Tripbericht lesen

Übersicht:

Titel:Fliegen, auf dem Rücken des Lebens
Drogen:Mischkonsum von Fliegenpilz, Cannabis und Lachgas (Reihenfolge vom Autor festgelegt)
Autor:ehemaliges Mitglied
Datum:24.04.2016 05:50
Set:Absolut neutral, so nach dem Motto mal schauen was draus wird.
Setting:Alleine zuhause in meinem Zimmer.
Nützlichkeit:8,95 von 10 möglichen   (42 Stimmen abgegeben)

Bericht:

Dies,
eine einsame Abhandlung gelebter Erinnerungen,
gebe ich für euch her,
auf das ich damit dienen kann,
mir selbst und aller Schöpfung.


Prolog:
Es begab sich zu der Zeit, als noch alles geraucht, alles geschluckt, und alles gesnieft wurde was irgendwie "ballern" könnte. Obgleich die jugendliche Neugier mit Sicherheit ein großen Anteil an den Bestrebungen zum exzessiven Drogenkonsum hatte, so war es doch wie ich heute vermute, die allgegenwärtige Überdrüssigkeit des sozialen Drucks und die Unzufriedenheit mit der Welt, als wir instinktiv spürten, was für Qualen noch auf uns zu kommen sollten.


Der Einstieg:
Herbst 2005.
Ich, mit reichlich Cannabis-, Tabak- und Alkoholerfahrung, stieg gerade in die Welt der "cooleren" Drogen ein, die da Kokain, Pep, Pillen und alle möglichen und unmöglichen "Herbs" zu sein schienen. Meine Kumpels namen wie ich einfach alles. Auch Lachgaskapseln zogen wir an einem Abend mal 140 Stück mit 3 Leuten weg, um dann am grausigen Morgen die dröhnende Realität der ersten Handyvideobeweise auf uns einwirken zu lassen, wo zuckende, sabbernde Teenager sich für ein Paar Sekunden halb vom Leben lossagten.

Der Druck der Schule stieg immer weiter an. Dabei kamen die meisten sozusagen zur Vernunt und ließen das Unsinn-treiben bleiben. Manche jedoch, zu denen auch ich mich zählen sollte, wandelten den Stress und die Gewalt einer Großstadt-Hauptschule in immer größeres Verlangen nach immer stärkeren Substanzen und deren Verspechen auf temporäre Flucht um.

Tollkirsche hatte ich schon probiert, mit leidlichem Erfolg, ebenso wie dutzende andere leicht beschaffbare Dinge alá Muskatnuss, Damiana, Bilsenkraut, Petersilie und Co. Da sich die Potenz nicht an dem Umstand der Legalität oder der Beschaffbarkeit ablesen lies, war auch der Respekt vor z.B. Psilocybin nicht wesentlich größer als vor Alkohol. Natürlich sorgte das wiederum für Erfahrungen – oftmals schlechte Erfahrungen.

Ich brauchte etwas neues, geiles, was mich gleichermaßen "wegballerte", aber auch den Respekt innerhalb der Gruppe vergrößerte, jedoch ohne allzu teuer und illegal zu sein. Die Connections waren bescheiden, und das Taschengeld noch bescheidener. Wer hätte geahnt, das dieses ganze belangenlose, coole Gehabe schon bald ein Ende haben sollte.

Nach kurzer Suche im Web und der einfachen Verfügbarkeit wegen war der Fliegenpilz die Wahl der Qual. Trips zog ich noch völlig alleine durch, jedenfalls bei Halluzinogenen. Bei Pep oder Alk war das nie der Fall. Villeicht, so erkläre ich es mir heute, weil auf Halluzinogenen die eigene Persönlichkeit stärker mit denen der anderen Mittrippenden konkurierte, oder sich gestört fühlte. Trips alleine haben Vorteile. Wenn man Glück hat, so bekommt man von den Nachteilen nichts mit.


Der Trip:

11 Jahre ist das her. Ich habe mich verändert, damals und heute. Ganze Zivilisationen sind in mir aufgestiegen und wieder zerbrochen...

