Tripbericht lesen

Übersicht:

Titel:Nuth - Das Teufelszeug
Drogen:Ether
Autor:Tetraflox
Datum:01.02.2011 12:54
Set:verschieden und egal
Setting:verschieden und egal
Nützlichkeit:8,95 von 10 möglichen   (63 Stimmen abgegeben)

Bericht:

Hab es mal unter "Ether" gestellt. Ist ja der einzige "Schnüffelstoff" hier.



Was ich hier beschreiben möchte sind meine Erfahrungen mit der, damals in der DDR in einigen Kreisen verbreiteten Unsitte einen Fleckenentferner namens „Nuth“ zu konsumieren. Also liegen diese Erfahrungen nun über 20 Jahre zurück. Ich war damals 14 Jahre alt, also grade voll in der Pubertät.

Drogen gab es ja in der DDR nicht. Drogen sind ja ein Zeichen des „kranken, sterbenden und parasitären Kapitalismus“ (Lenin). Also machte ich mir auch absolut keine Gedanken über die Schädlichkeit meiner so konsumierten Spaßmacher (Alkohol, Tabak, Cola + Waschpulver und dann eben auch Nuth). Zudem war ich auch schon damals depressiv und hatte irgendwie starke Todessehnsucht (na ja, ist ja heute auch noch so).

Was genau Nuth damals eigentlich war habe ich, trotz längerer Recherche, nicht herausbekommen. Ich glaube mich erinnern zu können, dass es ein Chlormethan war (Tetrachlormethan???). Jedenfalls gab es diesen Fleckenentferner nach der Wiedervereinigung in dieser Form nicht mehr! Als es dann Nuth wieder gab, hab ich das natürlich auch getestet, dazu später mehr.

Den ersten Kontakt mit Nuth hatte ich dann in einer ganz kleinen Stadt in meiner Nähe, wo ich mich damals regelmäßig rumgetrieben hab. Ein flüchtiger Bekannter namens Harry saß neben mir in der Bushaltestelle und hat sich immer was auf seinen Jackenärmel gekippt und dann eingeatmet. Das fand ich natürlich sehr interessant und hab dann gefragt, ob ich auch mal darf. Na klar durfte ich. Das Zeug gab es ja in jeder Drogerie für 75 Pfennige. Also rauf damit auf den Ärmel und ab geht’s…

So, was dann passierte war einfach unglaublich…

Dieser süßlich-chemische Geruch… Ich mochte es sofort! Schon nach dem ersten Einatmen war eine starke Wirkung zu spüren. Es wurde sehr warm, die Geräusche verfremdeten sich (wie bei Lachgas oder Butan). Der nächste Zug… Immer stärker wurde das Wärmegefühl und ich wurde sehr stark aus der Realität weggezogen. Noch ein Zug und ich war in einer Welt, die mich bis heute fasziniert und irgendwie fertig macht.

Das waren keine Halluzinationen sondern Träume, ich glaub ich war irgendwie narkotisiert. Ich hab das ja recht häufig konsumiert, die Welt in die ich dann kam, war aber irgendwie immer dieselbe. So konnte ich mich dann irgendwann da so richtig zu Hause fühlen. Ich hab sehr enge Freundschaften geschlossen mit „Objekten“ in dieser Welt, denn alles war beseelt.

Eine dieser Traumvisionen war z.B., dass ich in einer Gondel auf einem Fluss gefahren bin, das Ganze sah so ähnlich aus wie der Spreewald, nur sehr viel märchenhafter. Ich kam dann immer an einer Brücke vorbei, deren Pfeiler waren dicke Frauen, die immer sehr nett zu mir waren. Weiterhin unternahm ich Reisen durch meinen Körper – immer dem Gas folgend. Ich flog mit dem Gas durch meine Lungen, konnte sehen wie sie sich zusammenziehen und wieder ausdehnen. Die Oberfläche war mit kleinen Haaren bedeckt, die sich wie im Wind hin und her wiegten. Das alles natürlich in spektakulären Farben. Andere Reisen unternahm ich z.B. auf meiner Bettdecke. Ich war mikroskopisch klein und somit wurde die Bettdecke zu einer gigantischen Landschaft, mit Bergen und Tälern, Seen und so weiter. Ich stand regelrecht neben mir, ich war ja ganz klein und so war mein (realer) Körper ein Gebirge an dem ich entlang durch diese Landschaft wandern konnte. Es war sehr schön. Na ja…

