Tripbericht lesen

Übersicht:

Titel:Der Dschungel in meinem Kopf: Von Schlangen zu fliegenden Tischen
Drogen:Ayahuasca
Autor:MadeOfLove
Datum:28.01.2018 01:41
Set:nervös, naiv und gänzlich unerfahren mit Psychedelika...
Setting:Cusco, Peru: Zimmer im Haus eines guten Freundes, der die Zeremonie organisiert hat.
Nützlichkeit:9,18 von 10 möglichen   (11 Stimmen abgegeben)

Bericht:

Fand ich Ayahuasca oder fand Ayahuasca mich? Und ist die Antwort nicht in beiden Fällen die gleiche?
Heute (sechs Monate nach der Zeremonie) wundert es mich, dass ausgerecht ich und ausgerechnet Ayahuasca uns gefunden haben. Vorher hatte ich abgesehen von oralem und gerauchtem Marihuana noch keine psychedelischen Erfahrungen gemacht, aber schon von Ayahuasca gehört. Erst zwei Monate davor hatte ich angefangen, mich für die Möglichkeit dieser Erfahrungen zu öffnen. Mit etwas Naivität beschloss ich, offen für die Erfahrung zu sein, falls sie sich ergeben würde, aber dennoch nicht danach zu suchen. Und wie sie mich fand, wie sie mich fand! Mich Fand und umarmte und nicht mehr losließ und verschlang und mir zeigte, dass ich schon immer Teil von ihr gewesen war. (Dies ist allerdings eine Einsicht aus meiner zweiten Ayahuasca-Zeremonie, zu der es hier auch einen Tripbericht gibt: "Im Schoß der Mama Ayahuasca".)
Ich wohnte für ein Auslandssemester in Cusco, Peru, bei einem Paar Mitte dreißig. Er Peruaner, sie Engländerin, Besitzer des veganen Restaurants Green Point. Kaum ein paar Stunden war ich da, schon setzte sich Mama Ayahuasca an den Tisch und verkündete mit einer liebenden und doch unnachgiebigen Stimme, dass ebenjene Menschen, mit denen ich zusammenwohnte, Ayahuasca- und San Pedro Zeremonien anboten. Und eine Woche später fand sie dann statt.
In den Tagen davor gelang es mir langsam, mich mit dem Gedanken anzufreunden, schon am Samstag an einer Zeremonie teilzunehmen. Ich hatte das Gefühl, dass es soweit war. Das Universum, Mutter Erde oder wer auch immer bat mir die Möglichkeit, die vielen verwirrenden Gedanken, Gefühle und Erkenntnisse der letzten Wochen zu ordnen und meine mentalen Barrieren zu überqueren.
Am Morgen des Tages, an dem die Zeremonie stattfinden sollte, bin ich früher aufgewacht als gewollt. Eine in den vorigen Tagen nicht gespürte Aufregung machte sich in mir breit. Ich wusste, dass Ayahuasca selbst innerhalb der psychoaktiven Substanzen eine ganz eigene Erfahrung werden würde, deren Ausmaß ich nicht einmal erahnen konnte. Ich war sogar kurz davor, doch wieder auszusteigen, weil ich mir unsicher war, ob Ayahuasca für den Anfang wirklich so eine gute Idee war. Doch bald erfasste mich eine Art Resignation – das Wissen, dass ich jetzt einfach akzeptieren musste, was das Leben mir geben wollte.
Um mich mehr mit mir selbst zu verbinden, meditierte ich am späten Nachmittag, bis der Schamane um 20:30 Uhr zu uns nach Hause kam. Die Musik und das Kaleidoskop-Video hatten mich zusammen mit der Meditation seltsam ruhig gestimmt.
Wir hielten die Zeremonie in einem großen Raum. Auf der linken Seite waren jeweils zwei Matratzen mit dem Kopfende an die beiden gegenüberliegenden Wände gelegt. Zwischen den Matratzen waren Läufer ausgebreitet wie heilige Wegweiser. Neben den Matratzen stand jeweils ein Eimer, eine Rolle Klopapier, eine Flasche Wasser und eine Flasche mit einer Art Agua Florida (eine Art Blumenparfüm), das erfrischend und gut gegen Übelkeit wirken sollte und dessen Geruch einen wieder etwas zurück auf den Boden holt. Auf der rechten Seite waren auf einem Teppich und einem Tisch allerlei Dinge ausgebreitet: Kristalle, Statuen, riesige Räucherstäbchen und Instrumente. Neben dem Tisch stand ein Heizpilz, der eine angenehme Wärme gegen die Kälte in den Anden verbreitete. Vor dem Tisch lag eine weitere Matratze, auf der der Schamane Platz nahm.
