Tripbericht lesen

Übersicht:

Titel:Ohne Schädeldecke auf dem Präsentierteller
Drogen:LSD
Autor:Zetscho
Datum:04.05.2007 08:51
Set:Gerade mit viel Stress meine Abschlußarbeit überwunden
Setting:Große Wiese, Natur, leider viele Menschen
Nützlichkeit:8,51 von 10 möglichen   (41 Stimmen abgegeben)

Bericht:

Dieses Jahr am Karfreitag beschlossen wir gemeinsam, die Kreuzigung unseres Herrn zu feiern. Nein, sorry, ich will hier keine Relgiösen beleidigen. :-)

Es war einfach seit einigen Wochen perfektes, blaues Frühlingswetter gewesen und sowohl ich als auch mein Kumpel P hatten dieses wegen Karrierestress nicht auskosten können. Er hatte eine wichtige Prüfung und ich habe in der Woche davor meine Bachelorarbeit in einem solchen Zeitdruck durchgepowert, dass ich bis heute nicht weiß, was ich da eigentlich genau gemacht und wie ich das überhaupt hinbekommen habe.



Ursprünglich hatte ich einfach nur Lust auf einen Tag totales Abflacken in der Sonne, aber dann hatte P LSD besorgt. Ein mir nicht bekannter Mensch aus der Gegend bekommt dies in kristalliner Form und macht die Tropfen selber, aber nur für ausgewählte Freunde (er ist kein Dealer!). Also hatten wir einige Zuckerwürfel im Gepäck, sowie noch Lauter Schöne Dinge, die einem das Tripleben outdoor versüßen können: Einen Gettoblaster, Batterien, Erdbeeren, Teig für Stockbrot und später noch ganz wichtig: Weingummis! Außerdem hatte ich noch sechs 0,5l-Pilsampullen dabei. Alkohol hat sich für den Tripnotfall schon oft als recht hilfreich erwiesen.



Wir waren zu dritt, P, seine Freundin S und Meinereiner. Zuhause teilten wir uns zum Einstimmen einen Zuckerwürfel im Glas Wasser und fuhren dann mit dem Fahrrad los. Unser Zielgelände ist ein ehemaliger Truppenübungsplatz, der heute an der Grenze zu einem Naturschutzgebiet (Wald) liegt und vorne aus einer riesigen, von einem abgestandenen Bach geteilten Wiese besteht. Auf dem Gelände gibt es viele kleine und größere Hügel, die gerne von Mountainbikern frenquentiert werden. Außerdem gibt es noch einen kleinen Motorcross-Club mitsamt Hindernisparkour. Es ist ein wunderschöner Ort, der in der Regel recht ruhig ist und nur von Spaziergängern und einzelnen Lagerfeuergruppen besucht wird. Als wir ankamen, war es schon 14h und da Feiertag war, waren viel mehr Leute dort als sonst. Leider war der übliche, sichtgeschützte Platz schon besetzt. Offenbar waren es Provinzproleten, denn ihre Autos, die am Wegesrand parkten waren ausschließlich ältere BMWs, GTIs mit Spoiler und so ein Mist. Etwas enttäuscht pflanzten wir uns einfach mitten auf die Wiese, nur 5m neben dem Weg.



Von dem drittel Würfel merkte ich bis jetzt nur eine leichte Euphorie und war schon etwas enttäuscht von dem Zeug. Doch wir nahmen dann jeder einen ganzen Würfel und bald ging es los. Schnell spürte ich das übliche unangenehme Ziehen in den Gliedmaßen, am Kiefer und Rücken, wenn mein Körper noch vergeblich versucht, sich gegen die einstürmenden Energien zu wehren. Bald merkte ich, dass es schwierig wurde, sich auf ein belangloses Freitag nachmittag Gespräch zu konzentrieren. Wir wurden alle stiller, jeder tauchte in seine Welt ab. Irgendwann wurde das Ziehen echt unangenehmen und ich mußte aufstehen und alleine durch die Wiese schlendern, Das Gras, dass ich an meinen nackten Füssen spürte beruhigte mich ungemein. Ich streckte mich mehrmals, atmete tief durch und so langsam konnte mein Körper das LSD zulassen.



Was von vorneherein etwas störend war, waren die vielen Spaziergänger. Da Feiertag war, waren es nicht nur die üblichen Hundegassigeher, sondern viele schwäbische Proletenfamilien mit dicken Bäuchen, wabbelnden Ärschen, häßlichen Kindern und neugierigen Blicken, die am Weg direkt an uns vorbei gingen, während wir noch versuchten, uns auf den Trip einzulassen. Wir gaben sicher einen eigenartigen Anblick ab. Ausgebreitete Decken, Rucksäcke, ein Gettoblaster, der sich als nicht funktionabel entpuppt hatte. In der Mitte saß die schlanke, hochgewachsene, blonde Gestalt von S, während P und ich irgendwo auf der Wiese herumstolzierten und in den Himmerl oder auf den Boden blickten.



