Tripbericht lesen

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Titel:Arbeit adelt
Drogen:Speed
Autor:Eulenspiegel
Datum:18.11.2009 00:18
Set:Etwas Niedergeschlagen und antrieblos
Setting:Meine Wohnung, Erlanger Innenstadt
Nützlichkeit:8,30 von 10 möglichen   (56 Stimmen abgegeben)

Bericht:

Arbeit adelt



„Ist nun alles tot?“

„Ich weiß nicht, ich könnt ja mal...“

„Sei mal still! Ich glaube...ich glaube es wird wieder gearbeitet!“




Niemals schlafen, niemals ruhn`

Leute, es gibt viel zu tun.

Alle Kräfte sind geweckt!

Spürt die Macht, die in Euch steckt!

Alle Männer, alle Frauen

Die Neue Welt gibt es aufzubauen!

Viel zu lang schon nichts getan...

Kommt, stellt die Maschinen an!



Jetzt ist unsere Stunde nah,

Alle Träume werden wahr,

Alle Felder sind bestellt,

Die Nahrung für die Neue Welt!

Schwarz und weiß, arm oder reich

Alle Menschen werden gleich

Und alle müssen nochmal ran...

Kommt, stellt die Maschinen an!



Fasst alle an, wir sind bereit.

Gestärkt nun durch Gemeinsamkeit

Denn für unsere Konjunktur

Geben wir das Beste nur!

Und durch Schweiß und wahren Mut

Bekommen wir das blaue Blut,

Fortschritt ist kein leerer Wahn...

Kommt, stellt die Maschinen an!




Welle Erdball-Arbeit adelt



Ein normaler Tag. Das Semester begann erst vor vier Wochen, allerdings habe ich das Gefühl bis jetzt noch nicht viel gelernt zu haben. Meine Liebste ist seit Studienbeginn sehr traurig und ich brauche wohl kaum zu erwähnen, dass ihr Zustand auch mir auf das Gemüt schlägt. Seit zwei Wochen schon fühle auch ich mich Niedergeschlagen und schlafe zu wenig. So viel zu meiner Situation; ich erwähne es auch nur um euch zu helfen meine Lage nachzuvollziehen.

Die letzten 14 Tage schon verberge ich mich in den wirren Labyrinthen des Rauschs. Ich brauche wohl kaum zu erwähnen, dass ein solches Versteck eher Sandburg als Festung ist. Jeden Morgen kann ich bereits das Gurgeln der heraufziehenden Flut hören und es ist nur eine Frage der Zeit bis die Wellen über mir zusammenschlagen.

Als ich zum Briefkasten ging erwartete mich allerdings eine freudige Überraschung. Ein lieber Bekannter sandte mir etwas Desoxypipradrol zu. Seit meinem Abitur, das nun doch schon einige Zeit zurückliegt, hatte ich nicht mehr von diesem Soma gekostet.

Damals empfand ich es als äußerst angenehm, euphoriserend, nebenswirkunsgsarm und als eine der wenigen Substanzen, die den klangvollen Titel “smart drug” tatsächlich verdient haben.



Da die Spannung nach dieser langen Einleitung sicher ins schier Unermäßliche gestiegen ist lasst euch gesagt sein:

Auch dieses Mal sollten meine Ansichten diese Substanz betreffend auf das Eindrucksvollste bestätigt werden, auch wenn mir einige unbekannte Elemente im Wirkspektrum auffielen.



Früher konsumierte ich maximal 2mg oral, um ausdauernder und intensiver arbeiten und lernen zu können

In den letzten Jahren hat sich mein Erfahrungshorizont in Bezug auf Upper allerdings um einiges erweitert. Die lieben Stimulanzien und ich führten nie eine sonderlich innige Beziehung. Für mich waren sie immer nur Mittel zum Zweck; die Nebenwirkungen überwiegen meiner subjektiven Meinung nach einfach die positiven Effekte.

Der langen Rede kurzer Sinn:

Aufgrund meines reicheren Erfahrungsschatzes hielt ich 7mg, nasal appliziert, für eine angemessene Dosis.



