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Abwesender Träumer



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  Geschrieben: 23.01.10 03:34
zuletzt geändert: 23.01.10 03:52 durch revenant (insgesamt 1 mal geändert)
Hallo alle miteinander,

Ich habe mich hier registriert um euch eine Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte voll der Absurdität und Sinnlosigkeit. Manch einer von euch wird wütend werden angesichts dieser Geschichte, oder aber ängstlich werden. Ihr könnt jedoch das Browserfenster schließen und weiter euer Leben leben. Das ist mir nicht vergonnt, denn die Geschichte ist meine Geschichte.
Angefangen hat es, als ich dreizehn Jahre alt war. In diesem Jahr zogen wir, aufgrund eines Arbeitsplatzwechsels meines Vaters um. Und in diesem Jahr kam die Welt vom rechten Weg ab.
Wir zogen meinem Vater zuliebe um, da er ein halbes Jahr zuvor noch von Kempten nach Landsberg pendeln musste, nachdem er nach München versetzt wurde, verdoppelte sich die Fahrzeit. Er war damals ständig schlecht aufgelegt und lies es an der Familie aus. Wir alle erhofften uns von dem Umzuge eine Besserung seiner Laune, wie blind ich damals noch war.
Ich war aber vorneweg gegen den Umzug und tat alles um diesen zu verhindern. Ich weinte, bettelte, tobte. Umsonst. Irgendwie hatte ich vor dem Umzug schon das Gefühl, das irgendwas schreckliches auf mich zukommen würde. Aber welche Familie hört auf ihr zwölfjähriges Kind?
Schon das ständige Häuserbesichtigen bis wir ein Haus fanden und anschließende Möbeleinkaufen war der Horror für mich. In diesem Jahr kam ich zusätzlich in die Pubertät.
Mit dem Umzug war natürlich auch ein Schulwechsel verbunden. Pünktlich zur zweiten Fremdsprache. Irgendwann war ich den Anforderungen dann nicht mehr gewachsen, zog mich immer mehr in mich zurück und wurde depressiv.
Anfangs ging ich noch unregelmäßig in die Schule, später ging es mir so schlecht, dass ich es überhaupt nicht mehr packte.
Da wurde mein Umfeld aufmerksam auf meine Situation und alle Seiten drängten mich dazu einen Psychologen aufzusuchen. Irgendwann gab ich nach und suchte mit meiner Mutter eine Psychologin auf, was mir von Anfang an nicht ganz geheuer war. Es war im Dezember, wenn ich mich nicht täusche.
Ich kann mich noch ziemlich gut daran erinnern, was gesagt wurde. Es lief ungefähr so ab:
Psychologin: Was ist dein Problem?
Meine Mutter: Er zieht sich total zurück, lebt isoliert und besucht die Schule nicht mehr seit zwei Monaten
Psychologin (an mich gerichtet, jetzt als ob sie mit einem Kleinkind sprechen würde): Was tun sie dir denn?
Ich: Nichts
Psychologin: Na, warum gehst du denn dann nicht?
Ich: Ich weiß nicht, da ist so was wie eine unsichtbare Mauer.
Psychologin: Hör zu, wir alle müssen in die Schule gehen. Darum kommst du nicht herum. Ich verschreibe dir was.
Und damit war das Gespräch beendet. Ich konnte mich noch zusammenreißen, bis wir aus der Praxis heraus waren, dann brach ich zusammen.
Wie hatte ich mich überwinden müssen zu dieser Psychologin zu gehen um dann auf solch falsche Art Missverstanden und auf die Schule reduziert zu werden.
Ein paar Tage später versuchte ich mir das Leben zu nehmen. Naiv, wie ich mit dreizehn Jahren noch war, versuchte ich es mit den Insidon, die sie mir verschrieben hatte.
Rückwirkend gesehen ist das Eins von Zwei Dingen in meinem Leben, die ich bereue.
Könnte ich es noch mal machen ich würde eine sicherere Methode wählen mir das Leben zu nehmen.
Der Versuch scheiterte natürlich kläglich. Ich war nur benommen am nächsten Tag.
Naja, die Probleme blieben die selben, in die Schule ging ich immer noch nicht und von Psychologen wollte ich nichts mehr wissen. Ich vegetierte in meinem Zimmer vor mich hin und wollte sterben. Und kein Mensch, bis auf meine Familie hätte es gemerkt, wenn ich nicht mehr gewesen wäre.
Dann eines Tages klopfte meine Mutter an meine Zimmertüre und bat mich herauszukommen.
Es hätte mich stutzig machen müssen, denn es war um elf uhr vormittags und ich schlief normalerweise bis vier uhr nachmittags.
Ich ging runter und im Wohnzimmer warteten zwei Männer in Uniform auf mich. Sie nahmen mich mit. Wie gut ich mich noch an diesen Tag erinnere, auch wenn ich ihn gern aus meinem Gedächtnis löschen würde. In der Psychiatrie angekommen kam wenige Minuten später auch meine Mutter. Ich weinte, fühlte mich schuldig und hilflos. Sie versprach mir, dass ich nach zwei Wochen wieder in Freiheit wäre. Sie schwor es mir. Dann umarmte sie mich und irgendwann dann war ich alleine in meinem mir zugewiesenem Zimmer. Ein Zimmer mit einem normalen- und einem Hochbett, einem Schrank, einem Tisch, einem Waschbecken, einem Stuhl davor und sonst nichts. Alles Rustikalholz. Ich hockte mich auf den Stuhl vor dem Tisch und schaute durchs Fenster davor. Auf einen betonierten Innenhof mit einem einzigen Baum, der kahl und tot aussah. Von meinem Zimmer aus konnte ich auch direkt auf den Balkon der Entbindungsstation schauen. Auf den die gerade werdenden oder gerade gewordenen Väter zum Rauchen hinausgingen. Manchmal hatten sie ihre Freundin oder Frau mit sich und manchmal auch ihr Baby. Wie es der Zufall wollte war ich in genau jener Station dreizehn Jahre zuvor auch geboren worden. Ob mich damals wohl auch, mir unbewusst, solch traurige Augen von gegenüber anstarrten? Ich beschloss, dass ich jetzt Kompromisse eingehen müsse und auch der Tod durch Sturz in die Tiefe eine Möglichkeit wäre. Ich versuchte das Fenster zu öffnen. Verriegelt. Sogar das Letzte, was ich besaß hatte man mir genommen.
Es sollte noch schlimmer kommen, als meine Zimmergenossen von der Schule heimkamen. Ich lag gerade in meinem Bett und heulte, als die Zwei hereinkamen.
Begrüßt wurde ich mit den Worten: Ein Neuer. Wie sieht der denn aus? Wie heißt du?
Ich antwortete nicht und drückte meinen Kopf ins Kopfkissen. >>Flenne<< und dann gingen sie wieder. Ich wurde gleich am ersten Tag zum Kloputzdienst eingeteilt. Jeder der „Patienten“ musste einen Dienst verüben und es war wohl eine Art Willkommensgeschenk, dass ich die Toiletten putzen durfte. Doch der Höhepunkt des Tages war noch nicht erreicht.
Es sollte erst nacht werden, bis es soweit war . Ich hatte zwar bis dahin soweit mitbekommen, dass meine zwei Zimmergenossen wegen Aggressionproblemen einsaßen, was das für mich für Konsequenzen haben sollte, war mir jedoch noch nicht bewusst.
Immer nachdem das Licht ausgegangen war in den ersten zwei Wochen. Meistens mit dem Stück Kernseife aus dem Waschbecken.
Was mich am Leben hielt, war die Vorstellung, dass es nach zwei Wochen vorbei sein würde. Und meine Mutter, die mich brauchte, weil sie mich über alles liebte.
Ein Intelligenztest wurde gemacht, bei dem das Ergebnis 109 rauskam. Jetzt fühlte ich mich zu allem Überfluss auch noch dumm.
Nach zwei Wochen wurde ich ins Ärztezimmer gerufen und ich bestand darauf jetzt gehen zu dürfen, da es mir so gesagt worden war.
Der Psychologe fackelte nicht lange rum und es hieß: Bleib freiwillig oder wir holen dir einen Beschluss über 8 Wochen. Nach diesem Gespräch war ich gebrochen und mein Glaube ans gute hinfort.
Die Schläge in der Nacht hörten auf, nachdem ich zum Rauchen angefangen hatte, was als cool und respekteinbringend galt. Ich fing nicht freiwillig zum Rauchen an, die Situation zwang mich dazu. Ich rauche noch immer.
