Wie ungesund?“
Ich: „Moderat ungesund. In etwa… ungesünder als das grüne Dingsi von Tomaten, aber gesünder als das schwarze Krustenzeug das sich bildet wenn man was zu lange anbrät.“
A.: „Hmm… ja, ich würde sie manchmal essen. Heimlich.“
Ich: „Du bist verrückt. Ich würde das nie machen. Das ist total unnötig. Wieso etwas Ungesundes machen, das einem gar nichts bringt? Das nicht mal lecker ist! Das ist ja wie… Zigaretten rauchen! Oh!“

Mich überrascht die Tiefe dieser Einsicht. Ich rauche nicht mehr regelmäßig, sondern bloß noch gelegentlich (und davon zu 95% in Verbindung mit Cannabis), aber würde ich es noch tun, hätte diese Erkenntnis meine Einstellung zu Tabak wohl nachhaltig verändert. So freue ich mich bloß, dass ich nicht mehr rauche, und stelle mir vor, es gäbe Suchthilfe für Apfelschalenjunkies und Sozialarbeiter, die an Schulen über die Gefahr von Apfelschalen aufklären. Und coole Kinder, die dann in der Pause vor der Schule stehen und sich die Schale von gleich drei Äpfeln gönnen.

Ich merke, dass mir die drei Stücke Apfel, die ich gegessen habe, im Magen liegen. Zeit für die Mandarine! Erst gelingt es mir gar nicht, sie zu schälen, da ich Angst habe, sie kaputt zu machen – was ich allerdings bis zu einem gewissen Grad tun muss, um sie zu essen, wie mir A. anschließend demonstriert. Dann halte ich zwei Mandarinenhälften in der Hand und sehe sie total begeistert an. Das Orange des Fruchtfleisches ist intensiv und strahlend, und die vielen kleinen weißen Fäden, die es durchziehen, ergeben wunderschöne Muster, in denen ich mich verlieren kann. Zudem begeistert es mich, dass die Frucht bereits von der Natur „vorgeschnitten“ worden ist. Ich halte kurz inne und stelle für mich fest, wie unwahrscheinlich es doch ist, dass der bloße Zufall (ich bin – immer noch – Agnostiker) so etwas hervorbringen kann. Dass so viel Schönheit in etwas so Alltäglichem steckt. Nutzlose Schönheit. Einen Moment steht für mich die Frage nach einem Gott im Raum, doch meine Antwort bleibt dieselbe wie immer: Möglich, aber falls ja, sicherlich keineswegs menschlich oder auch nur für Menschen vorstellbar, und in jedem Falle nicht relevant für uns, genauso wenig wie wir relevant für ihn. Und auch nicht relevant für das Aussehen der Mandarine, denn wenn nicht der Zufall sie schön gemacht hat, hat er doch dafür gesorgt, dass ihr Ersteller sie schön gemacht hat.

Ich rieche an der Mandarine und muss sie schnell wieder von meiner Nase weghalten, da es einfach zu stark ist. Solange sie unter meiner Nase ist, kann ich kaum denken, weil mich ihr intensiver Geruch so sehr einnimmt, dass in meinem Bewusstsein kein Platz mehr für anderes ist. Ich entschließe mich, die Mandarine trotz ihrer optischen wie olfaktorischen Schönheit aufzuessen und bin abermals begeistert, allerdings nicht so sehr wie beim Apfel, da ich nun schon wusste, womit zu rechnen war. Plötzlich erschrecke ich mich. Sehr. Mitten aus dem Nichts ist ein Kern in meinem Mund aufgetaucht, und – oh Gott, noch einer. Klar weiß ich, dass in Mandarinen Kerne sind, aber normalerweise… sind sie nicht plötzlich einfach da, ohne Vorankündigung. Oder doch? Aber jetzt ist es doch anders als sonst. Es fühlt sich so an, als würden die Kerne in meinem Mund entstehen. Ich versuche mich mit dem eigenartigen Gefühl zu arrangieren, allerdings verschlucke ich mich nach einigen Stücken fast an einem Kern und habe plötzlich gar keine Lust mehr auf Mandarinen.

