Tripbericht lesen

Übersicht:

Titel:Trainspotting 2.0 - Das Spiel mit dem Feuer Teil 2/2
Drogen:Mischkonsum von Benzodiazepine, Heroin, Alkohol, Kokain und Cannabis (Reihenfolge vom Autor festgelegt)
Autor:Trone
Datum:05.02.2012 04:32
Set:irgendwo zwischen überrascht, vorfreudig und völlig verklatscht
Setting:erst Wohnung eines Freundes, aber hauptsächlich verlassener Bahnhof
Nützlichkeit:8,93 von 10 möglichen   (110 Stimmen abgegeben)

Bericht:

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Während der Rückfahrt zu Sergej führten wir einen philosophischen Diskurs, wie wir das Heroin konsumieren sollten. Fixen fiel flach, da wir weder Spritzen hatten, noch die geringste Ahnung, wie man einen Schuss setzt. Rauchen wäre interessant, allerdings befürchteten wir, dass dabei der Großteil daneben gehen würde. Da blieb nur noch die idiotensichere Möglichkeit, das Pulver durch die Nase zu ziehen.
Bei Sergej angekommen kümmerte er sich um angemessene musikalische Untermalung, während ich das Pulver gleichmäßig in kleine Lines aufteilte. Ich zog die erste Line, dann Sergej. Das Pulver ließ sich im Vergleich zu Amphetamin recht angenehm ziehen. Kein Brennen, kein bitterer Nachgeschmack im Rachen.
Sogleich wurde mir warm. Ich fühlte mich geborgen und sicher. Ich konzentrierte mich auf meine Atmung und mit jedem Ausatmen wurde dieses Gefühl stärker, wenngleich es noch hintergründig blieb, da wir bewusst vorsichtig dosiert hatten. So viel Verstand - falls man überhaupt noch davon sprechen kann - besaßen wir noch.
Ungefähr eine Stunde sowie einige Zigaretten später war der Flash vorbei und die Zeit reif für die nächste Dosis. Diesmal ein bisschen mehr. Sergej drehte die Musik lauter, während sich in uns ein Feuer gigantischen Ausmaßes ausbreitete. Eine ungeahnte Euphorie überkam uns, das Gefühl der Geborgenheit steigerte sich in Liebe und alles in uns, um uns und um uns herum glühte! Lachend und grinsend fielen wir einander in die Arme. Nichts, aber auch gar nichts, hätte diesen Moment kaputt machen können!

Jede Zigarette vermochte es, den Flash ein kleines Stückchen zu pushen, aber schon bald war der Moment der Ekstase vorbei. Traurig waren wir darüber aber nicht. Vielmehr erhielten wir so die Möglichkeit uns so emotional und gleichzeitig so ehrlich wie nie zuvor und nie danach über Themen, die uns bewegten, auszutauschen.

Allerdings war von Anfang an klar, dass dieser Abend am klassischen Ort enden musste. Wir zogen also jeder noch eine Nase, um uns den Weg zum Bahnhof zu versüßen. Dem Russenladen sei Dank war der Nachschub an Bier ebenfalls gesichert. Am Bahnhof angekommen zogen wir in einem windstillen Eck jeder noch eine Nase, bevor wir uns an unseren Stammplatz begaben, der mittlerweile schon von den Stummeln selbstgedrehter Zigaretten übersät war.
Voll Harmonie hörten wir Musik oder lauschten der Stille in den (nicht mehr ganz so) ekstatischen Momenten nach dem Ziehen einer Line. Die meiste Zeit verbrachten wir jedoch in ebenso harmonischen wie vertrauensvollen Konversationen. Wir erzählten einander in diesem Moment des grenzenlosen Vertrauens die intimsten Geheimnisse. Als mir Sergej verriet, er habe ein Geheimnis, das ich ihm wenige Monate zuvor anvertraut hatte, weitererzählt, konnte ich ihm nicht einmal böse sein. Dennoch erhielt ich die Erlaubnis, ihm dafür irgendwann aufs Maul zu hauen, was ich auch einige Tage später erledigt habe.

