Tripbericht lesen

Übersicht:

Titel:Die Zerissenheit des Augenblicks
Drogen:Mischkonsum von LSD, Ketamin, Cannabis und MDMA (Reihenfolge vom Autor festgelegt)
Autor:souljacker
Datum:05.09.2017 17:09
Set:Letzter Abend eines wundervollen Festivalwochenendes, übernächtigt und leicht verunsichert
Setting:Zeltplatz --> Audio-visuelle Kunstinstallation --> Fata Morgana Floor --> Zeltplatz
Nützlichkeit:9,20 von 10 möglichen   (15 Stimmen abgegeben)

Bericht:

1. Der Einstieg

Wir fassten uns an den Händen und traten in den Raum, in dem die audiovisuelle Installation aufgebaut war. Boom

Lights Out. Zack. Ein einzelner Stroboskop Lichtblitz erhellt den Raum, so kurz, dass weder dessen Dimensionen , noch die genaue Anzahl von Menschen im ihn einschätzbar
sind. Sämtliche Orientierung? Verschwunden. Zack Zack Zack. Woah. Meine Augen werden von dem grellen Licht geblendet und können die plötzliche Dunkelheit erst Momente später wirklich verarbeiten. Fade to Black. Za-zazazazazack. In unterschiedlichem Tempo werde ich mit Licht und einem tiefen Bass bombadiert. Ich verliere sämtliches Raum-
Zeit-Gefühl.

Halluzinationen aus einer fremden Dimension fließen pulsierend durch meine Wahrnehmung.


Durch den Nachzieheffekt bildeten sich aus dem ständig anders aufflackernden Raum abstrakte Muster und Formen, wie ich sie von Pilz-Closed-Eye-Visuals kenne. Ich verlor die erste Hand nach wenigen Sekunden und die zweite auch nach kurzer Zeit. Nun ich war ich auf mich allein gestellt. Der Raum wurde grün und ich konnte zum ersten Mal so etwas wie eine Umgebung wahrnehmen. Doch da war alles voller Nebel. Obwohl die Lichter wieder leuchteten konnte ich noch immer nichts sehen. Rot. Blau. Zack Zack. Das Programm war unberechenbar und perfekt mit der „Musik“ abgestimmt. Diese war abstrakt, strukturlos, energetisch und aufladend. Sie verstörte mich und trieb mich an, sie versuchte mich zu zerreißen und mein Kopf drohte in einer gigantischen Explosion in das Universum zu implodieren.

Vom ersten Moment an wusste ich, da musste ich nun durch. Doch nach nur kurzer Zeit musste ich mich auf den Boden setzen. Es war einfach zu viel. Im Schneidersitz konzentrierte ich mich auf mein tiefstes Inneres und versuchte den Kampf gegen den Rausch zu gewinnen. Ich verlor. Ich faste mit meiner rechts Hand auf den kühlen Boden, um wenigstens zu wissen, wo unten ist. Ich spürte die Energie der Erde durch mich durch fließen. Durch meinen hoch nach oben gestreckten linken Arm bahnte sie sich ihren Weg in den endlosen Raum, der mich umgab. Der Zustand des absoluten Terrors durch die absolute Auslieferung an den Moment war plötzlich kein negativer mehr, er war eine Herausforderung und eine Aufgabe an der man wachsen konnte. Ich sah den Weg vor mir und atmete tief ein und aus. Ein und aus, immer wieder.

Ich wünschte ich wäre frei.

Ich betrat den Weg und kämpfte mich weiter voran. Vor meinem inneren Auge bildete sich eine goldene, geschlängelte Linie, die zu einem Märchenschloss des Glücks führte. Bäume und Wälder, Strukturen und Organismen, Linien, Formen, Farben, Emotionen, und das Ich. Euphorie und Ekstase breiteten sich in und vor mir aus, als ich den Kampf gegen den Rausch aufgab, indem ich meine Angst fallen ließ.

Ich bin frei.