Ich hatte mir im letzten Rest natürlichem Fichtenwald ausserhalb der Stadt 5 Fliegenpilze gepflückt. 3 kleine, 1 mittleren und 1 großen. Der große hatte einen Hutdurchmesser von etwa einer DVD, die kleinen waren vollmundig glänzend und so groß wie ein Champignon, also noch rundlich und fast geschlossen.

Zuhause zog ich die rote Haut ab und schnitt die Pilze in etwa Centgroße Stücke. Ich vermischte die Stückchen aller Pilze, sowie die Häute, um Wirkungsschwankungen auszuschließen, und trocknete sie im Ofen für etwa 5 Stunden bei 50C°. Der Geruch war nicht besonders angenehm. Die ganze Bude stank nach feuchtem Leder und schimmligem Waldboden, und ich dachte, den Geruch würde ich nie wieder aus der Wohnung bekommen.


Große Feierlichkeiten oder Tripvorbereitungen wie man sie heute kennt waren nicht getroffen worden. Es war Samstag Mittag. Die Eltern 2 Tage weg, machte ich es mir auf der Couch gemütlich und rauchte kurzerhand die getrocknete Haut im Äqivalent eines der kleineren Exemplare in einer Glaspfeife.

Es war ein recht ekelhafter Geschmack. Kratzig, verbrannt und wie schleimige Schnecke im Hals. Eine direkte Wirkung konnte ich nicht feststellen. Ohne irgendwas zu tun, schweifte mein Blick im Zimmer umher. Nach 30 Minuten fing der Boden an zu schwanken und eine leichte Angst breitete sich in mir aus. 2 Minuten und ein wenig Kaltschweiss später war der Spuk auch schon vorbei. Zurück blieb ein kribbelndes Gefühl im ganzen Körper. Nicht allzu angenehm wie ich mich erinnere.


Jetzt wollte ich es aber doch noch wissen, was in der Frucht des Waldes steckt. Ich futterte etwa anderthalb Esslöfel der Pilzchips. Das kauen war anstrengend und die Masse zäh. Den absolut grässlichen Geschmack konnte ich mit Kirschsirup etwas betäuben, aber der Geschmack hing mir danach noch lange im Hals. Es war, als ob sich diese braunen Flocken gegen die Einnahme wehrten.

Jedenfalls dauerte es wieder etwa 30-40 Minuten, in denen ich im Internet über weitere Anwendungen dieses gepunkteten Kameraden recherchierte. Eim dumpfes Grummeln im Magen breitete sich aus. Ich hatte noch nichts gegessen um keine Wechselwirkungen zu riskieren. Soviel Vorsicht war dann doch noch vorhanden gewesen.


Nach knapp einer Stunde nach Einnahme schreckte ich zusammen. Mir war gar nicht bewusst gewesen das ich die letzten 20 Minuten auf den Bildschirm geschaut hatte ohne irgendetwas zu lesen oder zu klicken. Ich setzte mich auf mein Sofa, betrachtete den noch übriggebliebenen großen Pilz und begann, langsam zu verstehen, wiso gerade dieser Pilz halluzinogen für den Menschen war. Er war, durch seine chemischen Stoffe die in ihm schlummerten, befugt, mit dem Menschen auf eine andere Art materieller Verbindung zu sprechen.

Einen Apfel, den isst man und gut. Ein psychedelisches Gewächs isst man nicht, man kommuniziert mit ihm. Die Pflanze und der Mensch nutzen die Interaktion seltener chemischer Konstellationen, um einen Dialog führen zu können. Wie Kohlenhydrate uns Energie schenken und wir sie für uns zu nutzen, gibt uns das Gewächs Einblicke in andere Welten.

Ich fuhr erneut zusammen, ich dachte "wie geil ist das denn!?"
Ich freute mich riesig über den ersten Eindruck echter Vorteile von psychedelischen Erfahrungen, nämlich der Erweiterung des Verständnisses für Dinge, Lebewesen und Vorgänge. Eine andere Sichtweise wurde geschaffen, die sich von alleine so in der Art nie eingestellt hätte.


Die Zeit wurde langsamer. Kindergeschrei das durch mein schräges Fenster drang, brach sich in den unordentlich aufgehäuften Bergen von Unrat meines noch sehr pubertären Kinderzimmers in tausend verschiedene Wellen fast greifbarer Eindrücke. 1 Minute kam mir vor wie eine halbe Stunde. Blaue Lichter die sich in schneller Folge mit Rot abwechselten trübten meine Sicht.