„Which way is Poland?“*



Um zehn Uhr in der Früh bahnten sich nun also 7mg Desoxypipradrol ihren Weg über meine Nasenschleimhäute ins Kreislaufsystem, überquerten die Blut-Hirn-Schranke und begannen mit ihrer Arbeit.

Obwohl ich es besser wissen sollte erwartete ein Teil von mir den charakteristischen Kickstart nasal konsumierter Stimulanzien.

Alle Speedfreaks und Motorheads können nun enttäuscht aufhören bei google nach einem Händler für Desoxyipiradol zu suchen, denn einen nennenswerten Flash erlebte ich nicht.



Etwa zwanzig Minuten nach der Einnahme lauschte ich der Weisheit des King of Queens, prokrastinierte vor mich hin und verschwendete im Allgemeinen meine Zeit, wie schon so oft in diesem Semester.



Ich befand mich also in der widersprüchlichen Lage meinen Geist von Vorfreude reinigen zu wollen und war gleichzeitig in sehnlicher Erwartung der marsianischen Ekstase und dem Rausch des Berserkers.

Meine Liebste fragte mich völlig unvermittelt: “Eehm du hattest nicht eventuell gerade eben einen Schlaganfall, oder?“

„Was, wieso?“, entgegnete ich, schlagfertig wie ich nun einmal bin.

Sie erklärte ihre etwas seltsame Frage: „Nun, du grinst als hättest du nicht mehr alle Tassen im Schrank.“

Plötzlich fiel es mir selbst auf; ich tanzte ausgelassen am Rande der Euphorie. Meine Gedanken waren klar wie Glas und unsagbarer Tatendrang erfüllte mich, ohne das ich mich zwanghaft und getrieben fühlte.

Kurz dachte ich voll Vorfreude an die Protokolle, die mich noch erwarteten.



Um elf machte ich mich ans Werk und die Arbeit konnte mir gar nicht schnell genug von der Hand gehen!

Die Eagles of Death Metal und ich hatten es uns vor dem Rechner bequem gemacht, auf den ich grinsend einhackte.

Meinem Zustand ging die manisch-insektoide Logik, wie sie meiner Ansicht nach für Aufputschmittel so typisch ist, völlig ab.

Repetetive Aufgaben langweilten mich wie eh und jeh, die kreativen Aufgaben, sofern man denn beim Erstellen von Graphen und dem Auswerten eines Versuchs, betreffend die anti-mutagene Wirkung von grünem Tee, überhaupt von Kreativität sprechen darf, erfüllten mich mit Freude und Ehrgeiz.



Im Allgemeinen war meine Arbeitsweise von Geschwindigkeit, Genauigkeit und einem für mich unbekannten Grad des Perfektionismus` geprägt, ohne auch nur einmal in die unangenhmen und manischen Schluchten einzutauchen die, ich wiederhole mich, meinem Empfinden nach das Wirkspektrum der gängigen Stimulanzien dominieren.

Im Laufe der Arbeit kritzelte ich auf einen Post-It:



Es ist nicht die Kälte von Eis, es ist die ewige und erhabene Kälte des Weltalls!



Dieser, wie ich unumwunden zugebe, sehr pathetische Vergleich bringt es aber absolut auf den Punkt.

Kristalline Denkprozesse, supraleitende Neuronen, das Bewusstsein operiert Nahe dem absoluten Nullpunkt.



Die Euphorie hatte sich in den letzten Stunden noch gesteigert, allerdings war mir nicht als öffneten die Ventrikel alle Schleusen und überschwemmten den synaptischen Spalt.

Keine Synapsenvergewaltigung also.



Gegen halb zwei bat mich meine Schönste ihr ein bestelltes Medi aus der Apotheke abzuholen, natürlich machte ich mich auf den Weg.



Im Aufzug begegnete ich einer älteren Dame, die mit uns in einer 100m hohen Kleinstadt in einer der schlechteren Gegenden Erlangens lebt.