Es besteht lediglich eine Ungereimtheit an diesem Abend, von dem ich aufgrund diverser Blackouts nur teilweise berichten kann: Irgendwann mitten in der Nacht sind wir zum Bus gerannt. Dabei habe ich an einer Kreuzung eine Kette zwischen zwei Pollern übersehen und bin mit voller Wucht auf die Schnauze gefallen. Es tat nicht weh, es war sogar sehr lustig. Aber wir können uns bis heute nicht erklären, weshalb wir zum Bus gerannt sind und wo wir hinwollten, geschweige denn ob wir den Bus noch bekommen haben. Fest steht allerdings, dass Sergej so seinen Schlüssel verloren haben muss.
Irgendwann sind wir am Bahnhof eingeschlafen. Ich bin von Sergej geweckt worden, als angeblich eine Joggerin mit einem Hund vorbeigekommen sei. Ich weiß von nichts! Sergej ist derweil zum Supermarkt um die Ecke gegangen, um Frühstück in Form von O-Saft und Waffeln zu kaufen. Angeblich hätte ich ihm dafür mein Portmonaie geliehen, aber auch daran kann ich mich nicht erinnern.
Wir vernichteten den letzten Rest Heroin beim Frühstück, um den Hangover zu vertreiben. Sergej wollte nach Hause ins Bett, während ich relativ gut auf dem harten, kalten Beton geschlafen habe. Da er die Balkontür aufgelassen hat, stellte das trotz des Verlusts seine Schlüssels kein allzu großes Problem dar.

Als unsere Wege sich trennten, realisierte ich so langsam, was ich getan hatte: 120mg Diazepam, Heroin, Unmengen Bier und das ohne jegliche Toleranz... Ich hätte tot sein können! Ich war psychisch und physisch am Ende, versuchte meinen Herzschlag zu spüren, aber da war nichts! Ein Blick in den heimischen Badezimmerspiegel verbesserte die Situation nicht unbedingt.
Wie sollte ich damit umgehen, dass dies mein Ende hätte sein können? Oder noch schlimmer: Was wäre, wenn Sergej gestorben wäre, während ich nebendran am Nodden war? Die schiere Angst stieg mir ins Gesicht! Was hatte ich da nur getan?
Immer noch enthemmt vom Diazepam brauchte ich etwas zum Runterkommen. Gras holen war mir zu langwierig, drum fuhr ich zum Headshop meines Vertrauens, wo ich um eine möglichst sanfte Räuchermischung bat. Wieder zu Hause zog ich vorsichtig ein paar mal am Joint. Es ging mir besser. Die bösen Gedanken waren weiter weg und ich konnte meinen Herzschlag wieder spüren. Ich spürte ihn sogar sehr intensiv und er wurde immer schneller und intensiver, als wolle mein Herz aus dem Brustkorb fliehen.
Wieder bekam ich es mit der Angst zu tun: Diese Räuchermischungen sind völlig unerforscht. Niemand weiß, wie der Körper mit so vielen Drogen im Blut darauf reagiert. Warum musste ich das Zeug rauchen? Wird mich DAS umbringen?

Es gab nur eine Person, die mich jetzt beruhigen konnte: Mein bester Freund Walter. Der bringt mich immer runter, egal was ist! Mit letzter Kraft Bat ich ihn per SMS, er möge mich abholen. Er rief sofort an und fragte was los sei. Als das Wort „Heroin“ fiel, war er platt. Walter sagte, ich solle ein paar Sachen packen, er sei gleich da. Erleichterung machte sich breit! Das Warten auf den schwarzen Corsa verbrachte ich draußen vor der Tür. Gefühlte Sekunden und eine Zigarette später war das Auto da. Walter und seine Freundin stiegen aus. Sie brach direkt in Tränen aus, als sie mich sah.
Walter telefonierte derweil mit dem Drogennotdienst, der sich wiederum überrascht zeigte, dass ich noch bei Bewusstsein war. Den genauen Hergang der Ereignisse konnte ich in dem Moment genauso wenig rekonstruieren wie den Zeitraum, in dem der Exzess stattgefunden hat.

Ich wurde ins Bett gebracht und schlief 24 Stunden lang. Walter versuchte währenddessen mehrfach vergeblich meinen Puls zu fühlen. Er konnte lediglich ein Lebenszeichen feststellen, indem er mir einen Spiegel vor die Nase hielt, der durch meinen Atem beschlug.
Der nächste Tag war die reinste Folter. Mir ging es mies. Ich hatte Angst, unter der Dusche einen Kreislaufzusammenbruch zu erleiden. Obwohl sich liebevoll um mich gekümmert wurde, bekam ich natürlich eine Standpauke vom Feinsten zu hören. In solch einem Zustand brauchte ich dort nicht wieder aufkreuzen. Was ich den beiden damit angetan habe, hab ich erst viel später realisiert. In dem Moment war ich nicht aufnahmefähig. Mein Hirn bestand schlichtweg aus Brei. Es schien ein Ding der Unmöglichkeit, mir mehr als zwei zusammenhängende Sätze zu merken. Alles ging links rein und rechts wieder raus.

