Tripbericht lesen

Übersicht:

Titel:Pachamama zeig mir, wie man Liebe macht!
Drogen:Mischkonsum von Tabak und Ayahuasca (Reihenfolge vom Autor festgelegt)
Autor:20fox
Datum:22.10.2018 12:36
Set:Siehe unten
Setting:Siehe unten
Nützlichkeit:9,47 von 10 möglichen   (17 Stimmen abgegeben)

Bericht:

Pachamama: Suddhosi Buddhosi und die Weltseele oder:
DMT: Accept yourself, love yourself, everything is inside yourself.

Es geht um DMT auf einem Tabakbett geraucht, nicht um Ayahuasca oder intensiven Tabakkonsum.

Set: Ich war den Sommer über depressiv, habe viele Drogen genommen, wurde von meiner langjährigen Beziehung und Liebe oft verletzt und letzendlich verlassen. Ich habe Zukunftsängste, keine Wohnung und keinen Job. Mein Studium steht auf der Kippe. Iich habe es in den letzten 4-5 Wochen nach der Trennung etwas mit Opiaten übertrieben und entziehe seit 8-9 Tagen Opium, seit 2-3 Tagen Cannabis und Tabak, wobei ich die Woche vorher schon von 10 auf 1-2 Joints reduziert habe. Der geistige Entzug vom Opium ist fast vorbei, seltene Wellen der Hilflosigkeit und Depression, Selbsthass und Verzweiflung kommen noch hoch. Ich dusche 2-3x am Tag, brauche ungefähr 4-6 Tshirts, weil ich so viel schwitze, aber immerhin kann ich wieder normal kacken und raste nicht mehr sofort bei jeder Kleinigkeit aus. Ich mache seit einer Woche jeden Tag Sport, eine Mischung aus Barfuß mit dem Hund durch den Wald joggen, Yoga, Boxen und Kicken am Boxsack und Hanteltraining (wenn ich sowieso schon schwitz, kann ichs wenigstens nutzen).

Setting: In einem sehr vertrauten Wald 10min zu Fuß von meiner alten WG, wo ich gerade im Keller wohne. Überblick über ein schönes Tal gefolgt von der Stadt. Ein guter Freund aus Mexiko, den ich deshalb den Mexikaner nennen und der ebenfalls erfahrener Psychonaut ist, begeleitet mich, obwohl er krank und fibrig ist, da ihm der Wald womöglich gut tut und ich ihn gerne dabei habe. Er weiß, wie man schweigt :)

Wem manche Begriffe nichts sagen: Ich habe am Ende des Berichts ein kleines Glossar erstellt und beantworte gerne Fragen, wenn ihr sie in die Diskussion schreibt.

Als Ausrüstung nehme ich meinen Räucherstäbchenhalter mit, denn wir sammeln vor dem Trippen gerne Baumharz von Nadelbäumen und verräuchern es rituel vor und nach dem Trip. Außerdem die Pfeife von meinem besten Freund, der 1km weit weg von dem Trip-Ort gewohnt hat, bevor er an einer Überdosis gestorben ist. Dann habe ich noch einen Zettel, von einem anderen Freund, mit dem ich eine wahrlich platonische Liebe entwickelt habe. Wie Turk und JD, nur nicht in Ärztekitteln, sondern mit Hippiehosen. Darauf steht: Ich bin Atman und unsterblich. Das DMT habe ich zusammen mit ihm vor einigen Jahren (an die Cops: Ist längst verjährt und jetzt alle) extrahiert. Eine Flasche Wasser und ein paar Orangen, nur für den Fall (Orangen und Psychedelika haben spätestens seit diesem Interview eine innige Verbindung für mich: Young Girl Talking About Color While Tripping on LSD


Suddhosi Buddhosi Niranjanosi
Samsāra Māyā Parivar jitosi
Samsāra svapanam traija mohan nidram
Nan janma mrityor tat sat svarupe

You are forever pure. You are forever true.
And the dream of this world can never touch you.
So give up your attachment, and give up your confusion.
And fly to that space that’s beyond all illusion
(Song: Klick Mich )

Der erste Zug beförderte das meiste DMT in meine Lunge, stechend, beißend, sodass ich tränen bekam. Während des Kampfes alles drinnen zu behalten, merkte ich, wie sich etwas in meinem inneren bewegte. Als würde eine Tsunami unter der Meeresoberfläche anfangen, eine Welle, die gewalltig und unscheinbar hervorbricht. Ich hustete und Tränen stiegen mir in die Augen.

