Tripbericht lesen

Übersicht:

Titel:Trip ins Diesseits (1cP-LSD)
Drogen:Research Chemical
Autor:anonym
Datum:04.12.2019 00:05
Set:gut gelaunt, neugierig, naiv
Setting:Zuhause, Wohnung nach eigenen Qualitätsstandards nicht aufgeräumt genug
Nützlichkeit:7,73 von 10 möglichen   (15 Stimmen abgegeben)

Bericht:

Substanz: 1-cyclopropylcarbonyl-lysergsäurediethylamid (1cP-LSD)
Dosis: 150 µg

Achtung: Dieser Erfahrungsbericht ist relativ lang. Und nicht sonderlich gut geschrieben. Die Zeitformen sind inkonsistent und primär ist der Bericht für mich selber erstellt worden. Ich habe das Geschriebene nicht noch einmal korrekturgelesen.

Hier bin ich nun. Mehr als zwei Jahre nach meiner ersten Erfahrung mit einem echten Psychedelikum, ALD-52, stehe ich wieder einem Lysergamid gegenüber. Ich muss das wirklich nicht tun. Klar, es gibt schon einige Mängel an mir, die ich gerne ausbessern würde. Zum Beispiel die Sache mit der Motivation. Wie kann es sein, dass ich aus intrinsischer Kraft stundenlang wissenschaftliche Paper herunterlade, lese, auseinandernehme und interessant finde, nur um dann nicht einmal Lust zu haben mich auf Antestate vorzubereiten? Und wieso schiebe ich alles was im hier und jetzt erledigen werden könnte auf, in der Hoffnung, dass mein Zukunfts-Ich das nunmehr Vergangenheits-Ich nicht allzu sehr verurteilt?

Ich muss das wirklich nicht tun. Ich bin gerade von einer Art Wochenendausflug zurückgekommen, allein zu Hause und es ist 15:00 Uhr. Bei den typischerweise veranschlagten 12 h Wirkzeit wird aus post meridiem wieder ante meridiem und morgen ist Montag. Da will ich auch wieder 07:30 Uhr aufstehen, um zur Universität zu gehen. Schließlich bin ich ja mit einem Studium gesegnet, welches mir auch tatsächlich Freude bereitet.

Also wo ist da die Rationalität, die Vernunft in der Entscheidung, jetzt Acid zu nehmen? Jung, dumm, unerfahren – und mit einem ersten Trip der im Krankenhaus endete. Ist sicherlich manchmal schwierig für Uneingeweihte einen Egotod von einer Bewusstlosigkeit zu differenzieren. Ich verfluche mich dafür immer noch. Dennoch besteht ja immer noch das Rätsel, wie ein paar Krümelchen von Kristallen derart das Bewusstsein, das Ich, die Realität entgleisen können, nur, dass am nächsten Tag wieder alles normal ist. Oder sein sollte. Fuck it. Psychedelika-Konsum ist eh nicht rational. Zumindest in der Form wie ich ihn vorhabe. Eigentlich glaube ich ja nicht an Schicksal. Aber wenn die geworfene Münze nach zweimaligem Befragen sagt, dass ich jetzt Acid nehmen kann, dann wird das schon seine Richtigkeit haben.

150 µg sind natürlich ganz schön viel, um nur einmal eben wieder die Füße nass zu machen und die Wärme des Wassers zu testen. Also versuche ich das Pellet mit meinem Taschenmesser zu zerteilen. Natürlich muss das Pillchen in tausend Teile zerspringen. Vielleicht volumetrisch dosieren? Ach nein, ich habe keinen kleinen Messzylinder/Spritze zu Hause und habe auch absolut keine Lust, 200 mL 1cP-LSD-Lösung im Kühlschrank zu deponieren. Also wird meine Entscheidung revidiert. Ich nehme einfach das ganze Pellet! So schlimm wird’s schon nicht werden. Die Münze ist mit meiner neuen Meinung nicht ganz zufrieden, aber hier bin immer noch ich der Herr im Haus. Der Herr des baldigen Irrenhauses.