Wie immer, war ich am Anfang sehr gehemmt und konnte den Trip einfach nicht zulassen. Mein Kopf versuchte krampfhaft, “normal” zu sein. Irgendwann wurde der Konflikt so stark, dass ich mich dazu entschloss, mich einfach fallen zu lassen. Ich fiel sanft ins Gras und es fühlte sich einfach großartig an, weich, sanft, kühl. Es nahm mich in seine Arme und ich fing langsam an zu fließen. P und ich begannen uns längs an einem kleinen Hügel herabzurollen, was sehr befreiend war.



Ich blieb am Boden und verschmolz mit ihm, er gab mir Schutz. So lag ich, alle Viere von mir gestreckt eine ganze Weile da. Mitten in der Sonne, die Augen meist geschlossen. Ich lies meine Gedanken schweifen und mir wurde die unglaubliche Anspannung bewußt, die sich durch meine Abschlußarbeit aufgebaut hatte. Ich konnte sie aber noch nicht loslassen. Irgendwann vernahm ich etwas sehr störendes. Es dauerte eine Weile, bis ich begriff, dass es ein Geräusch war und dass es knatternde Motoren waren. Ich öffnete die Augen. Ich sah irgendwo auf der Wiese – Entfernungen konnte ich in meiner inzwischen chaotisch dahinwellenden zweidimensionalen Sicht nicht mehr abschätzen – zwei von diesen vierrädrigen Strandbuggies mit jeweils zwei dicken, häßlichen Menschen drauf. Sie fuhren wie wild durch die Wiese und die Büsche. Sie kamen sich offensichtlich obergeil vor auf ihren stinkenden Lärmmaschinen. Sie waren wie ekelerregende Fremdkörper in einer ansonsten wunderschönen Natur. Der Lärm ihrer brüllenden Motoren durchschnitt meine gesamte Warnehmung, weckte tiefe Aggressionen in mir. Als sie am Weg an uns vorbei donnerten, sah ich, dass es wirklich häßliche, widerliche Nacktraubaffen waren. Alle vier waren fett, blond mit ungesunden, roten Gesichtern und stechenden, irren Blicken. Ich mußte an Mad Max denken und daran, dass vielleicht in wenigen Jahrzehnten die Erde mit lauter solchen verloren Zivilisationskranken bevölkert sein wird, die wie die Barbaren auf der Suche nach Essen und Benzin durch die Gegend räubern werden. In mir wuchs ein verachtender Haß gegen diese Menschen. Zum Glück verschwanden sie mit ihren knatternden Höllenmaschinen im Wald und es kehrte wieder Frieden.



Ich lag wieder auf der Wiese und blickte in den Himmel. Meine Gedanken schweiften, vor meinem inneren Auge lief ein buntes Kopfkino ab. Ich öffnete meine Augen und ich sah ein weißes Flugzeug, weit oben am blauen Himmel. Es war eindeutig ein großes Jet. Das komische aber war, dass es keinen Kondesstreifen hatte. Ich betrachtete es. Es wurde ganz dick und eklig, wie eine weiße, widerliche Made. Außerdem konnte ich nicht mehr einschätzen, wie weit es weg war. Es gab im folgenden immer mehr solche Flugzeuge. Alle waren widerlich, fett und aufdringlich. Sie weckten Ekelgefühle in mir.



Inzwischen war noch ein weiterer Freund (A) spontan zu uns gestossen. Keiner von uns war in der Lage, mit ihm zu reden. Wir brachten es nur zu freundlichen Grunzern. Nachdem er laut festgestellt hatte, dass ihm langweilig war, aß er auch einen Zuckerwürfel. P streifte irgendwo durch die Büsche, S war in ihrer eigenen Welt versunken, ich lag auf der Wiese, fragte mich, was wohl die Spaziergänger dachten (vermutlich, dass ich mich in der Sonne besoffen hab und im Koma lag) und sagte A nur, es tue mir leid, aber ich könne gerade nicht reden. Währenddessen wurde ich von dicken, ekelhaften Blechmaden aus 10.000m Höhe penetriert.



Die Ekelgefühle nahmen zu, vor allem als die häßlichen Höllenmenschen mit ihren aggressiven Motoren und ihre stinkenden Zivilisationskrankheit wieder kamen, Lärm, Unruhe und Aggressionen verbreiteten. Hätte mich der Trip nicht so ins Gras gedrückt, ich hätte sie mit den schweren Batterien aus dem Gettoblaster beworfen. Irgendwann fukussierten sich meine Visionen. Ich sah ganz viele kleine Gesichter, die vor Angst und Ekel erstarrt waren. Es fühlte sich an wie auswegloser Stillstand am widerlichsten Ort der Welt. Die Gesichter waren ungesund, käsig und blas. Sie sahen aus wie Babies und hatten langezogene, madenartige Köpfe. Plötzlich wurde mir klar, was hier passierte, ich war dabei, in ein frühes Kindheitsstadium zu regredieren. Das war schon mehrmals passiert, allerdings habe ich es bislang nicht geschafft, das Trauma voll durchzuleben und zu integrieren. Mir war das gerade zu viel. So gut kannte ich meine Freunde hier noch nicht, um eine derartige Blöße zu geben. Außerdam lag ich mitten auf einer Wiese, die voll mit Spaziergängern, Hunden, Kindern und solchem Zeug bevölkert war. Ich fühlte mich sowieso schon völlig wehrlos, alle Eindrücke prallten eh schon ungefiltert auf mein Hirn, als hätte ich keine Schädeldecke und läge für alle verfügbar auf einem Präsentierteller.