Der zweite Zug folgte sofort nachdem sich meine Lunge beruhigt hatte. Mein Geist, war jetzt sowieso schon überschwemmt. Warm und nackt fühlte er sich an. Die Welle brach immer weiter, wühlte auf, was durch Kultur, andere Menschen, das eigene Ego und Opium unter Depressionen, Ängsten und fehlender Selbstliebe verschüttet war. Meine persönliche Mauer zerbröselte vor meinem inneren Auge.

Der dritte Zug zwang meinen Körper zu Boden. Es schleuderte mich ins Gras, meine nackten Füße gruben sich in den Waldboden, meine Hände verbanden sich mit der kalten Erde, den warmen Pflanzen und mein Körper sank hinein. Mein Geist blieb zurück. Ich spürte, wie ich so tief berührt wurde, wie es nur wenige Dinge in meinem Leben bis jetzt getan haben. Liebe zu Familie, Freundin, philosophische Erkenntnisse und Pachamama. Ich erwartete, dass beim Augen öffnen eine Farbenbracht auf mich einprasseln würde. Ich öffnete die Augen und erst verschob sich alles, die Luft vibrierte organisch, das Leben selbst schien sichtbar zu sein, doch dann wurde meine Sicht klar. Als hätte ich eine Brille aufgesetzt und würde zum ersten mal richtig sehen. Die Farben waren leicht anders, aber ansonsten konnte ich so weit und so klar sehen, dass ich mich für nüchtern gehalten hätte, wäre da nicht die Tatsache gewesen, dass ICH in dem Moment nicht als Ego existent war. Ich fühlte, wie ein unveränderlicher Kern affiziert wird, der tiefer liegt als Emotionen, oder Ego. Der Kern, der uns ausmacht, der in uns allen steckt. Ich bin dieser Kern. Trotzdem ist dieser Kern nicht mein Ego, er ist die unsterbliche Weltseele. Eine unpersönliche Seele, die doch alles fundiert, was ich bin.

Nachdem ich merkte, dass alle Hüllen abgefallen waren, brach ich lachendes weinen aus. Ich fühlte diesen Kern unabhängig der emotionalen Ebene, unabhängig der äußeren Welt, vielleicht sogar unabhängig der inneren Welt, so intensiv und fühlte mich gleichzeitig so nüchtern. War es bloß das DMT, was mich so fühlen lies, oder war ich es? Diesen Kern habe ich, wie oben beschrieben, schon anders spüren können, also musste ich es sein, der diese Gefühle auslöst. Auch scheint dieser Kern zwar gefühlt zu werden, aber nicht die Gefühle des Egos zu sein. Auch auf Pilzen fühlt es sich für mich immer sehr danach an, als wären diese bloß ein Katalysator, die eigentliche Reaktion aber ich mit mir selbst.

Psychedelics can show you whats inside you, but they are not what is inside you.


Wenn nun Psychedelika keine Gefühle erzeugen, dann tun das auch keine anderen Drogen. Das sind wir selbst. Placebo-Versuche beweisen es (habe selbst mal einen Freund auf einer Placebo-Dosis GBL “abkacken” sehen). Craving nach Drogen ist somit eigentlich sinnlos, wir haben es die ganze Zeit in uns, wir kommen nur nicht immer ran bzw. Können es nur nicht immer selbst auslösen.

Drugs dont make you feel, you make you feel.

Genauso ist es mit der Liebe bzw. Der Selbstliebe. Wenn ich dir erzähle, ich liebe dich, dann bekommst du vielleicht das Gefühl, geliebt zu sein. Ich kann der beste Schauspieler der Welt sein und dir die perfekte Liebe vorspielen, ohne dich zu lieben und du würdest dich geliebt fühlen. Woher kommt dann das Gefühl, geliebt zu sein, wenn das intentionale Objekt deines “geliebt fühlens” gar nicht existiert? Es kommt aus dir selbst. Du bist es, der sich geliebt fühlt. Du bist es, der sich liebt, weil er von jemandem geliebt wird. Das ist Schmeichelhaft, aber unnötig.

Cut the middleman and love yourself.

Ich weinte und lachte und liebte mich noch für ein paar Minuten, während langsam das gespür für meinen Körper wiederkam. Dies war das Zeichen, dass mein Ich wieder anfing die anderen Ebenen wahrzunehmen. Die introspektive Spirale, die auf einen Punkt zu lief, wurde wieder breiter und weiter. Ich bekam wieder ein Gefühl für Körper, persönliche Emotionen und die Umgebung.