Ich öffne also die erste Seite meines Trip-Tagebuchs, beginne die Randdaten aufzuschreiben, schlucke dann 15:10 Uhr die pinken Krümelchen herunter und spüle noch einmal mit einer kleinen Menge entionisiertem Wasser nach. Warum auch immer, schließlich trifft die Substanz spätestens in der Magensäure mit den bösartigen Chlorid-Ionen aufeinander. Ich kann keinen besonderen Geschmack feststellen.

Da mein Zimmer, naja, zwar nicht wie Sau aussieht – aber dennoch unterhalb meinen Qualitätsstandards liegt, wird begonnen noch das Nötigste aufzuräumen. Und das blöde Geschirr - von vor zwei Tagen, als ich fluchtartig meine Wohnung verlassen musste um die Bahn noch zu schaffen - muss ja auch noch aufgewaschen werden. Nach zwanzig Minuten ist jedoch auch das geschafft. Das Staubsaugen passt mir zeitlich nicht mehr rein. Schließlich lässt jetzt schon mein Handgeschick nach und der Kopf fühlt sich unangenehm dumpf an. Zwar nicht wie vernebelt oder benebelt, aber schon so in die Richtung gehend. Auch meine Beine fühlen sich etwas schwerer an.

Eine halbe Stunde nach der Einnahme fangen auch schon die Schmetterlinge im Bauch an zu kribbeln, das Papier meines Trip-Tagebuches fühlt sich belebter an und nimmt an Plastizität zu. Ich beschließe, mich zu duschen. Schließlich sehen meine Haare etwas fettig aus und ich liebe das Gefühl, frisch geduscht und mit sauberen Sachen ausgestattet zu sein. Unter der Dusche schließe ich meine Augen und es fühlt sich so an, als würde mich das warme Wasser umarmen. Für eine kurze Zeit entwickelt sich bei mir ein Lustgefühl, aber das legt sich auch wieder. Verdammt noch einmal, ich will ja nur kurz duschen und nicht eine Affäre mit meiner Dusche starten. Gegen Ende des Duschens sehe ich bei geschlossenen Augen außerdem ein Sudoku, dessen Felder anfangen wellenartig zu vibrieren und zu schwingen.

Frisch geduscht fühlt sich schon viel besser an, auch wenn mir mein kuscheliger Lieblingspullover nicht zur Verfügung steht und ich mich stattdessen mit einer Fleecejacke arrangieren muss. Um ja nicht zu vergessen, dass ich diesen Abend auf Substanz bin, wird auf mein Whiteboard noch die Strukturformel von 1cP-LSD vermerkt, sowie die Dosis von 150 µg.

Die Gitarre wird herausgeholt, das einzige Lied dessen Akkorde ich so einigermaßen greifen kann laut aufgedreht und ich versuche mich in einer warmen Klangsphäre von angenehmen Vibrationen zu umgeben. Irgendwie geht das im nüchternen Zustand wesentlich besser, denn ich höre nun alle Imperfektionen heraus. Und die Lautstärken passen nicht ganz zusammen. Doch wenn ich die Musik ausmache, klingt mein Gitarrenspiel noch schlechter – und die Anlage alleine reicht nicht aus, um mich vollständig in Musik einzuhüllen.

Das ständige zwanghafte Kitzeln im Bauch geht mir jetzt auch langsam auf die Nerven, genauso wie das dadurch auf mein Gesicht gepresste breite Dauerlächeln. Es fühlt sich einfach etwas krankhaft und abnormal an. Mir gehört doch das Mona Lisa-Lächeln, nicht zwei Mundwinkel die bis hinter die Ohren gezogen und dort eingehangen worden sind! Aber wenn ich aufhöre zu lächeln kommen sofort eher negativere Gefühle und Gedanken zum Vorschein. Also lieber diese Maske auf dem Gesicht lassen.

