Tripbericht lesen

Übersicht:

Titel:Dr. Cubensis entfesselt die Chimären (Tripbericht 2,3g PC)
Drogen:Psilocybinhaltige Pilze
Autor:Die_Unkrot
Datum:30.09.2005 20:47
Set:In freudiger Erwartung
Setting:In meiner Wohnung mit Freunden in Partylaune
Nützlichkeit:8,57 von 10 möglichen   (44 Stimmen abgegeben)

Bericht:

Dr. Cubensis entfesselt die Chimären

oder

Strom des Lebens



Ein Bericht über eine außergewöhnliche Erfahrung mit 2,3g hochpotenten getrockneten Psilocybe Cubensis Fruchtkörpern aus eigenem Anbau.







Wovon hierin zu lesen sein wird:



Minipizzas mit Minipilzen

CEV-Abendprogramm (Gentechnik-Shows)

Alkohol als tristes Aphrodisiakum für favela-Arbeiterschlampen

Dauergeile Naturwissenschaftler

Das Revierverhalten von favela-Arbeiterschlampen

Fear and Loathing

Papa Leary

Nächtliche Popcorn-Osmose

Psychonautischer Forscherdrang







Eine Fingerbreite über meinem Kehlkopf hockt mir ein Frosch im Hals, den ich nicht eindeutig als Übelkeit identifizieren kann. Ich habe mich aufs Bett geworfen und verstecke mich unter meiner lila Kuscheldecke. Die Chimären schlüpfen mit drunter. Ein Satz aus einem fast vergessenen Tripbericht klatscht mir wie eine sturmgepeitschte nasse Zeitung ins Gesicht: Diesmal gehts schief.

Gutgut mein lieber Herr Doktor Cubensis, ich gebs zu: Die Panik sitzt in den Startlöchern. Aber unterschätze nie einen angeschlagenen Psychonauten. And any time you got Papa Leary and Mama Benzo against you. Also versuch nur, mir Angst zu machen.

Wie auf Stichwort lodert vor meinen geschlossenen Augen wieder das abyssintische Inferno auf, der seelenkataklysmische Maelström der Angst. Soll mich das vielleicht beeindrucken, Dr. Cubensis? (Tut es.) Soll ich wegen so einer miesen Show vielleicht Mama Benzo holen? (Ich bin kurz davor.)








Der Küchentisch, an dem ich meinen Freunden Bettlektüre, Aurora und Kalliope gerade Prosecco, Birnenschnaps und Diskont-Süßwaren serviert hatte, steht in meiner oberösterreichischen Zweitwohnung, die ich in den studentischen Sommerferien gemeinsam mit meiner Mutter bewohne.



Meine Freunde waren in Partystimmung und beabsichtigten, dem Alkohol zu frönen. Auf mich hingegen warteten 2,3g Götterfleisch.

Der Plan: Drei besoffene Kollegen ersetzen mindestens einen Tripsitter. Eine Fehlprognose, das sei vorweggenommen. Aber wer hätte auch ahnen können, dass meine Pilzchen (die knapp zweieinhalb Gramm bestanden aus über 40 Fruchtkörpern) ihre Kleinwüchsigkeit mit wahnwitziger Wirkstoffproduktion kompensiert hatten?



Um halb Elf machte ich drei süße Minipizzen (Radius 2,5cm) zu Funghi Speciale. Und aß zwei von ihnen mit ordentlich Ketchup und einer solchen Menge Knoblauch, dass man sie wohl auch im durchschnittlichen Mittelmeeranrainerstaat zumindest verschwenderisch genannt hätte.



45 Minuten später liest sich der Triplog noch immer sehr unspektakulär. Ich verputzte den Rest.



Währenddessen stieg die allgemeine Stimmung; schwerkranke Großmütter und Schwulendrogen wurden besprochen. Bettlektüre gestand offenherzig Dauergeilheit. Ich vertiefte mich in die schillernde Oberfläche eines Stückes Alufolie und starrte auf die Lichtreflexionen in einem Schnapsglas.



Eine Stunde war seit der Einnahme vergangen, und plötzlich gab Dr. Cubensis Gas. Meine Gesprächsbeiträge wurden spärlicher und exzentrischer. Das Bild über dem Küchentisch erschien trapezförmig, die räumliche Wahrnehmung auf schwer erklärbare Weise verändert.

Bei Tisch steigerten sich derweil kollektiv die Leberfunktionen. Aurora nahm noch einen Schluck und schickte mir Schlafzimmerblicke. Ich versuchte zuerst per Zeichensprache, dann verbal und unter vier Augen klarzumachen: Vergiss das mal für heute.



Ich schlage einen Ortswechsel vor und führe meine Gäste ins Wohnzimmer, wo ich per Ausziehcouch eine große Liegefläche geschaffen habe. Decken und Polster werden verteilt, man macht es sich bequem. Bettlektüre lümmelt mit einem Glas Rotwein in der Ecke, beobachtet interessiert Kalliopes Dekolleté und sieht überhaupt aus wie zu einer Swingerparty eingeladen und nicht abgeholt.



