Tripbericht lesen

Übersicht:

Titel:Reisebericht^2
Drogen:LSD
Autor:Vandal38
Datum:22.04.2020 00:41
Set:Neugierig, voller Vorfreude
Setting:Psytrance Festival in einem von Bergen gesäumten Tal
Nützlichkeit:8,92 von 10 möglichen   (12 Stimmen abgegeben)

Bericht:

Reisebericht^2

Vorwort
Seit gut 6 Jahren bin ich stiller Mitleser in diesem Forum. Ich habe vor jedem Konsum einer neuen Substanz ewig viel recherchiert und ein Großteil meiner Informationen hinsichtlich des Wirkungsspektrums aus den hier veröffentlichten Tripberichten. Die Eindrücke die ich aus guten Tripberichten mitnehmen konnte, waren mehr Wert, als alle Wikipedia-Einträge zu diesem Thema zusammen. Somit ist dieses Forum eine meiner wichtigsten Recherchequellen gewesen, wenn ich mich über eine neue Substanz informieren wollte. Sie gaben mir die Möglichkeit Eindrücke über einen Rausch zu erlangen, ohne selber konsumieren zu müssen. Mit meinem folgenden Beitrag möchte ich dem Forum etwas zurückgeben und meinen Teil dazu beitragen, dass auch weiterhin Interessierte einen Einblick in die Welt des Rauschs bekommen, ohne jedoch zwangsweise selber konsumieren zu müssen.


Prolog
Sommer 2019, 21:00 Uhr, Lindau, Deutschland. Vorsichtiges Einatmen, Atem anhalten, warten, waarten, waaarten und langsam wieder Ausatmen. Die Prozedur wiederholte sich 5-6 Mal, dann reiche ich den Joint an M weiter. Als strikter Nichtraucher, dessen jährlicher Cannabis-Konsum sich an beiden Händen abzählen lässt, fällt mir das hustenfreie Rauchen nach wie vor schwer. Wir lassen schweigend die Blicke über das uns gebotene Panorama schweifen, während aus einer Bluetooth-Box Klassiker aus den 60er- und 70ern wie house of the rising sun, hotel california oder lady in black schallten.

Nachdem M und ich mit Pausen etwa 8 Stunden im Auto zurückgelegt hatten, hatten wir endlich unser Etappenziel erreicht. Nach einer guten Pizza und längerer Parkplatzsuche saßen wir nun in der Dämmerung beinahe am östlichsten Zipfel des Bodensees auf unseren Campingstühlen und schauten uns den Sonnenuntergang an. Eine beeindruckende Kulisse: Vor uns das ruhige weite Wasser, dahinter türmten sich die ersten Berge Österreichs auf und etwas weiter rechts im Blickfeld tauchten die letzten Strahlen der untergehenden Sonne die wenigen Wolken am Himmel in ein warmes Pink-Orange. Wir saßen bestimmt 3 Stunden weitestgehend schweigend so da und konnten so beobachten, wie in der Ferne die Lichter in dem Städtchen auf der gegenüberliegenden Seite des Sees entbrannten. Wir schwiegen nicht etwa, weil wir uns nichts zu erzählen gehabt hätten, sondern vielmehr, weil ich schlicht und ergreifend tütendicht war.

Nach einer gut durchgeschlafenen Nacht erwachten wir so erholt und ausgeruht, wie man es nach einer Nächtigung im Auto eben sein kann. Kurz noch im örtlichen Einkaufszentrum rangefahren und einen günstigen Gürtel erstanden, da ich meinen vergessen hatte und dann, so schnell wie die Geschwindigkeitsbegrenzungen Österreichs und der Schweiz es eben zuließen, in den tiefsten Süden der Schweiz geknattert. Als wir um 14 Uhr auf dem Festival angekommen waren, stellten wir erstmal entsetzt fest, dass zwischen Parkplatz und Campingplatz 2-3 km Fußweg lagen. Man konnte natürlich auch einen von etwa 3 Shuttlebussen zu je 9 Plätzen nutzen. Da dies jedoch 2659164 weitere Festivalbesucher samt Gepäck ebenfalls vorhatten, entschieden wir uns nur die schwersten Sachen mitzunehmen und alles Weitere in einem zweiten Anlauf zu Fuß zu schleppen. Am Festivaleingang angekommen ereilte uns der zweite Schrecken: Eine Schlange die länger war als die unendliche Geschichte. Diese in der prallen Sonne nach 1,5-2 Stunden endlich gemeistert, Festivalbändchen um´s Handgelenk geschnallt, Zelt aufgestellt, flüchtig die Nachbarn kennengelernt… Und nu den Rest aus´m Auto holen!

