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Titel:Einmal Tramal und zurück mit zwischenhalt Tillidin
Droge:Tramadol
Autor:InfectedAlien
Datum:31.01.2014 14:12
Nützlichkeit:8,00 von 10 möglichen   (24 Stimmen abgegeben)

Bericht::

Hallo! Ich möchte euch hier von meinen Erlebnissen mit Tramal berichten.

Das erste mal kam ich mit Opioiden in Berührung, da war ich 18 oder 19, ich bekam es von meiner Zahnärztin nachdem mir ein Zahn gezogen wurde und Ibuprofen nicht half.

Es war eine kleine Flasche Tillidin.

Schnell merkte ich, dass mir der Zustand gefällt, welcher davon hervor gerufen wird, das typische Wattegefühl, man fühlt sich von Liebe und wärme umspült.



Schnell war die Flasche leer, und erstmal Ruhe.

Bis zu meiner nächsten Behandlung beim Zahnarzt, wieder bekam ich ein kleines Fläschchen, wieder fand ichs super.

Dann kam eine ganze weile lang gar nichts, weil ich nicht unbedingt das verlangen hatte jeden Tag so drauf zu sein.



Irgendwann, so ca 1 Jahr nach dem ersten Fläschchen musste wieder ein Zahn raus(Weisheitszähne ..), wieder bekam ich ein Fläschchen, da es aber diesmal ein Paar Komplikationen gab, und die Schmerzen größer und vorraussichtlich länger anhaltend, bekam ich die nächst größere Packung verschrieben.(Damals gab es das noch ohne BTM-Rezept)

Ich hab sofort wieder gefallen an dem Gefühl gefunden(ich kannte vorher schließlich "nur" Alkohol und Gras) in Watte eingepackt zu sein.

Dann fing ich an das Zeug auch vor und während der Arbeit zu nehmen(Wie dumm das eigentlich ist weiß ich..mittlerweile). Ich hab in einem Depot von einem großen Paketdienst am Fließband zur abfertigung gearbeitet, d.h. eine Schicht lang immer wieder der selbe Bewegungsablauf, da war es mir ganz recht dabei ein angenehmes Gefühl zu haben, hab (zum Glück) allerdings dann immer nur kleine Dosen genommen.

Als die Flasche dann leer war, war wieder Ruhe.



Mit 21 lernte ich jemanden kennen, der regelmäßig Tramal nahm(allerdings nicht zum Missbrauch), und viel zu gutmütig war und mich "probieren" ließ.

Das Gefühl war(fand ich) genau das selbe wie beim Tillidin, nur irgendwie nicht ganz so wohlig warm.

Zu der Zeit litt ich an einem nicht genauer definierten Restless-Legs-Syndrom, welches auf keine Medikamente ansprang(L-Dopa). Doch das Tramal pustete die unruhigen Beine förmlich weg.

Irgendwie hab ichs dann geschafft, dass mein Arzt mir regelmäßig Tramal aufschreibt gegen die RLS. Meine Dosis wurde immer höher, irgendwann kam ich bei 1000mg entretardierten Tabletten an, das schöne Wattegefühl war schon lange nicht mehr zu spüren, und ich nahms nur noch um Ruhe vor meinen RLS zu haben, die immer schlimmer wurden(und im nachhinein Betrachtet vermutlich Entzugssymptome vom Tramal waren).



Sobald mein Tramal zur neige ging, wurde ich unruhig, und musste mir irgendwas ausdenken um doch noch mein Zeug zu bekommen..

Ein Paar mal hab ich dann ca 1-2 Tage nichts gehabt, und war dann zu nichts fähig, alles drehte sich nur noch darum Tramal zu beschaffen, ich konnte mich auf gar nichts konzentrieren, wollte nicht Essen, nicht Trinken, und an Schlaf war erstrecht nicht zu denken.



Ich war permanent auf Tramal, wenn es ging, auf Arbeit, zu Hause, bei Freunden, bei der Familie. Tramal war mein ständiger Begleiter.

Irgendwann wurde mir bewusst, dass ich das Tramal gar nicht mehr nehmen WILL, sondern nur noch nehme um keine Entzugserscheinungen aufkommen zu lassen.. diesen Fakt hab ich sehr lang verdrängt, mir war lange nicht klar dass ich abhängig war.