Mehr zum Kosten! Ich geniesse meinen verstärkten Geschmackssinn gerade, und will ihn noch weiter erforschen. Jetzt ist ein Erdbeerriegel von Milka dran, eine meiner Lieblingssüßigkeiten. Ich ahne, dass er künstlich schmecken wird, doch künstlich ist kein Wort für das, was sich in meinem Mund abspielt, nachdem ich ein winziges Stück von ihm in den Mund genommen habe. Auch sein Geschmack ist verstärkt, enorm verstärkt, doch im Gegensatz zu Apfel und Mandarine, die voll und ausgewogen und wunderbar geschmeckt haben, ist die Geschmackspalette des Riegels völlig unausgewogen, weil er einfach viel zu stark nach Schokolade schmeckt. Unnatürlich stark. Völlig künstlich. Und die Süße… Ich bitte A., die Schokolade um die Erdbeerfüllung wegzuknabbern, da ich die einfach nicht aushalte und mal nur das Innere probieren mag, ob das auch so eklig ist. A. lacht und tut wie ihr geheißen, ich trinke derweil etwas Wasser. Ich schabe mit meinen Zähnen ein Stück der Füllung in der Dimension einer größeren Parmesanflocke vom Riegel, doch selbst das ist mir zu viel. Viel zu süß, viel zu künstlich, und viel zu eintönig. Müsste ich den ganzen Riegel essen (etwa 30g), würde ich ganz sicher kotzen.

Ich erkenne dadurch, dass Pilze nicht nur die Schranken, Barrieren, erlernten Urteile, Bias etc. etc. im Denken entfernen, sondern auch im Fühlen. Ich schmecke gerade so, als hätte ich nie zuvor etwas mit Geschmack gegessen, als würde ich gerade zum ersten Mal die Erfahrung „Geschmack“ machen. Alles ist neu, intensiv, und ich habe noch keine „Toleranz“, soll heißen: Ich kann keine stark schmeckenden Dinge essen, weil ich sie ebensowenig vertrage wie ein 13jähriger seine ersten 3 Bier verträgt. Es schockiert mich zudem, wie stark die Lebensmittelindustrie unsere Geschmacksnerven mit unnatürlich starken Geschmäckern verformt. Ich bin mir sicher, dass ein Schokoriegel, den man via Zeitreise in die Steinzeit geschickt hätte, von den Menschen damals eine ähnliche Beurteilung erfahren hätte wie von mir auf Pilzen.