Auch darauf bekam ich eine Antwort:
Warum hat mich meine Trennung so stark verletzt, obwohl sie mir eigentlich gut tun sollte?
Nun, ich wurde von einem anderen Menschen, einem anderen Kern, tief in meinem eigenen berührt.
Ob nun die Trennung mit positiven, oder negativen Gefühlen einhergeht, ist egal, denn die tiefliegenden Emotionen, die mit diesem Menschen verbunden sind, wurden herumgeschleudert und aufgewühlt, nachdem er Weg war. Es war, als würde ein Teil von mir selbst sterben, eine Welt untergehen und das tat sie auch. Allerdings war es meine Welt die untergegangen ist, keine objektive Realität, denn das intentionale Objekt: “Eine Person verlieren, die ich liebe und die mich liebt” existiert nicht mehr. Ich alleine habe mir das Gefühl gegeben, nicht geliebt zu werden, bzw. geliebt zu werden und das kann ich auch wieder tun, nur dieses mal mit dem Bewusstsein, dass ICH mich liebe, dass ICH mich geliebt fühle.

Auf dem Nachhause-Weg erzählte ich dem Mexikaner von Plotins Feuer-Metapher:
Feuer erwärmt die Luft und beleuchtet sie, dabei wird die Luft aber nicht Feuer. Das Feuer muss die Luft nicht mal direkt bewegen, ja nicht mal berühren und trotzdem kann es die Luft erhellen, ohne dass diese brennt. Ähnlich funktioniere es mit Emotionen, welche er als Bewegung der Seele kannte.
Problem jedoch war oft in der antiken Philosophie, dass die Seele als unbeweglich galt, als unveränderlich. Wie kann sie unveränderlich sein, aber gleichzeitig sich verändernde Gefühle empfinden? Weil sie, wie die Luft durch das Feuer, nur affiziert wird. Die Seele wird nicht direkt berührt, oder gar bewegt. Es wird vielleicht ein Affekt auf sie gewirkt, der einen Eindruck macht, auf sie einwirkt, aber dieser Affekt wird nicht Teil der Seele, das Gefühl wirkt nur auf die Seele ein, ist aber nicht die Seele. Du bist nicht, was du fühlst.

(Wer jetzt mit physikalischen Erklärungen kommt, möge bitte bedenken, dass Plotin als ägyptischer Römer zur Zeit des aufkommenden Christentums noch keine umfassenden Physikkenntnisse gehabt hat. Das Sinnbild ist in sich gültig)

Ich habe in diesem Moment von einem heftig-reduktiven Physikalisten abstand genommen (was ich normalerweise vertrete) und bin vom Dualismus überzeugt gewesen. Wie weit sich das noch weiterentwickelt, weiß ich nicht. Aber der “Kern” den ich gespürt habe, er ist auch, was bei meinem M-Hole übriggeblieben ist, er ist so oft so fern von jeglicher körperlicher Wahrnehmung, dass es mir schwer fällt, dieses Level an Introspektion noch dem Gehirn zuzuschreiben. Qualia existieren und sie sind unabhängig vom physikalischen. Fuck.

Stoa habe ich vorher auch schon verstanden und belächelt: Nettes Konzept, aber Emotionen gehören indigen zum Mensch-Sein und sind mit dem Ich untrennbar verbunden. Selbstwahrnehmung ist ja auch nur ein Gefühl? Vielleicht sollte ich mir den guten Marc Aurel (“Wege zu sich selbst”) noch mal zu Gemüte führen. Unter dem oben genannten Gesichtspunkt, dass äußeres uns höchstens affiziert, aber nicht teil von uns wird, uns nicht bewegt, sondern höchstens wir dies tun aufgrund der äußeren Umstände, so müsste der stoische Weg wesentlich natürlicher eingeschlagen werden.

Auf dem Weg trafen wir eine Bekannte, einen Muggel und da ich keine Lust hatte, mit ihr darüber zu reden, grinste ich einfach ein wenig vor mich hin und betrieb sogar ein wenig Smalltalk, der überraschend wenig unangenehm dafür war, dass ich gerade frisch gefickt von Pachamama zurückkam.

Zuhause war ich noch so “luftig” dass ich mich mit Sport erden wollte, also ging ich in den Sportkeller und fing an den Sonnengruß zu machen. Mit jeder Bewegung spürte ich meinen Körper und mein Leben, spürte liebe für mich selbst und zum ersten Mal seit langem musste ich mich nicht zum Sport zwingen, jede Anstrengung war ein Spaß und ein Erleben. Strecken, recken, spannen, entspannen, schnaufen. Von außen hab ich bestimmt geklungen wie das Laufhaus von innen (Puff auf der Reeperbahn). Ich ging zum Boxsack und führte einige Schläge aus und zum ersten mal musste ich diese nicht mit Hass, sondern mit purer Lebensfreude austeilen. Jeder Schlag schrie mir ins Gesicht: Du lebst und du kannst dich lieben. Unter der Dusche spürte ich in meiner Brust dieses warme, feste, weiche etwas, dass ich schon lange nicht mehr für mich empfunden habe. Ich weinte noch ein letztes Mal vor glück, genoß die warme Dusche, stieg aus und trocknete mich ab um diesen TB zu schreiben.