Die optischen Wahrnehmungsveränderungen sind etwas enttäuschend. Gegenstände auf die ich meinen Fokus lege werden größer, alles ist etwas weicher gezeichnet, doch so wirklich interessantes gibt es nicht. Aber was soll ich schon in meiner Wohnung Neues entdecken? Auf dem Teppich bilden sich zwar Muster, doch die Fusseln darauf stören mich. Warum müssen die denn immer darauf sein, ich habe doch nur eine halbe Woche nicht staubgesaugt! Außerdem sehen einige Teile der Muster aus wie die Gesichter von Edvard Munch’s „Der Schrei“ – nicht unbedingt beruhigend. Der erste Schritt ins Unbehagen.

Also ist wieder etwas Ablenkung gefragt. Ich lege mich erst einmal aufs Bett und beichte per WhatsApp einem Kumpel (nennen wir ihn hier Max), dass ich das Acid genommen habe. Mir ist in dem Moment schon nicht mehr ganz bewusst, wie Handys eigentlich funktionieren, aber sobald ich den Chat offen habe funktioniert das mit dem Tippen auch wieder. Die einzige Angst die ich habe, ist in meinem verwirrten Zustand irgendjemanden anzurufen. Deswegen ist mir die Bedienung auch etwas suspekt, schließlich kommt man schnell mal daneben, wenn Schrift und Icons auf dem Display anfangen Wellen zu schlagen. Glücklicherweise leckt Max etwas Blut (als großer Beatles-Fan, aber vorsichtig genug um mein Angebot, ihm auch 1cP-LSD zu geben und ihn zu sitten auszuschlagen) und fragt, ob ich einen Tripsitter brauche. Eigentlich hat er ja zu tun und ich habe auch wirklich ein schlechtes Gewissen, ihn einmal quer durch die Stadt zu mir schicken – im schlimmsten Fall müsste er ja auch bis um drei Uhr bei mir bleiben – aber ich bekomme langsam wirklich Angst, irgendwelche Dummheiten anzustellen. Antidrogen-Propaganda und Balkonwohnung vertragen sich nicht sonderlich gut.

Max schreibt, dass er 19:00 Uhr bei mir sein kann. Es ist jetzt kurz vor 17:00 Uhr. Stehe ich das noch durch? Zwei verdammte Stunden, bis ich vor mir selbst sicher sein kann. Mein Trip-Tagebuch wird mit dem Satz „das ging ja schnell“ bestückt. Nicht einmal zwei Stunden her, dass ich ein paar Krümelchen in meinen Mund geschüttet habe, schon ist Realitätsverfremdung und Irrsinn aufgedreht. In einem Maß, was mir schon gar nicht mehr zusagt. Ich beschließe, die Zeit am Klavier zu verbringen. Die Klänge bereiten mir Freude und ich bin äußerst erstaunt darüber, dass ich in meinem Zustand den Lautsprechern des E-Pianos noch sinnvolle Töne entlocken kann. Es fühlt sich in etwa so an, als würde ich in Zeitlupe spielen. Als könnte ich mir vorher noch in Ruhe überlegen, ob der nächste Ton der richtige ist – ohne mich dabei auf mein Kleinhirn verlassen zu müssen. (Und dabei manchmal verlassen zu sein).
Auch Noten lassen sich sehr gut lesen. Doch plötzlich überkommt mich beim Spielen ein kalter Schauer. Ich bin ein Irrer. Wieso tue ich das meiner Psyche an? In einem besonders schnellen Part des Lieds fangen die alten Tasten der Klaviatur an ekelhaft zu klappern. Wie Zähne, die vor Angst zittern. Hallo Paranoia, schön dich hier zu treffen... Natürlich höre ich sofort auf zu spielen und mache mit einem mulmigen Gefühl die Musik auf der Anlage wieder an.

Scheiße, ich will das nicht! Wieso muss ich denn unbedingt wieder das Zeug alleine nehmen, wieso habe ich immer noch nicht meine Lektion gelernt? Die einzige, die mir als Hausaufgabe fürs nächste Mal aufgegeben wurde. Okay, die einzigen beiden. Dosis von unten anfangen, nicht irgendwo in der Mitte und habe einen gottverdammten Tripsitter bei dir. Das Problem ist mal wieder aus einer Mischung fehlender Selbstdisziplin, Ungeduld und der Unfähigkeit, mich gegenüber anderen Menschen emotional zu öffnen entstanden. Daher kam auch der Unwille, mit Sitter zu trippen. Aber jetzt brauche ich verdammt noch mal jemanden, der auf mich aufpasst.