Dadurch und des weiteren dadurch, dass es in meinem Kopf Klick gemacht hatte – I’m not like them but I can pretend – (das wurde mir die ganze Zeit beigebracht). Verstand ich mich mit den anderen einigermaßen verträglich. Irgendwann war die Sehnsucht nach Hause und in Freiheit zurück zu gelangen sogar so groß, dass Sie mich zum Schulbesuch bewegten. Ich war geheilt und wurde nach insgesamt sechs Wochen entlassen.
Ich musste das Jahr wiederholen und an der Situation daheim änderte sich überhaupt nichts. Mein Vater maß immer noch den Wert seines Sohnes an seiner Leistung und meine Mutter war mit sich selbst beschäftigt. Außerdem wurde mir eine Geisel auferlegt, die mir die Jugend zerstören sollte. Das schwere Gewicht der Schuld lastete auf meinen Schultern. Die Schuld an allem. Am Auseinanderbrechen der Familie, an den Depressionen meiner Mutter, am eigenen Versagen. Und da ich mit Psychologen nichts mehr am Hut haben wollte, weigerte ich mich ambulant in Behandlung zu gehen.
Und so sollte sich alles was im Jahr zuvor geschehen war, wiederholen.
Wieder entgegnete mir mein Vater jeden zweiten Abend, wenn er mich schutzlos ausgeliefert wusste, da meine Mutter schlief, mit den Worten: Du bist krank, du musst dir Helfen lassen. Die Worte an sich bürgen ja nichts böses in sich, aber die Art wie er es sagte. So voller Hass und Vorwurf.
Wieder machten es mir die aufgebundenen Fesseln der Kindheit nicht möglich in die Schule zu gehen.
Diesmal war ich jedoch so klug und ging freiwillig in die Psychiatrie, jenes Krankenhaus in dem mein Leben begann. Wie es der Zufall wollte traf ich wieder auf den gleichen Psychologen, der sich gern lustig über mich machte. Er hatte die Station gewechselt.
Ganz so schlimm wie beim ersten Mal war es nicht, da ich abends heimgehen konnte. Ich ging nach ein paar Wochen auch wieder in die Schule, jedoch nicht mehr aufs Gymnasium, sondern auf die Realschule in einem nahe gelegenem Dorf. Diesmal lernte ich auch was und da ich jetzt schon ein Jahr älter geworden war, war es sogar richtig was ich lernte. Die Wichtigste Erkenntnis der acht Wochen des zweiten Aufenthaltes waren: Die Leute akzeptieren dich solange du funktionierst.
Nachdem ich entlassen worden war besuchte ich noch weiterhin die Schule in dem nahen Dorf. Ich schrieb sogar die Prüfungen mir und hätte sogar in die nächsthöhere Stufe vorrücken dürfen. Aber da machte ich mit der Form bekanntschaft. Die Form verlangte nämlich, dass xx von xx Wochen im Jahr den Unterricht besucht hatte um vorrücken zu dürfen, was bei mir nicht der Fall war. Vom Gymnasium hatte ich schon gehen müssen, da in diesem Jahr das G8 eingeführt wurde. Man sagte mir im Vornherein, dass ich es nicht schaffen würde. Vielleicht wollten sie mich auch nur loshaben.
Also kam ich auf die Realschule Mering. Ich kann mich noch an den ersten Schultag erinnern. Ich kam ziemlich spät zur ersten Stunde und musste mich neben ein Mädchen hocken, das mich mit den Worten: Igitt! Begrüßte. Und so fühlte ich mich auch, wie Dreck.
Aber ich schaffte es unter Abstrich jeglicher Lebensqualitäten, die Schule zu besuchen. Zwar hatte ich in jenem Jahr dreißig Fehltage, aber das waren Peanuts im Vergleich zum Vorjahr.
Die Schlafprobleme blieben und an der familiären Situation änderte sich auch nichts.
Und sowieso änderte sich lange nichts an der damaligen Situation. Es sollten rückwirkend gesehen die zweieinhalb einsamsten Jahre meines Lebens werden. Ich hatte niemanden, aber so richtig bewusst war mir das nicht. Sowieso lebte ich in jener Zeit nicht, vielmehr existierte ich nur. Die einzigen Lichtblicke in all den Jahren, die ich im düst’ren Nebel der Isolation verbrachte waren die Urlaube. Es waren die einzigen Wochen im Jahr in denen etwas sorgloses in mir zum Vorschein kam. Es war einfach die Trennung von daheim, das warme Wetter und das Meer. Ich liebe das Meer, es hat so was beruhigendes, beständiges, ewiges an sich. Das Meer symbolisiert alles, was in meinem Leben fehlt. Natürlich kennt des Meer auch Stürme und Donner, jedoch legt es sich danach wieder um dann alsbald dem schon ewig vorhandenem Rhythmus zu folgen.
Meiner Mutter konnte ich nicht mehr vertrauen seit dem, was sie mir währen des ersten Psychiatrieaufenthalts versprochen und gebrochen hatte nicht mehr. Außerdem gab sie manchmal so taktvolle Phrasen wie: >>Du musst schauen, dass du Anschluss findest, sonst bleibst du noch zurück<<. Mein Vater interessierte sich nicht für mich, da ja alles okay war, da ich die Schule besuchte. Freunde hatte ich keine und die Möglichkeiten welche zu finden waren auch schlechte, da meine Klassenkameraden alle zwei Jahre jünger als ich waren und ich zudem total verstört war. Anerkennung, dafür das ich die Schule besuchte gab es keine.
Es war eine selbstverständlichkeit. Eine Entschuldigung für das, was in den Jahren zuvor geschehen war gab es auch nicht. Es wurde immer mit den Sätzen >>Wir wollten nur das beste für dich<< und >>Wir machen dir keine Vorwürfe<< alles geschehene relativiert. Wobei letzterer der beiden Sätze, in sich schon eine subtile Schuldzuweisung bürgt. Ganz nach dem Motto Wir machen dir keine Vorwürfe…die machst du dir schön selbst und dankst unserer Barmherzigkeit.
Der einzige Grund, warum ich diese zweieinhalb Jahre überlebte war wohl, die Schuld auf meiner Seite zu wissen und der damit verbundene Gedanke, dass wenn ich mich ändere alles besser wird. Außerdem gab mir meine Mutter halt indem sie betonte, wie sehr sie mich liebe und wie wenig sie dabei an sich selbst denke. Die schulischen Leistungen waren gut – sehr gut, außer in Mathe, dort stand ich immer auf einer vier.
Da die Schule von einem überaus philanthropen Rektor, Herr Aggensteiner, geleitet wurde.
Kam jedes Jahr mindestens ein Schüler dazu, der sonst nirgends genommen worden wäre.
So in der achten Klasse Simon, außerdem kamen immer ein paar zu uns in die Klasse die durchgeflogen waren.
Die achte Klasse war vom sozialen her, schon weniger schlecht, als die siebte. Jürgen, ein Kamerad aus der Parallelklasse verbrachte die Pause mit mir und Simon ging jeden Tag mit mir zum Bahnhof, da er in Augsburg wohnte. Das waren damals meine wöchentlichen, sozialen Höhepunkte.
Und irgendwann fasste ich wieder Vertrauen in die Menschheit. Warum, das wusste ich auch nicht, es war glaub ich nicht einmal wirkliche bewusst.
An unserer Schule gab es jährlich einen von der SMV veranstalteten Faschingsball, der in einer Disko in Mering statt fand.
2007 besuchte ich ihn zum ersten Mal, in Begleitung von Jürgen. Ein paar Tage später sollte der Orkan „Kyrill“ für große Verwüstung sorgen. An diesem Tag schickte er schon seine Vorboten aus.
Ich ging an diesem Tag am Nachmittag mit meiner Mutter zum Einkaufen und es ging ein solcher Wind, das die Flaggen der Discounter, die vor den Autoparkplätzen an Mästen thronten, entrissen zu werden drohten. Aber dieser Wind hatte irgendwas magisches in sich.
Er berührte mich, streichelte meine Haut, ließ meine Haare wehen und drang vor bis zu meinem Herzen. Es war der Wind der Veränderung. Ich konnte es spüren bis ins Mark. Die Luft war wie elektrisiert und ich konnte die kommende Veränderung spüren. Und in mir machte sich eine nicht gekannte Zuversicht und Hoffnung breit.