Ich koste nun einen veganen Brownie, den A.s Mutter ihr gemacht hat. Er ist in weißes Papier eingewickelt, das sehr zerknittert ist. Es ist wunderschön, wie diese Linien mit dem Licht spielen, Schatten werfen. Das Papier atmet und jeder neue Betrachtungswinkel darauf löst ein anderes Gefühl in mir aus. Der Brownie selbst schmeckt zum Glück nicht so künstlich-stark wie der Riegel, fast ein bisschen langweilig. Aber seine Konsistenz ist lustig, wie Plastelin. Ich spiele damit in meinem Mund und denke – wohl getriggert davon, dass er vegan ist – über Ernährung nach. Ich bin selbst Vegetarier und habe diesen Gedanken schon oft gehabt, doch noch nie so stark wie heute: Ist es nicht absurd, andere intelligente Lebewesen umzubringen, meistens nach einem leidvollen Leben, nur um sie zu essen, wenn es doch im Übermaß Unmengen anderer leckerer Dinge gibt, die man stattdessen essen könnte? Mittlerweile gibt es ja sogar schon Salami und Würstchen in fleischloser Form, und fernab davon macht Fleisch ja nicht einmal abhängig! Und wie viele Menschen schimpfen sich Tierfreunde und kaufen sich kein Biofleisch (damit sie ein paar Euro mehr für den Wein ausgeben können, den sie dazu trinken)? Innerhalb von kürzester Zeit wurde ich sehr wütend, und wäre A. nicht selbst Vegetarierin, würde ich vermutlich den Rest des Trips mit ihr streiten (ich muss dazu sagen, dass ich normalerweise nie Menschen auf dieses Thema anspreche und meinen Standpunkt bis dato nur verdeutlicht habe, wenn man ihn aktiv angegriffen hat). A. fragt mich, ob ich stolz darauf bin, kein Fleisch zu essen. Ich denke kurz nach, meine Antwort ist nein. Veganismus fände ich bewundernswert, aber es ist heutzutage viel zu leicht, sich vegetarisch zu ernähren, um darauf stolz sein zu können. Ehrlich gesagt schäme ich mich, erst so spät damit begonnen zu haben. Dann denke ich an mein letztes Mal Fleisch zurück, es war an meinem 18. Geburtstag. Ich war bei meinen Eltern und es gab Fischbrötchen (Fisch ist Fischfleisch), und obwohl ich mich eigentlich schon vegetarisch ernährte, wollte ich meinen Eltern nicht auf die Füße treten und Drama machen, ich hatte es ja noch nicht kommuniziert.

Mir fällt auf, dass diese Erinnerungen in einer glasklaren Deutlichkeit an meinem geistigen Auge vorbei huschten. Manchmal habe ich das Gefühl, dass meine Erinnerungen, vor allem weit zurückliegende, bloß in einer verfremdeten Version vorliegen, was einerseits daran liegt, dass man mit der Zeit Details vergisst, vermischt oder hinzufügt, andererseits auch darauf zurückzuführen ist dass das Weltbild zum damaligen Zeitpunkt noch ein anderes war und man die Welt schlicht anders erlebt hat. Nun ist das anders: Ich erinnere mich an bedeutungslose Details, kann mich an den Wortlaut der Stimme meiner Mutter erinnern, als sie mir zum Geburtstag gratulierte, kann jedes Gefühl rekonstruieren… und obwohl ich keine Möglichkeit dazu habe, festzustellen, ob diese Erinnerungen reiner und wahrhaftiger sind als die, die mir sonst kommen, wenn ich an dieses Ereignis zurückdenke, fühlen sie sich so rein und so wahrhaftig an, dass mir egal ist, dass es sich dabei bloß um ein Gefühl handelt.

Ich denke nun an meine Mutter. Wir hatten es früher sehr schwer miteinander, viele Konflikte und viele Fehler auf beiden Seiten haben unser Verhältnis belastet. Als ich mit 18 auszog, war mir egal, welche Rolle sie in meinem Leben einnimmt, ich wollte einfach nur weg von ihr. Ich sah sie in dieser Zeit kaum, obwohl ich die Stadt nicht verlassen hatte. Erst als meine Großmutter starb – etwa ein halbes Jahr nach meinem Auszug –, erkannte ich, wie wichtig mir meine nächsten Verwandten waren. Seitdem hat sich mein Bild von meiner Mutter stark verändert, und auch wenn es vieles gibt, was mich an ihr stört, und, noch schlimmer, vieles, was mich an mir stört und ich von ihr übernommen habe, versuche ich doch so gut es geht, ein gutes Verhältnis zu ihr zu haben. In der Zeit vor dem Trip habe ich das wieder mal mehr als belastend als bereichernd befunden, doch nun sehe ich ganz deutlich, wie wunderbar meine Mutter trotz ihrer Fehler ist. Ich bemerke, wie wichtig sie für mich ist und was für eine wichtige Rolle ich in ihrem Leben einnehme. Was sie für mich geopfert hat. Wie sehr sie immer wollte, dass es mir gut geht, und dass genau dieser Wunsch sie oft Fehler hat machen lassen. Und dass es an mir liegt, der Mensch zu sein, der ich sein will, und es feige und erbärmlich ist, andere für die eigenen Fehler verantwortlich zu machen – vor allem, wenn man von derselben Person zugleich so viel Gutes empfangen hat. Ich spüre, wie wichtig es ist, noch mehr Energie in diese Bindung zu investieren, da… es für mich zu den paar Dingen gehört, die mir wirklich wichtig sind, ein gutes Verhältnis zu den Menschen zu haben, die mir das Leben geschenkt haben.

