Tripbericht lesen

Übersicht:

Titel:Trauer, Wut und lachende Befreiung im Wald
Drogen:Mischkonsum von Psilocybinhaltige Pilze und Cannabis (Reihenfolge vom Autor festgelegt)
Autor:ehemaliges Mitglied
Datum:23.06.2013 17:01
Set:Unvoreingenommen, Erwartungsvoll
Setting:Wald, Wohnung
Nützlichkeit:9,53 von 10 möglichen   (60 Stimmen abgegeben)

Bericht:

Es war der 21. Juni 13 und somit Sommersonnenwende. Dieser Tag schien mir perfekt, um mich meinen Wurzeln in der Natur wieder etwas näher zu bringen. Drei Gramm Zauberpilze, die ich mir sorgsam für einen besonderen Moment aufgespart hatte, schienen mir hierfür das geeignete Mittel zu sein. Ich packte also die nötigen Utensilien ein und begab mich zum Bahnhof, um in meine alte waldumgebende Heimatstadt zu fahren, wo ich mich zu einem alten Freund begab, mit dem ich die Reise antreten wollte.
Der Mensch, der mir die Pilze besorgt hatte, warnte mich, dass diese nicht zu unterschätzen wären. Mein Kumpel L. und ich hielten dies jedoch für übertrieben und erwarteten bei der kleinen Menge einen eher mittelstarken Trip. Sorglos teilten wir also die Pilze in zwei gleich große Haufen, wobei erwähnt werden muss, dass es sich um ein Gemisch aus zwei Sorten handelte, wobei die eine eher optisch und die andere eher geistig und emotional wirken sollte. Als die Pilze restlos zerkaut waren, machten wir uns dann auf den Weg mit unseren Fahrrädern zu einer Dönerbude, wo sich L. noch Verpflegung mitnehmen wollte.
Während der Wirt dann den bestellten Burger vorbereitete, fluteten auf einmal die ersten psychedelischen Energieschübe durch unsere Körper. Wir schauten uns überrascht an. So schnell hatten wir nicht damit gerechnet; es waren seit der Einnahme gerade mal 15 Minuten vergangen. Auf einmal wirkte die Szenerie befremdlich und wir konnten uns das Dauergrinsen nicht verkneifen. Als der Burger endlich fertig war, wollten wir zusehen, dass wir in den Wald kommen, um uns vollkommen frei auf den Trip einzulassen, jedoch war noch eine Fahrradstrecke durch die Stadt zurückzulegen, bei der die Pilze das normale Bewusstsein immer mehr wegspülten.
Auf dem Weg sprang mir noch die Kette ab, die wir mit einem irren Lachflash reparieren mussten. Ich begann mir über Sprache und meine Stimme Gedanken zu machen und mit was für seltsamen Formulierungen man versucht sich irgendwie verständlich zu machen, obwohl man das, was man Wahrnimmt und fühlt sowieso niemals vermitteln kann. „Boa was man immer redet, ey, und wie das eigentlich klingt…“, war der Satz, mit dem ich versuchte, meine Gedanken auszudrücken. Die Sprache ist ein wahrlich unvollkommenes Werkzeug.
Die Aufmerksamkeit und Reflexion auf alltägliches normalerweise Unbewusstes nahm mehr und mehr zu und ich hing weiterhin dem Gedanken hinterher, wie sehr sich die Wahrnehmung durch andere von dem tiefen und ernsthaften Wesen, dass ich manchmal zu sein glaube, von meiner eigenen unterscheiden muss, nur durch meine Stimme und meine mitunter etwas verplante Art und Weise zu reden.