Aurora und Kalliope balgen sich am Fußboden und kratzen und beißen. Bettlektüre fordert Textilienreduktion und Schlammcatchen. Wer sind diese Verrückten in meinem Wohnzimmer? Mein gehirninterner Weißabgleich geht flöten und der Raum erscheint plötzlich rötlich, dreckig, trist. Erster Eindruck: Trostloser abendlicher Alltag in den Barracken einer mittelenglischen Stahlarbeiterstadt. Favela-Atmosphäre. Meine Freunde sind die Protagonisten einer mit Handkamera gefilmten, schockierenden Milieustudie. Tagsüber seelenlose Schindhacke am Fließband, abends die trügerische, erniedrigende Sorglosigkeit im Alkoholrausch.



Ich lege mich hin und schließe die Augen. Die Visionen sind schreckenerregend. Unter einem morphenden, apokalyptischen, schachbrettartigen Himmel tobt ein Orkan aus wirbelnden Leibern und verzerrten Fratzen. Die Entitäten sind grausam entstellte genetische Sackgassen, die ich mit furchtbarer Klarheit sehe; hochgewachsene Ghule mit verkrümmtem Rückgrat, vielfarbige gallertartige Würmer, rotierende Köpfe, oft nur bestehend aus krankhaft vergrößerten, faulenden, grinsenden Zahnreihen und dürren Haarbüscheln, die auf ihnen wuchern. Alles ist in unablässiger langsamer Bewegung. You are now entering Second Bardo Nightmares.



Zu diesem Zeitpunkt bin ich keineswegs panisch, jedoch schwer beunruhigt. Ich kann die Visionen, die an Wahnwitz und Realismus mit nichts vergleichbar sind, was ich bisher auf Pilzen erlebt habe, zurückdrängen, und rede sogar noch ein bisschen mit Aurora und Kalliope. Doch mir ist klar: Mit dieser Erfahrung muss ich alleine fertig werden. Und: Ich muss weg von diesen besoffenen Halbidioten, deren Sozialspiele mich so verwirren. Notbremse!



Ich springe vom Sofa und raffe an mich: 350mg Tetrazepam, ein Glas Wasser, mein Mobiltelefon. ("Ich geh ein bisschen Trip genießen.") Flucht ins eigene Schlafzimmer. Nochmal retour: Decke und Polster liegen ja noch im Wohnzimmer. Zeug geschnappt, zurück, rein, Schlüssel umgedreht. Ich lasse das Zimmer dunkel.



Eine Fingerbreite über meinem Kehlkopf hockt mir ein Frosch im Hals, den ich nicht eindeutig als Übelkeit identifizieren kann. Ich habe mich aufs Bett geworfen und verstecke mich unter meiner lila Kuscheldecke. Die Chimären schlüpfen mit drunter. Ein Satz aus einem fast vergessenen Tripbericht klatscht mir wie eine sturmgepeitschte nasse Zeitung ins Gesicht: Diesmal gehts schief.

Gutgut mein lieber Herr Doktor Cubensis, ich gebs zu: Die Panik sitzt in den Startlöchern. Aber unterschätze nie einen angeschlagenen Psychonauten. And any time you got Papa Leary and Mama Benzo against you. Also versuch nur, mir Angst zu machen.

Wie auf Stichwort lodert vor meinen geschlossenen Augen wieder das abyssintische Inferno auf, der seelenkataklysmische Maelström der Angst. Soll mich das vielleicht beeindrucken, Dr. Cubensis? (Tut es.) Soll ich wegen so einer miesen Show vielleicht Mama Benzo holen? (Ich bin kurz davor.)



Ist das nun ein Horrortrip? Oder wird es erst einer? Aus dem Nebenzimmer höre ich das dumpfe Gelächter meiner Freunde. Ich versuche, mir Learys Instruktionen für wrathful visions ins Gedächtnis zu rufen, kann mich aber nur an die Binsenweisheit erinnern, dass man sie nicht fürchten soll. Als sich der nächste Höllenschlund öffnet, bewege ich meinen Kopf wie zur Herausforderung vorwärts. Ich will mich hineinfallen lassen. Es gelingt nicht, aber ich spüre, dass ich Oberwasser bekomme. Haha! Ein anderes Leary-Fragment taucht plötzlich auf: They are your own thoughts in frightening aspect. They are old friends.

Und völlig unerwartet verschwinden die schrecklichen Visionen und andere, friedvollere treten an ihre Stelle.



Von hier an muss in Fragmenten erzählt werden, da der Autor einzelne Erinnerungen nicht mehr mit Bestimmtheit zeitlich einordnen kann.



Fragment 1:

Ich liege im Bett, bis an den Hals zugedeckt, mein Kopf ruht auf zwei Polstern. Ich bin verwirrt und ängstlich, fühle etwas, das leichte Übelkeit sein könnte. Die Wand zu meiner Linken beult sich enorm aus, reicht bis weit ins Zimmer hinein. Farbige Texturen liegen über allen Gegenständen.