Nach einem kleinen Gebet, in dem wir Pachamama (Mutter Erde) um die kommende Erfahrung baten, wurden wir (die beiden, bei denen ich wohnte, und eine Freundin von ihnen) einzeln nach vorne gerufen, um den Trank aus einem kleinen Tonbecher zu trinken. Er schmeckte bitter und leicht süßlich, wie grüner Tee, der zu lange gezogen hat. Anschließend legten wir uns hin und mummelten uns in unsere Decken ein.
Etwa eine halbe Stunde lang herrschte Stille und nichts passierte. Dann hatte ich das Gefühl, dass ich etwas andere Gedanken hatte als normalerweise und ich bekam leichte CEVs. Dennoch war ich mir nicht sicher, ob das dem Trank zu verdanken war, da ich öfter beim Einschlafen komische Gedanken und Visuals habe.
Als der Schamane jedoch zu singen begann und rasselte, setzte mein Kickstart in die Psychedelika plötzlich und sehr stark ein: Mama Ayahuascita (eine Verniedlichung) packte mich und zog mich in den Boden. Mein Kopf brummte und ich hörte eine Art Klingeln. Es fühlte sich genauso an, wie wenn man kurz vorm Umkippen ist. Dann explodierten geometrische, braune Muster vor meinen Augen und ich sah verschiedene Gegenstände vor meinem inneren Auge durch die Gegend fliegen (Tische, Schlangen, etc.). Ich lachte leise vor mich hin und musste mich zusammenreißen, nicht laut loszulachen. Ich wusste nicht einmal, woher das Lachen kam oder was so witzig war. Auf einmal nervte mich die Musik, es war alles zu viel. Mir wurde immer kälter, obwohl ich rational wusste, dass es nicht kalt sein konnte, weil ich so dick eingepackt war. Ich wollte, dass es aufhört und wusste nicht, wie ich liegen sollte, weil jede Stellung unangenehm war. Die ganze Zeit ermahnte ich mich loszulassen und nicht gegen die Pflanzen zu kämpfe, doch das war leichter gesagt als getan.
Nach einer Stunde kam der Schamane zu mir und fragte mich, ob ich etwas fühlte und ob ich einen zweiten Becher wollte, den ich ablehnte.
Ab da bewegte ich mich immer wieder zwischen dieser visuellen Welt und der Realität, in der ich mich erfolglos wand, um eine gemütliche Position zu finden. Mir wurde immer schlechter, doch ich konnte mich nicht übergeben und wollte auch nicht so richtig. Ich konzentrierte mich auf meine Atmung, atmete tief ein und aus und merkte, wie schnell ich atmete. Ich fand mich erst in einem Urwald wieder, dann in der Realität, dann bei einem Vulkan, wieder zurück in die Realität und bewegte mich dann in einem türkisblauen Gewässer am goldenen Sandboden. Das Licht fiel durch das Wasser, Blasen stiegen um mich auf und seltsame Kreaturen schwammen um mich herum. Ich fühlte mich geborgen und ließ mich im Wasser treiben. Dann stand ich plötzlich vor dem Gartentor der Mutter des Ex-Freundes meiner Mutter, die für mich zu seiner Zeit wie eine Oma war. Ich wusste nicht, warum ich dort war und fragte mich, ob ich eintreten sollte. Gerade als ich das tun wollte, wechselte ich wieder die Location und reiste von einem bekannten Ort zum anderen, ohne dort etwas zu tun. Auch meine ehemaligen Mitbewohner in Deutschland sah ich neben mir, als wollten sie mich begleiten und ich spürte eine liebevolle Vertrautheit in mir. Dabei war ich zwar in anderen Welten, aber ich fühlte mich noch bei vollem Bewusstsein und ruhte in meinem Körper.
Einige Zeit später schien mich etwas aus meinem Körper herauszerren zu wollen. Obwohl ich vorher auf so einen Moment gehofft hatte und meinen Körper verlassen wollte, konnte ich mich in dem Moment nicht hingeben und hielt mich an mir selbst fest. Ich hatte Angst vor dem, was mich erwartete, wenn ich meinen Körper verließ. Die Übelkeit wuchs immer weiter.
Irgendwann stand ich auf, um auf die Toilette zu gehen, und als ich mich wieder hinsetzte, fühlte ich mich wieder komplett nüchtern. Ich sah, dass Fabricio (bei dem ich wohnte) aufgestanden war und versuchte, eine Lasershow-Lampe zum Laufen zu bringen. Als ihm das gelang, wurde tausende bunte Lichtpunkte in den Raum geworfen und Fabricio setzte sich zu dem Schamanen und trommelte zu seiner Gitarre und seinem Gesang.