Ich war gerade wieder auf dem Weg ins Bett, da sah ich eine SMS von Sergej auf meinem Handy. Er wolle reden, hieß es. Schon wieder packte mich die Panik. Geht es ihm gut? Hat er etwa wieder Heroin gekauft? Oder geht es ihm einfach nur so mies, dass er einen guten Freund braucht? Die unmöglichsten Gedanken schossen mir durch‘s Hirn!
Wir verabredeten uns - wo wohl? - am Bahnhof. Auf dem Weg organisierte ich noch ein paar Krümel gestrecktes Gras zum Wucherpreis.
Er wollte tatsächlich nur über unsere latent suizidale Aktion reden. Wir rauchten einen Joint, tranken Cola, vergossen ein paar Tränen und kamen zu dem Schluss, dass es um jeden Preis bei dem einen Mal bleiben muss. Wir haben eine Grenze überschritten und hatten beide tierisches Glück, dass niemandem etwas zugestoßen ist.
Der Joint hat die verbleibende Wirkung der Benzos immens verstärkt, aber er brachte uns gleichzeitig runter. Wir konnten relativ gelassen über die vergangenen Ereignisse sprechen. Zu meinem Entsetzen musste ich feststellen, dass Sergej sich vor seinen Freunden mit dem Heroinkonsum gebrüstet hat. Er verspürte noch immer Stolz, da wo bei mir nur noch Angst saß.

Über eine Woche lang konnte ich die Wirkung des Diazepam noch spüren. Bis ich das Geschehene verarbeiten konnte, dauerte es noch viel länger. Heute, über ein halbes Jahr nach dem Ereignis, kann ich damit halbwegs umgehen. Zwar gehe ich offen damit um und erzähle Vertrauenspersonen davon, aber ich versuche den Kreis der Mitwisser so klein wie möglich zu halten.
Der Schock, dass ich keinen fühlbaren Puls mehr hatte und nur mit viel Glück dem Tod durch Atemlähmung oder Ersticken an Erbrochenem entkommen bin, sitzt immer noch tief. Aber ich bin auch sehr dankbar über das Happy End. Für Sergej und für mich.

Jeder weiß über die Gefahren von Benzos und Opiaten bescheid, insbesondere über den Mischkonsum. Auch ich habe tausendmal darüber gelesen. Geholfen hat es dennoch nichts. Der Punkt, an dem die Vernunft aussetzt, ist so schleichend, dass ich ihn gar nicht bemerkt habe. Ich war nur noch Zuschauer meines eigenen Handelns und gleichzeitig so sicher wie noch nie, völlig klar und vernünftig zu handeln. Eben diese vermeintliche Klarheit ist sehr gefährlich. Man bekommt nicht mit, wie die Hemmungen fallen. Hätten wir zweimal drüber nachgedacht, so hätten wir es eventuell bei den 15mg bei Sergej belassen und mit etwas Gras nachgeholfen.

Ich habe seit diesem Vorfall keine Drogen außer Alkohol und Gras mehr angefasst. Mit diesen kann ich umgehen und das Risiko bleibt für mich überschaubar.

Nachtrag:
Mittlerweile sind knapp 9 Monate vergangen. Mit Walter habe ich keinen Kontakt mehr. Zwar besteht kein direkter Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen (Es ist ne Menge vorgefallen), aber die Aktion hat zweifelsfrei dazu beigetragen, dass ich den Kontakt nicht mehr wollte. Details gehören nicht hierher.
Meinen guten Vorsatz, keine harten Drogen mehr zu nehmen, habe ich nicht ganz eingehalten. Vor etwa drei Monaten hab ich einen abgedrehten, psychotischen DXM-Trip unternommen. Da meine Trips immer mehr einer Folter ähneln, werde ich davon künftig die Finger lassen.
Heroin oder andere Opioide sind überhaupt kein Thema für Sergej oder mich. Obwohl Heroin ein überwältigendes Gefühl des Geborgen- und Geliebtseins auslöst, ist es nicht das, wonach ich suche.
Mit den Benzos habe ich da viel mehr zu kämpfen. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass ich gnadenlos überdosiert habe, als ich eine Flasche Valocordin (Diazepamtropfen) verschrieben bekam. Zwar war die Dosierung diesmal nicht so heftig, aber dafür dauerte der Exzess umso länger. Ich kann mich an beinahe eine ganze Woche nicht erinnern. Weitere Rezepte habe ich feierlich verbrannt!
Die Angst vor den Benzos bleibt dennoch. Die Substanzen werde ich nie kontrollieren können und ich habe große Angst vor ihrer Macht über mich, zumal ich nun sogar an der Quelle sitze.

Ich habe bewusst keine näheren Angaben zum Heroin gemacht. Da mir die Erfahrung mit der Substanz fehlt, kann ich weder zur Menge noch zur Qualität irgendetwas sagen. Ich könnte höchstens grob schätzen. Da dieser Tripbericht ausdrücklich nicht zur Nachahmung empfohlen ist, halte ich das eher für kontraproduktiv.