Ich wusste aber immernoch sehr genau was passierte, obgleich ich nicht mehr wirklich im Stande war, die Geschehnisse zu beeinflussen. Ich saß einfach aufrecht wie ein braver Schuljunge auf meiner Couch und "erlebte".


Die Couch wurde breiter und begann an den Wänden rechts und links von mir zu lecken. Zwischendrinn sah alles völlig normal aus. Ich dachte das das zwar echte Open-Eye-Visuals sein müssten, die mir aber sehr einzigartig abstrakt vorkamen, wie eine besonders verstärkte Variante dieser Kreisel die man sich für 30 Sekunden angucken muss um das Gehirn auszutricksen.

Die Betondecke über meinem Kopf schien transparent und goss kühle Luft auf mein Gesicht herab. Erkenntnisse über die Kommunikation zwischen Mir und der Umwelt verstärkten sich jetzt auch. Der Pilz kommunizierte nicht nur mit mir, er ließ mich auch mit allem anderen sprechen. Die Decke erschien mir in diesem Moment als geeigneter Partner. Ohne einen Gedanken oder einen Satz zu formulieren, fragte ich nach der Bestimmung. Welcher Bestimmung und von was, weiß ich nicht mehr. Bestimmung hallte in meinem jetzt stadiongroßen, leerem Schädel wieder. Bestimmung, Bestimmung, Bestimmung....


Es prasselten Schachbretter auf mich nieder, die im Fall zerbarsten und wie ein Steinschlag, nicht enden wollend, den Planeten in Grund und Boden bombden. Das Rot und Blaue wellenförmige Flimmern untermalte die Stimmung mal kalt, mal warm, aber weder böse, noch gut. Ein Gefühl der euphorischen Macht, diesen zustand nicht kontrollieren zu müssen, ließ den Trip von bis dahin verstörend und neu in angenehm und unglaublich wohlwollend verändern. Mein Körper war unwichtig, der Verstand alles. Das wabernde Zimmer, meine körperlose Wahrnehmung und der Pilz bildeten ein besonderes Trio.


Die Visuals klangen rasch ab, der Trip veränderte sich und wandte sich wie zu Beginn wieder dem Verstand zu. Ich habe keine Ahnung wie viel Zeit vergangen war. Ich weiß noch, das ich völlig automatisch etwas Gras geraucht habe. Ohne Erinnerung oder Verhältnis zur Zeit kann ich keine genauen Angaben machen. Es muss Ewigkeiten gedauert haben, sich dann auch noch einige Lachgaskapseln genussfertig zu machen. Jedenfalls erinnere ich mich, wie ich aus dem Fenster blickte und die Welt hinter dem beim ausatmen immer größer werdendem Ballon verschwand. Alles begann zu verschwimmen. Ich setzte mich wie im Traum auf den Boden. Was jetzt kommt, ist ein diffuses Gefüge niedergeschriebener Notizzen, Erinnerungen und Kommentare.

Wie tief man sich auch vom Dasein löst, oder durch eine wunderschöne Welt taumelt - auf der Suche nach Antworten und Erkenntnissen, so ernüchternd bleib die reine gefundene Wahrheit. Die Wahrheit, das man schlicht immer im Orbit des Seins verbleiben wird, und das Gefühl des Wiederstands gegen die Auflösung des Körpers nie ganz weichen mag. Man muss dieses Gefühl akzeptieren und nicht dagegen ankämpfen. Der Körper bildet das Gefäß für die Seele, die Erfahrung bedingt eine materielles Sein. Es gibt keine Grenze für unseren Geist, jedoch für unseren Körper. Sollte der Tod wirklich diese Verbindung lösen? Uns befreien vom Er-Leben des Lebens?

Leben - Eine Pause der ewigen Stille, ein Abenteuer zwischen der Ruhe des Nichts.

Vielleicht blickt gerade wer oder was auch immer von Oben auf uns nieder, mit der selben instinktiven Gewahrheit, die auch die Menschen umgibt, wenn sie wissen das es keinen Sinn hat, einem Käfer zu erklären warum die Sonne leuchtet.