In einem geschickt abgepassten Moment bekomme ich es hin, Max anzurufen. Hier war wieder äußerstes Fingerspitzengefühl gefragt, schließlich wollte ich es unter allen Umständen vermeiden einen Fehlanruf zu tätigen. Max nimmt ab und fragt, ob alles in Ordnung sei. Naja, nicht so ganz. Noch geht’s, aber kannst du bitte eher kommen? Er sichert mir zu, seinen Laptop und seinen Kram zusammenzupacken. Schließlich hat er ja tatsächlich noch einen Bericht fertigzuschreiben. Ich bekomme ein schlechtes Gewissen und sage, dass es mir leidtut, ihn durch die Stadt schicken zu müssen. Es sei schon okay, schließlich wäre es ja egal wo man mit dem Laptop sitzt.

Endlich wieder gute Aussichten, schließlich hat sich die Zeit in der ich meiner temporären Verrücktheit ausgesetzt bin jetzt doch noch einmal verkürzt. Ich pack‘ das schon! Ich liege wieder mit meinem ekelhaften Dauergrinsen auf dem Bett und habe Angst davor, mit dem Lächeln aufzuhören. Verzweifelt liege ich auf der Seite und begutachte meine Hände. Sie sehen größer aus als normal, die Adern treten mehr hervor als sonst und sie sind eher cartoonartig gezeichnet, als wäre ein Celshader (Begriff aus der Computergrafik) über sie gelegt. Auch meine Armbanduhr sieht sehr comicartig aus, aber ansonsten schon realistisch.

„Wenn der Trippende Angst hat, kann ein Musik- oder Raumwechsel helfen.“ wird mir ins Bewusstsein gerufen. Also gehe ich wieder zu meinem Laptop und versuche mich durch meine Musikbibliothek zu wälzen. Die Flecken auf dem Bildschirm sind deutlicher als sonst zu sehen und laufen wie Schlamm herunter. Auf meinem Handy kommt eine Nachricht von meinem Vati an. Zurückschreiben traue ich mir nicht zu, aus Angst davor, eine seltsame Antwort zu produzieren. In meinem Kopf tanzt wieder die Furcht mit der Paranoia. Sind ja auch ein hübsches Shipping.
Verflucht, wann kommst du endlich an, Max! Ich blicke auf meine Armbanduhr. Natürlich muss der Sekundenzeiger erst einmal rückwärts springen. Ach f*ck dich doch, nicht einmal auf eine Analoguhr ist noch Verlass.

Irgendwie muss ich noch Zeit totschlagen. Vielleicht sollte ich mir etwas zu Essen machen? Ich hole Zuckerschoten aus meinem Kühlschrank und stelle die Pfanne auf die Herdplatte. Moment, die Zuckerschoten müssen noch geschnitten werden. Und dafür brauche ich ja Platz für das Schneidbrett. Aber es stehen ja überall auf der Arbeitsfläche noch die abgewaschenen Sachen. Also fange ich an einen Pfannenwender abzutrocknen, bekomme aber nicht alles vom Wasser ab und leg ihn daher zusammen mit dem Handtuch auf meinen Tisch neben die Orangen.

Eine weitere Nachricht erreicht mein Handy. Immerhin holen mich die Nachrichtentöne wenigstens für einen kurzen Moment wieder in die Realität zurück. Genügend, um ein Zeitfenster zu erschaffen in dem ich nicht zu kirre bin fehlerfrei Max anzurufen. Er hätte eben noch mit einer Freundin telefoniert und konnte Unklarheiten bezüglich seines Berichts beseitigen. Er sei jetzt mit dem Fahrrad unterwegs und könnte dann bei mir seinen Bericht… Er sucht nach dem richtigen Wort und ich helfe ihm mit „durchballern“ aus. Dabei muss ich über mich selbst lachen. „Ganz schön verballert bist du gerade, was?“ denkt sich mein innerer Monolog.