Video zur audiovisuellen Installation:
https://www.youtube.com/watch?v=EBTM6Iao604&list=PL0Z8_HTnTi5fzxFK_3N4sv2dP0WbQQSvw

"SOLID STATE is an audio-visual installation, which deals with rave experience and transcendence.
The room is transformed through the use of light, fog and surround sound into a multi-sensory hallucinative and ecstatic state
"


2. Der Wendepunkt

„Na wer ist hier noch auf LSD?“ Viele „hiers“ überlagerten sich mit „Ichs (80 mcg)“. Gekicher. Ein Ohrenbetäubendes Brummen ließ alle aus ihrer Traumwelt hochschrecken. Es zog uns automatisch zum Ausgang, wo die Nebelabzugsmaschine angemacht wurde und mit dem Nebel verflüchtigten sich auch die Menschen aus diesem Raum. Draußen standen wir dann noch einige Zeit geplättet da und haben uns nur mit großen Augen angeschaut. „Alter“ „Boah“ „Ey, das Ding, ne?!“ Dann zogen wir weiter Richtung Zauberwald, machten nochmal kurz bei dem Gemälde halt, bei dem sich selbst aus Rauch/Nebel/Pixeln manifestieren konnte und als Gruppe unfassbar schöne Standbilder kreieren konnte, die sich dann bei Bewegung wieder in abstrakte Formen und psychedelische Muster auflösten. Wie ein Musik-Instrument oder ein interaktives Video konnte man mit der Leinwand vor einem interagieren. Phänomenal.

Es ging weiter zum Zauberwald, wo wir unser Totem besuchen wollten, dessen Überreste wir einen Tag zuvor dort als Deko aufgehängt hatten. Ein guter, solider Anlaufpunkt und wir hatten ja schließlich Maria Theresa von Flowerpower als Tripsitterin dabei, die uns erkältet und leicht ketaminisiert durch die zauberhafte verwunschene Welt vor uns führte. Wir fanden den Wald nach einer endlosen Reise und setzten uns an den Platz, wo unser Totem hing, doch es war nicht mehr da. Egal. Trotzdem schön hier.

Rückblick: Zwei Tage zuvor, 21:00 Uhr abends. Nach einer sieben Stunden Fahrt mit unserer sehr herzlichen und lieben Mitfahrgelegenheit kamen wir endlich an dem Festivalgelände an. Vier Freunde von uns waren schon vor Ort und hielten die Stellung, währenddessen sich am Horizont langsam aber sicher ein kleines Unwetter zusammen braute. Ich versuchte mein Zelt noch an dem Sandstrand des riesigen Sees aufzubauen, doch eine Begrüßungszigarette und ein Schluck Berliner Luft mit der lieben Maria Theresa von Flowerpower machten mir ein Strich durch die Rechnung. Das waren einfach fünf Minuten zu viel, die ich gechillt habe. Das Unwetter legte los und mein halb aufgebautes Zelt zerbrach unter der gewaltigen Last der rohen Naturgewalt vor mir komplett in sich zusammen. Egal. Dann halt beim Doctor und Mademoiselle schlafen. Wir verkrochen uns in unser Zelt, zogen etwas Speed und rauchten eine Tüte. Wow. Der Regen prasselte mit voller Wucht auf unser Zelt nieder, und über dem See konnten wir ein Blitzlichtgewitter von gewaltigem Ausmaß beobachten. Schön. Hier gefällt es mir.

Ich packte meinen Schirm und meine bunte Fieberglaspeitsche aus und wir kamen auf die Idee ein Totem zu basteln. Hier noch ein Kuscheltier dran, dort noch ein leuchtendes Armband und schon war es fertig, das Gerät. Leider war es trotz einer meisterhaften Tape Leistung von mir nicht stabil genug, um den zweiten Festival Abend zu überleben. So kam es dazu, dass Maria Theresa von Flowerpower und ich das Totem ein Tag zuvor hier im Zauberwald aufgehängt hatten.

