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Titel:Weg zum Glück?
Droge:Alkohol
Autor:wiro
Datum:22.12.2020 16:16
Nützlichkeit:9,70 von 10 möglichen   (10 Stimmen abgegeben)

Bericht::

Vorwort



Hallo zusammen, ich bin Mitte 30, männlich, habe Abitur und arbeite beruflich mit Kindern, komme aus dem Süden Deutschlands und lese hier seit ca. 15 Jahren mit ohne mir in dieser Zeit je einen Account gemacht zu haben. Irgendwann, als sich meine Schulzeit langsam dem Ende zuneigte, stieß ich auf das Land der Träume. Ich weiß gar nicht mehr genau, wie ich diese Seite entdeckt habe, auf jeden Fall hat sie mich sehr gefesselt. Für Drogen hatte ich mich schon immer irgendwie interessiert, obwohl ich bis dahin nur Erfahrungen mit Alkohol und Cannabis gesammelt habe. Die Drogen-Aufklärung in Schule und Medien habe ich schnell als Käse identifiziert und umso neugieriger saugte ich alle Informationen auf, die man hier so über jegliche Substanzen bekommen konnte. Man hat gleich gemerkt, dass man hier im Gegensatz zur allgemeinen "Drogenaufklärung" echte Informationen bekommt. Ich habe glaube ich jede Infoseite über die hier aufgelisteten Drogen und tonnenweise Tripberichte gelesen - das Diskussionsforum jedoch erst viele Jahre später entdeckt und dann auch ab und an darin gelesen.



Die Droge, die mich sofort gepackt hat, war LSD. Bekannt aus Filmen wie Fear and Loathing in Las Vegas war ich bereits neugierig und was ich hier so las, machte mich noch neugieriger. Dennoch schwebte mir im Hinterkopf weiter, dass man auf LSD hängenbleiben und lebenslange Flashbacks bekommen kann, daher sollte es noch eine ganze Weile dauern, bis ich es zum ersten Mal probierte. Außerdem dreht sich dieser Bericht hauptsächlich um Alkohol und wie dieser mein Leben beeinflusste, da das meine mit Abstand am häufigsten konsumierte und am stärksten missbrauchte Droge ist.



Zu meiner familiären Situation bzw. Vorgeschichte: Ich komme aus einem "guten" Elternhaus, zumindest von Außen betrachtet. Mein Vater ist Alkoholiker, jedoch ein "funktionierender" und außer mir und ein paar engen Bekannten ist niemandem das Ausmaß seines Konsums in vollem Umfang bewusst. Er ist auf jeden Fall ein sehr guter Mensch, liebt seine Familie, war nie gewalttätig oder in irgendeiner Form ausfallend und daher habe ich ein sehr gutes Verhältnis zu ihm. Trotzdem färbte sein Konsumverhalten natürlich auf mich ab. Meine Mutter hat mich meine gesamte Kindheit und Jugend und auch im Erwachsenenalter emotional missbraucht, was mir erst nach Jahrzehnten bewusst wurde und diese Erkenntnis war für mich sehr wichtig, da dieser Missbrauch ebenfalls meinen mehr als kritischen Alkoholkonsum und meine später auftauchenden starken Depressionen, um die es hier auch gehen soll, gefördert hat. Ich habe zu ihr seit einigen Jahren keinen Kontakt mehr (Eltern sind geschieden).