„Ich mag mir gar nicht vorstellen, was für ein schrecklicher Vater ich wäre!“

Nun denke ich daran, wie es wäre, Vater zu sein. Normalerweise erfüllt mich dieser Gedanke mit Angst, beinah Abscheu. Ich möchte die Verantwortung nicht haben, nicht mein ganzes Leben aufgeben. Ich halte mich für viel zu fehlerhaft, um halbwegs intakte Menschen zur Welt zu bringen, und viel zu unfähig, sie zu ernähren, geschweige denn ihnen zu helfen, einen guten Platz auf der Welt zu finden. Auch jetzt fühle ich diese Ängste und Sorgen, sehr deutlich und klar. Doch da ist auch etwas anderes, etwas mir Unbekanntes: Schönheit. Ich spüre zum ersten Mal in meinem Leben, wie wunderschön es ist, einen kleinen Menschen zu zeugen, ihn auf die Welt zu bringen, ihm alles zu zeigen, alles zu erklären. Sich selbst in ihm zu erkennen, Gutes wie auch Schlechtes. Diesem Menschen beim Großwerden zuzusehen, sich dabei an die eigene Kindheit zu erinnern. Alles zu tun, was ich kann, um ihm ein besseres Leben zu ermöglichen als das, was ich hatte. Zum allerersten Mal verstehe ich, wieso Menschen freiwillig Kinder auf die Welt bringen. Ich kann nicht sagen, dass sich meine Einstellung zu Kindern nachhaltig verändert hat, doch sie ist angeknackst und ich immer noch sehr jung. Jedenfalls kommen mir beim Tippen gerade die Tränen, ich fühle eine Art emotionalen Flashback. Ich kann mir vorstellen, dass da etwas ins Rollen gebracht worden ist.

Mein Trip ist gerade sehr emotional. Fordernd. Ich merke, dass es noch viele Dinge gibt, über die ich jetzt nachdenken könnte, viele Probleme in meinem Leben, bei deren Behebung mir die besondere Perspektive der Pilze helfen könnte. Doch ich habe Angst, fühle mich dem noch nicht gewachsen, bin schon so erschöpft von dem, was ich bis jetzt gefühlt habe. Ich brauche eine Pause. Um mich abzulenken, bitte ich A., das Buch von Max Frisch zu holen und mich etwas aus der Kategorie Humor zu fragen. Ich schaue ihr dabei über die Schulter, kann aber nichts lesen, da die Zeilen bloß undefinierbare wie auch wabernde schwarze Linien sind. A. dreht ihren Kopf zu mir und ich schrecke zurück, da er plötzlich riesengroß ist! Irgendwas stimmt hier perspektivisch überhaupt nicht. Ich bitte sie, mit den Fragen noch kurz zu warten und erst mal wieder nach vorne zu schauen. Sie tut das, und ihr Kopf ist wieder normal. Dreht sie sich aber wieder zu mir, wird er plötzlich groß, völlig unproportional im Vergleich zum Rest ihres Körpers. Das amüsiert uns sehr.