Ich stelle noch einmal sicher, dass mein Handy laut gestellt ist – sollte ich die Sache mit der Türklingel verpeilen und ihn nicht reinlassen. Nach einer gefühlten Ewigkeit ist Max dann tatsächlich da. Aufgeregt warte ich hinter meiner Wohnungstür am Türspion um nicht zu vergessen, ihm zu öffnen. Verdammt, wieso müssen Fahrstühle denn so lange brauchen. Doch irgendwann ging dann doch das Licht im Flur an und ich konnte seine Schritte hören. Ich warte noch darauf, dass wirklich er vor der Tür steht und öffne dann. Ich stehe einem breitem Grinsen gegenüber und bedanke mich bei Max. Nach einer Umarmung zur Begrüßung bin ich wieder in meiner Verwirrtheit gefangen und lege mich wieder aufs Bett, während Max noch mit seiner Jacke kämpft. Natürlich legt er sie auf meinen Schreibtischstuhl der mittlerweile seinen Weg vor mein Bett gefunden hat, statt sie im Küchenflur an die Jackenhaken zu hängen.

Max begutachtet die Musikauswahl auf meinem Laptop. Die Musik war zu dem Zeitpunkt schon lange aus, um ja nicht die Türklingel zu verpassen. Geöffnet ist Falco. Das wollte ich während eines Trips garantiert nicht hören. Er hat noch Probleme sein Laptop-Ladegerät an meiner Steckerleiste anzuschließen und ich kann tatsächlich noch konstruktiv helfen. (Okay, er sollte halt nur die kaputte Schreibtischlampe abschließen und nicht auch meinen Laptop, aber was soll’s…).

Ich setze mich im Schneidersitz auf den Teppich und versuche aus dem was er da auf dem Laptop fabriziert einen Sinn zu erschließen. Schließlich wird mir das wieder zu anstrengend und ich lege mich zurück aufs Bett. Wesentlich besser fühle ich mich nicht, aber wenigstens kann jetzt nichts mehr schiefgehen.

Max wird angerufen und ich hoffe, dass er bald mit dem Quatschen fertig wird. Er redet darüber, wie sich bei ihm jetzt wieder eine Beziehung entwickelt. Als ihm dann einfällt, noch erzählen zu müssen, dass seine Exfreundin vor Monaten Schluss gemacht hat musste ich kurz lachen. Wieso steht Max‘ Gesprächspartner so nahe, dass er von einer in den Sternen stehenden Beziehung Bescheid wissen darf, aber hatte trotzdem mehrere Monate lang nichts mit ihm zu tun? Die Situation ist für mich komisch, weil ich weiß, dass ich mich nicht so öffnen kann. Zum Zeitpunkt des Trips hatte ich noch nicht einmal meinen Eltern erzählt, seit zwei Monaten „endlich“ in einer Beziehung zu sein. Okay, das ist wahrscheinlich auch Teil meiner Maulfaulheit. Und ihr erzähle ich lieber nichts von meiner Begeisterung für substanzinduzierte Bewusstseinsveränderung.
Max sitzt an der Balkontür und repariert das aus Tesafilm aufgebaute Kabelmanagement für meine Stereoanlage. Immer mal wieder schaut er zu mir, muss dann leise auflachen und ich lächle verzweifelt zurück. Irgendwann ist dann auch der Anruf vorbei und ich frage ihn verunsichert, ob er wieder Musik anmachen kann. Er sieht mir mein allgemeines Unwohlsein an und führt es auf die Absenz der Musik zurück und gibt sich dann alle Mühe bei der Musikauswahl.

Viel bekomme ich davon jedoch nicht mit. Verängstigt liege ich auf dem Bett und in mir rasen Gedanken umher. Immer mal wieder stehe ich verwirrt auf. Flüstere Wörter wie „Angst.“ Einmal, als Max mir helfen wollte sagte ich ihm wohl: „Fick dich, du bist nicht meine Mama!“. Sorry Max, war nicht so gemeint…
Immer mal wieder fragt mich Max, was ich empfinde, fühle oder sehe. Aber eine sinnvolle Antwort bekomme ich nie heraus.