Eine starke empathogene Wirkung möchte ich Desoxypipradrol nicht zuschreiben, allerdings war ihr Gesicht derartig von Einsamkeit und menschlichem Leid gezeichnet, dass ihr Anblick einem das Herz schwer weden ließ.

Für Studenten ist unsere Absteige völlig in Ordnung, aber die Alten und Kranken müssen die Anonymität einer Stadt, die ich nach meiner Jugend auf dem Dorf so genieße, als außerordentlich schmerzhaft empfinden.

Ein kleines Stück des Weges gingen wir zusammen und unterhielten uns, allerdings bilde ich mir nicht ein ihre Situation maßgeblich verbessert zu haben.



Die Fahrradfahrt in die Innenstadt gestaltete sich sehr angenehm.

Eine starke körperliche Wirkung verspürte ich immer noch nicht, allerdings bemerkte ich schon eine gewisse Steigerung der Leistungsfähigkeit, ihr Ursprung ist aber wohl eher in meinem Geisteszustand zu suchen.

Erlangen ist keine große Stadt, aber als ich vor den Arcaden stand genoß ich die Anwesenheit der vielen Studenten, insbesondere der jungen Frauen. Gierig sog ich den Geruch von Holzkohle und Glühwein, Herbst und Regen, Zigarettenrauch und Sushi ein.



Den 8bit Sound von Welle Erdball hatte ich schon längst durch das Album "Heart on” der Wüstenrocker von “Eagles of Death Metal” ersetzt.



Borbongetränkter Rock dröhnte in meinen Ohren, als ich durch die Stadt lief, süchtig nach meiner eigenen Wahrnehmung.

Immer auf der Suche nach mehr Input, mehr von Allem, mehr!



Hängt die, die von weniger reden!



Auf dem Weg zur Apotheke und durch die Stadt, ich musste noch ein Geburtstagsgeschenk für einen Freund besorgen, genoss ich die Bewegungen meiner eigenen Sehnen und Muskeln.



Euphorie und Klarheit waren immer noch die vorherrschenden Charakteristika meines Bewusstseins, mittlerweile machte sich aber auch eine angenehme Megalomanie breit.

Es mag seltsam anmuten, aber immer noch hatte ich nicht das Gefühl in irgend einer Weise überstimuliert oder wahnhaft zu agieren. Bekannte, die ich während meines Ausflugs traf, erzählten mir heute, dass ich mich keineswegs arrogant aufgeführt hätte.

Obwohl heiter und klar wie ein frostiger Wintermorgen, lässt sich der Rausch in dieser Phase wohl eher durch Wagners "Ritt der Walkyren”, Strauss` ` "Also sprach Zarathustra”, MussorgskiNacht auf kahlem Berge”, GriegsIn der Halle des Bergkönigs” und eventuell auch durch Nietzsches Werke verständlicher beschreiben, als ich es jemals könnte.



Wieder mal habe ich mich in meinem eigenen Pathos verloren, wo war ich? Ach ja, wo ging es noch gleich nach Polen? Von mir aus marschiere ich auch alleine und im tiefsten Winter in Russland ein und arbeite mich auf Alexanders Spuren bist nach Indien vor.



Ich hatte nicht übel Lust die Welt zu erobern oder zu retten, eine Kathedrale zu bauen, ein Sonett zu schreiben oder mir sonst irgend ein hohes Ziel vorzunehmen.

Nicht das all diese Dinge im Bereich meiner Fähigkeiten lägen, aber was ich nicht kann lern` ich halt.*

Fuck yeah, call me sunshine superman!

Nach meinen Besorgungen und einem angenehmen Stadtbummel kehrte ich nach Haus zurück und kümmerte mich weiterhin um die Uni.

Zwischen 18 und 19 Uhr ebbte die Wirkung ab und ich wurde tatsächlich ein wenig müde. Negativ besetzte Gefühle, wie die furchtbaren Zustände, wie sie zuweilen nach dem Konsum von DRIs auftreten, blieben vollständig aus.