Am Auto lernten wir ein Pärchen kennen, welches neben uns geparkt hatte. Nach einem Bier machten wir uns gemeinsam wieder auf die Odyssee gen Campingplatz. Da wir nicht mehr allzu viel Kram hatten, halfen wir den beiden mit ihren Sachen. In ihrem Camp angelangt lernten wir eine Reisegruppe aus Israel kennen, welche uns ohne Umschweife Acid anbot. Mit „Danke, nicht jetzt aber vielleicht die Tage!“, wurde das Angebot für´s Erste abgelehnt.

Als es schon dunkel war suchten wir das Camp unserer neuen Bekanntschaften erneut auf, um die Menschen zum Feiern abzuholen und auf den Floor zu lotsen. Doch die wollten lieber chillen… So blieben wir also sitzen, erprobten unsere Englischkenntnisse und quatschten eine Weile. Irgendwer fragte wie spät es sei. Interessiert schloss ich mich dem Fragesteller an, ja wie spät war es denn eigentlich? „M hatte doch um 00:00 Uhr Geburtstag!“, schoss es mir durch den Kopf und setzte auch alle Anwesenden darüber in Kenntnis. Der jedoch schaute mich schief an und erwiderte: „Ich hab´ schon den ganzen Tag Geburtstag!“. Verdammtes Gras! Ich war beim Erwachen an jenem Morgen im Auto geistig wohl doch noch nicht ganz auf der Höhe gewesen und habe wohl vergessen in meinem inneren Kalender einen Tag weiter zu springen... Jedenfalls gingen wir anschließend dann doch noch die Floors in näheren Augenschein nehmen und die Musik zelebrieren.


Einnahme
Nächster Morgen. Unsere Zeltnachbarn von gegenüber, mit denen wir uns am Vortag bereits angefreundet hatten, bereiteten in einem Topf auf einem Campingkocher Frühstück: Rührei, Speck und Brötchen. Das geilste Frühstück, dass ich in meinem Leben je auf einem Festival hatte. Danach fix zum Auto, irgendwas geholt und auf halbem Wege noch geduscht. In einem Anflug amateurhafter Naturverbundenheit beging ich diese Strecke auf nackten Fußsohlen. Nicht bedacht hatte ich dabei, dass sich der Absorptionsgrad des dunklen Teers einem Wert von 1 annäherte, was in Kombination mit dem wolkenlosen Himmel und der erbarmungslos Wärmestrahlung emittierenden Sonne verbrennungsähnliche Schmerzen an den Füßen zur Folge hatte. Waren ja zum Glück nur etwa 2,5 km…pro Strecke. Naja, man lernt nie aus. Auf dem Rückweg wurde ein kurzer Schlenker über das Camp unserer Bekannten gemacht und 2 Tropfen Lysergsäurediethylamid à 125 µg erworben. Da es für mich mehr oder weniger das erste Mal war (ein Versuch 1 Monat zuvor mit ~75 µg zeigte geringe bis keine Wirkung), mischte ich meinen Tropfen in ein Glas Wasser und trank so viel bis ich der Meinung war, dass dies etwa 100 µg gewesen sein müssten. Da der Wasserstand am Ende dieses Vorgangs lediglich nur noch einige wenige Millimeter betrug, werden es wohl eher 110 µg gewesen sein. Aber wie dem auch sei. Wäre es mir wichtig gewesen, wäre ich hergegangen und hätte den Becher in 25 Fünftel geteilt. Und aufgrund der konischen Form hätte dies nicht mal gereicht. Für Interessierte sei an dieser Stelle die Formel zur Berechnung eines Kegelstumpfes vermerkt, falls ihr in nächster Zeit zufällig eine in Flüssigkeit gelöste Substanz in einem konischen Behälter dosieren wollt.