Irgendwann hat Max dann angefangen die rohen Zuckerschoten aufzuessen. Ich signalisiere ihm Hunger und er entdeckt den Pfannenwender neben den Orangen. „Hast du damit versucht die Orangen zu trennen?“ – „Was, nein?! Ähm damit habe ich.. Ach das habe ich vorhin versucht abzutrocknen. Siehst du, da ist das Handtuch. Es ergibt alles einen Sinn.“ Er schneidet mir die Orangen. Ich kann mich noch daran erinnern, diese auf der Ecke des Betts gegessen zu haben und dabei getropft zu haben. Das ist auch kohärent mit den zwei kleinen gelben Flecken auf meinem Bettbezug die ich am nächsten Tag entdeckte. Das nächste Mal bitte am Küchentisch!

Verwirrt bin ich dann immer mal wieder aufgestanden. Max hat das wahrscheinlich so gedeutet, als würde ich gerne rausgehen wollen. Doch eigentlich war ich wieder in einer Gedankenspirale gefangen und wusste nicht, wie ich den Kreislauf unterbrechen sollte. Er wollte mir dann helfen, meine Schuhe anzuziehen, doch ich bekam es wegen der Gedankenspirale wieder mit der Angst zu tun und flüchtete auf mein Bett zurück. Außerdem hätte ich nicht gewusst, wo der Wohnungstürschlüssel ist.

Auf dem Bett liegend wechselte sich Freude und Verstand, Terror und Unsinn im Inneren meines Geistes wie Ebbe und Flut ab. Ich dachte mir einzelne Begriffe – vor allem aus dem Themengebiet Drogen. „Shulgin“, „substanzinduziert“, „2C-I“, „Meskalin“, „Heroin“ (was war das gleich), „Schwester“, „Designerdroge“, „ultimativer Trip“. Immer wieder erkannte ich, dass sich die Begriffe wiederholten. Ich wurde in meinen eigenen Gedanken gefangen. Fuck, ich muss doch nur an etwas anderes denken. In mir wuchs mit jeder Iteration dieser Schleife die Angst. Es gab nur noch diese Begriffe, die sich in meinem Bewusstsein verknüpften und entknüpften. Das war’s dann wohl. Ich bin wieder gefangen und muss sterben.

Denn Traummenschen dürfen nicht auf Trip gehen. Weil sie dann gefangen werden und sterben. Ihr Leben wird ausgesaugt.

Aber ich wollte es doch nur einmal probieren.

Das darfst du nicht.

Ich hätte doch nicht ahnen können, dass ich daran zugrunde gehe.

Du weißt genau, dass du keine Drogen nehmen darfst.

Aber andere machen das doch auch.

Und werden von mir gefangen.

Scheiße, ich muss einfach nur aus der Schleife heraus. Denke einfach an etwas anderes. „Substanzinduziert“. Scheiße, scheiße, das ist doch das selbe Wort. Irgendwas musst du doch kennen, was so ähnlich klingt. 2C-I! Nein, fuck, das hatte ich auch schon. Was soll ich nur tun, was soll ich nur tun?!
Ich habe Angst! Ich will das nicht! Warum zieht sich die Schleife meiner Gedanken immer enger? Wieso denke ich immer die gleichen Wörter!

Das war ja das Problem. Man kann in der Traumschleife gefangen werden! Und die eigene Existenz löscht sich dann aus. Dabei wollte ich doch nur LSD ausprobieren.
Meine Existenz wurde immer mehr in die Ecke getrieben. Ein Schamgefühl überkam mich. Alle werden es erfahren, dass du deine Existenz aufgelöst hast. Du hast alle enttäuscht. Was wolltest du probieren? N,N-Dimethyltryptamin?

Ich zeige dir jetzt, was passiert, wenn man mich nehmen will.