Egal, trotzdem schön hier. Der Wald war geflutet von buntem Licht, das aus allen Ecken auf den dunklen Boden floss. Wir beschlossen Ketamin zu ziehen. Ich kannte den Mischkonsum in dieser Form noch nicht. Psychedelika und Dissoziativa zusammen höchstens in Form von Tryptaminen in Kombination mit Lachgas. Ich dachte kurz nach. Aber eigentlich hatte ich mich schon vor zwei Stunden dazu entschieden. Ich zog die Line und mir wurde ein Joint geraucht. Hmmm. Kiffen auf Psychedelika ist halt so eine Sache. Für mich macht es oft den doch sehr klaren, luziden Rausch sehr schwammig und wabbelig. Wie als würde sich ein Schleier über die Wahrnehmung legen, während sie zur selben Zeit verstärkt wird durch den Schleier. Ach. Ein zwei Züge können nicht schaden.

Wir machten uns kurz darauf auf den Weg zur Farta Morgana in unseren Köpfen. Am Floor angekommen setzte ich mich auf einen Stuhl in die hinterste Ecke und begann das bunte Treiben vor mir zu begutachten. Ich fühlte mich… seltsam. Meine gesamte Wahrnehmung vibrierte und ich merkte, wie die assoziativen Reize des LSD an einer dissoziativen, ketaminen Wand abprallten, alles vernebelt und verstärkt vom Schleier des Marihuana.


3. Die Zerrissenheit des Augenblicks

Ich war da und nahm alles vor mir bis ins kleinste Detail wahr, aber ich war auch komplett wo anders zugleich. Als wäre ich in einen ganz fiesen Dimensionsriss geraten. Und das Schlimmste war: Ich war der einzige in dieser Dimension. Alle anderen waren ganz wo anders. Ich fühlte mich nicht wohl, sagte halb gewitzt, halb ernst, „naja ist ja schon ein bisschen ne Gosse hier?“ und spürte die negativen Schwingungen der verletzten Leute um mich herum auf mich einprasseln. Oh man. Kein guter Einstieg in eine neue Gruppe toller, lieber, chillender und fröhlicher Menschen. Ich war raus. Ich war sowas von raus. Ich konnte mit meinem Zustand und meinem Konsum nicht mehr umgehen. Das ganze Wochenende über schon hat sich in meinem Kopf alles viel zu sehr um Drogen und Rauschzustände gedreht. Fünf Minuten zuvor war noch alles gut gewesen und das Wochenende war auf dem Weg als mein neues Lieblingsfestival in ewiger positiver Erinnerung zu verbleiben. Jetzt? Ich glaube das ist das letzte Electro-Festival auf das ich jemals gegangen bin. Plötzlich war alles, was eben noch höllisch witzig war und über das alle gelacht hatten nur noch stumpf, dumm und objektiv betrachtet maximal gehaltloser Bullshit. Und ich war ein großer Teil davon, auf meinem Thron im Keta-Floor. Die schlechten Gedanken breiteten sich in meinem Kopf und ich wusste, wie ich die Situation entschärfen konnte, ich musste einfach nochmal was liebes und nettes sagen und nachfragen, ob das jemand verletzt hat mit der Gosse, aber ich konnte nicht, denn in dem Moment, als ich das mit der Gosse sagte, meinte ich es auch mindestens ein bisschen so. Ich war gefangen in mir selbst, abgeschottet von all den positiven Vibrations um mich herum und verlor mich in einem Strudel aus Selbstmitleid, Abscheu und großer Enttäuschung von mir selbst.