V=1/3*h*π*(r_1^2+r_1*r_2+r_2^2) mit r_1>r_2 (wobei das ja eigentlich egal ist) und Höhe h

Alternativ könnte man natürlich auch vorher eine definierte Menge Flüssigkeit in den Behälter füllen, per Dreisatz die gewünschte Dosis errechnen und diese anschließend mit einer Spritze mit geeigneter Skalierung entnehmen. Oder ihr stellt euch einfach nicht so an wie ich und nehmt alles, sowie M es tat. Anschließend gingen wir zurück zu unserem Zelt, welches wir samt Eingang mit einer 4x5 m Plane zum Schutz gegen Sonne und Regen versehen hatten. So setzten wir uns auf unsere Stühle in den Schatten dieser Plane, quatschten etwas und warteten. Dabei möchte ich erwähnen, dass mein Stuhl richtig geil war! Das war kein Standard-10€-Supermarkt-Campingstuhl, welcher genau einen Sommer überlebt, sondern ein richtig hochwertiges Teil aus dem Angel-Sortiment. Es konnte die Lehne verstellt werden und die sehr breite Sitzfläche ist durch geschicktes Spannen von Gummizügen gefedert. Kurzum eine Sitzgelegenheit, auf der man eben im Zweifelsfall mehrere Tage sitzen kann.

An dieser Stelle möchte ich gerne kurz auf die Umgebung eingehen: Wir befanden uns in einem sehr langgezogenen schmalen Tal, welches stark begrünt war und zu beiden Seiten von steilen, bewaldeten Felswänden eingefasst war. Parallel zu den Bergen zog sich ein Fluss mit eiskaltem Wasser durchs Tal, dessen Flussbett aus Kieselsteinen bestand und einen, je nach Abschnitt, knie- bis knöchelhohen Wasserstand besaß. An den höheren Stellen war der Fluss eher schmal und die Strömung sehr stark, ein Stück weiter dagegen sehr breit und entsprechend ruhig, sodass sich dort tagsüber viele Festivalbesucher tummelten. An anderer Stelle, direkt an den Bergen floss an einer steilen Felswand Wasser herab. Man könnte es als eine Art Wasserfall bezeichnen. An dessen Fußende schloss sich ein badetaugliches rundes Becken an (Durchmesser etwa 7 m, tiefste Stelle 1,5m). Des Weiteren existierten 3 Floors. Ein Bunter auf dem klassischer Psytrance und Full On lief, ein Hölzerner auf dem vorwiegend Forest lief und ein weiterer kleinerer Bunter, dessen Spektrum bezüglich der Geschwindigkeit langsame bis mittlere Goa-Genres bediente.


Trip
Wie wir so dasaßen und gegen die massive Felswand in einiger Entfernung starrten fiel mir ein, dass ich ein Din A5-Büchlein mit leeren Seiten sowie einen Stift in meiner Tasche hatte, in welchem ich über den Tag viele meiner Eindrücke festhielt. In meinen ersten zwei Einträgen stellte ich folgendes fest:

- Schreiben fühlt sich lustig an
- Ich habe gute Laune und fühle mich glücklich (dahinter ein gezeichnetes Kleeblatt mit allerdings nur 3 Blättern, warum auch immer)

Die erste optische Komponente, die ich feststellte, war, dass die Berge eher unecht und malerisch wirkten. Weiterhin stellte ich nun meinen Tastsinn auf die Probe, indem ich eine kleine Runde innerhalb unseres Camps ging. Die Wiese unter meinen Füßen fühlte sich recht weich an und allgemein stufte ich Gehen laut meinen Notizen als witzige Aktivität ein, wobei ich in „witzig“ bereits den ersten Rechtschreibfehler einbaute, da ich das „t“ vergaß. Zu meiner Überraschung tauchen davon lediglich am Anfang meiner Notizen einige auf.