Die Traumschlinge zog sich enger um mich. Immer wieder andere wirre Gedanken. Kein Entkommen. Hoffnung auf Ausbruch aus der Schleife, gefolgt von Angst, weil man wieder den gleichen Fehler begangen hat und das gleiche gedacht hatte. Mir blieb nichts mehr anderes übrig, als mich der Schleife, dem Universum zu ergeben.

Innerlich flehte ich jedoch darum, dass es doch nicht so schlimm werden würde. Ich hatte eine Vision, wie mich das Universum immer weiter auf einen Punkt spiralförmig zusammendrückte. Wie eigentlich gar nichts existierte und das Universum nur daraus bestand, dass ich es immer wieder erlebe und reinkarniert werde. Als Bestrafung. Weil ich eine psychedelische Droge genommen habe. Aber damit musste ich jetzt leben. Ich verlor die Kontrolle über meinen Körper. Es fühlte sich so an, als müsste ich mich selbst verurteilen. Als würde ich mir selber in den Mund pissen müssen. Ich schmeckte Urin. Als wäre ich ein Hund, dessen Schnauze zur Bestrafung in die eigene Pisse gedrückt wird.

Mein Körper wurde von einem warmen Strahl durchtrennt (es fühlte sich so an, als würde ich durch mich selbst hindurch pinkeln). Und ich wurde dazu verdammt, diesen Kreislauf vom Beginn des Universums bis zu diesem Punkt immer zu wiederholen. Die Farben aus meinem Zimmer verschwanden, bis alles in Grautönen erschien. Ich konnte nur noch in verschwommenen Punkten sehen, von denen einige wie bei einem 3D-Effekt näher erschienen und so wieder mein eigenes Zimmer abbildeten. In dem sich eine Tür öffnete und Gevatter Tod hereinschaute.

Die Angst in meinem Körper fühlte sich wie ein Frosch im Hals an. Von der Größe des Universums. Was ergab das denn für einen Sinn? Kreislauf. Das Universum ist nicht echt. Es fällt wieder zusammen. Und dann beginnt alles wieder von vorne. Von diesem Punkt.
Ich blickte auf eine Schlaufe die von meinem Regal über dem Bett herabhing. Die Schlaufe sah so aus wie eine schwarze Träne, oder ein Tintenfleck der sich in Wasser verteilt, die in mein Herz lief. So geht es also zugrunde.

Das Universum fängt jetzt neu an. Und ich muss zuschauen, immer wieder erst am Ende realisieren, dass dies die Schleife ist.

Ich höre Musik. Soll die mich jetzt verspotten? Wenigstens klingt sie ganz okay. Warum wird jetzt der Gesang immer klarer. Müsste der Urknall nicht chaotischer sein? Oder ist das eine Art Warteraum? Beruhig dich doch.

Ich kann mich wieder bewegen und schaue auf. Max schaut mich an und muss lachen. Alles scheint normal. Ich muss lachen. Danke, Universum denke ich mir. Ist also doch alles geplant und ich habe meinen eigenen Raum bekommen.
„Du hier, Max? Ich dachte gerade echt, das würde schlimmer sein. Als würde ich zu einem winzigen Punkt komprimiert werden und vom Universum ausgespuckt werden.“ – Max muss nur auflachen. In diesem Moment hatte ich echt gedacht, dass das quasi mein Leben nach dem Tod sei. Oder das sich das Universum neu erschaffen hatte, und alles exakt gleich war. Und Max mich nur kannte, weil er in diesem Warteraum der Reinkarnation immer mit mir seine Zeit verbringt. Das ich ihm im „vorherigen Leben“ schon kannte war mir nicht so bewusst.
„Boar, hier gibt’s ja sogar nen Kindle. Und Smartphones. Und LaTeX gibt’s auch?“ – „Ja, das fuckt mich manchmal ganz schön ab…“. Irgendwie dachte ich halt, dass das Universum nur von meinen Gedanken erschaffen wurde. Aber es machte keinen Sinn, dass alles so wie vorher war. Wie hoch war denn die Wahrscheinlichkeit dafür?