Vieles, was ich in anderen Tripberichten gelesen habe, fand ich so toll geschrieben, bzw. die Berichte schön strukturiert, dass hier mit Sicherheit der ein oder andere Bericht auf meinen Text Einfluss hat, vor allem den Aufbau sortiert nach verschiedenen Drogen, den ich hier in einem sehr tollen Bericht entdeckt habe, möchte ich gerne übernehmen (ich hoffe, der Originalautor sieht es als Kompliment und ist mir nicht böse ;-) )









Alkohol 2002 bis heute



Mit dem Alkohol fing bei mir alles an. Bis ich 16 Jahre alt war trank ich gar nichts, ich war ein "super braver" junger Mann, Alkohol vor 16 war verboten und daher rührte ich ihn auch nicht an. Die "coolen" Kids aus meiner Klasse, die schon mit 13 anfingen zu trinken, empfand ich als asozial und abstoßend. Da jedoch die meisten Jugendlichen in dem Alter irgendwie zu den "coolen" gehörten, war ich lange Zeit ein Außenseiter und hatte wenige (aber gute) Freunde. Nach meinem 16. Geburtstag änderte sich das jedoch, nun war Alkohol erlaubt und irgendwie wurde ich neugierig. Dazu kam, dass mein bester Freund (der heute sogar immer noch mein bester Freund ist) schon etwas Erfahrungen mit Alkohol gesammelt hatte und ich daher weniger Angst hatte, es mal auszuprobieren. Nach dem ersten Rausch fand ich schnell Gefallen am gepflegten Vollsuff und fing an, mich immer mal wieder am Wochenende zu betrinken. Nun durfte ich auch mit den "coolen" Klassenkameraden mit, wurde von diesen respektiert und versuchte meinen sich langsam verbessernden "Ruf" durch demonstrativ zur Schau gestellte Trinkfestigkeit und Komasaufen zu untermauern.



Das ganze ging auch eine ganze Zeit mehr oder weniger gut, meine Eltern wurden natürlich relativ schnell auf meinen Alkoholkonsum aufmerksam (als ich nach dem 3. oder 4. Mal Alkohol trinken kotzend und nicht mehr ansprechbar nach Hause kam) und verboten mir den Umgang mit den "coolen" Klassenkameraden, was ich aber ignorierte.



Im Laufe der Jahre gab es ein paar Erlebnisse, an denen es nur haarscharf gut ging (mehr oder weniger). Hier eine kleine Auswahl der "Hightlights":



1. Kurz vor meinem 18. Geburtstag wurde ich Anfang der Sommerferien von der Polizei auf einer Wiese gefunden, von oben bis unten vollgekotzt, nachdem ich meinen Freunden etwas beweisen wollte und eine Flasche Whisky geext hatte. Wie ich auf die Wiese kam und wo die Wiese überhaupt war, weiß ich bis heute nicht. Die Polizei fuhr mich heim (die Polizisten waren echt mega korrekt) und verzichteten sogar, bei mir zu klingeln. Ich warf meine Klamotten in die Wäsche, legte mich schlafen und war froh, dass niemand diesen Exzess mitbekommen hat. Für den Rest der Ferien hatte ich vom Alkohol genug und trank nichts mehr. Leider bekamen meine Eltern dann doch raus, was passiert war, nachdem ein paar Wochen später ein Brief mit einer Rechnung über grob 50 Euro (weiß den genauen Betrag nicht mehr) für "Polizeitransport" in meinem Briefkasten landete. Der Ärger war groß aber hielt sich dann doch in Grenzen, da ich mittlerweile 18 war und meine Eltern aufhörten, mir irgendwelche Regeln aufzustellen.



2. Mit 21 Jahren wachte ich eines Morgens mit einem gebrochenen Arm auf, keine Erinnerung an die Hälfte der Nacht zuvor, bis heute weiß ich nicht, was passiert war, den Verletzungen, die ich sonst noch an meinem Körper hatte, zu folge, musste ich auf dem Heimweg von einer Bar im Nachbarort sturzbetrunken vom Fahrrad gefallen sein. Irgendwie muss ich nach dem Sturz trotzdem alleine nach Hause gekommen sein, die Schmerzen müssen unfassbar gewesen sein, ich war aber so betrunken, dass ich mich wie gesagt nicht mehr daran erinnern kann. Die Verletzung kurierte zum Glück relativ schnell aus und nach etwa einem Monat war der Arm schon wieder relativ in Ordnung.