In einer weiteren bemerkenswerten Beobachtung geschah folgendes: Wenn ich mich auf ein bestimmtes Waldstück auf der Bergwand konzentrierte vervielfältigte sich dieses. Die Waldstück-Klone erschienen dann über die gesamte Bergwand verteilt und schwangen alle sanft hin- und her. Selbstähnlichkeit? Kurz darauf stellte ich während eines Denkprozesses überrascht fest, dass ich ja doch relativ klar im Kopf bin. Wie ich weiterhin so in mich hinein horchte, überkam mich ein Gefühl tiefster Zufriedenheit. In meinen Notizen vermerkte ich dieses Gefühl so: „Die Welt so wie sie gerade ist, ist ok. Bzw. man fühlt sich im Reinen mit sich selbst und seiner ganzen Umgebung“. Darauffolgend achtete ich etwas mehr auf die genannte Umgebung. Ich empfand Gelächter aus einem benachbarten Camp als sehr positiv und stimmungssteigernd, Stichwort „positive Vibes“. Außerdem empfand ich meiner Mitschrift zufolge das Körpergefühl und den leichten Wind als recht angenehm. Zudem stellte ich erfreut fest, dass ich gar nicht das Gefühl hatte, dass dieser Zustand zu stark ist oder werden könnte.

Wo genau der Übergang zwischen Draufkommen und Peak war lässt sich gar nicht sagen. Allgemein war das Draufkommen sehr schleichend und dadurch auch sehr angenehm. Unterhalten haben M und ich uns nur sporadisch. Das erste sinnvolle Gespräch kam zustande, als ich feststellte, dass ich notgedrungen mal das Pissoir aufsuchen müsste, was ich M unverzüglich mitteilte. Diese plötzliche Mission riss mich etwas aus der bis eben vorherrschenden Idylle und ließ mich erstmal etwas ratlos zurück. Der Campingplatz war nämlich absolut unstrukturiert: Es wurden stumpf alle Zelte ohne Sinn und Verstand kreuz und quer auf dieser Wiese verteilt. Aufgrund der dementsprechenden Verteilung der beinahe unsichtbaren Zeltschnüre erwies sich die Wegfindung bereits in nüchternem Zustand als schwierig. Nachts warste´ ohne Taschenlampe vollends verloren. Wie dem auch sei, irgendwie habe ich diesen Weg gemeistert, bei dem ich mich ein bisschen wie in einem Actionfilm gefühlt habe, in dem der Meisterdieb den Korridor des Museums passieren muss, ohne einen der alarmauslösenden Laserstrahlen zu berühren.

Zurück in meinem Camp stellte ich fest, dass auch unsere Nachbarn uns für einen Augenblick Gesellschaft leisteten. Das Unterhalten lief weitestgehend reibungslos ab. Zwischendurch war ich jedoch etwas verwirrt, da ich einen Schuss wie aus einem Gewehr in weiter Ferne vernahm. Um nicht für verrückt gehalten zu werden, behielt ich dieses Detail bis zum nächsten Tag für mich, wo es mir jedoch von den anderen nachträglich als existent bestätigt wurde - sie hatten es auch gehört. Trotz dem passablen Verlauf meiner Rhetorikkünste in dem Gespräch mit unseren Nachbarn, schlugen wir deren Einladung aus, sie zu dem Fluss zu begleiten. Soweit waren wir nun auch wieder nicht.

Zurück zum Film: Die nächste optische Besonderheit an diesem Tag war, dass die „Gebirgswand wabert wie die Gemälde bei Super Mario 64, wenn man hindurchspringt“. Der darauffolgende Eintrag in meinem Büchlein ist weniger fantastisch, lässt mich aber beim Schreiben dieses Berichts etwas schmunzeln: „Wörter aus diesem Stift fließen zu sehen trägt zu meinem Amüsement erheblich bei“. Ich fragte mich bei all meinen Notizen, wie diese sich wohl am nächsten Tag lesen lassen und ob sie nachvollziehbar sein werden. Außerdem stellte ich fest, dass die Wörter beim Schreiben immer auseinander und zusammen schwammen, was ich ebenfalls mit einem knappen Kommentar als „sehr lustig“ bewertete. Da ich in der Vergangenheit bereits Veränderungen des Geschmacksinns in Folge von Konsum psilocybinhaltiger Pilze erfuhr, probierte ich erwartungsvoll einige Weintrauben. Das Ergebnis war etwas enttäuschend: ich vernahm keine Veränderung im Geschmack, nur fiel mir ein gewisser Nachgeschmack auf, welchen ich jedoch nicht weiter definieren kann.