Ich hoffe, ich kann den Trip in den Alltag integrieren und mein Herz wieder aufgehen, sodass ich mich selbst liebe. Auch meine Sucht und mein Gefühl der Ungeliebtheit, mein Fokus auf äußerliche “Attachments” habe ich unter diesen Aspekten neu kennengelernt und bin den ersten Schritt zum überwinden gegangen. Und selbst wenn nicht alles auf Anhieb klappt, ein weißer Mann und meine platonische Liebe hat mir mal gesagt: “Man kann nur Rückschritte machen, wenn man Fortschritte gemacht hat”.

Plotin hätte wohl nach seiner Onthologie gesagt, ich hätte mit der Weltseele im Nous gespielt und dabei einen Blick auf das Hen geworfen. Eine Henosis (Einswerdung), obwohl ich den Zustand kenne, war es nicht.

Plotins Othnologie:
Materielle Welt
Einzelseele
Weltseele
Nous/Geist (Welt der Ideen)
Hen (Gott, Sein, das Eine)

Meine Intention in den Trip waren relativ klar:
Ich wollte mich beim Entzug stützen und von vielen Dingen lösen, die überhaupt dazu geführt haben.
Dazu zählt unter anderem die frische Trennung, das Gefühl des ungeliebt seins (was ich während der Beziehung und davor schon hatte), der dadurch entstehende Drang nach Bestätigung und allg. Weltlichen “Attachments” (findet hier wer n besseres Wort?).

Meine Intentionen sind alle abgearbeitet worden, es war furchtbar anstrengend und aufwühlend. Ich möchte niemandem mit ähnlichen Dispositionen dazu raten, Psychedelika zu konsumieren, denn besonders ohne Erfahrung kann das mächtig nach hinten los gehen und den Turbolader zu nehmen, macht es nicht unbedingt einfacher. Ich habe mittlerweile 90 verschiedene Substanzen konsumiert und trotzdem war der Trip ein großes Risiko. Ich bin froh, doch noch ein mal zurück gekommen zu sein.

PS: Warum spricht man eig. Beim Geist immer von “höheren” Ebenen, Richtung Himmel. Das war schon in der Antike so, wobei es doch eig. Offensichtlich ist, dass Seele, Weltseele, Nous und Hen, also Gott, Verbundenheit und Ego in uns drinnen sind. Psychonauten gehen nicht höher, sie sind nicht “high”, sie gehen tiefer, als es im Alltag der Fall ist. Ich freue mich schon Möglichkeiten zu entdecken, mich selbst zu erkunden, ohne dafür einen äußeren Auslöser zu benötigen.

Fachbegriffe und Erläuterungen:


Pachamama: “Mutter Welt/Kosmos” Südamerikanische Mutter Natur. Göttin des Lebens.

Atman: Aus dem Hinduismus. Unzerstörbare, ewige Essenz des Geistes. Vom Ego unabhängige Seele.

Platonische Liebe: Gegenteil von erotischer Liebe. Liebe auf geistiger Ebene, ohne sexuelle Konnotation. Laut Platon eig. Das nächste Level an Liebe und weiter als sexuelle/erotische Liebe.

Weltseele: (Mikrokosmos=Makrokosmos). Giordano Bruno: “Die Weltseele ist also das konstituierende Formalprinzip des Universums und dessen was es enthält; d.h. Wenn das Leben sich in allen Dingen findet, so ist die Seele Form aller Dinge; sie ist überall die ordnende Macht für die Materie und herrscht in dem Zusammengesetzten; sie bewirkt die Zusammensetzung und den Zusammenhalt der Teile”
Eine unpersönliche Seele (siehe Brahman, wobei das Brahman-Konzept darüber hinaus geht).

Intentional: Gerichtetheit. Emotionen müssen immer intentional sein, also auf etwas gerichtet sein. Das muss kein Objekt in unserer Umgebung sein, sondern kann sich auch nur in unserem Kopf befinden.

Plotin: Neuplatoniker, der Platons Philosophie um “das Eine”, ein fundierendes, göttliches Prinzip ergänzt hat.

Ontologie: Lehre vom Sein.

Stoa: Philosophische Schule, die (starke) Emotionen oder Leidenschaften als Hinderniss zum glücklichen Leben betrachtet. Gelassenheit, Ausgeglichenheit und Rationalität seien der Weg zu einem guten Leben.