Endlich erreichten wir den Wald und die energetische Aufladung, wie man sie nur durch Liebe, Meditation oder, wie in unserem Fall, psychedelische Substanzen erfährt, war langsam abgeschlossen. Wir hatten enormen Spaß, die Füße von den Pedalen zu nehmen und den Waldweg herunter zu rollen, wobei sich eine krasse Verbindung zwischen uns aufbaute, die wir uns mit einem viel sagendem Blick gewahr machten.
Irgendwann kamen wir an einen Ort, wo vom Weg ein Trampelpfad abzweigte, über den wir eigentlich zu einem Hochsitz wollten, der schon öfter die Basis für Drogenerfahrungen in der Natur dargestellt hatte, jedoch mussten wir erst mal auf unsere schon unerwartet starke Verstrahlung klarkommen und setzten uns erst mal einfach auf den Weg. Kommunikation war schwierig und drückte sich in banalen Satzfetzen aus, da die Sprache wie erwähnt viel zu unvollkommen ist, und wir wussten erst einmal nicht, wohin mit uns. Erst mal kurz klarkommen… und pinkeln gehen.
L. holte seinen Burger raus und auch ich spürte ein seltsames Gefühl im Magen, da ich außer Frühstück extra nichts gegessen hatte. Ich holte mein Avocado Brot heraus und biss hinein, jedoch befriedigte es mich nicht. Ich dachte über die krasse innere Grenze nach, die ich mir als Veganer aufgebaut hatte, die in gewissen Momenten immer auch eine Distanz zu Menschen bedeutet. Das gleiche zu essen bedeutet halt auch das gleiche Körpergefühl zu haben und das gleiche Erlebnis zu teilen. Einen kleinen Moment machte mich das traurig. Dennoch beschloss ich, dass Kompromisse eingehen nach dem Motto: „Es geht ja ums Prinzip, ein Bissen von diesem Burger wird den Unterschied nicht machen“, alles, was ich mir die letzten zwei Jahre konsequent aufgebaut habe, zerstören würde.
Ich wendete meine Aufmerksamkeit der Umgebung zu und schaute mir die Wolken an. Die optisch wirkenden Pilze machten ihren ersten Zug: Aus dem Licht und Schatten des grauen Nebels der über uns entlang glitt, bildete sich eine filigrane dreidimensionale Figur aus den Kontrastlinien von Hell und Dunkel heraus, ähnlich wie die, die man mit Laser in Glas brennen kann… Es war ein Menschenähnliches Wesen, eher eine Gottheit, deren Augen kurz lila aufschimmerten, bevor sie sich wieder im Nebel auflöste. Weitere Figuren entstanden und vergingen und ich fragte mich, ob ich sie nüchtern auch so sehen würde. Das Leben der Götter und Mythen spielt sich nicht umsonst am Himmel ab, denn das Schauspiel der Wolken lässt unglaubliches Potenzial auf dem sie die Fantasie ausleben und interpretieren kann (Dieser Gedanke entsteht erst jetzt, auf dem Trip staunte ich nur und nahm war).
Nach einiger Zeit stand L. auf und beschloss, dass es Zeit sei, weiterzugehen. Ich sträubte mich erst, jedoch hatte ich schon öfter die Erfahrung gemacht, dass das, was man im Moment tut, immer das Beste zu sein schein, was man gerade machen kann, und man dementsprechend auch etwas anderes machen könnte, und so stand ich also auf und wir begaben uns auf den Trampelpfad Richtung Hochsitz.