Nach einer Weile beschloss ich, mich wieder hinzulegen und wurde sofort zurück in meine Reise gezogen. Wieder fühlte sich alles unangenehm an und jedes Mal, als der Schamane das Instrument wechselte, fühlte ich mich woanders. Zwischendurch gab es kleine, entspannende Pausen, in denen keine Musik gespielt wurde, nur um bald danach wieder anzufangen und mich zurückzuziehen. Ich verstand plötzlich, dass die Musik nicht dazu da war, mich zu entspannen oder mir eine schöne Zeit zu geben. Sie sollte mich dazu zwingen weiterzureisen und mich mit dem zu konfrontieren, was die Pflanzen mir zeigen wollte. Es fühlte sich an, als sei ich Mitglied eines Dorfs und ausgesandt worden, um mich meinen Ängsten zu stellen. Ich stand am Eingang des Dorfs und wollte nicht gehen, wollte nicht alleine reisen in eine Welt, von der ich wusste, dass mich nicht nur Gutes erwarten würde. Doch die Menschen wollten mich nicht zurück ins Dorf lassen, versperrten mir den Weg und drängten mich auf eine liebevolle Weise dazu, weiterzugehen. Ich ging also ein paar hundert Meter in den Dschungel und kehrte kurz in die Realität zurück. Endlich fühlte ich mich so, als müsste ich mich gleich übergeben. Schnell beugte ich mich über den Eimer und auch wenn das physische Gefühl des Erbrechens unangenehm war, so wollte ich doch, dass alles rauskam. Ich wusste, dass es nötig war. Der Schamane kam zu mir und gab mir meine geöffnete Wasserflasche. Ich trank und musste mich wieder übergeben. Die Übelkeit verflog so schnell, wie sie gekommen war und ich legte mich wieder hin.
Auf einmal fühlte ich mich unglaublich erleichtert und friedlich. Die Kälte war verschwunden und einem wohligen Gefühl gewichen. Es fühlte sich an, als hätte ich sehr lange sehr entspannendes Yoga gemacht, jedoch nicht körperlich, sondern mental. Meine Chakren waren gereinigt und zurechtgerückt worden.
Danach hatte ich das wohl intensivste Erlebnis: Ich begegnete meinem Zukunfts-Ich. Ich weiß nicht, wie alt mein Zukunfts-Ich war, vielleicht Mitte 30. Doch ich fühlte mich so geborgen bei ihr. Sie war stark und schön, aber nicht auf eine physische Weise. Sie strahlte eine unglaubliche Weisheit aus, wie eine Löwin, nahm mich in den Arm und sagte mir, dass alles gut werden würde. Ich war auf dem richtigen Weg. Ich versuchte mich an ihr festzuhalten, wollte so sein wie sie. Doch sie sagte mir, ich müsse loslassen, und ich wusste, dass ich diesen Weg allein gehen muss und dass ich eines Tages bei ihr ankommen würde, weil ich sie sein würde. Es erschien mir kein bisschen komisch, dass sie mich besuchen kam, denn die Zeit schien nicht linear zu verlaufen. Es gab nur das Hier und Jetzt und alles, was ich je war und sein würde, fand zum gleichen Zeitpunkt parallel statt.
Ich kehrte zurück zu mir und fühlte mich glücklich und bestärkt. Ich genoss das Gefühl der Geborgenheit, der Entspannung und des absoluten Friedens.
Ab da fühlte ich mich wieder bei vollem Bewusstsein, jedoch unglaublich gereinigt und friedlich. Ich verstand, warum ich diese negativen Gefühle spüren musste und warum Ayahuasca kein Spaß ist, sondern eine Medizin.