Die erste Frage, die A. mir vorliest, verstehe ich nicht, da sie zu lange und zu umständlich formuliert ist. Dann fragt sie, ob ich der Meinung wäre, dass Humor sich im Alter verändert, und wenn ja, wie er das tut. Ich muss nicht lange überlegen, die Antwort liegt direkt vor mir: Humor bildet eine Toleranz! Primitiven und dummen Witzen gegenüber stumpft man mit der Zeit ab und kann sich nicht mehr daran erheitern, man braucht also „geistreicheren“ Humor, um wieder lachen zu können – wobei geistreich nicht bedeuten muss, es handle sich dabei um intellektuell hochwertigen Humor, sondern lediglich um kunstvollen angefertigten Humor (also theoretisch immer noch primitiv im Inhalt, jedoch ausgeklügelt in der Form). Daraufhin fragte mich A., ob ich, sofern ich an einen Gott glaube, der Meinung sei, dass dieser Humor habe. Auch hierauf wusste ich gleich eine Antwort: Fernab davon, dass ich Agnostiker bin, hat ein Gott, sofern er existiert, natürlich Humor! Man sehe sich bloß um! Allein dass es Pilze gibt ist lächerlich. Allerdings, er hat wohl eher den Humor eines Kindes, dass mit einer Lupe Ameisen verbrennen lässt…

Ich halte kurz inne. Etwas Spannendes geschieht in mir, etwas, dass ich auch schon auf meinen vorherigen Trips bemerkt hatte und seit meinem letzten Trip auf LSA in Worte fassen kann: Ich spüre die Doppel-(oder Mehr-)deutigkeit eines jeden Sachverhalts, das Zu-kurz-greifen eines jeden eindeutigen Urteils, die zwei (oder mehr) Seiten der Medaille in jeder Situation. Klar, das Kind ist grausam, ein Monster, das aus purer Boshaftigkeit seine ihm willkürlich gegebene Macht über schwächere Lebewesen ausnutzt, einfach nur um sie zu malträtieren. Doch untrennbar damit verbunden ist seine Unschuld. Seine Naivität, sein Unwissen, seine Kindlichkeit. Und so schrecklich diese Kindlichkeit auch sein mag, so schön ist sie zugleich. Ich will eine weitere Eingebung dieser Art provozieren und denke nach. Das erste, was mir in den Sinn kommt, ist der Film „Das Schweigen der Lämmer“. A. will mich zwar gleich davon abhalten, jetzt über diesen Film nachzudenken, doch ich habe das Gefühl, stark genug zu sein, um den Gedanken standhalten zu können: Ich spüre die Grausamkeit der Morde des Mörders, die Perversion in seinem Werk, und zugleich – die Zärtlichkeit in seinem Tun, die Unschuldigkeit in seinem Werk. Die Leidenschaft. Und die Unschuld – er ist nicht frei, er ist getrieben. Ich spüre auch, wie nah die Gedanken, die ich gerade habe, am Wahnsinn liegen, doch das macht mir keine Angst. Ich vertraue mir in dieser Hinsicht, weiß, dass selbst wenn ich durchdrehen würde, ich zu solchem nicht fähig wäre.