3. Mit 22 Jahren folgte dann meine erste (und zum Glück bisher einzige) MPU, da ich mit 2 Promille auf dem Fahrrad erwischt wurde, nachdem ich mit einem Freund betrunken Randale gemacht habe. Die MPU bestand ich zum Glück und durfte meinen Führerschein behalten (auf dem Fahrrad erwischt, verliert man den Lappen erst dann, wenn man nach der Aufforderung vom Landratsamt keine positive MPU einreichen kann).







Das waren nicht die einzigen schlimmen Exzesse aber ein paar ausgewählte Beispiele, an denen es besonders schlimm ausgeartet ist. Ich habe dadurch auch tatsächlich ein paar Dinge geändert: Ich verzichtete auf Fahrradfahrten wenn ich getrunken habe (mit dem Auto bin ich zum Glück bis heute nie betrunken gefahren) und war stattdessen zu Fuß unterwegs, fuhr bei Freunden im Auto mit oder nahm ein Taxi. Auch habe ich aufgehört, mich mit Schnaps zu betrinken, was bis zu meiner MPU meine Lieblingsart war, mich ins Koma zu saufen. Seit dem Idiotentest betrinke ich mich größtenteils mit "softem" Alkohol, wie Bier oder Wein, meine schlimmste Alkoholphase sollte aber trotzdem noch vor mir liegen.



An dieser Stelle möchte ich das Thema Alkohol grob um das Jahr 2008 stehen lassen und einen kurzen Einschub machen und andere Drogen erwähnen, die in meinem Leben vorkamen:







Zigaretten



In einem sehr schön geschriebenen Bericht hier (ging glaube ich um MDMA) schrieb jemand: Es ist nie zu spät, mit Drogen anzufangen aber leider sehr häufig viel zu früh. Das passt bei mir sehr treffend zum Nikotin. Als ich mit 16 Jahren zu meinem bereits erwähnten besten Freund fuhr, um mich mit ihm zu betrinken, fand ich auf der Straße eine ungeöffnete, verschweißte Packung Zigaretten. Wir waren neugierig und hatten total Lust, die Kippen mal auszuprobieren und konnten noch nicht mal eine rauchen, da ein anderer Freund die Ziggis sah und uns fragte, wie behindert wir wären, sie uns wegnahm und in den Fluss warf, an dem wir saßen. Zigaretten weg, Thema erledigt. So fing ich erst 6 Jahre später Anfang 20 mit dem Rauchen an und konnte ein paar Jahre später auch relativ easy wieder damit aufhören. Habe zeitweise echt viel geraucht (ne knappe Schachtel am Tag) aber da ich erst so "spät" damit anfing, wurde mein Gehirn wohl nicht so sehr auf Sucht getriggert wie beim Alk. Wir lachen als immer über die Amis, dass man dort mit 16 Auto fahren aber erst mit 21 Alkohol trinken und rauchen darf. So dumm ist das nicht, wären Alk und Kippen bei uns konsequent ab 21 würde es meiner Meinung nach viel weniger Süchtige geben, weil das Gehirn in der frühen Entwicklungsphase einfach viel heftiger Gewohnheiten abspeichert.



Cannabis seit 2004



Gras kam in jungen Jahren zum Glück nicht so wirklich vor, ich hatte immer noch das "brave Bub" Verhalten in meinem Hinterkopf und machte einen Bogen um Illegales. So blieb es bei sehr wenigen Malen Ausprobieren, bei denen ich nie sonderlich was merkte und erst mit Anfang 20, als wir durch einen abgefahrenen Zufall nachts betrunken von einem Fremden einen riesigen Beutel Gras zum Spottpreis bekamen. Eine Zeitlang kiffte ich ziemlich viel mit meinen Freunden, als unser großer Beutel Gras (da waren locker 10-20g drin) sich zum Ende neigte, hörte es aber wieder von selbst auf und blieb danach bei recht sporadischem Konsum mit teilweise jahrelangen Konsumpausen. Heute ist Cannabis für mich eher eine Sommerdroge, die ich ab und zu mal gerne am See konsumiere und dann immer darauf achte, möglichst ein paar Wochen lang kein Auto zu fahren, da THC so lange nachweisbar ist und ich keine Lust auf eine zweite MPU habe.