Nach einer ganzen Weile fingen die Bauchschmerzen wieder an und ich wusste, dass meine Reise immer noch nicht zu Ende war. Ich befand mich zwar nicht mehr in anderen Welten, doch ich fragte mich dennoch auf eine sehr tiefe und analytische Weise, woher die Bauchschmerzen kamen. Ich wusste, dass es nicht die Substanz war, sondern etwas Psychisches in mir, was entdeckt werden wollte. Nach und nach begann sich vor mir der Grund meiner Bauchschmerzen zu öffnen. Sie waren eine Wiederholung der Bauchschmerzen, die ich in der Oberstufe mehrmals pro Woche hatte und bei denen mir kein Arzt sagen konnte, warum ich sie hatte. Sie waren eine physische Manifestation der Einsamkeit, die ich damals spürte. Meine Mutter hatte nie Zeit für mich und meine kleine Schwester, unter der Woche sah ich sie kaum und am Wochenende war sie auch meistens arbeiten. Der Grund, aus dem ich morgens nie frühstückte und nichts zu essen in die Schule mitnahm, um erst am Nachmittag zu essen, war nicht etwa, wie gedacht, meine Faulheit, sondern ein Protest dagegen, dass meine Mutter uns nie etwas zu Essen machte oder kochte, was in meinem Kopf ein Symbol dafür war, dass sie sich nicht um uns kümmerte. Bis zur Zeremonie dachte ich, dass mir ihre fehlende Pflege nichts ausmachte, doch jetzt begriff ich, dass es nicht okay für mich gewesen war. Ich hatte mir die ganze Zeit nicht eingestanden, wie unglaublich allein (gelassen) ich mich fühlte und dass alles Negative, was damals passierte, mich tief verletzt hatte und alles mit meiner Einsamkeit in Verbindung stand. (Mir ist bewusst, dass Probleme auf dieser Welt existieren, die objektiv schlimmer erscheinen. Der menschlichen Seele ist dieser Vergleich aber egal – sie fühlt, was sie verlangt zu fühlen. Leid lässt sich nicht messen.)
Nachdem mir das klar wurde, war ich erst einmal verwirrt. Warum hatten die Pflanzen mir etwas gezeigt, dass mich heute gar nicht mehr betraf? Aber gerade das löste eine unglaubliche Erleichterung in mir aus: Ich merkte, dass ich mich seit meinem Freiwilligendienst in einem anderen fernen Land nicht mehr so fühlte, dass ich stärker geworden war und diese Zeiten hinter mir gelassen hatte.
Das nahm ich zum Anlass, an noch einen Ort reisen zu wollen, den ich hier noch nicht weiter erläutern möchte. Doch die Wirkung des Ayahuasca war schon zu stark abgeklungen. Ich bereute, dass ich nicht den zweiten Becher getrunken hatte, beruhigte mich jedoch mit dem Wissen, dass jetzt eben alles gezeigt war, was ich sehen musste, und dass ich das nächste Mal mehr vertrauen, mich mehr fallen lassen und mehr sehen konnte.
Also konzentrierte ich mich wieder auf das friedliche Gefühl, entspannte mich und blieb ein wenig bei den Pflanzen, während ein anderer Zeremonie-Teilnehmer noch auf einer herausfordernden Reise zu sein schien. Ich fühlte mich, als könnte meine Seele aufstehen, zu ihm gehen und ihm Liebe und Kraft schenken. Ich spürte ihn, aber nicht seine Gefühle, sondern dass er auf einer wichtigen Reise war und dass das einfach akzeptiert werden musste. Man konnte nichts machen, als Geborgenheit zu schenken.
Irgendwann war ich zufrieden mit der Erfahrung, konnte akzeptieren, dass es zu Ende war und dass ich wichtige Dinge gesehen und gelernt hatte. Endlich konnte ich schlafen und mich wie neu geboren fühlen.
Als ich am nächsten Tag bei Tageslicht erwachte, schliefen alle friedlich auf ihren Matratzen. Ich wunderte mich, dass ich eingeschlafen und dass es schon vorbei war. Erinnerungen an vergangene Nacht schlichen sich in meinen Kopf, und auch wenn ich mich entspannter fühlte, so war es ernüchternder Weise nicht das gleiche tiefe Gefühl wie gestern. Ich fühlte mich wieder ziemlich normal. (Im Gegensatz zum Gefühl nach meiner zweiten Zeremonie!)
Insgesamt war es eine sehr heilsame Erfahrung. Nicht unbedingt schön, aber wichtig. Ayahuasca ist eben eine Medizin. Und auch wenn die Zeremonie vorbei ist, so ist sie gleichzeitig der Anfang einer Reise. Ich habe einen Schritt ins Unbekannte gewagt und muss nun weitergehen. Es gibt kein Zurück mehr, ich habe mich für immer verändert. (Diesen letzten Satz habe ich direkt nach der Zeremonie geschrieben. Jetzt, sechs Monate später, weiß ich, dass ich damals die Ausmaße des Wahrheitsgehalts dieses Satzes nicht einmal erahnt habe…)

In der Liebe haben wir weit mehr Macht, als uns bewusst ist. Lerne dich selbst kennen und lieben. Und dann verbreite die Liebe an alle Wesen dieser Erde (und darüber hinaus).