Mittwoch 13.01.10
Heute konnte ich nicht einmal mehr weinen. Doch ich mühe mich ab, die letzten Gefühle die in mir sind, zu konservieren. Ich will weinen. Aber selbst das wird mir jetzt nach und nach genommen – and as time flies, the mind dies – die Wut, die Wut verschwand als erstes, danach die Trauer. Jetzt ist noch Schmerz vorhanden, der aber auch immer stärker abnimmt. Und die Absurdität und Sinnlosigkeit des ganzen, aber das sind ja keine Gefühle, sondern Empfindungen. Ich verblasse langsam. Fadeaway, wie wahr dieses Lied doch ist.
Und ich bin zu feige mich umzubringen.. Meine Mutter will morgen die Person anrufen, die mich als einzige noch retten könnte. Den Fokus auf könnte gerichtet. Natürlich wird sie nicht. Ich hoffe nur, dass sie wenigstenst herkommt und wir so im guten Auseinandergehen können.. Oh Gott, ich will sie nur noch einmal umarmen dürfen.

Und diese Hoffnung sollte vorerst auch nicht enttäuscht werden. Zwei Monate später nahm ich am Schüleraustauschprogramm mit Ambérieu-en-Bugey/Frankreich teil.
Und durchs heimliche Rauchen, während den Ausflügen und möglicherweise auch die räumliche Distanz zu daheim, öffnete ich mich. Fasste wieder vertrauen und freundete mich mit einem Klassenkameraden an. Matze. Er war in jenem Schuljahr neu in die Klasse gekommen und ich konnte ihn anfangs überhaupt nicht leiden. Als ich zum ersten Mal sah, wie er Eli in der Zwischenstunde küsste, wurde mir das Herz gebrochen. Ich hatte mich ziemlich bald, nachdem ich in die Klasse gekommen war in Eli verknallt. Wobei es eigentlich viel mehr eine Schwärmerei war. Denn allein die Vorstellung Eli hätte auch was von mir wollen können existierte in meinem Kopf nicht. So was widerwärtiges wie ich, hatte Eli nicht verdient, trotzdem tat es weh die zwei zu sehen.
Aber das war zur damaligen Zeit schon ein halbes Jahr her. Als wir in Frankreich waren, hatten sich die zwei schon längst getrennt. Matze hatte sie betrogen, sie hatte ihm eine zweite Chance gegeben und er daraufhin eine Woche später Schluss gemacht. Mir sollte das zu diesem Zeitpunkt egal sein, da ich an erster Stelle wahnsinnig Stolz darauf war Anschluss gefunden zu haben und zweitens vom normalen Sozialverhalten Jugendlicher meines Alters nur eine sehr vage Vorstellung hatte.
Ich weiß noch, wie stolz ich war als ich zum ersten Mal zu meiner Mutter sagte: >>Ich mache heute was mit Matze. Ich weiß noch nicht wann ich wieder heimkomme<<. Endlich hatte ich es geschafft meiner Mutter eine Sorge zu nehmen, endlich hatte ich Anschluss gefunden, endlich musste sie sich keine Gedanken mehr machen, dass ich zurück bleiben könnte.
Es war das erste Wochenende nach Frankreich und ich hatte mich mit Matze am Steg verabredet. Der Steg ist eine jener Lokalitäten in näherer Umgebung, der noch Zeuge von vielem Werden sollte.
Es war Ende März und zum ersten mal richtig schönes Wetter, die Sommersonne strahlte schon in den Frühling hinein. Und ich wünschte mir, dass dieser Sommer, meiner werden sollte, ein Sommer voll der Geheimnisse die darauf warteten entdeckt zu werden.
Irgendwann, ziemlich baldig, entwickelte sich eine Freundschaft aus der anfänglichen Bekanntschaft. Matze und ich machten, begünstigt dadurch, dass er nur in 100m Entfernung wohnte praktisch jeden Tag was miteinander. Ich nahm auch öfters meine Schwester mit.
Insgeheim bewunderte, ja vergötterte ich Matze. Er stand für all das, was ich nicht war. Er war beliebt, er konnte jedes Mädchen haben, dass er wollte, er spielte ein Instrument, er konnte sich inszenieren, er war glücklich so schien mir. Deshalb nahm ich es auch als normal hin ab und an solche Aussagen zu hören wie: >>Hab ich dir eigentlich schon mal gesagt, wie hässlich du bis?<< und >>Was würdest du ohne mich nur machen?<<
Ich bewunderte ihn auch dafür, wie er mit seiner familiären Situation klar kam. Seine Mutter hatte MS und nachdem es bei ihr diagnostiziert worden war verließ sein Vater seine Mutter. Er suchte sich dann eine Freundin, die zwanzig Jahre jünger war und genoss seinen zweiten Frühling. Er war mir sowieso unsympathisch. Stereotyp von einem Polizisten, oberflächlich, leistungsbezogen, arrogant.
Matze musste den ganzen Haushalt alleine machen, er nahm es jedoch anscheinend als selbstverständlich hin.
Und er ermöglichte mir Zugang zu einer Welt, von der ich zwar wusste, dass sie irgendwo existierte, aber nicht wusste wie sie aussah geschweige denn wo sie zu finden war. Die Welt der Jugend. Bald war ich in einer Clique, meine Schwester hatte ich auch mitgenommen.
Ich hoffte immer auf ein Verhältnis, dass über das Geschwisterliche hinaus ging, ein freundschaftliches. In dieser Clique waren Matze, Eli, Lisa, Anna, Steffi, meine Schwester, ich und manchmal Simon. Wir grillten, wir machten Party, wir übernachteten zusammen im Wald, wir trafen uns am See, wir kifften ab und zu. Alles nahm seinen normalen Lauf und ich dachte mich schon auf dem rechten Weg zurück. Aber tief in meinem inneren herrschten immer noch die Dämonen der Vergangenheit. Rückwirkend gesehen war es offensichtlich, aber zu jener Zeit wollte ich es nicht sehen. Ich tat mir schwer die Mädchen zur Begrüßung zu umarmen, so wie es unter Freunden normal ist. >>Ich bin widerwärtig, ich will sie nicht dazu zwingen mich zu umarmen<< dachte ich damals immer. Ich lief im Sommer, auch bei größter Hitze, langärmlig herum. Ich fühlte mich zu fett um kurzärmlig herumzulaufen. Dass ich dabei Salz und Wasser schwitzte und sich alle darüber lustig machten nahm ich in Kauf.