Fragment 2:

Meinen Oberkörper gegen die Wand gelehnt, schaue ich ins Halbdunkel meines Zimmers. Dann schließe ich die Augen und sehe stark sexuell aufgeladene Visionen von Frauen, die ich begehre; denen ich jedoch aufgrund meiner von mir selbst gewollten Ausschließlichkeit in Bezug auf meine Freundin im Moment nicht nachstelle. Ich fühle mich dabei keineswegs erregt. Noch immer ist mir mein Zustand unangenehm, ich versuche mich abzulenken, indem ich über Treue nachdenke. Ich werfe einen Blick auf die Uhr: 00:35



Fragment 3:

Im Zimmer bewegen sich Schatten, meine Visionen beunruhigen mich wieder. Ich nehme mein Mobiltelefon zur Hand und sehe mir die Bilder an, die ich im Verlauf des letzten halben Jahres mit der Handycam gemacht habe. Die Gesichter vieler lieber Bekannter tauchen auf. Sie verändern sich nicht im geringsten, es ist, als ob ich sie völlig nüchtern betrachten könnte. Ich schließe daraus, dass sie Verbündete gegen die Furcht sind und halte das hell erleuchtete Handydisplay (mit einem Foto meiner Schwester) hoch über meinen Kopf. Ich sehe mir alle Bilder mehrmals an und fühle mich deutlich besser.



Fragment 4:

Ich sitze aufrecht im Bett und wiederhole immer wieder laut die Fragen: "Wer bin ich?" - "Was will ich im Leben?" Ich versuche herauszufinden, warum ich in der Vergangenheit bestimmte Dinge getan oder nicht getan habe. Ich fühle unendliches Bedauern über einen gewissen Vorfall mit einem Mädchen vor vielen Jahren und gestehe laut meine Schuld ("Ich habe einen Riesenblödsinn gemacht, vergib mir bitte"). Ich weine, obwohl ich mich emotional gar nicht übermäßig affiziert fühle. Ich rede weiter mit mir selbst. Meine Stimme klingt recht normal, finde ich. Dann übermannt mich wieder der Ich-Verlust. Ich kenne mich nicht mehr.



Es ist unmöglich treffend in Worte zu fassen, was dann geschieht. Ich wage eine Annäherung:

Ich spüre, dass etwas unglaubliches passieren wird, aber meine Gedanken sind leer. Ein Welle aus Lebensenergie erfasst mein Bewusstsein und fließt durch mich hindurch. Der geistige Aufprall ist so stark, dass mein Körper willenlos nach hinten in die Polster fällt. Eine gewaltige Energiewelle betäubt meine Ohren, aber ich bin längst woanders: Ekstatischer Teil eines alten, unerklärlichen Energiefelds, Teil des einen Lebensstroms, an dem alle teilhaben. Ich treibe ... irgendwo regt sich ein einzelner Gedanke, der nicht fassen kann, was hier geschieht; verstummt aber sofort wieder ... ich treibe weiter ... Zeit ist bedeutungslos, Raum ist bedeutungslos, Leben und Tod ist dasselbe.

Die Rückkehr in meinen Körper war ein wohliges Erlebnis und von höchster Euphorie geprägt. Ich lag eine Viertelstunde einfach da und genoss es, zu existieren.



Nach dieser Peak-Erfahrung kann ich mich an keinen einzigen Rauscheffekt mehr erinnern (außer der Unfähigkeit, anhand der Uhrzeit einzuschätzen, wieviele Stunden seit der Einnahme vergangen waren). Ich war vollkommen gelöst und entspannt. Ich holte Aurora aus dem Nebenzimmer, wo meine Freunde bereits schliefen, und besprach um halb drei Uhr morgens ein paar persönliche Dinge mit ihr, die ich nach meinem Erlebnis unbedingt mitteilen musste. Später schliefen wir gemeinsam für kurze Zeit ein, ich erwachte aber bald wieder und ging in die Küche, um Popcorn zu essen. Dort traf ich auf Bettlektüre, der ebenfalls einen spätnächtlichen Imbiss zu sich nahm. Ich machte einige ungenügende Versuche, mein Erlebnis in Worte zu fassen, ging aber bald wieder schlafen.



Am nächsten Morgen brachte ich Bettlektüre nach Hause. Ich brauchte den gesamten Tag, um mein Erlebnis ansatzweise zu verarbeiten.

Später habe ich bei Leary eine Stelle gelesen, die sehr gut beschreibt, was ich am Höhepunkt des Rausches erlebt habe:

The first flash of experience usually produces a state of ecstasy of the greatest intensity. Every cell in the body is sensed as involved in orgastic creativity.

One of these might be called "wave energy flow." The individual becomes aware that he is part of and surrounded by a charged field of energy, which seems almost electrical. In order to maintain the ego-loss state as long as possible, the prepared person will relax and allow the forces to flow through him.