Ich setzte mich auf. Ich verstrickte mich in einen Kampf mit mir selber, denn ich wollte nicht dorthin, wo der Trip mich trieb. Ich machte den großen Anfängerfehler, gegen den Trip zu kämpfen und die Ekel- und Angstgefühle, das Gefühl ausgeliefert, passiv und unfähig zu jeglicher Handlung zu sein, verstärkte sich daher. Ich stand auf, winkte ab, als meine Freunde was zu mir sagten, nahm ein Notfallbier aus meinem Rucksack, öffnete es und würgte es hektisch herunter. Es schmeckte überhaupt nicht.



Inzwischen war die Sonne hinter den Baumwipfel verschwunden, die Wiese leerte sich und A meinte, wir sollten vielleicht Holz holen, um später Feuer machen zu können. Das war eine wunderbare Idee! Arbeiten, was tun! Kompliziert fummelte ich mich in meine Socken und Schuhe fühlte mich dabei wie auf der Flucht. Wir gingen in den Wald. Alles war viel zu abstrakt, um erkennen zu können, was Feuerholz war und was nicht, aber der Wald nahm und in seine schützende Arme. Plötzlich fühlte ich mich geborgen, zuhause. Zurück zur Natur, aber so richtig. Ich fand einen Knüppel und fühlte mich wie ein Neandertaler. Ich brüllte und klopfte auf den Boden. Wir bekamen einen Lachanfall. Wir begannen den Hügel zu erklimmen und plötzlich wußte ich, dass alles richtig war. Hier war mein Wohnzimmer, von Sonnenstrahlen durchflutet, mit goldenen Blättern ausgelegt und von zwitschernden Vögeln und summenden Insekten beschallt. Der längliche Würfel mit seinem flimmernden Quadrat in der Mitte und den quietschenden toten Baumscheiben am Boden war die Krankheit, dies war das Gesunde. Ich habe die Natur noch nie so genossen. Wir erklommen den Hügel, brachen durchs Unterholz, was für eine absolute Befreiung. Der Stress der Tripsituation vorhin, all der Ekel und Haß, aber auch der Stress der letzten Wochen, fielen von mir herab. Ich fühlte mich leichter, mehr ich selbst, als je zuvor. A hatte sein Fahrrad noch dabei. Wir lachten ihn aus, während er wie ein ihrer grunzend durchs Unterholz brach, das Fahrrad irgendwie mit sich tragend. Es war sein neuer Sport meinte er. Mit dem Fahrrad durchs Unterholz. Dort kann man doch gar nicht fahren. Das ist ja der Sport. Wir kugelten uns vor lachen.



Später legten wir uns mitten in den Blätterboden. Normalerweise würde ich gucken, nach Fuchsscheiße, nach Krabbelviechern, aber diesmal brauchte ich gar keine Angst zu haben. Es war gut, es war mein zuhause, meien Basis. Und was war unglaublich weich und roch so frisch. Unglaublich!



Später sammelten wir noch mehr Holz und das Gefühl, meine Muskeln zu beanspruchen und dicke Stämme zu schleppen, machte mich mehr zu einem Mann als jemals etwas zu vor. Es war aber nicht die Art von zur Schau gestellter Männlichkeit, die die häßlichen Zivilisationskranken auf ihren lauten Höllenmaschinen praktizierten, sondern ein ganz gesundes, einfaches Gefühl von mir selbst. Ich bin ein Mann, ich sammle Holz. Das war die ganze Welt! Als wir dann, verschwitzt mit rasendem Pulz vor unserem Holzhaufen standen, packte ich die Weingummis aus und eine schmatzende, lüsternde Geschmacksorgie begann. Wir grunzten und kicherten, waren vollkommen hin und weg von diesen geilen Früchten der Industrie! Dieser Geschmack! Wahnsinn...



Feuer zu machen war dann noch ein Koordinationsabenteuer, aber gemeinsam schafften wir es. A hatte kleine Boxen dabei, so konnten wir noch ein wenig Goa ohne Bass hören, so dass es zwar zischte und blubberte, aber nicht donnerte. Egal, es reichte. Wir lachten uns tot. Später begannen wir, selber Musik zu machen. Die Eisteepackung war eine geile Trommel, die Tupperbox von den Erdbeeren ebenfalls. Außerdem hatte jemand Rasseleier dabei und A eine Maultrommel. Es war herrlich...