„Wenn das alles ein Kreislauf ist... Was passiert dann, wenn ich hier rausgehe und von einem Auto überfahren werde?“ – „Junge, mach mir keine Angst, ich mache mir die ganze Zeit schon Sorgen um dich.“. „Keine Sorge, ich mach jetzt keinen Mist. Gibt’s die Uni auch noch? Und die ganzen anderen Leute? Und Ariane?“ (meine Freundin, Name von der Redaktion geändert). – „Jo, die gibt’s auch alle.“.

„Lol, und die Strukturformel ist ja auch noch am Whiteboard. Ich wische die mal weg.“. (Zu dem Zeitpunkt war mir nicht bewusst, dass sie der Grund für meine Wiedergeburt war. Und warum Drogen in dieser Welt genauso funktionieren sollten wie in der alten Welt.)

Ich war immer noch begeistert davon, jetzt alles machen zu können. Danke dafür, dass das mit der Reinkarnation doch nicht so schlimm ist. Danke dafür, Universum. Oder Gott. Whatever. „Kann ich jetzt zur Uni gehen?“ – „Es ist Mitternacht, die hat jetzt zu…“. „Oder zu Ariane?“ – „Ich glaube das ist jetzt keine gute Idee.“. „Aber Staubsaugen sollte ich mal. Und die Ketchup-Flasche wegbringen.“ – „Ja, das kannst du machen…“.

Es ist zu betonen, dass ich zu dem Zeitpunkt nur verwirrt war. Im Kopf war ich ansonsten vollkommen klar und hatte auch keine sonstigen Wahrnehmungsveränderungen. Max ermahnte mich noch, eine Jacke anzuziehen. Doch mit einer Wetteranzeige konnte ich ihn davon überzeugen, dass für den kurzen Weg die Fleecejacke völlig ausreicht.

Auf dem Weg zum Flaschencontainer sah ich noch einen Transporterfahrer, dem ich lächelnd zuwinkte. Keine Ahnung, was sich der von mir gedacht haben muss.

Da ich dann wieder vollkommen klar war – abgesehen davon, dass ich immer noch von meiner „Wiedergeburt“ ausging – konnte Max nach Hause gehen. Ich bin noch ein wenig begeistert in meinem Zimmer herumgegangen. All die neuen Möglichkeiten! Ich kann mich hier anstrengen und eine Karriere als Wissenschaftler anfangen! Danke Universum/Gott! Danke!

Irgendwann hat es sich mir dann aber doch erschlossen, dass ich damit auch am nächsten Tag (nächster Tag bezieht sich bei mir immer auf nach dem Schlafen, es war ca. 01:00 Uhr) beginnen kann und ich machte mich bettfertig und schlief mit einem Lächeln ein.

Am Morgen habe ich noch einmal Max‘ angerufen um mich bei ihm zu entschuldigen. Er sagte mir noch einmal, dass er sich schon viele Sorgen gemacht hatte. Das ich stundenlang ausdruckslos herumgestarrt hätte. Gruselige Wörter geflüstert hätte. So ein Zeug halt. Ich sicherte ihm zu, das andere Pellet wegzuschmeißen. Ich hatte auch die Schnauze voll. So etwas will ich nicht noch einmal erleben, dachte ich mir.

Ich stand also dann über der Kloschüssel um das Pellet wegzuspülen. Ach warte, Microdosing könnte ich ja probieren! Also ist das Pellet erst einmal wieder ins Kühlfach gewandert.
Nachdem ich jedoch den ganzen Tag während der Vorlesung reflektieren musste überkam mich dann doch die Angst und ich habe das Pellet dann doch weggeschmissen.

15 € hin oder her war mir der Verlust meines Verstandes dann doch nicht wert. Scheiß auf Drogen, du kannst dich auch von anderen Dingen faszinieren lassen!

Und jetzt sitze ich hier, tippe meinen Erfahrungsbericht zusammen und sinniere währenddessen über mögliche Synthesewege ringsubstituierter Phenethylamine. Wer einmal vom Baum der Erkenntnis kostet…

To be continued? Ach, keine Ahnung.