So erbärmlich ernüchternd und wenig fruchtbar sich diese Realitäten mir auch offenbarten, so erleuchtete mich doch gleichzeitig mit aller Kraft die Phantasie, welche Perspektiven möglich sind. So klein und engstirnig kommt mir all unser Verstehen vor, so riesig das Potenzial für Besinnung unserer selbst.

Ich weiß nicht wann ich sterbe oder wann ich lebe. Wir bestimmen uns durch Gefühle, erleben, lieben und erliegen dieser Welt. Die Grenzen verschwimmen, es gibt keine festen Regeln. Keine Gesetze oder Bedingungen, die Perspektive bestimmt alles, alles was wir für richtig oder falsch erachten, für möglich oder unmöglich, für gut oder schlecht.

Mangels Vergleichsmöglichkeit höherer Intelligenzkomplexizität sehen wir uns als das Maximum der verstehenden Materie an. Unser Verstand rebelliert bei opulent gestrickten Zweigen chaosgenerierter Strukturen.

Ich definierte mich neu. Der Raum, die Zeit und meine Existenz war ein Mosaik aus Emotionen, denn was sonst als Emotionen beeinflusst unser Wahr-nehmen?

Es singt, es fleht, es schreit mich an,
es liebt, es trägt und bleibt an mir dran.


Der Erfüllung nahe standen wir zusammen. Du führtest mich langsam hoch, gen Himmel.
So edel schien mir die Lage des Seins. Warum hast Du aufgegeben, warum mich aufgegeben?
Ich war schwach und konnte nicht gefährden, was Du auch immer wolltest auf Erden.


Befremdliches, dramatisches Denken verschlingt alle konstruktiven Bestrebungen,
lässt Emotionen walten, und meinen Verstand erkalten. Trompeten klingen wie durch Nebel in meinen Ohren.
Ein Brummen hüllt mich ein.


Hinter meinen Augen, ein großes dunkles Meer voller Tränen. Genug Trauer für die ganze Welt.


Plötzlich tauchte ich wie ein Delfin aus einem Meer aus Alkaloiden auf.
Ich war mittlerweile in liegender Position. Mein erster klarer Gedanke war "Mann, scheiße, heftig", gefolgt von Ehrfurcht und einer Art Reue, den Wert Drogeninduzierter Erkenntnisse nicht schon bei früheren Trips erkannt zu haben. Hatte ich jemals wertvolle Erkenntnisse bis zu diesem Trip erhalten? Warum war gerade dieser Trip so überwältigend und tiefsinnig gewesen? Was verstand ich überhaupt unter "wertvoll", und hatte ich meine eigene Definition dafür gefunden?


Meinen Kumpels erzählte ich später von diesem Trip, aber erstens wurden es immer weniger Leute die sich für halluzinogene interessierten und lieber auf "Partydrogen" abfuhren, und zweitens kann man so eine Erfahrung in dem Alter selbst fast gar nicht richtig verarbeiten, geschweigedenn konstruktiv an Gleichaltrige weitergeben. Ich war halt noch nie der Typ, der Assi-Gangsta-Rap hört um sich 90% seiner Freizeit im Club aufzuhalten und nur von Burgerking und Speed zu leben. Jedem das seine, aber das war nicht das Meine. Von daher brachten mich die Halluzinogene weg vom rumlungernden Habback auf einen anderen, ich würde sagen, kognitiv erweiterten, ruhigeren und vor allem sozial zurückgezogerenen Weg, immer auf der Suche nach mir selbst.

Es hat etwas beruhigendes, sich etwas sicher zu sein. Meinungen und Ansichten alle gleichzeitig respektieren zu können, und doch seinen eigenen Standpunkt zu verfestigen, das machen die wenigsten. Intolleranz ist nicht immer gleich Ignoranz.


Es war zwar nicht mein erster oder letzter Trip, aber da mir dieser als erster die Tür zum Sinn einer Substanzeinnahme zeigte, behielt er doch einen wichtigen Platz in meinem Herz. Spätere Trips auf anderen Substanzen bauten gewissermaßen darauf auf und vertieften das Verständnis für das mystische, die Natur, und vor allem, die Kommunikation zwischen allem was ist und allem was man fühlt.



Erwartet nicht mehr als den tiefsten Abgrund, aber blickt demütig auf jeden Berg.
Peace!