Tripbericht lesen

Übersicht:

Titel:Die falsche Abzweigung
Drogen:Mischkonsum von Ecstasy und Cannabis (Reihenfolge vom Autor festgelegt)
Autor:souljacker
Datum:21.08.2016 20:34
Set:Aufgeregt wg. bevorst. Praktikum, voller Vorfreude u. ein bisschen verliebt ins Leben u. in sie
Setting:Elektro Festival mit Freuden und vielen anderen lieben Menschen
Nützlichkeit:8,29 von 10 möglichen   (24 Stimmen abgegeben)

Bericht:

Freitag, etwa 9 Uhr abends.

Wir sitzen zu sechst in der Wohnkabine unserers Zeltes und stoßen mit unseren Heißenberg Teilen auf einen glorreichen Abend an, auf das was kommen mag und auf das, was uns in dieser verwunschenen Nacht noch alles erwarten möge. Die Stimmung ist ausgelassen und heiter. Die Vorfreude riesig. Endlich geht es richtig los. Endlich sind auch alle Stages offen und bereit von uns betanzt und bestampft zu werden. Wir reißen uns am Riemen und schälen uns aus der trunkenen, familiären Stimmung des Zeltes. Wenn wir jetzt zu lange warten, kommen wir hier nicht mehr raus. Also los. Auf zur Musik. Auf in den warmen Rausch der kühlen Nacht. Auf zum guten Leben.

Am Tag zuvor bin ich voller Vorfreude auf mein Lieblingsfestival angereist. Wie oft war ich hier schon? Wie viele magische Momente und Erinnerungen schwirren in meinem Kopf umher? Keine Ahnung. Ich hab irgendwann aufgehört zu zählen. Auf jeden Fall schon einige Jahre mittlerweile.

Ich weiß noch beim ersten Mal, meinem ersten Electro-Festival überhaupt, wie wir uns wahnsinnig gut mit unserem Nachbarn über seinen Job als Justizvollzugsbeamten unterhalten haben. Hier erlebte ich meinen ersten LSD- Rausch. Also falls man diese Mischung aus einer halben Pappe mit 20 mg Miprocin als LSD-Rausch bezeichnen kann. Also geplant war das so ja nicht. Ich dachte die Pappe wirkt nicht und habe nach einer Stunde das Miprocin genommen. Zur Sicherheit. Vorsichtshalber. Tja. Genau in dem Moment, als ich die Kapsel schluckte, bemerkte ich, wie sich meine Umgebung veränderte. Die Farben begannen heller zu leuchten, zu pulsieren, ja, letztendlich zu strahlen. Ich war geblendet von der Schönheit unserer Welt. Ich konnte kaum hinsehen, so groß war das Glück, das mich beim Anblick der Natur überschwappte. Fette Riesenhummeln schossen wie ein Düsenjet an mir vorbei und hinterließen einen langen, langsam verblassenden Schweif am Himmel. Zoooooom. Zoooom. Zooooooom. Die ganze Luft war am brodeln und brutzeln. Alles blubberte, verfloss, durchströhmte sich und wurde zu einer allumfassenden Einheit. Die Einheit der Realität des Lebens. Ich hab sie gesehen.

Oder im zweiten Jahr, als ich von ganz lieben Hippies MDMA bekommen habe und zum ersten Mal diese Substanz zu mir genommen habe. Ich dachte mir, naja, das werden kaum 500 mg sein, ist bestimmt ein bisschen weniger. Also nimmst du mal vorsichtshalber ein bisschen weniger als die Hälfte, das müsste dann auf jeden Fall reichen. Zur Sicherheit. Vorsichtshalber. Nach zwanzig Minuten wurde ich von dem größten Gefühl von Glück und Euphorie erschlagen. Ich saß mit fettem Grinsen in meinem Campingstuhl und konnte mich keinen Millimeter mehr bewegen. Es drückte. Es drückte so sehr, dass ich teilweise kurz vor dem Kotzen war. Also nicht das es mir schlecht ging. Nur körperlich war ich nicht weit vom Kollaps entfernt. War dann halt doch einfach eine massive Überdosis.