Auf einer früheren Reise hatten wir die Erfahrung gemacht, dass Sprechen etwas so sehr mit der normalen Alltagswahrnehmung verbundenes ist, dass es die Intensivität des Trips schwächt. Wir beschlossen also, dass wir uns der Sprache entledigen. Im Wald war sie überflüssig. Ich versuchte, auch mein Denken von Begriffen zu befreien, um absolut und ohne irgendwelche Kategorien Wahrzunehmen. Dies gelang mir einen Moment, als wir beim Hochsitz, der in einem urigen Nadelwald lag, ankamen, hatte mich das Denken in Sprache jedoch wieder in Griff.
Das hatte allerdings auch zu tun mit einem Gefühl, was schon seit Ankunft im Wald in mir gewachsen war: Das Gefühl des In-die-Welt-geworfen-seins, ohne einen Sinn oder ein Ziel zu haben.
Ich beschäftige mich in meinem Studium zurzeit mit den Existenzphilosophen Sören Kirkegaard und Albert Camus, die dem Gefühl, welches ich des Öfteren verspüre, Ausdruck verleihen. Wie geht man um mit dem Absurden; dem Verhältnis zwischen Sinnbedürfnis und sinnloser Realität? Muss man den Sprung in den Glauben machen, sich als Verhältnis von Materiellem und Immateriellem das sich zu sich selbst verhält, auch noch bewusst zu Gott als schöpferische Kraft die einen gesetzt hat verhalten? Durch meine Sozialisation sah ich das Christentum immer eher als eine negativ an, dementsprechend ist diese Position schwer zu akzeptieren, wenngleich ich mich auch versuchte Gedanklich drauf einzulassen. Oder doch eher wie Sisyphos dem Absurden trotzen, dabei vollkommen in der Sinnlichkeit aufgehen?
L. riss mich aus meinen Gedanken und wollte weiter ziehen, jedoch brodelte das seltsame Gefühl in meiner Magengegend weiter in mir, was ich jetzt eindeutig als Emotion und nicht als Hunger oder Übelkeit identifiziert hatte. Etwas wollte raus. Nach einer kleinen Erkundungstour stießen wir auf einen weiteren Hochsitz, der der völlig Morsch und glitschig den Wald überragte. Noch immer wusste ich nicht, wohin mit mir und kletterte trotzdem auf den Hochsitz.
Schon seit einiger Zeit hatten wir begonnen archaische Laute und Schreie von uns zu geben, denn wir waren ja jetzt in der ursprünglichen Umwelt des instinkthaften Menschen, der in der Zivilisation und in der Welt der Begriffssprache im tiefsten Schlummer liegt und nun aus uns heraus zu brechen begann. Die rufe wurden auf dem Hochsitz langsam zu einem jammernden Ausdruck der eben erwähnten Verzweiflung über das Schicksal, das absurde in die Welt gesetzt sein, das Ziellose suchen…
Ich schrie in repetitiven Urschreien und fühlte mich wie ein weinendes Baby. Aufgehen im Ausdruck unmittelbarer Emotion. Wie lange hatte ich nicht mehr Geweint. Wenn auch ohne tränen, so hatten die Schreie eine ähnlich befreiende Wirkung. Trauer und Verzweiflung stiegen aus dem unterdrückten Raum in der Magengegend hervor und sabbernd wankten wir auf dem morschen, in glitschigem Moos gehüllten Hochsitz herum und rüttelten und traten um uns.
Welch ein symbolisches Bild: Der Mensch steht auf einem wackeligen Fundament, das er selber zerstört über der Natur und weiß plötzlich nichts mehr mit sich anzufangen. Nach einiger Zeit realisierte ich plötzlich, auf was für einer krassen Welle des Pilzes wir gerade ritten und das wir uns gerade ernsthaft in Gefahr brachten und ich brach die Sprachlosigkeit.
„Zeit die Welle zu brechen.“, sagte ich daher passend und wir begaben uns kurz in die Reflexion des Momentes. Wir stiegen den Sitz wieder herab und ich spürte schon die nächste Welle an fluten:
Wieder erwuchs eine emotionale Besessenheit. Von passiven überrollt werden von existenzialer Verzweiflung und Trauer, begab ich mich nun aktiv in die Wut und Aggression. Wieder also zurück in die Ursprache, weg von Begriffen: Schreien, Rumspringen, In Ekstase reinsteigern. Ich nahm mir einen Ast. Nach dem Gefühl der Schwäche wird es Zeit für die Stärke.
Rasend begannen wir den Hochsitz auseinanderzunehmen. Wir schlugen auf die Balken ein, kletterten auf ihnen herum, rieben uns an ihm, zerstörten den Boden unter unseren eigenen Füßen. Die Splitter schlitzten mir in die Arme, doch das Blut nahm ich für diese ultimative Befreiung in Kauf. Mit jeder Verletzung, mit jedem zersplitterten Ast fühlte ich mich gereinigter, bis dieses Wut Ritual in einem vollkommen Wahnsinnigen Lachen endete.
Ich muss erwähnen, dass ich die ganze Zeit über nicht nur im ekstatischen Aufgehen in der Welt, sondern gleichzeitig in der reflexiven bewussten Beobachterperspektive befand, weswegen mir durchaus klar war, wann das Ganze zu weit gehen würde. Der psychedelische Lachflash hielt eine Weile an, und aus diesem übersprudelnden Lachen erwuchs alles, was ich tat. Ich variierte das Thema des Lachens wie ein Musikstück, ich bewegte mich aus diesem Lachen heraus, ich dachte aus ihm heraus.
Irgendwann kriegten wir uns wieder ein, die Pilzwelle brach und wir begaben uns wieder auf die Sprachebene. Ich fühlte mich so gut wie nie. Dieses extreme körperliche und emotionale Ausleben schien genau das gewesen zu sein, was mir in meinem Stadtleben als Student fehlte.

Gereinigt wie wir waren, stark und aufgegangen in Instinkten und Natur wurde es Zeit auf Entdeckungsreise zu gehen.
Natürlich waren wir nicht müde, unsere Körper schienen gerade erst erwacht zu sein. Wir rannten also so schnell wie möglich durch das Geäst, sprangen über Äste und Bäche ohne zu zögern. Ich fühlte mich wie ein urzeitlicher Jäger, eins mit dem Wald. Die Kleidung störte mich extrem und ich zog mein T-Shirt aus. Viel besser! Es begann zu regnen, was sich wunderbar erfrischend anfühlte. Wir spielten mit dem Gedanken vollkommen Nackt zu sein, jedoch entschieden wir, dass wir dadurch zu verletzlich wären. Auch die urzeitlichen Jäger trugen einen Lendenschutz.
Nachdem wir uns endlich ausgetobt hatten, begann der Philosoph in mir zu erwachen und während ich vor mich hin waberte, in fließenden Bewegungen wie beim Tai Chi oder so durch das nahezu schwerelose Körpergefühl, sprudelten Gedanken aus mir hervor.