Ich musste raus und auch die anderen merkten bald, das ich dringend weiter musste, auch wenn es hier ja total schön war und so. Alleine wollte ich nicht los, ich hatte Angst, doch ich wollte auch die anderen nicht nerven oder runterziehen, denn ich wusste, nichts von dem, was meine Lippen noch verlässt macht noch mehr Sinn. Mit großer Anstrengung konnte ich ihnen nach Verlassen der Stage erklären, dass ich bereits verstehe, was passiert sei, es jedoch auf keinen Fall erklären könne. Mir ging es einfach gar nicht mehr gut. Auf einem LSD Trip zu dem Entschluss zu kommen, dass man eigentlich gar nicht trippen will, gar nicht unbedingt trippen wollte, ist eine äußerst schlechte Bedingung für eine positive Weiterreise. Ich wusste nicht, ob ich allein sein wollte, oder nicht. Ich wusste gar nichts mehr, nur dass ich dringend Ruhe brauchte, um nicht völlig abzudrehen. Also zurück zum Zelt. Dort chillten wir noch kurz zu dritt, die zwei anderen blieben vorne bei der Musik. Maria Theresa von Flowerpower ging erschöpft und erkältet schlafen, the other guy wollte mich noch aufmuntern und mir zeigen, dass es alles Ansichtssache ist. Sehr diplomatisch, sehr vernünftig, sehr lieb, aber ich konnte nicht mehr rational handeln. Mir fehlte einfach die Kraft. Ich war erschöpft und ausgelaugt, traurig und niedergeschlagen. Nicht fähig mich zu bewegen, nicht fähig mich zu entscheiden, nicht mehr fähig zu sein. Ich war gescheitert in meiner kompletten Existenz. Alles brach zusammen und mir ihr ging auch ich unter. Die Euphorie des MDMA (ein Finger auf dem Weg zum Zauberwald ~maximal 50 mg) verwandelte sich in tiefe Trauer und Melancholie. Ich war komplett hilflos. Mit letzter Kraft faste ich den Entschluss zur nächsten Musik zu steuern und dieses Zelt der wirren Gedanken zu verlassen.

Ich stand vor unserem Zeltplatz am Strand. Der Winde wehte mir eiskalt ins Gesicht, als ich mich umschaute und all die Zelte von den Tagen zuvor vermisste. Es war schon echt ganz schön leer mittlerweile, ganz schön viele abgereist. Letzter Abend ist halt schon nochmal was ganz spezielles. Definitiv nicht der beste Abend für eine LSD Erfahrung nach einer durchmachten Nacht. Ich weiß es doch eigentlich. Wie konnte ich nur so die Kontrolle verlieren? Wohin? In Richtung der Musik wimmelten tausend Lichter wild umher. Wie ein lebendiger Organismus lebte das Festival auch ohne mich noch mit voller Energie weiter. Sie brauchten mich nicht. Ich drehte um. Ich lief im Kreis. Auf und ab. Immer wieder. Wohin?

Wohin?

Am Strand weiter unten sah ich ein einzelnes leuchtendes Licht und hörte drei Frauen mit beruhigenden, normalen Stimmen reden. Ich fasste mir ein Herz und steuerte wie ein Glühwürmchen zielstrebig zum Licht der Hoffnung vor mir. Hilfe. Ich brauche Hilfe. Ich brauche seelischen Beistand. Mir geht es nicht gut. Ich habe Scheiße gebaut. Helft mir. Bitte helft mir.

Danke.


4. Die Heilung

„Hey. Hat hier vielleicht mal jemand ein bisschen Zeit für seelischen Beistand?“

„Ja. Geht es dir nicht gut? Ja klar, setz dich hin, was ist denn passiert?“

„Ja mir geht’s nicht gut. Boah, danke, das ist echt lieb.“

„Was ist denn los?“

„Puh. Das ist ne äußerst komplizierte Geschichte. Ich weiß auch nicht. Ich fühle mich so zerrissen innerlich und… alles ist so seltsam… ich bin enttäuscht von mir selbst es… ist... schwer zu beschreiben… ich war vorne und es war alles gut und dann… ich weiß auch nicht… es… auf einmal…“

Große verwirrte Augen starren mich an. Ok verkack es jetzt nicht, was wolltest du sagen?