Nach weiteren 20 Minuten hatte sich die Wirkung auf absurd hohem Niveau endlich eingependelt und stieg nicht noch weiter an. Puh. Ich stand auf und wuselte mit meiner Gitarre planlos über den Zeltplatz. Plötzlich saß ich am weichen Boden mit zwei lieben Menschen, ich spielte ein Lied und wir grölten uns die Seele aus dem Leib. Liebe. Zack. Plötzlich sitze ich auf einer Bierbank unter einem Pavillon bei komplett anderen, neuen Menschen. Der Großteil der Gruppe war in dem Moment gerade im Aufbruchsmodus, aber dieses eine unfassbar schöne Mädchen schaute mich mit großen Augen an und ich grinste mit riesigen Tellern irre zurück. Sie fand mich interessant, sie war voll in meiner Aura drin, in meinem Film. Jetzt wo ich darüber nachdenke. Wahrscheinlich war sie einfach auch auf Emma. Nein. Das ist Quatsch. Sie war mit Sicherheit fasziniert und völlig eingenommen von meiner unfassbar magischen Ausstrahlung. Ich stammelte wild vor mich her (Zu diesem Zeitpunkt war ich der Sprache noch nicht wirklich mächtig) und sie interessierte sich auf süße Art und Weise total für mich. Leider haben wir uns dann verloren. Ich wollte kurz zurück zu meinem Platz checken, um von meinem kleinen Ausflug über den Campingplatz zu erzählen. Als ich zurück kam war sie nicht mehr da. Sie ist dann wohl doch vor. Ich sah sie nie wieder. Einer der intensivsten Flirts meines Lebens. So flüchtig, so rein. Es waren vielleicht fünf Minuten in Erdenzeit, die wir uns begegneten, aber in meiner Welt habe ich ein Leben mit diesem Mädchen zusammen gelebt. Die Euphorie war allgegenwärtig. Eine große Familie.

In den Folgejahren folgten weitere unfassbar schöne Ausflüge zu diesem ganz besonderen Ort. Es wurde immer recht viel konsumiert, aber ganz ehrlich, warum auch nicht. Das Festival und die Menschen dort eignen sich einfach perfekt dazu, die tolle Erfahrung mit bewusstseinserweiternden Substanzen zu verstärken. In diesem Jahr freute ich mich mehr denn je auf das große Fest. Wegen Klausuren konnte ich nicht auf die Fusion und musste mein Ticket wieder abgeben. Das trug nur noch mehr dazu bei, dass ich es kaum erwarten konnte meinen Kopf zu leeren und mein Herz zu füllen. Am Donnerstag tanzten wir uns schon ein bisschen warm bei der einzigen Stage, die schon ihre Tore gegen Abend geöffnet hatte. Am Freitag waren wir erholt und frisch und der Rest unserer kleinen Zeltstadt an. Alles war bereit. Es konnte losgehen.

Samstag, etwa 9 Uhr morgens.

„Der Unterschied ist, das wir den gestrigen Abend schon aus der nüchternen Perspektive betrachten und du halt noch nicht. „
„Was zum Teufel? Hat sie das gerade wirklich gesagt? Scheiße. Denk nach. Komm schon. Erinnere dich an den Moment vor wenigen Sekunden. Ja, sie hat es klar und deutlich gesagt. Fuck. Was ist denn mit ihr los? Meint sie das ernst? Fuck. Scheiße, sie redet ja die ganze Zeit weiter. Ich hab völlig den Faden verloren. Besser ich verlasse diese seltsame Situation erstmal, ich komm gar nicht mehr mit. Mein Kopf glüht und meine Gedanken rasen. Ich stolpere zum nächsten Dixi und hinterlasse einen verstörten Blick, bei jedem der mir entgegenläuft. Alle sehen mich so seltsam an, ich schaue in ihre Augen und sehe sie trotzdem nicht. Leere Augen starren mir entgegen. Ich bin auf dem Dixie. Puh. Fuck. Was ist gerade passiert. Pissen. Los. Funktioniere. Mein gesamter Unterleib ist total verkrampft und ich bekomme keinen Tropfen heraus. Ich schaue durch die Luftschlitze des Dixis und höre außen tausend Stimmen. Beobachten sie mich? Sind sie mir gefolgt? Wie lange läuft das schon? Fuck, bewegt sich das Dixi? Ich bin mir sicher, dass es gerade gefahren ist. Wird das Dixi gerade abtransportiert? Fuck, du weißt, dass das absoluter Bullshit ist. Aber es fühlt sich so echt, so real an.“


Diesen letzten Satz dachte ich noch viele Male in den kommenden Stunden. Am Zeltplatz wieder angekommen signalisierte ich einer Freundin, dass ich schlafen gehen will. Wir machten uns wortlos auf ins Zelt und legten uns in. Wir hielten unsere Hände und lagen gegenüber voneinander. In dem Moment, als ich im Zelt war, lauschte ich den Gesprächen, die außen am Zeltplatz vor sich gingen. Meine Freunde und Bekannte redeten. Sie redeten über mich. Sie redeten schlecht über mich. Es war alles eine große Show, in der ich die Hauptattraktion war, der grottigste Schauspieler in einem Film, der unlustigste Clown der Menscheit, das beschissenste Exkrement der Schöpfung. Ein Fehler im System, potentieller Darwin-Award Gewinner und Preisträger des goldenen Stücks Scheiße. Ich fühlte mich so unendlich schlecht. Der Schock lies zunächst sogar keine Tränen zu, aber sie kamen, irgendwann kamen sie in Strömen. Mir ging es hundeelend.