Ca 2,5 Jahre nach dem ich das erste mal Tramal auf Rezept bekam(also quasi nachdem ich 2,5 Jahre fast jeden Tag Tramal zu mir genommen habe) wurde mir klar: so geht es nicht weiter.Die ständige Angst nichts mehr zu haben und dann ...Ich entschloss mich dazu langsam runter zu dosieren..Das klappte schonmal gar nicht, dennoch hab ichs 2-3 mal probiert. Mir wurde klar, dass wenn ich davon los kommen will, ich nur zwei Optionen habe: Stationär, oder kalt.

Ich entschied mich dafür zu hause kalt zu entziehen, nahm an einem Freitag Abend die letzten 100mg(Mittags hatte ich schon 500mg, nachmittags 200mg).

Der Samstag fing erstmal gut an, mir ging es soweit gut, noch wirkte die Dosis vom Vortag. Da ich zumindest etwas in der Hand haben wollte was mir hilft, kaufte ich mir 15g Gras.



Abends fing ich langsam an unruhig zu werden, also schoss ich mich in den Schlaf mit ein Paar Köpfen, noch ging es mir aber gut.

Sonntag: ich wache früh morgens um 6Uhr auf, schweißnass. In meinem Kopf und meinem Körper schreit alles nach Tramal. Zum Glück habe ich vorher meine Quellen zum versiegen gebracht, nur für den Fall..

Ich nahm meine Matratze vom Bett, legte sie ins Arbeitszimmer und schaute den ganzen Tag irgendwelche Serien.

Eigentlich lag ich nur da und versuchte so wenig wie möglich zu spüren, von den Serien bekam ich nicht viel mit.. aber hauptsache irgendwas redet im Hintergrund.

Ich hab alle Paar Minuten was geraucht, es half, aber war lange nicht genug.



Es wurde immer schlimmer, alles tat weh, alles kribbelte unangenehm, die Knochen bestanden aus reiner Lava, dazu alle Symptome einer ausgewachsenen Grippe, Restless Legs - das ganze Programm.

Die Zeit verging nicht schnell genug, ich konnte mich zu gar nichts aufraffen, ich lag nur da, und habe geraucht und geraucht.

Ab und an hab ichs geschafft mal für 10minuten einzunicken, mehr Schlaf hab ich bis Dienstag nicht bekommen.



Montag war der absolute Höhepunkt. Sonntag dachte ich noch "Schlimmer kanns ja jetzt nicht mehr werden", Irrtum - es wurde schlimmer.Ich hätte am liebsten einfach mit den Fäusten auf den Boden gehämmert, geschrien und geweint. Ich fühlte mich innerlich auseinander gerissen, hilflos, - nur das Gras lies mich durch halten.



Dienstag fing es ganz langsam an nicht mehr schlimmer zu werden. Besser wurde es aber noch nicht. Zu dem Zeitpunkt war die hälfte das Weeds verraucht.

Zum Abend hin, ich war mittlerweile extrem übermüdet, wurde mir sehr schwindelig und ich legte mich ins Bett und schlief ein, für ca 3 Stunden habe ich geschlafen.

Es war nicht viel, aber der Anfang des besser werdens.

Also ging es weiter, Serien, Gras, schmerzen.

Mittwoch merkte ich langsam dass es von jetzt an besser wird, zwar nicht viel, aber etwas. Ich konnte mich ab und an sogar im Internet mit Leuten verständigen, und lag nicht einfach nur auf der Matratze rum. Dennoch war ich lang nich übern Berg. Die Nacht zu Donnerstag glich der davor, kaum schlaf.



Donnerstag ging es zu meinen Eltern, das war eine spontane Eingebung, von dort aus konnte ich auf gar keinen Fall an Tramal kommen, der Drang einfach was zu nehmen damit der Schmerz aufhört war immernoch sehr präsent. Ich hab dort wieder viel gekifft, und rumgelegen(meine Eltern wussten natürlich über alles bescheid und halfen mir wo sie konnten).

Abends bin ich ans Medizinschränkchen meiner Eltern und fand dort Diazepam, 4x5mg Tabletten. Davon hab ich zwei eingeworfen, noch etwas geraucht und die Nacht durch geschlafen - es war ein gutes Gefühl.

Der Morgen jedoch fühlte sich irgendwie falsch an, leer, wie eine Geisterwelt, obwohl alles normal war..

Die Entzugssymptome wurden stetig weniger, aber waren immernoch mehr oder weniger unerträglich, da ich eine innere leere verspürte.. das kann ich leider nicht in Worte fassen, es war einfach ein furchtbares Gefühl, ich war froh noch Weed zu haben.