Ich konnte noch immer niemandem vertrauen. Niemand wusste über meine Vergangenheit bescheid, da ich mich dafür schämte und einfach als normal angesehen werden wollte.
Ich fühlte mich auch nur in Begleitung von Matze wohl in der Öffentlichkeit. Er war mein Selbstbewusstsein. Daher eingehen wurde ich auch zunehmends Kritikunfähig. Bis zu den Pfingstferien lief alles gut. Ich traf mich täglich mit ihm in seinem Keller, wir tranken täglich unsere drei Bier und ich sagte ihm, was er hören wollte. Dann veranstaltete Matze eine Party zu der er auch Simon einlud. Simon fuhr später, betrunken wie er war, mit Eli eine Runde Fahrrad, was Matzes Eifersucht weckte, da er immer noch irgendwelche Gefühle für Eli hatte. Daraufhin schmiss Matze Simon mir nichts dir nichts raus, um drei Uhr nachts. Simon hatte Glück einen gnädigen Autofahrer zu finden, der ihn mit nach Augsburg nahm. Sowieso war das Trampen meinerseits wichtiger Bestandteil dieses Sommers, Wir trampten oft, sogar mal nach Bamberg und Würzburg an einem Tag. Aber ich schweife ab. Na ja, auf jeden Fall weckte die nächtliche Fahrradfahrt Matzes Eifersucht und Simon wurde hinausgeschmissen oder „er wurde gegangen“ wie er danach gern sagte. Die Stimmung war gekippt. Anna musste sich übergeben, woraufhin sie eine Anspielung auf Bulimie machte, mir gegenüber. Ich weiß nicht, ob Anna jemals Bulimie gehabt hat oder nicht. Aber ich nahm es auf jeden Fall wahnsinnig ernst damals. Ich sagte es zuerst Matze und nach und nach redeten wir mit all ihren Freundinnen darüber. Wahrscheinlich auch, weil ich kein Vertrauen ins eigene Handeln und die eigene Urteilsfähigkeit hatte und ebenso Matze. Solange, bis eine Freundin von Anna sie darauf ansprach, was uns natürlich schlecht dastehen ließ. Dadurch wurde schon vieles kaputt gemacht, glaube ich.
Der Rest des Sommers war geprägt von Streit, Versöhnung, Streit und kiffen. Ich hielt automatisch zu Matze, egal was war. Und ich gab ihm Argumente die sein Handeln ins rechte Licht rückten. Damals noch unbewusst, aber es ist eines der Dinge, welche ich ganz gut beherrsche Dinge ins rechte Licht zu rücken. Ich könnt auch die Argumente eines Nazis so formulieren, dass sie unwiderlegbar wären. Ein Stückchen Empathie gehört dazu, dann ist es nicht schwierig. Deswegen verstand ich mich mit den meisten Lehrern auch gut und deshalb bot mir Silvans Vater auch als einem von wenigen das „Du“ an. Ich kann, wenn ich will.
Einmal, ich weiß nicht mehr, ob es am Ende des Schuljahres oder schon in den Sommerferien war. Luden wir so ziemlich alle Mitglieder unserer Clique zum Kiffen ein, die ansonsten obligatorischen drei Bier ließ ich dann ausnahmsweise aus, da mir über wurde vom Mischkonsum. Steffi, der wir vorher noch das Rauchen beibringen musste kiffte mit uns im Wald. Und von welcher Unschuldigkeit das Kiffen damals noch geprägt war. Es folgte einem strengen Ritual: Zuerst wurde ein kleines Lager aufgeschlagen, Feuer gemacht, dann wurde das Zeug ausgepackt und eine geraucht, dann wurde Musik angemacht, meist „The Doors“, „Led Zeppelin“ oder „Bob Marley“, dann wurde das Zeug zerkleinert und die Joints gedreht anschließend noch mal eine Zigarette, und ein paar Mal an einer Flasche Bier genippt und es wurde gewartet bis die Sonne untergegangen war, um dann die Joints anzuzünden und zu kiffen. Einmal gingen wir mit Eli und Anna in den Wald bevor es dunkel geworden war hatte es jedoch zu schütten begonnen. Warmer, aromatischer Sommerregen, der uns in Matzes Keller zwang. Denn auch wenn der Regen mild und das Wetter schwül war, so froren wir total durchnässt nichtsdestotrotz nach verschwinden der Sonne. Auch egal, in Matzes Keller ließ es sich auch kiffen. Ich weiß nicht mehr, ob ich in dieser Nacht bei ihm übernachtete oder heimging. Jedenfalls nützte Matze Elis betäubten Zustand nutzlos aus und machte noch mit ihr rum. Blind und hörig, wie ich damals war gratulierte ich ihm noch dafür und freute mich mit ihm. Auch wenn es mir insgeheim innerlich wahnsinnig schmerzte. Außerdem weiß ich nicht, welche Auswirkungen diese Nacht auf Eli hatte. Sie ist bis heute keine Beziehung mehr eingegangen.
Auf jeden Fall wollte Eli seitdem nichts mehr mit Matze zu tun haben.
Mir tat sie leid, aber Matze war wichtiger, Matze stand über allem.
Irgendwann zu Beginn der Sommerferien stießen wir auf einen Internet-Headshop, welcher alle möglichen Smartdrugs anbot. Das Paradies für mich. Zu jener Zeit notierte ich noch in meinem Tagebuch, welches ich damals noch regelmäßig führte, dass die Drogen führ mich die Jugend darstellen. Ich assoziierte Freiheit, Abenteuer und Sorglosigkeit damit. Die Drogen waren auch Ersatz für all das, was mir jetzt bewusst entgang.
Jedoch kamen mir schon früh Zweifel auf und ich hatte die düstere Vorahnung, das alles was ich verdrängte, all die Lügen, die ich lebte noch einmal zu einem großen Zusammenbruch führen könnten.

Filmriss

Wir schreiben den 21.01.10 und das oben geschilderte spielte sich in den Jahren 2003-2007 ab. Was dazwischen war? Dazu habe ich keine Kraft mehr. Sowieso wo sind meine schönen Erinnerungen hin? Wo ist mein letzter Sommer geblieben? Wo ist das Meer? Wohin Weihnachten und Silvester?
Wie fühlt sich ein Kuss an? Wie fühlt es sich an geliebt zu werden?
Wo bin ich liegen geblieben auf der langen Straße des Lebens? Wahrscheinlich habe ich halt gemacht um etwas, kleines, wertvolles, was ich als verloren glaubte aufzulesen. Und nie wieder hochgekommen. Ich verblasse und realisiere, dass dieses meine Leben von vornherein zum Scheitern bestimmt war.
Die Zeit, was hat die Zeit nur aus mir, mit mir, mit uns allen gemacht? Sie hat uns um etwas beraubt, um unsere Unschuld.
Un es bereitet mir die größten Schmerzen zu sehen, wie mein Vater sich Mühe gibt und ich spüre, wie er mich liebt. Jetzt wo es schon zu spät ist. Ich werde ihn enttäuschen und das schmerzt. Und die Sache mit Vany. Ich kann nicht darüber schreiben.
Das ich mich nicht umbringen werde, das kann ich ziemlich sicher sagen. Denn immer dann, wenn der Punkt erreicht, da ich kurz davor bin, schickt mir das Schicksal irgendetwas, was meine Hoffnungen schürt, solange bis ich wieder gefestigt bin, um es mir dann wieder zu nehmen. Zu viel zum Sterben, zu wenig zum Leben. Aber ich realisiere, dass mein Leben von Anfang an zum scheitern verurteilt war. Blicke ich zurück schaue ich in eine verschwendete Jugend, blicke ich nach vorne in ein vergeudetes Leben. Und es macht mich traurig, war ich doch immer zuvorkommen und aufrichtig. Langsam finde ich mich damit ab, es müsste schon ein Wunder geschehen und Wunder gibt es nicht. Nicht in meinem Leben.


Ich poste nicht um Kritik, Mitleid o.ä zu empfangen. Auch bin ich nicht suizidal gefährdet, der Text soll euch nur etwas zum Denken anreden. Und warum ich in einem Drogenforum poste? Ich war über ein Jahr GBL-Abhängig mit delirium Psychiatrieaufenthalt und allem was dazu gehört.

Nochmals um das klarzustellen, ich bin keineswegs suizidal. Und dies ist auch nicht als Abschiedsbrief zu verstehen. Ich möchte euch nur die Augen öffnen. Ein letzter Keim Hoffnung ist noch in mir und würde irgendjemand jetzt einen n´Notarzt o.ä. herbestellen, so würde mir jegliche chance genommen werden doch noch ein normales leben führen zu können. Ich werde morgen Antworten sollte es irgendwelche Fragen geben.
biggrin
 
Abwesende Träumerin



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  Geschrieben: 23.01.10 10:37
zuletzt geändert: 23.01.10 10:43 durch Penthesilea (insgesamt 1 mal geändert)
oh schnuckie, so unübersichtlich, aber ich wer mal schaun . . . .

ähem, über was willst du uns - oder nee, mir die Augen öffnen? Ist mir momentan ehrlich zu lang zum lesen, und es erinnert mich auch andererseits zu sehr an meine Kindheit, nicht, daß mir so etwas wie dir passiert ist, anders halt.

Daher werde ich es jetzt nicht weiterlesen, es macht mir nur wütend, das hatte ich zur Genüge, danke.
 
Abwesender Träumer



dabei seit 2008
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  Geschrieben: 23.01.10 10:42
Ich hab mir mal die Zeit genommen und es alles gelesen!
Ich kann in vielen Punkten mit dir mit fühlen.Aber einen Rat kann ich dir nicht geben weil ich selber nicht weiter weiss!

Mein Zimmer, meine Zelle. Mein Gehirn, mein Kloster.
Mein Denken, meine Folter. Mein Fühlen, mein Strick.
Ex-Träumer
  Geschrieben: 23.01.10 11:39
Hi revenant,

ich finde den Text auch recht lang und konnte (schon alleine, weil lange Texte für mich als Maulwurf anstrengend sind) nicht alles durchlesen. Aber für mich als Familienvater ist es auch interessant, um zu lesen, was im Kopf einer damals 13 - jährigen Person vor sich geht. Es ist schon wirklich heftig, was bei Dir gelaufen ist, ich lese viel von Vertrauensbruch und oReduzierung Deiner Person (zumindest, so wie man es Dir damals rüberbrachte) auf 1 - 2 Lebensbereiche (Stichwort: Schule).
Vor allem die Nr. mit dem Psychologen war hart. Da hast Du wirklich extremes Pech gehabt, an die falschen Leute rangekommen zu sein.
Die haben sicherlich an vielen Stellen nicht aus Bosheit, sondern aus Hilflosigkeit so gehandelt, weil Sie Deine Depression und Deine Verschlossenheit nicht einordnen konnten. Aber nicht alle Psychoklemptner sind so, es gibt auch "gute" und einfühlsame Leute unter all den Therapeuten.

Ich denke, Du hast noch ein großes Stück Arbeit vor Dir, um Dein Leben, Deine Vergangenheit und Deine Gegenwart zu sortieren. Ich wünsche Dir viel Kraft dazu. Und daran, dass Du Dir hier Zeit nimmst, zu posten, sehe ich, dass Du es angehen willst.

Ich glaube, es ist jetzt ganz wichtig, nicht alles auf einmal lösen zu wollen, sondern erst mal nur einen (vielleicht auch erstmal kleinen) Bereich anzugehen. Und dann kann man Stück für Stück weitergehen. Warte nicht, bis sich die Dinge von alleine "erledigen" oder bis Gras drüberwächst, sonst geht es Dir ähnlich, wie mir, dass man sich mit über 40 noch auf der Couch eines Seelenklemptner wieder findet (wobei das jetzt auch nicht das schlechteste ist) ;-).

Ach ja: Und willkommen im LDT :-)))).


 
Abwesende Träumerin



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  Geschrieben: 23.01.10 11:45
zuletzt geändert: 23.01.10 11:47 durch Penthesilea (insgesamt 1 mal geändert)

Zitat:
ich lese viel von Vertrauensbruch und oReduzierung Deiner Person

das ist genau das, was mir daran so zu schaffen macht. Aber crazyfrog, sagemal, du warst doch selber mal 13?? ich wundere mich ehrlichgesagt immer, wieviel Lichtjahre Eltern im Kopf von ihren Kindern entfernt sind.
Das hätte ich bei dir jetzt nicht gedacht, oder hab ich dich mißverstanden? Ich wünschte, ich könnte mir den Text durchlesen, aber mir zieht sich sofort der Magen zusammen.

Kann mich ansonsten dem post von crazy nur anschließen, loswerden wirst du das Alles nie mehr so ganz, aber du kannst lernen, deine Defizite abzuarbeiten und dann damit zu leben, sehr gut sogar ist das möglich.

Achso, an den TE: dir geht nichts verloren, diese Angst hatte ich auch immer, aber irgendwann ist das wieder da, fühlt sich gut an. Du hast wenigstens deinen Pop noch, du kannst noch was aus deinem Leben machen, glaub mir mal, ich hab mir jetzt nur noch den Schluß durchgelesen, daher schreib ich das noch schnell.
 
Abwesender Träumer



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ICQ
  Geschrieben: 23.01.10 11:46
Glaube nicht dass das ein Versuch ist, uns die Augen zu öffnen. Der Satz mit "solange man funktioniert, wird man respektiert" ist leider wahr, sieht man ja auch in deiner Geschichte, kenn ich es doch auch aus eigener Erfahrung.

Alle Menschen wollen immer etwas besonderes sein, doch sind sie es erstmal, ist es der Größte Wunsch doch nur gewöhnlich und normal wieder zu werden.

Man ist oft viel zu sehr damit beschäftigt heutzutage sein Leben voranzutreiben, dass man vergisst es zu geniesen.
Abwesender Träumer



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ICQ MSN
  Geschrieben: 23.01.10 11:51
Hey revenant.
Ich finde deinen Text äußerst beeindruckend und bedrückend.
Ich konnte recht viele - übertragene - Ähnlichkeiten zu meiner "Jugend" feststellen. Du hast gerade recht viel bei mir wieder aufgewühlt mit dem Text - Sachen die Ich seit längerer Zeit stark verdrängt hatte, den Opioiden sei Dank.
Ich komme zwar aus dem was viele ein sehr gutes Elternhaus nennen würden, aber trotzdem gab es mir nicht so richtig was Ich als Kind/Jugendlicher brauchte.

Jedenfalls, Ich mag es zwar nicht Menschen in Kategorien zu stecken, du solltest mal überprüfen lassen ob die Diagnose Kriterien für das Asperger-Syndrom oder Autismus auf deine Geschichte/Persönlichkeit zu treffen.
Das würde vieles erklären. Zum Beispiel auch, das du das Umarmen von Mädchen (was ja für so ziemlich alle pubertären Jungs eine große Freude ist) als eher unangenehm empfandest.
Mir tat/tut es gut, zu wissen was mit mir los ist, das das einen Namen hat. Auch wenn es keine wirkliche Behandlung gibt - und sollte sich der Verdacht auf Asperger/Autismus bestätigen setzte am besten jegliche NLs und ADs ab. Sie sind nur kontraproduktiv.

Ich wünsche dir für die Zukunft alles Gut.

Achja, hast du mal darüber nachgedacht "professionell" zu schreiben. Also keine Nachrichten, aber Bücher oder Reportagen. Ich finde deinen Schreibstil sehr packend und mitreißend.

Beste Grüße,
Maggi.
’Das Erschreckende ist nicht was Drogen aus Menschen machen, sondern was Menschen aus Drogen machen.’


HIV, kommt das von H i.v. ?
Abwesender Träumer



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ICQ Skype
  Geschrieben: 23.01.10 13:45
Hab mir auch deine ganze Geschichte durchgelesen und sie hat mich auch sehr betroffen gemacht.
Du scheinst sehr intelligent zu sein und über ein hohes Maß an Selbstreflexion zu verfügen. Das ist natürlich immer ein zweischneidiges Schwert, weil einen diese Fähigkeit zum intensiven In-sich-gehen zwar dazu bringen kann, mit sich selbst "ins Reine" zu kommen und sich genau bewusst zu machen, warum es einem wie geht und was man tun müsste um die Lage zu verbessern. Auf der anderen Seite ergibt sich aus dieser Fähigkeit aber auch eine größere Gefahr, zum in sich gekehrten, depressiven Dauergrübler zu werden. Wenn jemand mit solchen (so wertvollen!) Eigenschaften dann wie Du in einem Umfeld aufwächst, das diese Eigenschaften verkennt bzw. als "Faulheit" oder "Undiszipliniertheit" missversteht, ist es nur logisch, dass eher der oben beschriebene Negativfall eintritt. Dennoch sehe ich bei Dir großes Potenzial, an Dir zu arbeiten, gerade weil Du kein "grober Klotz" bist. Ich glaube, am wichtigsten wäre, dass Du

1. wie schon einige Posts vor mir vorgeschlagen wurde, therapeutische Hilfe in Anspruch nimmst. Das ist natürlich bei deinen bisherigen Negativerlebnissen erst mal ein sehr, sehr schwerer Schritt. Aber Im LdT gibt es ja vielleicht jemanden mit ähnlichen Problemen, der aus deiner Nähe kommt und dir dort eine vertrauenswürdige Adresse nennen kann.
2. (auf diesem Wege) deine Schuldgefühle hinter Dir lässt. Um dich herum hätten viele Menschen Grund, ein schlechtes Gewissen zu haben, aber Du ganz sicher nicht!

Ich weiß nicht, ob das eine Hilfe ist, weil ich mich natürlich nur bedingt in deine Lage versetzen kann. Auf jeden Fall wünsche ich Dir alles Gute und sehe gute Ansätze dafür, dass Du den Karren aus dem Dreck ziehen kannst!

PS: Dein Schreibstil gefällt mir auch außerordentlich gut, Du solltest vielleicht überlegen, mit dieser Begabung etwas anzufangen!
Das ist nicht die Sonne, die untergeht, sondern die Erde, die sich dreht. (Tomte)
Abwesende Träumerin



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  Geschrieben: 23.01.10 14:53

Zitat:
Alle Menschen wollen immer etwas besonderes sein, doch sind sie es erstmal, ist es der Größte Wunsch doch nur gewöhnlich und normal wieder zu werden.

ist das von dir oder so? Es ist nicht mein größter Wunsch, aber ich hab mir schon sehr sehr oft gewünscht, verdammichnomma so zu sein oder gesehen zu werden wie andre Menschen auch.

@TE: du brauchst wirklich auch Hilfe, aber ich kann sehr gut nachvollziehen, daß du gerade darauf aufgrund deiner schlechten Erfahrungen keine Lust hast. Mir haben Theras insofern weitergeholfen, als ich Abstand bekam, nachdenken konnte und mir für mich selber, meinen Weg und meine Knackpunkte gefunden habe.
Hast du für dich immer selber deine eigenen, inneren wichtigen Entscheidungen getroffen, sofern dir das möglich war? Dann kannst du Hilfe auch nur bedingt annehmen. MMn ist es wirklich gut, sich selber zu sehen und zu ergründen, was es denn sein könnte und wie du es meistern kannst.
Mir hilft diese Art und Weise am allerbesten. Und ein gut aufgebautes, soziales Netzwerk, ohne geht es einfach auch nicht. Ich hab mir das vor rund 10 Jahren alles, alles neu aufgebaut, Altes mit dazu gebaut, das geht, das geht alles.
Es geht nur nicht von heute auf morgen und du mußt wirklich konsequent nach vorne gehen. Aber ich glaube, ich greife schon zu weit vor. Aber Intelligenz kann auch sehr hilfreich sein, nutze sie, ich habs auch gemacht.
 
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Abwesender Träumer



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  Geschrieben: 23.01.10 15:20
Nochmal Hallo @ all,

Ursprünglich wollt ich ja den ganzen Text zusammenhängend und chronologisch bis jetzt schreiben.
Aber es wäre zuviel Text geworden und es wurde immer schlimmer, ich hatte keine luste mehr und wollte es euch auch nicht zumuten. Es folgten, das Verlassenwerden aller Freunde, eine Drogenabhängigkeit, das Finden neuer Freunde, eine Gehirnblutung, eine Abschlussprüfung, die mir durch meinen Vater versaut wurde, ein Rückfall und ich bin mit mir ins reine gekommen. Und seit ich mit mir ins Reine gekommen bin wird mein Leben von Tag zu Tag schlimmer. Ich habe die Liebe meines Lebens gefunden. Doch nun bin ich wieder volkommen vereinsamt. Und soweit ich das beurteilen kann, ohne jegliche Schuld bzw. schon Schuld an einigem, jedoch kann ich nichts dafür. Jedem, dem ich bisher von meiner Vergangenheit erzählt habe hat sich deshalb von mir abgewandt. Als ob ich alles mit Absicht gemacht hätte. Aber nein, es ist als hätte ich einen Spiegel, der den Leuten die eigene Fehlbarkeit aufzeigt.
Naja, retten kann mich jetzt noch eine einzige Sache, kein psychologe, keine medikamente und keine drogen; sondern einzig und allein reine Liebe.
 
Abwesender Träumer



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  Geschrieben: 23.01.10 16:04
Wow! Ich hab mir auch den ganzen Text durchgelesen und muss sagen vom schreibstil her ist das echt super klasse! Kann mir nicht Vorstellen das du "nur" einen IQ von 109 hast, auch wenn ein IQ ja nicht alles sagt.

In manchen Teilen find ich mich auch wieder, aber das war lange nicht so hart wie bei dir.

Schöner Text aufjendfall, hoffe das du mit deiner Lebenslage klar kommst und das es dir geholfen hat deine Geschichte hier zu veröffentlichen.

Wünsche dir alles gute!

lg BonuZ
Mein Doktor meinte damals, dass ich depressiv bin.
Doch wenn ich exzessiv trink'
und mir Extasy Pillen schmeisse,
wenn's mir scheisse geht,
bin ich der festen Überzeugung davon,
dass der Trottel absolute scheisse redet!
Abwesende Träumerin

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  Geschrieben: 23.01.10 16:14
Revenant,
ich habe mir soeben deine Geschichte durchgelesen. Und ich muss sagen, sie hat mich sehr beruehrt. Sie hat mir wirklich einen Denkanstoß gegeben und ich habe das Beduerfnis mich mitteilen zu wollen. Was dir widerfahren ist, ist glaube ich kaum zu beschreiben (in vorstellbaren Dimensionen). Ich finde es schrecklich, dennoch merke ich, dass irgendwo ein kleiner Funke großer Hoffnung auch bei dir vorhanden ist, bzw. hast du es ja selbst geschrieben. Ich bin beeindruckt von deiner, wie soll ich es nennen...

... Willenskraft? Der Staerke nicht aufzugeben, trotz deiner Erlebnisse?

Ich kann zwar nicht sagen, dass meine Kindheit schlecht war, dennoch kann ich sehr gut nach empfinden, wie es fuer dich war, als deine Mutter mit dir zum Psychologen ging. Da mir aehnliches widerfahren ist und ich zweimal in Therapie war. (Das erste mal 6 Wochen, das zweite Mal 3 Monate).

Dennoch ist es nicht mit dem zu vergleichen, wie es bei dir ab lief.. und wie schon geschrieben, du hast meine groeßte Bewunderung, da du eine unglaublich starke Persoenlichkeit bist, (soweit ich das nach deinem Geschriebenen beurteilen kann, wobei ich mich natuerlich auch irren kann, btw).

Ich wuensche dir fuer deine Zukunft wirklich von ganzem Herzen alles Glueck der Welt.

PS: Nutze deine Gabe.. du wirst deinen Weg finden, davon bin ich ueberzeugt.

Abby

 
Abwesender Träumer



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ICQ
  Geschrieben: 23.01.10 16:31
@ Penthe
das mit dem Besonders sein musste ich selber bei mir feststellen, weil ich ebend wie viele hier kein "Normalo" bin, dabei meine ich aber nicht das anders sein besser sein bedeutet.

@Threadstarter
Das mit deiner großen Liebe tut mir Leid, wünsche dir da viel Glück, dass du einen Mensch findest, der dich einfach akzeptiert. Vergiss deine Schuldzuweissungen, dass ist nur unnötiger Ballast.
Könntest du mir erklären, was es heißt mit sich selber ins Reine zu kommen? Ich habe keine Vorstellung vom "ins Reine mit sich selber kommen". =)
Man ist oft viel zu sehr damit beschäftigt heutzutage sein Leben voranzutreiben, dass man vergisst es zu geniesen.
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Abwesender Träumer



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  Geschrieben: 23.01.10 17:07

Cyanid schrieb:
@ Penthe
das mit dem Besonders sein musste ich selber bei mir feststellen, weil ich ebend wie viele hier kein "Normalo" bin, dabei meine ich aber nicht das anders sein besser sein bedeutet.

@Threadstarter
Das mit deiner großen Liebe tut mir Leid, wünsche dir da viel Glück, dass du einen Mensch findest, der dich einfach akzeptiert. Vergiss deine Schuldzuweissungen, dass ist nur unnötiger Ballast.
Könntest du mir erklären, was es heißt mit sich selber ins Reine zu kommen? Ich habe keine Vorstellung vom "ins Reine mit sich selber kommen". =)



Naja was es heißt mit sich ins reine zu kommen? Das kann ich dir auch nicht genau erklären. Aber ich habe es gemerkt, da ich ab diesem Zeitpunkt zum ersten mal seit Sechs Jahren wieder vernünftig schlafen konnte, und offen mit meiner Vergangenheit umgehen hab können. Ich wurde zu dieser Zeit zum dritten Mal von meiner Mutter auf drängen meiner Cousine in die Psychiatrie eingewiesen. Und in dem Moment als die Polizei bei mir ans Zimmer klopfte, fühlte ich seit sehr sehr langer Zeit etwas glücksähnliches. Da ich jetzt, da ich von allen enttäuscht worden war (meine Mutter wusste ganz genau, was sie mir damit antut), all meine Zuversichten, alle meine Hoffnungen nach oben richten musste. Ich fand zu Gott.
Naja, das ganze ist jetzt nen Monat her und ich bin wieder desiullusioniert. Ich wäre bereit einen Psychologen aufzusuchen, aber nur unter der Bedingung einer Familientherapie, da ich nicht der Fehler innerhalb der Familie bin.

Wg. Normal-sein: Ich will nicht normal sein. Ich bin abnormal und stolz darauf bzw. war es. Seht her es gibt zwei Sorten von Abnormalität, die eine ist als Beispiel Hitler, der abnormal böse war und der andere ist als Beispiel Gandhi der abnormal gut war.
Ich will mich nicht ändern bzw. verformen lassen, die Welt um mich rum soll es. Wobei ich mich von dieser Illusion schon lange distanziert habe.
Ich will abnormal und glücklich sein, sonst nichts. Und das könnte mir jetzt nur noch ein einziges Mädchen auf der Welt erfüllen.
Ich habe erst ein gedicht für sie geschrieben: It was something about your eyes
That destroyed your disguise
And showed me unknown grace
You gave me reason to quit the chase
Yet your conscious isn't entirely clear
Yesterday of diremption you had to tear
But shall you learn how to break free
And you'll see you're better than he,
than them, better than me.

 
Abwesender Träumer

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  Geschrieben: 23.01.10 19:41
zuletzt geändert: 23.01.10 19:46 durch Ovidius (insgesamt 1 mal geändert)
Ein sehr interessanter, bewegender Text. Auch wenn er manchmal mir nicht nachvollziehbare Gedankensprünge enthält, so sagt er doch viel aus. Ich würde gerne mit dir in Kontakt treten, um dir ein bisschen mehr Hoffnung zu geben. Habe selber auch ein wenig durchgemacht (jedoch mit viel Willenskraft die Scheiße übersanden) und denke, dass ich mich in dich doch ein wenig hineinversetzen kann. Insbesondere was das Nichtgeliebtwerden usw. angeht. Wichtig ist wohl zuallererst die Erkenntnis - die mir persönlich sehr spät kam - dass alle anderen auch seeeeehr unsicher sind und leider diese Unsicherheit häufig überspielen. So wie das anscheinend dein Freund Matze getan hat. Jemand der selbstsicher ist, macht seine Freunde nicht fertig. Er gibt ihnen von seiner übersprudelnden Kraft etwas ab!
Gerade wegen meiner Unsicherheit damals habe auch ich viel von meiner Jugend (allerdings nur in bezug auf körperliche Kontakte mit Mädchen) verpasst. Alle anderen waren viel sicherer, hübscher, mutiger, beliebter etc.
Übrigens habe ich mal mit einem befreundeten Psychiater gesprochen, der mir unbedingt zu einem Intelligenztest geraten hat, weil er Hochbegabung vermutete. Also ich habe auch z.B. mit wirklich wenig Einsatz (d.h. für die Leistungskurse in der Schule zusammen in zwei Jahren vielleicht fünf mal Hausaufgaben gemacht) ein Abitur an einem der anspruchsvolleren Gymnasien mit 1,5 gemacht. Man könnte jetzt einwenden, dass viele Hochbegabte durch schlechte Leistungen infolge von Unterforderung auffalen. Das ist auch der Fall. Der Umkehrschluss, dass aber alle Hochbegabten schlecht sind, trifft jedoch nicht zu. Darum geht es aber auch nicht.
Es scheint wohl generell so zu sein, dass Leute, die viel über sich reflektieren (können) dazu tendieren, sich niederzumachen (auch nur durch Kleinigkeiten). Bestes Beispiel dafür wäre der bester Lehrer, den ich jemals hatte, der sich dauernd dermaßen in Frage stellt, dass ich MIR manchmal die Frage stelle, ob ihn das nicht vielleicht zu sehr belastet.
Ich könnte mir gut vorstellen, dass du hochbegabt bist. Vielleicht hat deine psychische Verfassung dazu beigetragen, das Ergebnis zu verzerren. Aber darum geht es auch nicht. Ich hab den IQ-Test übrigensabgelehnt, da ich nicht glaube, dass Intelligenz das ist, was uns wirklich glücklich macht. Vielmehr das, was du bereits gesagt hast: Lieben... und geliebt zu werden. Eben darum geht es.
Oder wie besagter Lehrer in seiner Rede zu unserer Abiturentlassung sagte: "Es geht immer nur um Liebe. Alles andere ist Beiwerk".
Ich wünsche dir die nötige Kraft, dein Leben nach deinen Wünschen zu gestalten.

 

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