Als der Regen stärker wurde, kamen wir zu einem dritten Hochsitz, der an einer Wiese mit Kühen lag. In der Ferne das Waldstück, wo der erste Hochsitz mit unseren Fahrrädern lag. Wir kamen zur Ruhe und obwohl der Pilz noch in vollem Gange war, was ich unter anderem daran merkte, dass L.s Ausstrahlung, seine Aura quasi, in leichtem Flimmern sichtbar war, beschlossen wir uns auf ein Experiment einzulassen. Bevor wir losgegangen waren, hatten wir noch einen sehr grünen Joint gebaut. Bis dato hatten wir beide auf starken Psychedelika nur pur getript und somit betraten wir Neuland.

Der Joint schlug ein wie eine Bombe und plötzlich eröffneten sich all die Welten, die wir stoned zusammen aufgebaut hatten. Beim Pilz schien die Welt, in die man sich begibt „von außen“ zu kommen, man hat nicht wirklich Kontrolle; Cannabis dagegen spielt sich hauptsächlich auf Gedanklicher und kreativer Ebene „von Innen“ ab. Kreative Konstrukte, Fantasiewelten und vor allem die Musik. Wir begannen zu trommeln und die Augen zu schließen. Der Joint dominierte die musikalische Wahrnehmung und die Pilze schufen Bilder dazu. Es schien, als ob die optisch wirkenden Pilze plötzlich ihr Comeback hatten:

Als ich die Augen öffnete spielte sich unglaubliches ab. Der Wind in den Tannenbäumen am Ende der Wiese schuf Wellen in den Blättern, die nach und nach Muster hervorriefen, die die Bäume in einen mystischen Tanz versetzten. Ich schaute mich um und überall bewegten sich die Äste in einem faszinierenden Reigen. „Boa hast du auch so einen optischen Flash?“, fragte ich L. Er hatte.
Es schien, als ob wir genau die gleichen Dinge sahen. Dies war nicht nur eine Halluzination, der Wald tanzte für uns, die Bäume zeigten ihre wahre Natur. Wir waren im Märchenwald. „Beziehe den Himmel mit ein.“, sagte L. Ich begann, das Gesamtkunstwerk zu betrachten, der Himmel, dessen Wolken die unendlichen Möglichkeiten in sich bargen, das Nirwana des potenziellen Seins, aus dem alles entspringen kann, die Wiese, auf der der Wind Kreisende Muster wehte…
Ich fragte mich, ob es sich um normale Phänomene handelte, die durch die Schwingung durch den Wind ausgelöst wurden und wir nur eine besondere Aufmerksamkeit hatten, oder ob dieser Synchrone Tanz mehr war als das. Auf jeden Fall strahlten die Bäume etwas Besonderes aus. Es schien selbstverständlich zu sein, dass es sich um beseelte Wesen handelte. Jede Farbe in diesem Schauspiel schuf eine eigene besondere Stimmung. Ich war glücklich, in der Schönheit norddeutscher Natur aufgewachsen zu sein. Ich merkte, wie sehr mir die reine Natur und die Freiheit in der Großstadt, in der ich nun lebe, fehlte.

Wir beschlossen irgendwann weiterzuziehen und begaben uns auf die Kuh Wiese, um zu unseren Fahrrädern zurückzukehren. Nun kam es allerdings zu einer etwas surrealen Begegnung:
Wir standen mitten auf der Wiese und die Herde Rinder nährte sich. Ich wusste nicht, ob es Bullen waren oder Kühe, auf jeden Fall hatten sie Hörner. Es war faszinierend, diese Wesen als Herdentiere zu beobachten. Nie bewegte sich jemand außerhalb der Gruppe; sie gingen vollkommen auf im Kollektiv. Sie kamen näher und blieben auf einem gewissen Abstand stehen. Ich hatte den Eindruck, ein intuitives Verständnis ihrer Gesten zu haben. Sie nährten sich, signalisierten mit ihren Köpfen Ablehnung und gingen dann wieder zurück, schauten mich dabei an. Mir schien es, als ob sie es nicht gutheißen, dass wir ungefragt in ihr Zuhause eindringen. Ich versuchte es L. klarzumachen und ging zurück, was die Kühe dazu bewegte, sich auch wieder zu entfernen. L. sah das allerdings anders und meinte „Die tun nichts, die sind nur neugierig.“ Ich konnte ihn nicht dazu bewegen, zurückzukommen, und folgte ihm also über die Wiese, was die Herde dazu brachte, wieder näher zu kommen und sich neben uns aufzubauen. Nach wie vor schienen mir die Gesten klar zu sein. „Was wollt ihr hier, ihr habt nicht gefragt, ob ihr unser Revier betreten dürft.“
Wir gingen also an den Rand der Wiese und landeten prompt in Moorgebiet. „Blöde Kühe!“, dachte ich mir, als wir uns den Weg mit völlig durchnässten Füßen bahnen mussten. Diese beobachteten uns in der Ferne. Letztlich erreichten wir dann den Tannenwald, in dem unsere Fahrräder standen.
Ich beschloss, es diesmal besser zu machen und bat in meinem Geist den immer noch sehr lebendig wirkenden Wald um Einlass.