M und ich erfreuten uns also weintraubenessend, viel lachend und tiefenentspannt unseres Daseins, als ein neuer Protagonist in unserem Camp in Erscheinung trat. Wir luden den vermeintlich Reisenden ein sich zu uns zu setzen, boten ihm allerhand Essen und Trinken an und unterhielten uns eine Weile. Irgendwann meinte unser Gast, er würde kurz etwas aus seinem Zelt holen. Verdutzt beobachtete ich, wie er in das Zelt neben uns schlüpfte. Unser Gast war scheinbar ein weiterer Nachbar von uns, welcher allein unterwegs war und tagsüber als Masseur in der „Healing Area“ tätig war. M erinnerte mich, dass wir diesen bereits kurz am Vortag kennengelernt hatten. Da es jedoch dunkel war und meine Begabung für das Einprägen von Gesichtern gegen Null geht, hatte ich dies wohl nicht mehr auf dem Schirm.

Im weiteren Verlauf morphten die Berge fröhlich und sanft vor sich hin während ihnen die aufziehenden Regenwolken in den Gipfeln etwas Mystisches verliehen. Meine Augen tränten etwas und ein Anflug von Müdigkeit überkam mich. Ob das mit den aufkommenden Wolken und dem kurzen Regenschauer zu tun hatte, Stichwort „Setting“? Jedenfalls stellte ich etwas später fest, dass die durchdringenden Sonnenstrahlen alles freundlicher wirken ließen. Sogar das weiße Lesezeichen-Bändchen in meinem Buch glitzerte und glänzte im Sonnenlicht. Eventuell LSD-bedingt, vielleicht tut es dies aber auch grundsätzlich, jedenfalls fiel es mir auf und hat somit seine Erwähnung an dieser Stelle verdient. Ich stellte zudem fest, dass der Trip sich mit den Gedanken ganz gut steuern ließ. Mangels Uhr schätze ich die Dauer unseres Aufenthalts im Camp seit der Einnahme auf etwa 3-4 Stunden. Der Satz „Euch die Uhren, uns die Zeit“ veranlasste mich seitdem ich ihn das erste Mal hier im LdT gelesen habe auf den meisten Festivals weder eine Uhr noch ein Handy zu nutzen.

Szenenwechsel. Auf Ms Vorschlag hin liefen wir die 200 Meter zu dem Wasserfall, welchen wir vorher nur von dem Wegweiser her kannten. Da ich mein Büchlein zu diesem Ausflug nicht mitgenommen habe, sondern die Notizen erst nach Rückkehr zum Camp ergänzte, ist dieser Abschnitt weniger detailliert. Jedenfalls waren sämtliche optischen Eindrücke ab dem Losgehen verschwunden und ich fühlte mich geistig absolut nüchtern. Körperlich jedoch verspürte ich eine gewisse Anspannung, die allgemeinhin wohl auch mit dem Anglizismus „Bodyload“ beschrieben werden kann.

Um das Becken vor dem Wasserfall herum war der Boden von größeren Steinbrocken und kleineren Kieseln bedeckt. Eingerahmt wurde diese Oase zu beiden Seiten von Bäumen. Wir setzten uns auf den Boden und beobachteten etwas den regen Badebetrieb sowie den kontinuierlichen Wasserstrom, der die steile Felswand hinabfloss. Doch die Idylle war nur von kurzer Dauer, denn nach 5 oder 10 Minuten begann es plötzlich relativ stark zu regnen, woraufhin wir und einige andere unter das schützende Blätterdach der angrenzenden Bäume flüchteten. Wie wir so dasaßen und quatschend den Regen abwarteten, sagte M aus dem nichts heraus etwas, dass bei mir einen Lachanfall katastrophalen Ausmaßes auslöste. Auf den Inhalt möchte ich nicht näher eingehen. Da M und ich jedoch heute noch darüber lachen und er eine Print-Version dieses Berichts als Erinnerung bekommen soll, ist mir die Erwähnung dieses Details dennoch wichtig.