Nun denke ich über psychische Erkrankungen nach, und mir fällt ein, das Pilze latente Psychosen auslösen können. Ich habe jedoch keine Angst vorm Hängenbleiben (obwohl ich sie bei meinem letzten Pilztrip schon hatte) und beginne, darüber nachzudenken. Folgende Theorie ergibt sich mir: Ein psychedelischer Trip lässt für eine Zeit lang in einem Menschen alles aus seinem Denken und seiner Wahrnehmung verschwinden, was dort durch die Erfahrung Routinen, Barrieren, Schranken hinterlassen hat. Alle Vorurteile, alle vorgefertigten Meinungen etc. sind hintangestellt, man ist wieder ein Kind. Die Filter sind deaktiviert und man erlebt alles auf eine sehr reine, manche (ich auch) würden sagen: wahrhaftigere Art. Nämlich, weil man auf sein reines Selbst reduziert ist (oder zumindest ein reineres Selbst). Nun gibt es aber wohl auch Menschen, deren reines Selbst gestört ist, sei es durch eine angeborene Fehlfunktion oder durch traumatische Erfahrungen in frühester Kindheit. Wenn diese Menschen dennoch (halbwegs) gut durchs Leben kommen, dann liegt dass vor allem daran, dass ihre Erziehung, ihr Erlerntes, ihre Schranken und Barrieren sie „in Bahnen“ halten – denn das ist ja deren Aufgabe, unser Überleben zu sichern, indem wir nicht in jeder Situation allen Eindrücken ungefiltert ausgesetzt sind und immer wieder aufs Neue das ganze Leben hinterfragen müssen, völlig unfähig, auch nur irgendeine Entscheidung zu treffen und in früheren Zeiten schon 10x vom Löwen aufgefressen. Fällt bei diesen Menschen nun all das weg und sie sind auf ihr reines Selbst zurückgeworfen, kann es sein, dass sie damit nicht zurechtkommen, sie vollends den Bezug zur Realität verlieren, weil ihr Selbst sozusagen einen „zu schlechten Draht“ zu eben dieser hat. Ich bin der Überzeugung, dass zum Zurückkommen nicht bloß ein Abflauen der Wirkung der Droge gehört, sondern auch das Selbst sich wieder arrangieren muss. Ich denke, dass dieser Prozess meist im Hintergrund stattfindet und wir ihn deshalb nicht aktiv wahrnehmen, dass er jedoch bei und nach jedem Trip stattfindet. Menschen, deren Selbst krank ist, können diese Aufgabe eventuell nicht mehr bewältigen, kommen nicht mehr zurück. Darum lösen psychedelische Drogen Psychosen aus. (Aus nüchterner Perspektive würde ich noch ergänzen, dass kein Selbst so perfekt konstituiert ist, dass es der Gefahr einer solchen Psychose in jedem Falle gefeit ist. Eine sehr traumatische Erfahrung, vor allem während des Trips, oder eine zu hohe Dosis der Substanz können die Psyche eines jeden Menschen, egal wie gesund, dauerhaft beschädigen. Das ist das Risiko, dem sich jeder Psychonaut bewusst sein sollte.)

Mich begeistert die Klarheit meiner Gedanken. A. fragt mich, ob ich einen Tee haben möchte. Ich möchte unbedingt einen, aber auf keinen Fall allein sein, deshalb gehe ich mit meiner Decke umwickelt in die Küche. Als ich Platz auf einem Stuhl nehme und an mir herunterschaue, bemerke ich, dass die Decke nicht nur riesengroß ist, sondern ich in ihren Konturen einfach kein Rechteck erkennen kann. Klar, ich weiß, dass ich in einem bestimmten Winkel auf sie blicke und ich mich zugleich mit ihr umwickelt habe, aber es ist für mich völlig unvorstellbar, wie man dieses Ding jemals, ohne es zu zerschneiden, in eine rechteckige Form bringen könnte.

Ich sehe mich in der Küche um, während A. den Tee macht. Was folgt ist der traurigste Moment des ganzen Trips: Ich hatte am Vortag einen lebenden Salat gekauft, noch mit Wurzel. Allerdings hatte mein grüner Daumen versagt, der Salat war seit heute Morgen welk und wurde zunehmend welker. Ich schaue ihn an, wie seine Blätter gen Boden hängen, wie er schlaff und kraftlos langsam in sich zusammensinkt… und werde plötzlich so traurig, dass ich wegschauen muss. Doch gleichzeitig fasziniert es mich, wie stark das Gefühl ist, das der Salat in mir auslöst, und sehe ihn wieder an, nur um mich dann wieder wegzudrehen. Das Spiel geht weiter, bis A. meint, ich solle zurück in mein Zimmer, der Tee sei fertig.