Wir tauchten ein in diesen mächtigen Tannenwald wie in den Körper eines übermenschlichen Wesens. Die Bäume waren wie die Organe, Adern und Nerven, die Luft wie das Blut, das durch sie gefiltert wird. Totes erstarrtes Holz neben arbeitenden, lebendigen Komponenten, alles ein großes Ganzes bildend, welches Schritt für Schritt das Land kolonialisiert. Ich hatte eine neue Assoziation und dachte an die Maschinenstadt in Matrix, die auf eine Art und Weise auch etwas Organisches hat. Wir hatten schon öfter an diesem Ort gekifft und auch dann war mir schon die besondere Stimmung dieses Ur-Tannenwaldes aufgefallen, jedoch nicht so intensiv, wie auf Pilzen.
Optisch nahm ich dabei nichts wahr, was ich nicht auch nüchtern sehen würde, ich interpretierte es bloß anders. Ich spürte jedoch die Ausstrahlung der Bäume und wenn ich mich mit meiner Hand den Stämmen nährte, stieß ich auf einen Wiederstand wie bei einem Magneten und spürte Wärme.

Ich konnte mich kaum lösen, doch L. wollte sich langsam nach Hause begeben. Es war klar, dass der Peak vorbei war und wir wieder einigermaßen zivilisationstauglich waren. Während L. sein Fahrrad holte, war ich wieder vertieft in Gedanken über die Zukunft und ob das, was ich tue, wirklich das ist, was ich tun will. Als Mensch, der für feinsinniges gemacht ist, werde ich wohl nie etwas Handfestes in der Realität schaffen können, sondern nur Geistiges und Abstraktes. Während ich so grübelte, schien mir der Pilzgeist noch etwas zeigen zu wollen, denn wie selbstverständlich hoben sich auf einmal meine Hände in die Pose eines Dirigenten, der mit jede kleine Bewegung präzisiert hat, um nur mit seiner Körpersprache Orientierung für die Schöpfer wahnsinnig komplexer Werke zu schaffen. Auf jeden Fall ein Gedanke also, den ich im Kopf behalten werde.

Auf dem Weg zu L.s Haus überwog eher das Gras und ich hatte Zeit, mich in Träumereien und längere Gedankenflüsse zu versenken. Zuhause angekommen, chillten wir auf dem Sofa und hörten etwas Musik, bis Freunde vorbeikamen, mit denen wir den Abend verbringen wollten. Ich zog mich ins Nebenzimmer zurück, da ich auf nüchterne Menschen noch nicht klarkam und erlebte noch die letzten beiden Pilzflashs:
Zum einen Erstarrte ich im Spiegel vor meinem eigenen Angesicht. Nichts ist faszinierender, als sich auf einem Trip im Spiegel anzuschauen. Hier schloss sich auch die Überlegung von vorhin an, Perfektionismus in Gesten und Körpersprache zu erlangen. Ich war fasziniert von meiner eigenen Anmut. Danach Meditierte ich eine Weile und begab mich vollständig ins reine Bewusstsein, bis ich dann endgültig das Gefühl hatte, wieder einigermaßen Gesellschaftsfähig zu sein.
Dann begab ich mich zu den Leuten ins Nebenzimmer, wo sich noch ein langer Abend mit weiteren krassen Überraschungen anschloss, die mit der Erneuerung des Selbstbewusstseins, die wiedergewonnene Offenheit für Wunder und den unvoreingenommenen Umgang mit der Welt und insbesondere den Menschen durch den Pilz Trip sicherlich zusammenhingen, jedoch nicht mehr direkt zur Reise dazuzählen und dementsprechend eine andere Geschichte sind, die ein anderes Mal erzählt werden soll.