Zurück zum wesentlichen. Dieser recht bald verebbende Platzregen hatte das Erscheinungsbild der Umgebung verändert. Die Szenerie, die sich uns bot, genau zu beschreiben ist nicht leicht. Von unserer plateauartigen Oase aus Steinen und Wasser mitten im Grün an der einen Bergwand blickten wir auf die gegenüberliegende Bergwand, welche schätzungsweise 800m entfernt war. In ihren Gipfeln hingen die Wolken und die auf der Bergwand befindlichen kleinen Wälder wirkten im Regen wie ein Dschungel, der gerade spürbar wachsen würde. Nach dem Regen verschwanden die Wolken recht schnell und die wiederkehrende Sonne bewirkte, dass aufgrund der Verdunstung ein leichter Nebelschleier über den Bergen und den Bäumen hing, durch den die einzelnen Sonnenstrahlen besonders schön zur Geltung kamen.

Nachdem wir uns daran satt gesehen hatten beschlossen wir den kleineren der beiden bunten Floors zu besuchen, da dieser am nächsten war. Zu dem Zeitpunkt waren weder optische noch mindtripartige Effekte zu verspüren. Daher zog ich behutsam 2 Mal an der von M gereichten Marihuana-Zigarette, in dem Bewusstsein, dass dieses Kraut die Fähigkeit besitzt Trips zu intensivieren. Aufgrund meiner eingangs erwähnten Abneigung gegen das Rauchen, habe ich jedoch nur recht kleine Züge genommen und verspürte daher keine nennenswerte Wirkung. Da die Musik recht experimental und nicht ganz unser Fall war beschränkten wir unsere Aktivitäten auf das Herumsitzen auf einer der hölzernen Bänke am Rande der Tanzfläche. Da uns dies alsbald zu langweilig wurde, beschlossen wir einen erneuten Standortwechsel mit dem Ziel Holz-Floor durchzuführen. Auf dem Weg dorthin trafen wir den weiblichen Teil des Pärchens, welches wir zu Beginn kennengelernt hatten. In dem kurzen Gespräch hielt ich mich etwas zurück: Klare Artikulation mit mehr oder weniger Fremden war eine Aufgabe, auf die ich in dem Augenblick verzichten konnte. Als wir sie am nächsten Tag erneut trafen fragte ich beiläufig, ob ich in dem Gespräch vom Vortag eventuell komisch gewirkt hätte. „Wa? Nee, keine Ahnung… Ich war voll auf Keta!“. Klassischer Fall von unnötig zu viele Gedanken gemacht.

Als wir an unserem Ziel angekommen waren, war die Musik deutlich besser und so tanzten wir dort etwas. Obwohl die Höhe der sandfarbenen Tücher, die über dem Floor mittels Holzkonstruktionen gespannt waren, etwa 9 Meter betrug, fühlte ich mich doch etwas eingeengt. So begaben wir uns auf die angrenzende Wiese und fläzten uns dort wie bereits einige andere auch ins Gras. Doch auch hier fühlte ich mich etwas unbehaglich.

Der sogenannte Raphekern, der Teil des zentralen Nervensystems ist, wirkt filternd hinsichtlich der Sinneseindrücke, die wir im Alltag erleben. So hebt er wichtige Eindrücke hervor und filtert unwichtige heraus. Ein kleines Beispiel: Angenommen du fährst deinen Laptop hoch, so nimmst du in den ersten Momenten das Geräusch des arbeitenden Lüfters wahr. Nach einiger Zeit ist das Geräusch natürlich immer noch da, nur du bemerkst es nicht mehr, weil du dich daran gewöhnt hast. Es wird als unwichtiger Sinneseindruck herausgefiltert und dein Gehirn wird nicht mehr über das Vorhandensein in Kenntnis gesetzt. Unter LSD jedoch wird die Aktivität der Raphekerne vermindert, was eine Hemmung seiner Filterfunktion zur Folge hat. Dies wiederum bedeutet, dass sämtliche Sinneseindrücke nun ungefiltert auf das Gehirn eindreschen, was kurzum zu einer Reizüberflutung führt, da all die Informationen gar nicht verarbeitet werden können. Als entsprechend unangenehm empfand ich es also, als mein Gehirn nun versuchte die Informationen sämtlicher Bewegungen, akustischer Signale und Gerüche aus meiner Umgebung zu verarbeiten. Ich nahm Leute wahr, die tanzten, jonglierten, Karten spielten, roch das Essen aus der anliegenden Fressmeile und obendrein hörte ich noch gefühlt 5 Gesprächen gleichzeitig zu. Da behaupte nochmal einer, Männer seien nicht multitaskingfähig. Mit dem richtigen Doping geht alles. Das war vom Prinzip her zwar alles recht interessant, aber dennoch nicht erstrebenswert.