Im Endeffekt machten sie sich einfach die ganze Zeit auf eine abscheulich verletzende Art und Weise über mich lustig und verspotteten meinen ganzen Charakter und meine Persönlichkeit, teilweise mit Informationen, die nur ich wissen konnte. Ich hörte, wie sie Gesprächsfetzen, Zitate, von mir abspielten, in denen sie mich wie den letzten Idioten dastehen ließen. Zwischenzeitlich switchte die Situation und ich war Teil einer großen Reality Show, die Reality Show meines Lebens, über die sich höhere Wesen lustig machen. Sie sahen sich es als trashiges Abendprogramm im Fernseher an, wenn sie mal Lust hatten sich ironisch über jemand lustig zu machen. Ein weiteres Szenario war, das sie alle Teil einer Spezialeinheit waren, einer Art Polizeisekte vom aller übelsten Format. Ich hatte Angst, dass sie mir was antuen wollen. Ich hatte Todesangst. Und manchmal waren es einfach nur meine Freunde, die aber nur mit mir abhangen, weil ich ein echt guter Witz bin, jemand über den man sich nach kurzer gemeinsamen Zeit wochenlang amüsieren kann.

Ich steigerte mich immer mehr in die akustischen Halluzinationen hinein. Auch heute noch, zwei Wochen später, weiß ich nicht, wie viel davon wirklich komplett halluziniert war und wieviel vielleicht wirklich geredet wurde und ich es nur völlig verquer aufgenommen hatte, als negative Aussage, als subtile, um die Ecke Gedachte Beschimpfung oder Beleidigung. Dabei war es vielleicht ganz harmlos. So hatte es ja auch angefangen. Ich hatte die Aussage einer Freundin völlig falsch eingeschätzt. Es war ja einfach eine Tatsache ohne Wertung, das sie nüchtern waren und ich noch drauf. Nichts schlimmes dabei. Sie hat ja nicht noch „… du scheiß Junkie“ dazu gesagt oder so. Aber es hat sich für mich in dem Moment so unfassbar eindeutig danach angehört. Es war absolut psychotisch, schizophren und das realisierte ich währenddessen auch. Ich hatte Angst davor, meinen Verstand zu verlieren, verdammte Scheiße es gab Momente in diesen etwa 30 Minuten im Zelt, da war ich mir sicher, dass ich es dieses Mal zu weit getrieben hatte, dass ich zu sehr auf meine geistige Gesundheit geschissen habe und nun die Rechnung dafür bekomme. Eine Pforte zu weit durchbrochen. Ein Ticket gelöst, für dass es keine Rückfahrt mehr gab. Mein ganzes Leben machte keinen Sinn mehr in diesen Momenten. Es waren die schlimmsten 30 Minuten meines Lebens.

Im Zelt versuchte ich ständig mit der Freundin Blickkontakt aufzunehmen, aber ich konnte auch in ihren Augen keine Verbindung zu meinem Geist herstellen, ich wollte sie fragen, ob sie das auch hörte, hatte aber zu sehr Angst davor, das ich gehört werden könnte, oder dass ich völlig durchdrehe, weil sie es nicht hörte. Es war eine absolute Sackgasse, mein ganzer Körper war gelähmt, ich täuschte vor zu schlafen, obwohl die Menschen draußen genau wussten, dass ich nur so tue. Ich war völlig hilf und schutzlos dieser ganzen Freakshow in meinem Kopf ausgeliefert und es führt kein Weg aus diesem Wirrwarr heraus. Bis eine sehr gute Freundin dann endlich kam, der ich mich öffnen konnte, was mir unfassbar schwer fiel. Ich war ja noch voll akut in der Situation, in der sie auch eine tragende Rolle der Verschwörung für ein paar Minuten übernommen hatte. Nach und nach erzählte ich ihr davon, Stück für Stück, eins nach dem andern. Je mehr ich redete, desto mehr weinte ich. Die Tränen platzten aus mir heraus. Ich war fix und fertig, merkte jedoch auch, dass die Liebe und Zuneigung der Freundin, ihr Verständnis, ihre Geduld und ihre Offenheit mich Stück für Stück beruhigen konnten. Die bösen Gedanken und Gefühle verflüchtigten sich immer mehr im Hintergrund. Ich merkte, wie mein Verstand langsam wieder zurückkam. Ich wurde von einem Anker an Freundin wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt und schöpfte neu Hoffnung. Vielleicht war doch nicht alles so schlimm gewesen.