Mein Mitgefühl für den Salat fasziniert mich und ich beginne mich zu fragen, was Pflanzen von Tieren und Menschen unterscheidet. Eine genaue Antwort finde ich nicht, doch spüre ich stark, dass der Unterschied zwischen den Lebewesen nicht groß ist, wie man gemeinhin annimmt. Ich spüre, dass Bewusstsein viele Formen kennt, und dass auch Pflanzen eine Art davon innewohnt. Ich denke über die Natur nach und begreife, dass die vielen kleineren und größeren Bewusstseine, die sie ausmachen, zusammengehören und zusammenarbeiten. Mir wird klar, wie stark das moderne Leben uns von der Natur abgebracht hat – man könnte das Gefühl haben, dass (Groß-)Städte ein bloßer Versuch sind, Natur „auszusperren“. Doch ist diese Mühe nicht nur sinnlos – der Mensch als Teil der Natur kann sich unmöglich unabhängig von ihr begreifen –, sondern auch gefährlich, da durch den Größenwahn, die „Krone der Schöpfung“ zu sein und Pflanzen und Tiere untertan zu haben, nur Zerstörung und Leid entstehen können. Wenn wir nicht lernen, mit der Natur zu leben und uns nach ihr zu richten, werden wir sie und uns in Bälde vernichtet haben.

Ich denke noch viel über Bewusstsein und Natur nach, doch gelingt es mir nicht wirklich, meine Gedanken zu verbalisieren – ich schätze, dass ich mir entweder mehr naturwissenschaftliches Wissen aneignen muss, und/oder die Dosis erhöhen muss, um in diesem Zustand tiefere Einblicke zu bekommen.

A. möchte einen weiteren Ofen rauchen. Ich tanze ein bisschen, während sie sich an den Tisch setzt. Grateful Dead haben wirklich eine perfekte Art von Musik erschaffen, mit der man diesen Zustand untermalen kann… ich fühle mich nicht, als würde ich tanzen, ich fühle mich, als würde mein Körper die Musik in die Welt zeichnen, ihre Schwingungen zu Bewegungen verarbeiten. Wie wenig es beim Tanzen doch darum geht, gut auszusehen!

Dann schaue ich A. dabei zu, wie sie ihren Ofen baut. Obwohl ich diesen Vorgang bis ins kleinste Detail kenne, fasziniert er mich immens. Ich rieche am Gras und befinde, dass es sehr lecker duftet! Dann setzen wir uns auf den Balkon, und ich stelle nach kurzer Zeit fest, dass es wie in einem Coffeeshop riecht, so intensiv ist der Geruch. Selbst möchte ich jedoch nichts rauchen, da ich die Wirkung als ausreichend empfinde und ich nicht riskieren möchte, die bis jetzt sehr schöne Reise in eine unangenehme Richtung zu befördern.

Als ich in die Bäume sehe und von ihrer Schönheit ganz entzückt bin, muss ich an die Hippies der 60er denken. Kein Wunder, dass halluzinogene Drogen diese Kultur so stark befeuert haben! Dann denke ich daran, wie schön es wäre, wenn mehr Menschen solche Erfahrungen machen könnten, und wie schön die Welt dadurch werden könnte. Im Scherz tue ich so, als wäre ich Politiker der Pilzpartei (wegen Peter Pilz müssen wir uns leider einen anderen Namen ausdenken), und halte scherzhaft meine erste Rede:

„Ja, also, wir von der Pilzpartei wollen echt nur dass alle es nice haben. Wir wollen mit allen reden und schauen dass am Ende echt alle happy sind. Vielleicht ist die Wirtschaft nicht so stark und der Fortschritt geht nicht so schnell aber das ist eh auch scheiße wenn das so ist, alle sind frustriert und ausgelaugt von der ganzen Arbeit und die Welt entwickelt sich so schnell weiter dass niemand mehr mitkommt. Wir sorgen aber dafür, dass sich alle lieb haben und chillen können!“