Diese Träume dauerten im Realen ein paar Minuten. Je öfter ich nachlegte, umso länger wurden die Träume. Da ich meistens irgendwo im Freien konsumierte lag ich auch meistens irgendwie im Dreck und sah auch entsprechend aus. Eines Tages dann hatte ich reichlich konsumiert und war schon so eine halbe Stunde weg. Da rief dann eine Bekannte den Krankenwagen. Ich bin zu mir gekommen und sah Blaulichter. Ich wusste sofort, dass die wegen mir da waren. Gegenüber war ein Hotel. Ich hab dann meine Beine in die Hand genommen und bin erst mal in das Hotel rein, dreckig wie ich war. Ab durch das Restaurant ins Klo. Da hab ich dann versucht aus dem Fenster zu flüchten, hab leider nicht durchgepasst. OK, durchatmen… Hab mich dann versucht bisschen zu reinigen um unauffällig da irgendwie rauszukommen. Als ich dann die Tür aufmachte, da standen die Weißkittel auch schon vor mir. Anstatt ins Krankenhaus ging es direkt zu meiner Mutter und meinem Stiefvater nach Hause. Na die waren begeistert! Mein Stiefvater gab mir erst mal voll eine auf die zwölf, aber richtig! Gut, dann folgten 8 Wochen Stubenarrest. Was natürlich witzig war, ich wurde jeden Tag zum Einkaufen geschickt. In der Kaufhalle gab es zwar kein Nuth, aber einen anderen Fettfleckenentferner. Der hat nicht so heftig geballert, aber ich hab ihn benutzt um so langsam runter zu dosieren. Dann hab ich erst mal die Finger davon gelassen.

Nun kam die Wende und damit auch Cannabis, LSD und XTC. Nichts davon hat mir aber meine so geliebte Traumwelt zurück gebracht. Eines schönen Tages dann erzählte mir mein damals bester Freund (hat sich leider kurze Zeit später erhängt), dass er wieder Nuth im Laden gesehen hat. Da hab ich mich natürlich sehr gefreut und ihm gesagt, dass er mir mal 2 Flaschen mitbringen soll. Hab ihm dafür dann 2 Pappen gegeben.

Also ging es wieder mal los. Ich hab sofort gemerkt, dass es nicht mehr das war, was ich kannte. Es hat zwar ähnlich gewirkt, aber wie auch bei Lachgas oder Butan, hat es nicht diese Tiefe erreicht. Ich war etwas frustriert und hab auf Teufel komm raus rumgeschnüffelt. Irgendwann war ich dann auch ganz gut drauf und meine DDR-Fahne an der Wand fing an zu tanzen. Cool! Also weiter… Dann wurde es komisch.

Auf einmal fing alles an sich aufzulösen und alles wurde hellblau. Ich sah mich selbst von oben und beobachtete, wie sich mein Körper zusammen krümmt. Irgendwas stimmt da doch nicht! Ich merkte, dass ich nicht mehr atmete. Es ging nicht! Ich hab dann versucht die Luft in meinem Mund in die Lunge zu pressen. Das gelang mir nach einigen Versuchen auch. Das war so, wie bei einem Luftballon in den man reingesabbert hat, der klebt dann so komisch zusammen und es braucht etwas Kraft um diese Verklebung zu lösen. Na ja, als ich dann wieder atmen konnte bin ich erst mal aus dem Haus gerannt, auf die Straße, um zu sehen, ob noch alles so ist, wie vorher. Ok, meine Straße sah erst mal gut aus. Hab dann noch nach ein paar anderen Straßen abgecheckt, war alles wie vorher. Puh!!!

Dann realisierte ich aber, dass es das wohl war mit meiner Traumwelt. Ich werde dort nie wieder sein können. Das war mega-hart! Ich hab geheult wie ein kleines Mädchen. Es macht mich heute noch fertig an das Erlebte zu denken. So ist es auch jetzt. Ich kriege total das Zittern und bin fertig, wenn ich mich mit diesem Abschnitt meiner Vergangenheit auseinandersetze. Vielleicht hilft es mir ja, wenn ich diesen „TB“ veröffentliche. Ich versuch es einfach mal.

Jut…

Tut euch das nie an. Die Schnüffelstoffe die es heute so gibt haben nicht das Potenzial. Außerdem ist es einfach nur GIFT!!! Keine Droge hat mich so geschädigt wie dieses Zeug. Heute bin ich mit 36 Jahren ein körperliches und geistiges Wrack. Ich möchte mal gerne den Berg an ADs und NLs sehen die ich so in den letzten 20 Jahren vertilgt habe.

So, das war es von mir. Vielen Dank fürs Lesen und bleibt sauber!

Daniel.



Edit: Heute ist es nun also 24 Tage her, dass ich diesen "Bericht" geschrieben hab. Geholfen hat es mir wohl eher weniger. 4 Tage nach dem Schreiben bin ich dann in der psychatrischen Notaufnahme gewesen. Ich war irgendwie "drauf" und bin einfach nicht mehr runtergekommen - Ich hatte Angst, dass ich das nicht überlebe! Nun gut, es kommen noch einige andere Sachen hinzu (wie das Absetzten meiner Neuroleptika) aber das Ganze hat mich doch sehr verunsichert. Da können anscheinend ein paar Erinnerungen dazu führen, dass ich in eine Art "psychotischen Zustands" verfalle (hat mir dann mein Psychater gesagt). WTF!? Ich kann doch meine Erinnerungen nicht abschalten... Jeden Tag denke ich an meine Traumwelt, an die lieben, dicken Frauen und an einige andere "Freunde" die ich hier garnicht erwähnt habe.