Hier merkte ich deutlich, dass ich bereits voll dabei war, das Erlebte zu verdrängen. Jetzt, zwei Wochen später ist es nicht mehr als ein böser Traum, ein unfassbar schlechter Trip, ein extrem fieser Film. Bereits währenddessen dachte ich mir ab und zu, dass ich das alles hier Erlebte verdrängen muss, falls ich jemals wieder klare Gedanken fassen will und genau das habe ich auch getan. Wie ein Schutzreflex des Verstands, eine Selbstschutzmaßnahme des Körpers oder vielmehr noch des Geistes. Ich dachte mir, dass ich diese Gefühle nicht wieder zulassen darf, also darf ich sie auch nicht noch einmal durchleben. Genau das wollte ich aber zumindest in schriftlicher Form noch einmal tun, um es besser zu verstehen und zu begreifen und am Ende einfach besser einordnen zu können. Es hat nicht funktioniert. Ich stoße auf Wände in meinem Gedächtnis, Mauern in meiner Wahrnehmung. Mauer, die die Realität vom Wahn fernhalten und bestimmen, auf welcher Seite sich mein Verstand befindet. Ich kann mir noch ungefähr vorstellen wie schlimm es war, sich die Frage zu stellen, ob es besser wäre, wenn meine Freunde wirklich so abgefuckte Arschlöcher sind oder ich nur den Verstand verloren hätte und mir alles nur einbildete. Beides keine sonderlich ansprechenden Optionen. Aber das ganze Ausmaß der Grausamkeit, die sich in meinem Kopf abspielte kann ich nicht mehr begreifen und das ist auch gut so. Wie Gefühle, die niemals gefühlt werden sollten.

Der Abend zuvor war phänomenal gut. Geblieben sind Erinnerungen von riesigen Kuschelhaufen zu geschmeidigem Electro und wildem Gruppenrumgeknutsche. Wow. Es war animalisch gut und hat sich auch genauso gut angefühlt. Aber am Ende war es ja doch nur ein wunderschöner Abend, nicht mehr und nicht weniger. In ein paar Jahren werde ich davon eine schöne Geschichte erzählen können. Aber was ich im Zelt erlebte schockierte meine gesamte Weltsicht so sehr, dass ich den Glauben an eine sinnvolle Zukunft meines Lebens völlig verloren hatte. Am Ende sah ich ein, dass ich maßlos übertrieben hatte, dass wir alle übertrieben hatten. Das war nicht notwendig, den Turn so lang in die Länge zu ziehen. Das erst Mal nachlegen war eigentlich schon vollkommen überflüssig und das wusste ich in dem Moment auch, aber es war mir egal. Ich wollte übertreiben. Es war die eine große Party dieses Jahres, auf die ich mich schon so lange freute und mein bevorstehendes vier wöchiges Praktikum am Montag nach dem Festival machte die ganze Sache nicht weniger verführerisch, noch einmal richtig zu feiern, bevor der Ernst des Lebens einkehren sollte. Arbeit, Zukunft, Perspektive, Leben, Familie, Liebe. Der Ernst des Lebens ist jetzt da. Und sie ist wunderschön. Vielleicht habe ich diesen Powerpunch ist Gesicht noch einmal gebraucht, um zu sehen, was ich an ihr habe.

Ich lernte sie Anfang Mai kennen und mein Leben ist seitdem auf so vielen Ebenen bereichert und gefüllt, dass ich glaube, dass ich glauben will, dass das nun vielleicht Liebe ist oder ich zumindest meine Vorstellung von Liebe endlich begriffen habe. Liebe ist eine Entscheidung. Und ich habe mich entschieden. Keiner weiß, was in einem Jahr ist, was in fünf Jahre ist. Aber man wird es auch niemals herausfinden können, wenn man es nicht wagt zu probieren sich auf die gemeinsame Zukunft zu freuen und voll aufeinander einzulassen. Jetzt komme ich gerade schon wieder von einem wunderschönen Festival mit ihr zusammen zurück und habe es endlich geschafft, hier weiterzuschreiben. Es hat zwei Wochen gedauert, das Erlebte auch nur annähernd zu verarbeiten.

Alles ein bisschen wirr geworden hier. Aber egal. Wirr passt dazu.

Die Zeit für Veränderung ist gekommen.