„Ach ich bin voll drauf“, sagte ich enttäuscht und mit einer Prise Humor versehen. Gelächter. „ Ja das haben wir schon gemerkt! Was hast du denn genommen und wie geht’s dir, erzähl doch mal?“

Ich erzählte ihnen von meinem Abend. Stück für Stück konnte ich mehr von mir preisgeben. Die drei waren halt auch noch dazu die beste Anlaufstelle, an die geraten konnte sonntagnachts um halb drei. Zwei von ihnen waren Sozialpädagoginnen und alle hatten an dem Abend ein Radler getrunken. Hammer. Ihr seid genau die richtigen im Moment für mich! Sie fütterten mich mit Nüssen und gaben mir einen Apfel in die Hand. Ich wurde liebevoll mit einer Rettungsplane umwickelt und die Kälte an meinem Körper wurde erträglicher, die Kälte in meinem Herzen war wie weggeblasen. Ich spürte, wie sich mein Gedankenkarussell beruhigte und ich nach und nach immer ruhiger und entspannter wurde. Sie überlegten, ob sich mich mit nach Hause nehmen und als DHL Express Paket per Nachnahme nach Hause zu mir schicken sollten. Ein schöner Gedanke. Danke, ihr seid super.

Nach etwa einer halben Stunde gingen die Mädels langsam schlafen und ich verabschiedete mich mit einer herzlichen Umarmung und tausend Dankeschöns von ihnen. Der erste Schritt war getan. Ich stolperte zu meinem Zeltplatz zurück, bereits auf dem Weg merkte ich, dass das eben noch verspürte wohlige Gefühl wieder etwas geringer wurde und ich dringend neue tolle Menschen brauchte, bei denen sich sein durfte. Außerdem war es erst halb drei, wie ich von ihnen erfahren hatte. Ich hatte also durchaus noch ein paar Stunden Trip vor mir.

Am Ende des Strands sah ich ein Lagerfeuer brennen und ohne groß zu überlegen machte ich mich auf den Weg zu dem funkelnden und warmen Licht. Dort angekommen stellte ich fest, dass die Menschen hier gerade am Schlafen gehen waren, es war aber natürlich ok, dass ich mich kurz aufwärmte. Außerdem überlegten sie, das Lagerfeuer brennen zu lassen, ich könne ja drauf aufpassen und es löschen, wenn ich heimgehen würde. Hm. Ich sagte lachend zu ihnen: „Ich glaube ich bin gerade nicht die richtige Person, um auf ein Feuer von diesem Ausmaß verlässlich aufzupassen.“ Wir wärmten uns noch eine Weile an den hypnotischen Flammen, mein Blick war gefesselt von der brodelnden Glut vor mir. Schließlich wurde die Entscheidung uns sowieso abgenommen, da zwei Leute vom Festival kamen und sagten, dass Lagerfeuer leider nicht ginge und wir es bitte ausmachen sollten. Perfekt. Dann musste ich also doch nicht auf das Feuer aufpassen. Einen kurzen Augenblick später. Eben waren hier noch einige Menschen an einem riesigen Lagerfeuer gesessen, nun stand ich völlig alleine an einem dunklen Strand und blickte hoffnungsvoll in die brodelnden Glutreste, die weiter am Boden vor sich hin funkelten.

Mit müdem Schritt ging ich zurück zum Zelt. Ich fühlte mich schon viel besser, doch die negative Erfahrung saß mir immer noch tief in den Knochen. Ich versuchte noch ein paar Mal zu schlafen, aber beschloss letztendlich, dass es jetzt auch schon egal sei und ich einfach durchmachen sollte. Lieber dann schon einmal ein bisschen aufräumen und Wasser für uns holen und so. Mit dem Aufgang der Sonne hinter dem bewölkten Himmel waren die letzten Zweifel vergessen. Ich kämpfe mich da jetzt noch durch und dann kann ich auf der Heimfahrt ja pennen, ganz entspannt nicht jetzt hier zwischen Tür und Angel und im Stress, das wird eh nichts. Ich traf noch ein paar Leute, denen ich von meinem Abend erzählte und die ich nach ihrem Wochenende fragte. Alle waren ziemlich begeistert. Aber dass es einigen auch ein wenig zu krass vorkam mit dem Konsum bestätigte mich weiter daran, dass ich nicht total verrückt geworden bin in der Fata Morgana, sondern da schon was Wahres dran war an meiner Wahrnehmung und meine kritische, negative Haltung dem Konsum gegenüber sicherlich nicht völlig aus der Luft gegriffen war.