Abends hab ich dann wieder 2x5mg Diazepam genommen, und konnte wieder schlafen. Am nächsten Tag gings mir recht gut, von da an gings bergauf.

Ich konnte mich zwar immernoch nicht für Dinge die ich sonst in meiner Freizeit gern tue begeistern, aber ich war kein Zombie mehr, der zu nichts in der Lage war..

Die nächsten Tage hab ich dann völlig ohne Gras oder andern Sachen überstehen müssen, aber es war machbar, das schlimmste lag nach einer Woche hinter mir.

Für einen Menschen der nie etwas mit Drogen zutun hatte, wäre das was ich nach einer Woche noch spürte sicher die reinste Hölle gewesen.. aber verglichen mit den ersten Tagen war es der Himmel auf Erden.



Ich hatte in der Zeit danach öfter die Möglichkeit einfach so Tramal zu bekommen und zu nehmen, aber ich wollte nicht, aus tiefstem Herzen wollte ich nicht.

Ich glaub die psychische Abhängigkeit hab ich schon recht früh, während ich noch meine Höchstdosen an Tramal nahm überwunden gehabt.. aber das körperliche war die reinste Hölle.

Erst ca 2-3 Monate nach diesem Freitag mit den letzten Tabletten merkte ich gar nichts mehr von den Entzugserscheinungen.

Ich bin sehr froh, und irgendwie auch stolz, dass ich es ohne Hilfe anderer geschafft habe davon wegzukommen(auch wenns nicht beim ersten Anlauf geklappt hat) - und kann auch nur jedem abraten Tramal zu nehmen um es zu missbrauchen(oder allgemein bei einer Verschreibung von Tramal um etwas anderes bitten).



Ohne die Menge an Gras(die hier knappe 150€uronen kostet) hätte ich es definitiv nicht ausgehalten, da bin ich mir sicher. Die Diazepam hätte ich nicht unbedingt gebraucht, aber auch die haben mir geholfen.(Vorsicht! Suchtverlagerung löst keine Probleme).



Ich hoffe ich kann hier denjenigen irgendwie Mut machen, die noch nicht so lange wie manch andere Tramal nehmen(ich will gar nicht wissen wie der Entzug nach 10+ Jahren ist...) -es ist machbar! Allerdings fiel mir noch nie eine Sache im Leben so schwer, wie aufzuhören mit dem Zeug.



Ich nehme seit ich davon weg bin die ganze Welt wieder ganz anders war, Essen schmeckt besser, gerüche sind intensiver, usw. Am besten kann ich es als dunklen Schleier beschreiben, der weggezogen wurde(den ich mir selbst auferlegt habe).

Im nachhinein merke ich erst wie sehr ich unter dem Tramal gelitten hab, genau wie mein soziales Umfeld.

Ich musste mir selbst eingestehen, dass das Tramal ein Problem geworden ist, vorher konnte ich nicht davon weg kommen.. Aber nunja, nun lebe ich Tramalfrei und bin so viel Glücklicher als ich es je mit Tramal hätte sein können. Auch wenns "nur" ~2,5 Jahre waren.



Anmerkung nach nochmaligem durchlesen:

"ohne Hilfe anderer" - damit meine ich, dass ich das alles selbst durchorganisiert hab etc. Bei meinen Eltern wars halt so "Hotel Mama" mäßig, geredet oder so wurde nicht viel über das Thema.

Mir fällt auch auf, dass sich die ersten ~3 Tage des entzuges viel harmloser lesen lassen als ich sie empfunden habe. Ich glaub, man muss sowas erst selbst erlebt haben damit man sich ungefähr vorstellen kann wie es ist. Ich denk immer wieder drüber nach wie schlimm wohl andere dran sind, die länger Abhängig waren oder härtere Sachen genommen haben und dann entzogen haben.

Und eins noch: "kalt entziehen" ist vermutlich nich der richtige ausdruck für das was ich hier gemacht habe, damit wollte ich nur zum Ausdruck bringen, dass ich nicht langsam abdosiert hab oder so, sondern einfach von jetzt auf gleich nichts mehr genommen habe von dem Tramal. Wie gesagt, Gras war mit im Spiel - und vermutlich der entscheidende Faktor für den Erfolg.

Die Diazepamtabletten waren zwar ganz nett als Hilfe, aber im nachhinein betrachtet hätte ich es auch ohne sie geschafft, war halt nice to have.

Und noch einmal: wenn ihr nicht UNBEDINGT müsst, nehmt kein Tramal.