Andere legale Drogen 2006/2007



Da ich im Alkoholrausch häufig brutale Exzesse mit heftigen Blackouts und asozialem Verhalten an den Tag legte, hatte meine erste Freundin irgendwann genug davon und stelle mich vor die Wahl: Sie oder der Alk. Zähneknirschend hörte ich für ein knappes Jahr komplett mit der Sauferei auf und probierte in der Zeit andere Dinge, da ich mich trotzdem ab und zu an irgendwas berauschen wollte. Ich glaube, dass es für viele - wenn nicht sogar alle Menschen - irgendwie ein Bedürfnis ist, sich manchmal an irgendwas zu berauschen, sei es klassisch mit Alkohol oder Cannabis, mit Glücksspiel, einem Online-Shopping Kaufrausch oder mit harten Sachen. Im LdT entdeckte ich die Muskatnuss, las alle Tripberichte und versuchte es eines Tages selbst, allerdings ohne eine spürbare Wirkung, dafür aber mit umso ekelhafterem Geschmack und das einzige Resultat war, dass ich jahrelang nichts mehr essen konnte, was auch nur leicht mit Muskatnuss gewürzt war.



Weiter gehts: Ein Freund hatte eine Pflanze des damals noch legalen Salvia Divinorum auf seiner Fensterbank und meinte nur, dass das "klatschen" soll. Wir probierten es ein paar Mal in Joints aus, aber der Geschmack war ebenfalls so widerlich, dass wir es irgendwann in der Bong rauchten, um die Konsumzeit so kurz wie möglich zu halten und es stärker ballern zu lassen aber bis auf ein paar kleine "Schicker" haben wir nichts weiter erlebt, auch dieses Thema war damit abgehakt.



Was mich etwas länger beschäftigt hat, war das Lachgas. Ich dachte immer, die Leute, die davon laut loslachen, simulieren alle, bis ich eines besseren belehrt wurde. BOOM, Lachgas ist DER Shit!!!! Schnell wurde es im Freundeskreis eine unserer Lieblingsdrogen. Der Lachflash hörte zwar nach einiger Zeit auf (ein paar von uns inklusive mir haben es extrem damit übertrieben) aber dennoch liebten wir den leider viel zu kurzen Kick, so dass wir immer mehr "Tricks" entdeckten, wie wir den Kick verstärken konnten. Wir haben etliche Methoden in kreativsten Formen des Lachgaskonsums entdeckt, wie man die Wirkung verstärken kann und was macht unser-neugieriges-eins natürlich: Alle "Hacks" auf einmal anwenden und nachdem ich mir 3 Sahnekapseln ohne Pause hintereinander gegeben habe, hatte ich eine Nahtoderfahrung.

Wer schonmal Lachgas genommen hat, kennt die krasse Echowirkung, die alle Geräusche von sich geben. Bei mir war das während dem Trip irgendwann kein Echo mehr, sondern ein ohrenbetäubendes Schreien von allen Seiten und auf einmal spürte ich meinen Körper nicht mehr und raste durch einen langen Tunnel auf ein helles Licht zu, genauso, wie man es immer liest von Leuten, die mal klinisch tot waren und wiederbelebt wurden. Erschocken bin ich nicht, ich dachte mir einfach nur "ok krass jetzt bin ich tot" und als ich durch das grelle Licht flog verstummte das laute Geschrei schlagartig, ich schwebte durch das leere Weltall und alles war still und ich spürte meinen Herzschlag nicht mehr. Das wars nun also, dachte ich mir. Irgendwie okay aber, alles ganz friedlich.

Nach ein paar Sekunden merkte ich, dass ich in meinem Zimmer auf meinem Bett liege und alles ganz normal ist. Insgesamt hat diese Erfahrung vielleicht maximal 10 Sekunden gedauert aber es war wahnsinnig beeindruckend - Zeit spielt bei einer solchen Erfahrung sowieso keine Rolle - und hat mir seitdem die Angst vor dem Tod genommen. Etwas ähnliches dürfte man wohl im K-Hole oder auf DMT erleben. Ich würde vom Lachgaskonsum aber trotzdem abraten, wer die Erleuchtung sucht, ist mit Sicherheit "anderswo" besser aufgehoben. Lachgas schädigt extrem das Gehirn und nachdem einige Freunde und auch ich nach monatelangem Missbrauch dieser Substanz merkten, dass das Kurzzeitgedächtnis extrem leidet und man sich nichts mehr merken konnte, hörten alle damit auf. Ich hörte nach der Nahtoderfahrung auf, weil ich mir dachte, jetzt hab ich alles mit Lachgas erlebt und kann das für mich abhaken. Es war zwar echt interessant aber ein zweites Mal muss ich sowas nicht nochmal erleben, das reicht, wenn ich dann am Ende des Lebens wirklich mal "dran" bin ;-)





Nun möchte ich zurück zum Thema Alkohol kommen, bevor später noch der Bogen zurück zu LSD gespannt werden wird. Beim Jahr 2008 haben wir das Thema stehen lassen und seit meiner MPU sind ganz schlimme Alkoholexzesse nur noch sehr selten vorgekommen. Dennoch konsumierte ich Bier und Wein quasi an jedem Wochenende und immer noch nicht zu knapp. Das blieb für ein paar Jahre, ich hatte die ein oder andere Beziehung, mein Leben lief so vor sich hin - nichts spektakuläres passierte. Bis dann im Herbst 2014 meine Oma überraschend schwer krank wurde und kurz darauf starb. Auf einmal brach eine Welt für mich zusammen. Ich muss dazu sagen, dass meine Oma DER Mensch in meiner Familie war, der mich am meisten geliebt hatte und am herzlichsten war. Wie erwähnt ist mein Vater Alkoholiker und trotz unseres guten Verhältnisses etwas gefühlskalt und meine Mutter behandelte mich wie ein Stück Scheiße (ich sah sie zum Glück nicht oft). Auf einmal fühlte sich es an, als wäre mir der Boden unter den Füßen weggerissen worden. Letztendlich lag die nun ausbrechende Depression nicht nur am Tod meiner Oma, sondern auch andere aufgestaute Dinge, wie das Verhältnis zu meiner Mutter taten ihr übriges. Nun begann die dreckigste Phase meines Lebens. Ich fing an, täglich Alkohol zu trinken und war bis Ende 2019 fast JEDEN Abend betrunken. Es gab vielleicht 1,2 Mal pro Monat einen Tag, an dem ich nichts trank, meistens, weil es einen besonderen Grund gab, zB wenn ich am nächsten Morgen jemanden vom Flughafen abholen musste. Fünf Jahre lang war ich quasi täglich voll. Ich trank zwar meistens abends und nur sehr selten schon mittags (das nur manchmal am Wochenende oder wenn ich im Urlaub war) aber trotzdem war ich in dieser Phase ein richtig heftiger Alkoholiker.



Was natürlich nicht fehlen durfte, war das klassische sich-selbst-belügen und sich die Sucht nicht eingestehen wollen. Mir war zwar bewusst, dass mein Alkoholkonsum alles andere als gesund war und dass es so langfristig nicht weitergehen kann, aber ich versuchte, die Konfrontation mit mir selbst zu vermeiden. Nach relativ kurzer Zeit steigerte sich meine Depression ins Unerträgliche und es kamen etliche Selbstmordversuche dazu, alle im Suff. Ich habe mir eine Plastiktüte über den Kopf gestülpt und gehofft, dass ich einschlafe, bevor mein Körper in Atemnot gerät. Das habe ich bestimmt mindestens 30 Mal versucht, alles zum Glück erfolglos und auch von keiner anderen Person bemerkt. Nach ein paar Monaten fing ich dann eine Therapie an, verschwieg aber meine Alkoholsucht. Logisch, dass die Therapie auch nicht so viel brachte, sie hat mir zwar in einigen Bereichen nachhaltig weitergeholfen, die Depression hörte aber nicht auf und so beendete ich die Therapie irgendwann wieder. Zwischenzeitig habe ich auch einmal für zwei Wochen keinen Alkohol getrunken, weil ich dachte, dass meine Depression daher kommt. Getan hat sich aber nichts. Rückblickend würde ich behaupten, dass auch nicht der Alkoholkonsum meine Depression ausgelöst hat sondern umgekehrt die Depression den Alkoholkonsum. So von wegen: Jetzt ist eh alles egal, jetzt kann ich mich auch jeden Tag besaufen.



Ich wurde zwar durch die kurze Alkoholpause nicht glücklicher, durch den danach direkt wieder weiterlaufenden Konsum aber erst recht nicht. Stattdessen wurde ich immer fetter, ernährte mich immer ungesünder, aß fast jeden Tag nur Süßigkeiten und Fast Food und bewegte mich kaum noch.

Was mir in dieser Zeit am meisten geholfen hat, waren auf jeden Fall meine Freunde. Die unterstützten mich alle, hörten mir zu, waren nie belehrend oder mahnend aber einfach immer für mich da, wenn ich sie brauchte. Das - und auch die Kinder mit denen ich beruflich täglich zu tun habe - war der letzte Strohhalm, der mich noch irgendwie motivierte, weiterzumachen.

Trotzdem schaffte ich es nicht, meine Probleme aufzuarbeiten, der eigentlichen Sache auf den Grund zu gehen. Ich war unglücklich, negativ, sah alles pessimistisch, regte mich über alles auf und lies mich von meiner Mutter immer wieder demütigen. Wie lange konnte das wohl noch gutgehen? So langsam war mir alles egal. Ich hatte viel über Depressionen gelesen, da ich diese ja irgendwie loswerden wollte, was glaube ich jeder Mensch will, der depressiv ist. Und Selbstmord ist für die Menschen kein Ausweg in dem Sinne - zumindest für mich war es einfach so, dass mein Leben so unerträglich geworden ist, dass ich lieber sterben würde, mich ins nichts auflösen würde, anstatt noch weiterhin von Tag zu Tag dieses Leid zu erfahren. In diesem Weg war vielleicht auch damals diese Nahtoderfahrung für mich nicht hilfreich gewesen, heute bin ich zwar sehr froh, dieses Erlebnis gehabt zu haben aber damals war für mich diese Gewissheit, dass der Tod nichts schlimmes ist, natürlich kein nützliches Hindernis für jemanden, der sich umbringen will.

In meiner Recherche über Depression las ich auch einiges über Magic Mushrooms und dass diese bei schwer depressiven Menschen, denen gar nichts mehr hilft, eine Verbesserung bewirken kann. Ich hatte auch meinen Therapeuten darauf angesprochen, der hielt aber nichts davon, meine Freunde hatten keine Erfahrungen mit Drogen dieser Art und rieten mir daher auch davon ab. Ein paar entferntere Bekannte, die Erfahrungen mit LSD und Pilzen hatten, meinten, wenn du depressiv bist, nimm das Zeug nicht! Da für mich aber - ich weiß nicht wieso - zwei Dinge klar waren, nämlich 1. ich möchte keine Psychopharmaka nehmen und 2. ich möchte nicht in die psychiatrische Anstalt hatte ich für mich alle denkbaren Möglichkeiten ausgelotet (zumindest soweit sie für einen komplett antriebslosen Depressiven denkbar sind).



Und nun kam die Wende, Sommer 2019. Unerwartet und überraschend, genau wie damals die Depression angefangen hat. Ich war in diesem Sommer ziemlich pleite, hatte einen Flug in die tropische Ferne gebucht und mit mir gehadert, ob ich ihn antreten soll. Wenn ich in das Flugzeug steige, muss ich 6 Wochen lang im Ausland bleiben, bis mein Flug zurückgeht, wird mein Geld dafür reichen? Zum Glück sprang mein bester Freund für mich ein und lieh mir 1000 Euro und ich trat meine Reise an. Da es Sommer war und ich meine finanziellen Sorgen zumindest zeitweise durch das Geld meines Freundes im Griff hatte, war meine Laune auch den Umständen entsprechend verhältnismäßig gut. Nach ein paar Tagen war ich mit einer Gruppe anderer junger Menschen, die ich vor Ort kennengelernt hatte, an einem schönen Strand auf einer tropischen Insel, wir tranken ein paar Biere und genossen den Sonnenuntergang als einer ein Tütchen herausholte und mich fragte: Haste Bock auf ein paar Shrooms? Normalerweise nehme ich keine Drogen, ohne mich vorher ausgiebig darüber zu informieren. Ich hatte zwar hier auf LdT schon einiges über LSD und Pilze gelesen aber das war über 10 Jahre her. Ich hatte gelesen, dass Pilze bei Depressionen helfen können aber wie genau die Wirkung war, davon stand in den Artikeln nichts. Meine Bekanntschaft meinte lediglich: Wir haben auch schon alle welche gegessen, dauert ca 1-2 Stunden bis es wirkt und der Trip geht so 6-8 Stunden.



Aus irgendeinem Grund dachte ich mir, komm, jetzt ist der Zeitpunkt gekommen und wie so viele Menschen in Tripberichten, die ich nach diesem Tag wieder in Mengen las, hatte auch ich den Eindruck, dass nicht ich zu den Pilzen gekommen bin sondern die Pilze kamen zu mir. Zwei getrocknete Pilze wurden zerkaut und runtergeschluckt, danach spielten wir noch ein bisschen Frisbee am Strand und gingen dann in die Ferienwohnung meiner neuen Freunde, wo wir noch Bier tranken, Blunt rauchten und meine Bekanntschaften zogen sich eine Line Koks nach der anderen rein, boten mir auch was an, was ich aber ablehnte, da mir ein neues Drogenerlebnis auf einmal ausreichte. Irgendwann nach ein paar Zügen vom Blunt kickte es dann richtig und ich legte mich aufs Bett. Dafür brauchte ich gefühlt 20 Minuten obwohl das Bett nur 2 Meter neben dem Tisch stand, an dem alle konsumierten. Was den Trip auf jeden Fall sehr angenehm machte, war, dass einer der neuen Freunde immer mal wieder zu mir ans Bett kam und mich fragte, ob alles in Ordnung sei, dass ich mir keine Sorgen machen muss und wenn es sich nicht so gut anfühlen sollte, dass alles wieder aufhören wird.



Die Party am Tisch neben mir ging währenddessen noch eine Weile weiter und irgendwann hatte ich das Gefühl, dass die alle über mich reden. "Der auf dem Bett verträgt ja gar nix, wie ausgeknockt der ist, etc..." und zum Glück schaffte ich in diesem Moment, das entscheidend richtige zu tun: Ich lies los. Ich dachte mir, fuck egal, lass sie über mich reden, zumindest der eine kommt immer wieder rüber und schaut nach mir und ansonsten passiert hier auch eigentlich gar nix schlimmes, die sind ja auch alle eigentlich ganz friedlich, genieße einfach den Trip und wenn sie dich wirklich nicht mögen packst du morgen deine Sachen und ziehst weiter.



Nach diesem Abend war alles anders.



Ich merkte, wie ich in mir Blockaden gelöst habe, wie ich mich innerlich frei gemacht habe. Ich genoss die restlichen Wochen meiner Reise, machte tolle Bekanntschaften und war erstaunlich gut drauf. Nach der Ankunft zuhause in Deutschland erzählte ich meinem besten Freund von dem erlebten und dankte ihm für die geliehenen 1000 Euro (die ich ihm die nächsten Monate Stück für Stück zurückzahlte), ohne die mir dieses Erlebnis verwehrt geblieben wäre. So langsam begann ich umzudenken. Ich fand die Kraft, mit Ausdauer- und später mit Kraftsport anzufangen, ich stellte meine Ernährung um, brach den Kontakt zu meiner bösen Mutter komplett ab, reduzierte meinen Alkoholkonsum drastisch. Mittlerweile esse ich täglich viel Obst und Gemüse, fast kein Fleisch mehr, mache jeden Tag Sport, meditiere fast jeden Tag, schreibe mir meine positiven Wünsche in ein Heft auf, notiere mir, wenn etwas tolles passiert (alles handschriftlich). Ich spiele viel Gitarre, gehe sehr oft raus in die Natur zum wandern und versuche, jeden Tag das beste aus meinem Leben zu machen und auch anderen gegenüber positiv und hilfsbereit zu sein.



Diesen Weg beschreite ich nun seit etwa eineinhalb Jahren und mir geht es zunehmende besser. Auch dieses Jahr mit der Coronakrise, welches mir ohne diese Wende in meinem Leben vielleicht den absoluten Rest gegeben hätte, ist für mich vielleicht als das sogar beste Jahr meines Lebens abgespeichert. Ich trinke immer noch Alkohol, für die Drogenbeauftragten der Bundesregierung bestimmt noch zu viel, für meine Verhältnisse um ca 80-90% reduziert und fühle mich damit in Ordnung. Alle paar Wochen rauche ich mal ne Kippe, wenn ich Lust drauf habe und wenn es sich ergibt, gerne mal die ein oder andere Tüte ;-)



Und nun kam dann dieses Jahr auch - nachdem es vor 15 Jahren meine Neugierde gepackt hat - das LSD in mein Leben - am liebsten draußen in der Natur und mit viel Vorbereitung und Meditation, gesundem Essen - manchmal mit Musik und manchmal ohne. Die Erlebnisse auf den Trips waren für mich sehr positiv und ich konnte sie sehr schön in meinen Alltag einbauen. Wichtig ist für mich abschließend zu sagen, dass weder Pilze noch LSD Problemlöser sind. Man sollte diese Drogen nicht nehmen und denken, danach geht alles von selbst. Für mich waren diese beiden Substanzen Schlüssel, die mir Türen geöffnet und Wege gezeigt haben, diese Wege musste ich aber selbst beschreiten.



Keine Droge hilft dir, wenn du sie täglich brauchst, um dich morgens gut zu fühlen oder um abends schlafen gehen zu können. Drogen können etwas wunderbares sein, um neue Facetten des Lebens oder des Ichs zu entdecken, sie können uns einen Anstupser geben aber die Veränderung muss immer von dir selbst kommen.



Danke fürs Lesen bis dahin, vielleicht werde ich irgendwann mal ein Update geben, ich hoffe, der Bericht hat euch gefallen und ist nicht zu lang. Ich habe nicht alle Drogen beschrieben, die ich bisher genommen habe, da ein paar - auch wenn's schön mit ihnen war - nur recht bedeutungslose Nebenrollen gespielt haben. (Und edit: hab micht noch ein paar Mal durchgelesen, einige Typos und hier und da ein paar Kleinigkeiten geändert, sowie den Bogen zum LSD am Schluss etwas besser gespannt)