5. Die Verarbeitung

Eine Woche ist es jetzt her, als wir unser Zelt an diesem wunderschönen Sandstrand, an diesem wunderschönen Ort aufbauten um mit all diesen wunderschönen Menschen ein paar Tage zusammen in einer anderen Welt zu verbringen. Alles war schön, alles lief super, bis zum Wendepunkt. Die Zerrissenheit des Augenblicks war eine grausame Erfahrung, die ich niemandem wünsche. Es kann so schnell gehen. Man sollte immer mit einkalkulieren, dass man bei wenig Schlaf und viel Feierei am letzten Tag eines solchen Festivals nicht nur körperlich, sondern auch psychisch etwas angeschlagen sein kann. Beziehungsweise angeschlagen ist vielleicht das falsche Wort. Eher hypersensibel. Da muss man nur einen schlechten Entry haben, einen dummen Satz sagen oder hören, einen Witz nicht verstehen, einmal den eigenen Namen zu oft hören und schon wird aus einem positiven, oberflächlichem Spaß bitterer ernst, der tiefe Wunden in der eigenen Psyche hinterlassen kann. Ich hatte Glück, dass ich noch die Kurve gekriegt habe, auf der Heimfahrt habe ich trotzdem noch viel geweint und war todtraurig, dass ich den letzten Abend so sehr verkackt hatte. Da kamen dann aber noch Beziehungsfragen hinzu, auf die ich hier nicht näher eingehen will. Nur so viel: Ich hab so ziemlich alles genauestens hinterfragt, was nicht bombenfest war und das war ungefähr nichts mehr in der Zerrissenheit des Augenblicks. Meine Psyche musste sich Stück für Stück erstmal wieder zusammenpuzzeln und heraus kam eine neue, andere Version meiner Selbst. Hoffentlich eine gewachsene und gestärkte Version. Das neueste Firmware Update wurde auf mein Hirn geladen, doch ich hatte nicht mehr genug Speicherplatz frei für dieses neue Update. Dazu litt meine Hardware unter mittelschweren Verschleißerscheinungen.

Und Jetzt? Installiert, voll einsatzfähig und bereit das Beste aus der Erfahrung zu machen, fing ich einen Tag nach der Heimfahrt mit diesem Bericht an. Die Distanz macht es leichter über das Erlebte zu schreiben. Ich merke, wie das Trauma von meiner Psyche erfolgreich immer weiter verdrängt wird und langsam auch immer öfter schöne Momente aus den Vortagen durch den Schleier der Trauer blicken. Mittlerweile bin ich soweit, dass ich sagen kann, dass es schon ein wunderschönes Festival war, nur am Ende ist es halt einfach komplett schief gelaufen bei mir. Ich bin schief gelaufen. Alle sind schief gelaufen. Vielleicht bin ich einfach ein bisschen schief.

Ein fettes Dankeschön geht nochmal an alle, die mir durch ihre Nähe, ihr offenes Ohr und ihre Umarmungen geholfen haben. Ohne euch hätte ich mich mit großer Wahrscheinlichkeit verloren in meinem Kopf und das Festival nicht erfolgreich verarbeiten können. Die Zerrissenheit des Augenblicks war ein Arschtritt den ich gebraucht habe. Vielleicht ist Die Zeit für Veränderung jetzt gekommen und ich besinne mich wieder mehr zurück auf die Sachen die wirklich wichtig für mich sind.