Wir lachen. Doch obwohl es nur im Scherz gesagt war, ist da ein ganz und gar ernstes Gefühl in mir, eines, das ich zuletzt vielleicht als kleines Kind einmal hatte – das Gefühl, dass ich diese Welt verändern kann, wenn ich gute Absichten habe und mir Mühe gebe. Ich merke, wie hoffnungslos ich im Alltag bin, für wie unrealistisch ich es halte, irgendeinen Einfluss auf die Welt zu haben, irgendetwas zum Positiven zu verändern. Was für eine starke Waffe Hoffnungslosigkeit nicht ist… Auch wenn es ein Trip ist, der mich so „naiv“ denken lässt – waren nicht die meisten Menschen, die etwas in der Welt verändert haben, bis zu einem gewissen Grad wahnsinnig, allein weil sie es versucht haben?

Wir gehen wieder hinein, da es sehr kalt ist. Ich merke, dass die Wirkung langsam schwächer wird. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es kurz vor Mitternacht ist. Ein Teil von mir ist froh, wieder in die normale Welt zurückzukehren, ein anderer aber würde gerne noch mehr Zeit in diesem Zustand verbringen. Die zwei Seiten einer jeden Medaille…

Innerhalb der nächsten halben Stunde nüchterne ich aus, wobei ich auch danach noch deutlich spüre, dass ich eine Droge genommen habe: mein Gehirn fühlt sich so an, als wären die Gedanken in den letzten Stunden mit 5facher Geschwindigkeit hindurchgerast, ich bin geistig erschöpft. Doch es geht mir gut, ich fühle mich geerdet, ausgeglichen, beflügelt, irgendwie zen. A. ist müde und schläft ein, ich möchte aber noch etwas machen, räume das Geschirr in den Geschirrspüler und auch sonst ein wenig auf.

Ich brauche einige Zeit, bis ich einschlafen kann, da es noch vieles gibt, an das ich denken möchte, obwohl ich schon erschöpft bin. Ich denke darüber nach, einen Ofen zu rauchen, beschließe es dann aber nicht zu tun, da ich, sofern die Wirkung der Pilze zurückkäme, A. aufwecken müsste/würde, und dazu sieht sie einfach zu friedlich aus, wenn sie schläft.

Am nächsten Tag fühle ich mich fit, mein Schlaf war sehr erholsam. A. und ich reden noch über den vorhergehenden Abend, bis sie wieder gehen muss. Ich verbringe den Rest des Tages damit, das Erlebte zu reflektieren, lese auch einige Tripberichte. Dann beginne ich, diesen hier zu schreiben – leider hat es einen Monat gedauert, bis ich nun diese Zeilen zu Papier bringe. Meinen Hang zur Prokrastination haben die Pilze also noch nicht geheilt!


5. Fazit

Es war ein wunderschönes Erlebnis, mein schönster Trip bisher, obwohl ich kaum etwas anderes gemacht habe außer zu reden und Musik zu hören. Ich habe eingesehen, wie viel eine gute Vorbereitung und ein gutes Umfeld bei einer solchen Erfahrung ausmachen, und dass mir ein Tripsitter es ermöglicht, viel mehr daraus zu gewinnen – bevor ich es also wieder mal alleine machen sollte, wird einige Zeit vergehen!

Bei meiner nächsten Reise werde ich auf 2,5g erhöhen, sie soll etwa 2 Monate nach dieser stattfinden. Meine Begleiterin wird wieder A. sein, der ich in der Zwischenzeit jedoch auch eine Reise ermöglichen möchte, worauf ich mich auch schon sehr freue. Nicht nur, um ihr etwas „zurückzugeben“, sondern auch, weil es bestimmt sehr spannend sein wird!

Oh, und ich habe mir ein Diktiergerät besorgt, das ich nächstes Mal einfach durchgehend alles aufnehmen lassen werde, denn vieles habe ich bestimmt vergessen, und die Chronologie dieses TBs ist, da bin ich mir sicher, nicht sonderlich akkurat.

Danke fürs Lesen, falls ihr es bis hier durchgehalten habt, und passt auf euch auf! razz