So liefen M und ich die 200 Meter zurück zum Camp und begaben uns wieder in die Ausgangsposition der Reise, auf unsere Sitzgelegenheiten. Auf dem Weg dorthin wurde ich noch von einem Neuankömmling aus einem der Zelte heraus angesprochen und nach den Floors befragt. In kürzester Zeit klärte ich ihn über die vorherrschenden Bedingungen hinsichtlich Musik und Aussehen der verschiedenen Bereiche auf und dachte erst beim Weitergehen über das Gesagte nach. Nicht, dass ich ihm Quatsch erzählt hätte, aber während des Redens habe ich nicht eine Sekunde nachgedacht und dennoch einen recht präzisen Einblick geben können… Bildete ich mir jedenfalls ein.

Das Zeitgefühl war übrigens völlig dahin. Der Theorie nach müsste es später Nachmittag oder früher Abend gewesen sein. Ich griff erstmal zu meinem Notizbüchlein und stellte erfreut fest, dass ich die Fähigkeit des sicheren Lesens und Schreibens scheinbar vollständig wiedererlangt hatte. Soll heißen: Die Wörter blieben nun an ihrem Platz und bewegten sich nicht mehr nach links und rechts, zueinander hin und wieder zurück. Erneut war ich beeindruckt darüber, was so ein Standortwechsel bewirken konnte. Denn nun am ruhigen Zelt angekommen traten auch wieder optische Effekte auf. Beim Blick auf die Felswände schien es nämlich so, als besäßen die Felsumrisse keine Ecken und Kanten mehr. In der Fotografie würde man diesen Effekt wohl als „Weichzeichnen“ betiteln.

Ein weiteres bemerkenswertes Phänomen war die Gedanken-Aktivität. Allgemein hatte ich nur sehr wenige Gedanken in meinem Kopf, aber die die in meinen Fokus gerieten, wurden sehr stark analysiert. Dabei handelte es sich weniger um eine von Emotionen begleitete klassische Pro-Contra-Abwägung, sondern viel mehr war es eine neutrale Betrachtung von außen.

Die Sonne war mittlerweile wieder verschwunden, was die Laune etwas runterzog. Dies war laut meinen Notizen jedoch gut gegen den Sonnenbrand, den ich scheinbar gehabt haben muss. Inzwischen dämmerte es auch schon und wurde etwas kälter als 2 Mädels etwa in unserem Alter an unserem Camp vorbeikamen und uns fragten, ob wir wüssten, wo man hier Acid erwerben könne. Jo, wussten wir! Ich unterbrach meine Zeichnung eines Säulengangs mit Sonne und Mond, die ich gerade in meinem Büchlein anfertigte. Hilfsbereit lotste ich sie durch die Zelte, immer noch barfuß und in kurzer Hose, jedoch inzwischen mit Pulli. Der kühle Rasen fühlte sich recht angenehm und weich an und ich bildete mir ein, dass meine Bewegungen beim Ausweichen der tückischen Zeltschnüre etwas geschmeidiger als sonst waren. Ich fühlte mich inzwischen schon wieder recht nüchtern und so begaben M und ich uns nach meiner Rückkehr zum Camp mit Einbruch der Dunkelheit in Richtung der Fressbuden und schlossen dieses Kapitel des Festivals mit einer Pizza ab.