Um 22.30 Uhr machte ich mich auf den Weg zu einem guten Freund. Als ich gegen 2 Uhr in der Nacht, vom Haschisch benebelt, nach Hause kam begab ich mich nicht sofort ins Bett, was keineswegs an einer für diese Stunde unnatürlichen Wachheit gelegen hätte, sondern viel eher an meinem Bedürfnis mich mit Fettigem vollzustopfen und DVDs zu schauen.



Mit dem Essen hatte ich übrigens während des gesamten Tags nicht die geringsten Schwierigkeiten. Weder wurde mein Appetit unterdrückt, noch empfand ich das Essen als “notwendig aber ekelhaft”, wie auf anderen Uppern.

Etwa gegen vier Uhr begab ich mich ins Bett und versank schnell in den Wirren nächtlicher Abenteuer. Während des Schlafs wurde ich einmal kurz luzid und streifte frei durch die verstiegen-symbolischen Landschaften, die sich hinter unseren Augen ausbreiten.

Wie tanzender Staub in einem Sonnenstrahl reflektierten Traumsplitter das Licht eines neuen Tages. Es klang wie ein Radio zwischen zwei Frequenzen, als die letzten körperlosen Stimmen durch meinen Kopf hallten.



Und ich bin wach.



Es ist 7.30 Uhr. Eigentlich fühle ich mich ziemlich gut, müde natürlich, aber einen Kater spüre ich nicht.

Zum ersten Mal seit längerer Zeit schnürt mir kein Alp die Luft ab , es sieht so aus als sei mein Durchhänger endlich überwunden.



Jetzt aber auf!

Demonstrationen sind angesetzt und Gebäude wollen besetzt werden, vielleicht gehe ich auch noch zu Mathe.



Nachtrag

Drogen sind für Erwachsene; soweit die Träume.



Ich stelle Desoxyipiradrol als wahrhaftiges Moksha dar. Mein Bericht erweckt zweifellos den Eindruck als hätte dieses Substanz nichts als Vorteile.

Allerdings bitte ich zu beachten, dass alle menschlichen Erzeugnisse, die in letzter Konsequenz Produkte unserer eigenen, fehlbaren Wahrnehmung sind, nicht viel mit der Wirklichkeit zu tun haben.



Eine Facette, die alles völlig anders reflektiert, als die, welche ihr soeben eben betrachtet habt, wäre zum Beispiel diese hier:



Desoxypipradrol verfügt über eine unglaublich lange Halbwertszeit und bei der Dosierung derartig kleiner Mengen unterlaufen schnell Fehler; es hat das Potenzial DICH für sehr lange Zeit in den neunten Kreis der Hölle zu schicken!

Ich habe lange darüber nachgedacht ob ich überhaupt einen TR zu dieser Substanz veröffentlichen sollte, angesichts der Horden an 15 jährigen Druffis da draußen will ich nicht den geistigen Brandstifter spielen.

Informiert euch!





Anmerkungen zum Text

*Meine Überschrift habe ich von “fastandbulbous” aus dem Forum bluelight.org geklaut, sie stammt aus dem ersten Beitrag des Threads, den ich weiter oben verlinkt habe.



*Wer jetzt sofort “Nazi!” schreien möchte, weil ihm zu viele verstaubte Visionen deutscher “Großartigkeit” anzuklingen scheinen, der hat Pech gehabt.



Ich verachte Patriotismus eben so sehr wie die Antifa-Attitüde. Ein guter Freund bemerkte einmal, dass man “das Wort Antifaschismus nicht ohne das Wort Faschismus buchstabieren kann”.

Wirtschaftlich halte ich die Ideen Silvio Gesells für großartig und politisch bin ich wohl als Anarchist zu bezeichnen. Das Individuum achte ich tausendmal höher als die sozio-kulturellen Konstruke, in denen es aufwächst und lebt.



So viel zu meinen Ansichten, damit falsche Vorstellungen gar nicht erst aufkommen. Langweilig, oder?

Vielleicht legt irgendjemand Wert auf meine Erfahrung, vielleicht auch nicht. Der Schreibstil ist etwas pathetisch und gestelzt, aber wer sich daran stört der soll halt einfach die Augen zumachen.

Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit.