Tripbericht lesen

Übersicht:

Titel:Diethylether3 – Trampolin bei Nacht
Drogen:Ether
Autor:Cain
Datum:20.01.2013 19:16
Set:Vorfreudig
Setting:Outdoor, Spätabend, Terrasse/Zuhause, mit Musik
Nützlichkeit:8,68 von 10 möglichen   (37 Stimmen abgegeben)

Bericht:

"Diese Droge hatte verheerende Wirkung, wie den kompletten Verlust von Motorik und Sprache. Und das lustige war, man konnte sich selbst dabei zusehen."
[Fear and loathing in Las Vegas]




Es war ein lauer Spätabend im Mai 2012.

Ein Sturmfreies Wochenende.

Wir schnitten einen Waschlappen in drei Teile. Saßen in Gartenstühlen aus Plastik, die wir im Dreieck zueinander aufgestellt hatten draußen auf dem Balkon. Laptop aufgebaut, um währenddessen Musik hören zu können. Noch ein paar Worte an C., die zum ersten Mal dabei war. Beschreibungen, was zu erwarten war. Anweisungen wie ‚immer sofort den Deckel drauf tun‘ ‚Getränktes Tuch fest gegen Mund und Nase pressen‘ etc.

Die Flasche hervorgenommen, Tuch drauf, einmal die Flasche umgekippt, dann die Flasche schnell weitergegeben, immer im Kreis, der Letzte schraubt den Deckel drauf bis zur nächsten Runde.


Der Beginn, inzwischen beinahe schon Routine, keine Überraschung mehr.

Stechender Geruch, der in den Hals zieht und dich husten lässt. Ein paar Züge, dann hat man sich daran gewöhnt. Noch eine Runde. Das Körpergefühl beginnt. Taubheit in allen Gliedern. Kribbeln. Schwere.
Gespräche, die unbewusst von Zug zu Zug lauter werden und wirrer.

Dann, wenn man sich sicher ist, dass die Wirkung sich entfaltet, eine Phase des Austestens.

Den anderen erzählen, wie man sich fühlt, wie es wirkt. Sich bewegen. Über die erste Wirkung freuen.
Die ersten Versuche aufzustehen. Sich erst mal hochhieven, schwankend Gleichgewicht suchen und es nicht finden, sich dann wieder lachend zurücksinken lassen.
Es irgendwann dann doch schaffen, stehend halt zu finden. Dann herumlaufen, bloß um zu fühlen, wie Arme und Beine ein Eigenleben entwickeln und Probleme machen.

Das herannahende Hochgefühl erleben und feiern. Aus allem was man sagt wird ein Rufen oder Schreien. Alles worüber man sich unterhält ergibt Sinn, egal wie sinnlos es sein mag – wobei sicher nicht alle Ether-Geistesblitze so ganz sinnlos sind… und auch alles, was der andere sagt, vollkommen nachvollziehen können; von jedem Vorschlag begeistert sein und hin und wieder auch nicht wissen, ob das Gegenüber wirklich gerade gesagt hat, was man glaubt gehört zu haben. Und all das spielt irgendwie zusammen.

-

Es kann bei Ether durchaus zu Blackouts kommen – aber nicht so schlimm wie bei anderen Substanzen. Die anderen hatten von unserem vorigen Etherabend auf einem Festival so gut wie keine Erinnerungen – ich dagegen hatte an diesem Abend auf der Terrasse zum Ersten Mal kleine Aussetzer auf Ether. Die waren jedoch kaum der Rede wert.

Der Einzige, dem ich mir im Nachhinein dank der anderen wirklich bewusst werden konnte:

Die Musik lief. Ich wollte ein anderes Lied anmachen. Ich schaffte es irgendwie, mich komplett um den Tisch in der Mitte der Terrasse herum zu meinem Laptop zu koordinieren. Ich wusste, was ich machen muss und ich wusste auch genau, welches Lied ich anmachen wollte. Das funktionierte auch. Auch wenn es vielleicht etwas langsamer von statten ging, da ich mich darauf konzentrieren musste, dass meine Finger auch das machen, was ich gerade machen möchte.

Bei dem Lied wiederholt sich die Melodie am Anfang einige Male – und obwohl ich es bereits tausend Mal gehört hatte, kam mir an diesem Abend etwas komisch daran vor. Ich sah zu meiner Freundin hinüber und ich wusste, dass wir genau den gleichen Gedanken hatten. Glaubte zumindest, genau das zu wissen. Entsetzt schrie ich auf: „Es hat sich auf gehangen!“
Wiederholte das wohl auch nach ein paar Sekunden noch einmal. Was stimmte bloß mit der Musik nicht? Wir lachten noch eine ganze Weile ausgelassen über dieses Phänomen.

Ich ließ danach ein anderes Lied laufen.


Und plötzlich sprach mich C. von der Seite an, ob alles ok sei. Ich wandte mich ihr zu und sah sie verwirrt an, weil ich nicht wusste, wie sie das meinte. Natürlich war alles ok. Warum denn auch nicht?

Dann erst bemerkte ich, dass ich auf dem Boden vor dem Laptop saß. Wann hatte ich mich denn hingesetzt? Und noch dazu war das Lied schon längst aus. Später erzählten sie mir, dass ich wie in Trance eine ganze Weile den Bildschirm angestarrt hatte, mich dann aus der Hocke nach hinten auf den Boden hab fallen lassen, nur um dort ein paar Minuten regungslos ins Leere zu starren.
Und das alles war komplett an mir vorbeigegangen.


Ich raffte mich jedenfalls wieder auf und es ging weiter. Direkt nach meinem kleinen Aussetzer war ich nämlich mental wieder vollkommen bei mir. Den genauen Ablauf bekomme ich heute nicht mehr zusammengesetzt, bloß noch einige deutlichere Bruchstücke.

C. blieb wohl relativ klar, da sie es zum ersten Mal versuchte und zu vorsichtig daran ging. L. und ich waren ausgelassen - liefen durch die Gegend, lachten, schrien. Die Welt war fantastisch und die Gedanken befreit. Es zählte der Augenblick, die Laune und das Kribbeln in unseren unkoordinierten Armen und Beinen. Die Schwere der Glieder hat sich längst in ein euphorisches Beflügeltsein verwandelt und über den gesamten Körper ausgebreitet.

Wir wollten tanzen!

Niemals wären wir auf die Idee gekommen, mitten auf meiner Terrasse – nüchtern und mit bestehender Gefahr, von den Nachbarn gesehen zu werden – zu tanzen. Der Ether schob diese Argumente und die Scham beiseite. Wir riefen C. Songtitel zu. Sie ging zum Laptop und wählte aus.

In dem ca. 1m breiten Gang zwischen Tisch und Balkongeländer begannen wir zur Musik zu tanzen. Oder es zu versuchen. Sicher war das ein mehr als amüsanter Anblick und ich bin froh, dass das kein Außenstehender mitansehen musste. Einfach war es auch nicht – schließlich spielt der Körper auf Ether nicht immer so mit, wie man es gerne hätte.

Doch das Gefühl war unglaublich.

Unsere Flasche war in der Zwischenzeit schon längst leer und auch alles entsetzte Jammern brachte nichts - wir mussten uns darauf einstellen, dass die Wirkung bald nachlassen würde. Stockdunkel war es auch geworden.


Nach weiterem Zusammensitzen und reden und beobachten der Umgebung dann die Idee: „Lasst uns aufs Trampolin gehen!“

Begeistert stürmten wir los – nicht mehr schwankend, eher beflügelt die Treppen hinunter in den Garten und dann zu dritt rauf aufs Trampolin. Springen, rufen, lachen.

Und wir sind geflogen. Dunkelheit um uns herum, das Gefühl zu fliegen, ohne dass ich weiß, ob wir überhaupt wirklich gesprungen sind.

Ich weiß nicht wie lange es dauerte, aber in der Zeit auf dem Trampolin klang langsam aber sicher der Rest des Rausches ab – und wir kosteten sie voll aus. Schließlich flogen wir ja.
Leichter Schwindel, alles fühlt sich so leicht an. Alles dreht sich, aber ohne dass es einem Angst macht oder es einem übel wird. Die Welt von oben betrachtet, sich der umliegenden Nacht bewusst werdend. Das Gefühl, mit sich im Reinen zu sein. Alles zu verstehen.

Bis wir irgendwann erschöpft nebeneinander auf dem Trampolin lagen und enttäuscht feststellten, dass es jetzt so gut wie vorbei war.

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Es gibt ein Wort, welches diesen Abend – im Gegensatz zu den bisherigen Ether-Abenden beschreiben kann: Freude.

Die Erinnerung an diesen Abend ist ungetrübt von irgendwelchen negativen Erfahrungen und lässt mich jedes Mal aufs Neue wehmütig werden – und das ist es doch, was wir uns wünschen, wenn wir uns in Rausch versetzen, oder?